Eine Jungfernfahrt mit Verspätung

Die Jungfernfahrt der „Fürth“ nach Australien
vom 24. August 1907 bis 26. Januar 1908

Die erste Fahrt der „Fürth“ von Hamburg ist für den 24. August 1907 terminiert. Für Europa werden noch zwei weitere Abfahrten des Schiffes von der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) angekündigt, nämlich für den 30. August von Antwerpen und den 2. September von Lissabon.

Abfahrt Nr. 49 D "Fürth"

Anzeige der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft am 16. Juli 1907 in der Zeitung „Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle“

Streik in Antwerpen

Dieser Fahrplan gerät gleich in Antwerpen gehörig durcheinander, denn die für den 30. August geplante Abfahrt erfolgte erst am 5. September, also sechs Tage später. Wahrscheinlich dürfte diese Verspätung in direktem Zusammenhang mit dem in Antwerpen seit Monaten andauernden Streik der Hafenarbeiter stehen. Zwar sah es noch Ende August nach einer Beruhigung der Situation aus:

Antwerpen, den 28. August.
Die Hafenarbeiter nahmen heute vormittag die Arbeit wieder auf.
(Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 29. Aug. 1907)

Die Meldung war jedoch trügerisch, da kurz darauf der Streik wieder in voller Härte entflammte:

Neue Streikunruhen in Antwerpen.
(T e l e g r a m m.)
Amtwerpen, 2. September.
Die Kohlen- und Metallarbeiter sowie die Lastträger legten heute, dem gestern gegebenen Losungsworte entsprechend, die A r b e i t nieder. Im Laufe des Vormittags kam es zwischen den Ausständigen und flämischen Arbeitern, die sich zur Arbeit begaben, zu mehrfachen Zusammenstößen. Die Ausständigen drangen in die Kornspeicher ein, wo sie die Räder der Lastwagen entwendeten und die Gerätschaften zerbrachen, und schleuderten Steine auf einen Dampfer, auf welchem englische Arbeiter tätig waren; die Engländer waren überall gezwungen, die Flucht zu ergreifen. Ein Kran, welcher der den Vorsitz in der Seevereinigung führenden Firma Steinmann gehört, wurde in die Schelde geworfen. Die Firma wandte sich an die Polizei mit der Bitte um Schutz, der Polizeikommissar gab indessen zur Antwort, die Polizei sei anderweit bereits völlig in Anspruch genommen. Es wurden daher Schritte beim Gouverneur getan, um Schutz von seiten der Armee oder der Bürgergarde zu erhalten. Allgemein herrscht große Erregung.
(Berliner Tageblatt, 3. Sept. 1907, S. 3)

Das in dieser aufgeheizten Lage kein ordnungsgemäßes und termingerechtes Beladen der Schiffe erfolgen konnte, ist nachvollziehbar.

De Engelsche ratten per Omnibus. Antwerpen 1907.

Englische Streikbrecher auf dem Weg in den Antwerpener Hafen; Anfang August 1907 arbeiteten über 2.800 Engländer auf 199 Schiffen. © BTB 100, Ten key moments in the history of the Belgian transport Workers‘ Union, Amsab-ISH 2013.

Weiterfahrt ohne besondere Vorkommnisse

Die Reise nach Australien verlief dann ohne weitere Vorkommnisse, Kapitän Saegert berichtet dem Newcastle Morning Herald and Miners’ Advocate (28. Okt. 1907) lediglich stürmisches Wetter im Indischen Ozean. Der Journalist ist voll des Lobes über das neue Schiff „Fürth“:

THE FURTH
The steamer Furth, now at Sydney, is one of the latest additions to the German-Australian Line, having been built recently at Flensburg. She carries 7000 tons dead-weight, and is equipped with all modern appliances indispensable to an up-to-date carrier. If required she can steam 12.5 knots an hour at sea, and on her present voyage she demonstrated her efficiency in this direction by covering the distance between the South African coast and Melbourne in 19 1/2 days. Captain Saegert reports having had an uneventful trip, although a good deal of tempestuous weather was met with in the Southern Ocean.
(Newcastle Morning Herald and Miners’ Advocate, 28. Okt. 1907)

In Sydney

In Sydney selbst war das Schiff zunächst in der Stadt, um dann in den Vorort Wooloomooloo Bay weiterzufahren, wo die DADG ein Kai hatte:

The Fuerth, of the German-Australian Line, from Hamburg and Antwerp via ports, will proceed to the company’s wharf, Wooloomooloo Bay.
(The Daily Telegraph, Sydney, Mo 28 Okt 1907, S. 10, SHIPPING)

Die Ladung

Für die Rückfahrt ab Sydney ist die Ladung der „Fürth“ gut dokumentiert:

The Furth takes 800 tons zinc concentrates, 600 tons coal, 394 tons lead concentrates, 300 tons lead, 20 cases meats, 70 tons flour, 10 cases biscuits, and a quantity of sundries.
(The Australian Star, Sydney, Fr 1 Nov 1907, S. 1, BIG CARGO STEAMERS SAILING)

Blei als auch Blei- und Zinkkonzentrate dürften dabei für Europa bestimmt gewesen sein, Kohle und Mehl dagegen für Südostasien. Das ist für diesen Fall nicht belegt, würde aber anderen Angaben aus dieser Zeit und späteren Fahrten der „Fürth“ entsprechen.

Numerous vessels moored at Woolloomooloo wharf, including MANNHEIM to the left. Mai 1914

Dampfschiffe im Hafen von Wooloomooloo, Mai 1914, links im Bild die „Mannheim“, Deutsch-Australische Dampfschiff-Gesellschaft; Australian National Maritime Museum on The Commons, Object no. 00017565

Man erkennt sehr schön, dass auch die Schiffe rechts DADG-Schiffe sind. Sie haben alle die charakteristische Schornsteinmarke, einen schwarzen Ring oben, dann einen weißen und einen roten Ring, die gleichen Farben wie die der Kontorflagge der DADG.
Die „Fürth“ kann nicht unter diesen Schiffen rechts sein, sie war im Mai 1914 zwischen Antwerpen und Port Elizabeth (Südafrika) unterwegs.

Auch für die Ladung, die im folgenden australischen Hafen Townsville aufgenommen wurde, liegt ein Exportbericht vor, diesmal mit Angabe der Zielhäfen:

Fleisch für Europa

150 Kisten Fleisch für Antwerpen, 250 Kisten Fleisch für Rotterdam und für Hamburg
2 Kisten „shells“ und 7 Fässer Wursthüllen. (im Originaltext heißt es „2 cs shells“ und
„7 cks casings“).
Daily Commercial News and Shipping List, 25 Nov 1907 Seite 2

Anmerkung zu „shells“: Verschiedene Schnecken- und Muschelschalen (z. B. Perlmutt) wurden von Australien für die Herstellung von Knöpfen oder Schmuck exportiert.
Anmerkung zu „casings“: Casing heißt zwar allgemein auch Gehäuse, aber die Verpackungseinheit „casks“, also Fässer, als auch die wichtige Fleischindustrie in Queensland legen nahe, dass es sich um „sausage casings“, also Wursthüllen handelt.

Bahnschiene trifft Kopf

Aus einem Unfallbericht erfahren wir, dass in Townsville Bahnschienen von der „Fürth“ abgeladen wurden. Hier das sehr ausführliche Original ungekürzt:

Provincial Pickings. (From Our Exchanges.)

FALLING TRAMRAIL.

A serious accident happened a man named Robert Woods, a waterside worker, who resides on Railway Estate, on Thursday afternoon, when engaged in discharging cargo from the German-Australian Steamship Company’s Furth, at the northern anchorage (says the Townsville Bulletin of 8th November). With others Woods was working down the for’ard (sic) hold of the vessel, unloading tramrails for this port. One of these, by some means or other fell from the sling and struck Woods on the top of the head.

The nature of the injuries indicates that he was struck by the two edges of the rail, the result being the infliction of two severe cuts-one 3 inches long, and the other an inch longer. The accident took place between 4.30 and 5 o’clock. The wounds were temporarily dressed on board, and the injured man was transferred to the Baratta, which set out at once for town. The journey was accomplished in an hour and ten minutes, which shows that no time was lost, as the journey was very rough and against a strong head wind. Immediately on arrival at the wharf, the Ambulance Brigade were telephoned for, and were speedily on the scene. Dressings were applied, and the injured man was taken to the hospital, where it was found that several stitches were necessary. These were not put in on Thursday night, as the wounds were not in such a condition as to make this practicable. The injuries are of a somewhat serious nature, but Woods, though suffering great pain, did not lose consciousness. On inquiry at the hospital late last night it was found that chloroform will have to be administered while the stitches are being put in.
(The Telegraph, Brisbane, Mi 20 Nov 1907, S. 7).

Über Arbeitsunfälle dieser Art wird im Folgenden leider noch öfter zu berichten sein.

Kopra für Europa

Eine weitere Information zur Fracht der „Fürth“ finden wir in Marseille:

Am 5. Januar 1908 haben insgesamt 18 Dampfschiffe in Marseille festgemacht oder sind von hier abgefahren. Unter den ankommenden Schiffen war unsere „Fürth“ mit 6.200 Tonnen Kopra, Häuten und anderen Waren, wovon 1.200 Tonnen für Marseille bestimmt waren:

Le mouvement des navires dans les ports de Marseille a été, hier, de dix-huit vapeurs et de quatre voiliers, entrées et sorties comprises.
SONT ARRIVES. – …
…le Fürth, de Makassar, avec 6.200 tonnes de coprah, peaux, etc., dont 1.200 tonnes pour Marseille
Le Petit Marseillais, 6.Januar 1908, S. 2, MOUVEMENTS DES PORTS (www.retronews.fr)

Anm.: Kopra ist das getrocknete Fruchtfleisch von Kokosnüssen. Die Häute sind leider nicht näher bezeichnet, wahrscheinlich Häute vom Rind oder vom Wasserbüffel.

Am 26. Januar 1908 war die „Fürth“ zurück in Hamburg.

Die Jungfernfahrt im Detail

Und hier die aus den Schiffsmeldungen rekonstruierte detaillierte Fahrtroute der Fürth auf ihrer Jungfernfahrt vom 24. August 1907 bis zum 26. Januar 1908:

German-Australian Liner "Fürth", maiden voyage from 1907, August 24th to 1908, January 26th

Jungfernfahrt der „Fürth“ vom 24. August 1907 bis zum 26. Januar 1908 auf der Linie 3 der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG)