Archiv für den Monat September 2020

Dampfschiff Neumünster 1907

Pläne zur Rekonstruktion des Dampfschiffes „Fürth“

Aus dem Schifffahrtsmuseum Flensburg

Titelbild: Zeichnung der „Neumünster“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg (Ref. BN_269). Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass sämtliche Bildrechte beim Schifffahrtsmuseum Flensburg liegen und jegliche Nutzung dieses Bildes der Genehmigung des Rechteinhabers bedarf.

DigiPEER

Vor einiger Zeit hatte ich den Generalplan des Schiffes „Lübeck“ vorgestellt, der im Rahmen des Projektes DigiPEER digitalisiert worden war. SIEHE Das Projekt DigiPEER

DigiPEER war ein Projekt, ich zitiere, zur „Digitalisierung wertvoller Pläne und technischer Zeichnungen zur Erfassung und Erschließung des Raums im 20. Jahrhundert“.

Die „Lübeck“ war dem Schiff „Fürth“ sehr ähnlich: sie war auf der gleichen Werft ebenfalls für die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) gebaut worden, sie hatte eine ähnliche Größe und zwischen dem Bau beider Schiffe lagen gerade einmal sieben Jahre.

Die Pläne der „Reichenbach“ und der „Neumünster“

Die beiden heute gezeigten Pläne sind von Schwesterschiffen der „Fürth“ und haben daher Gültigkeit für die gesamte „Hagen-Klasse“, also die Schiffe „Hagen“, „Reichenbach“, „Plauen“, „Neumünster“, „Fürth“, „Osnabrück“ und schließlich „Hanau“.

Erhalten haben sich beide Pläne im Archiv des Schifffahrtsmuseums Flensburg, welches sie als Leihgabe von der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft erhalten hat, der Werft, die in den Jahren 1906 und 1907 diese Schiffe für die DADG in Hamburg gebaut hatte.

Dampfschiff Reichenbach, 1907, Generalplan

Generalplan der „Reichenbach“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg (Ref. FSG_267). Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass sämtliche Bildrechte beim Schifffahrtsmuseum Flensburg liegen und jegliche Nutzung dieses Bildes der Genehmigung des Rechteinhabers bedarf.

Generalplan der „Reichenbach“

Eines der Dokumente ist der Generalplan des Schiffes S.D. „Reichenbach“. Das S.D. vor dem Namen steht für Schrauben-Dampfer.

Im oberen Teil des Planes sehen wir den Aufriss, also die seitliche Ansicht der „Reichenbach“. Darüber von links nach rechts eine Aufsicht auf das Bootsdeck, auf das Brückendeck und auf das kleine Peildeck.

Unter dem Aufriss sind zwei Aufsichten, die obere auf das Hauptdeck mit der davon abgesetzten Back (rechts im Bild )und die untere auf das Schottendeck mit dem offen liegenden Welldeck zwischen der Back und dem Hauptdeck.

Links auf dem Plan befindet sich eine Schnittzeichnung. Diese ist zweigeteilt und zeigt links einen Schnitt durch den Laderaum und rechts einen Schnitt durch den Kesselraum.

Darunter ist eine Aufsicht auf das Zwischendeck beim Maschinen- bzw. Kesselschacht und ganz unten eine Aufsicht auf das Tanktop (die Tankdecke des Doppelbodens).

Dampfschiff Neumünster 1907, DADG

Zeichnung der „Neumünster“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg (Ref. BN_269). Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass sämtliche Bildrechte beim Schifffahrtsmuseum Flensburg liegen und jegliche Nutzung dieses Bildes der Genehmigung des Rechteinhabers bedarf.

 

Zeichnung der „Neumünster“

Die gleichen Ansichten wie für den Schraubendampfer „Reichenbach“ zeigt eine farbig angelegte Zeichnung des Schiffes „Neumünster“. Hier ist das Schiff im Aufriss oberhalb der Wasserlinie farbig angelegt, ebenso die verschiedenen Aufsichten und der Schnitt.

Diese farbige Zeichnung war von der Werft vielleicht für eine Präsentation des Schiffes beim Kunden, also bei der DADG angefertigt worden. Wenn Sie so wollen, quasi ein handkolorierter Vorläufer eines PowerPoints. Bei einem Verkaufspreis von rund 1,2 Millionen Mark konnte man durchaus einen Zeichner diese aufwändige Arbeit machen lassen.

Anmerkung: Die Baupreise der Hagen-Klasse lagen pro Schiff zwischen 1,158 Millionen für das günstigste (und älteste) und 1,285 Millionen Mark für das teuerste (und jüngste) der Schiffe (Quelle: Harms, 1933)

 

Über den Schiffbau

Der Schiffbau wird von Physik und Material bestimmt, aber auch durch regulatorische Rahmenbedingungen (Gesetzgebung, Vermessungsregeln, Vorschriften der Klassifikationsgesellschaften).

Beim Entwurf eines Handelsschiffes ist es wesentlich, die Hauptabmessungen und Völligkeitsgrade so zu wählen, daß das Schiff einerseits für seine Fortbewegung günstigste Form, also einen möglichst geringen Widerstand hat, andererseits aber auch genügend Tragfähigkeit und einen ausreichend nutzbaren Raum besitzt. Je nach der zu entwerfenden Schiffsgattung wird man z. B. beim Schnelldampfer größeren Wert auf schlanke Schiffslinien legen, beim langsamen Frachtschiff dagegen auf völlige Form, die einen guten Laderaum ergibt.
Quelle: Klassischer Schiffbau der Vorkriegszeit, Heinrich Herner, Salzwasserverlag; leicht abgeänderter Nachdruck des Originals (1926); abgerufen über books.google.fr

Der Schnitt durch Lade-/Kesselraum der „Reichenbach“ zeigt sehr schön die „völlige“ Form der Frachtdampfer der Hagen-Klasse, also die Optimierung der Schiffsform im Hinblick auf den Laderaum.

Reichenbach 1907, Schnittzeichnung

Generalplan der „Reichenbach“, Ausschnitt, © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg (Ref. FSG_267)

Ein Kompromiss muss beim Schiffbau im Hinblick auf Stabilität und Gewicht gefunden werden:

Die wichtigste Aufgabe bei der Gestaltung der Schiffsverbände ist bei ausreichender Festigkeit einen möglichst leichten Schiffskörper zu erhalten. In den letzten Jahrzehnten sind in dieser Hinsicht sehr große Fortschritte gemacht worden, indem man die Bauteile in höchster Ausnutzung des Werkstoffes angeordnet hat.

Interessant ist, dass bereits bei Erscheinen des Buchs im Jahr 1926 die Überlegenheit der Schweißtechnik im Schiffbau bekannt war, diese sich aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg durchsetzen konnte:

Ein weiterer Weg zur Gewichtsersparnis ist die umfangreiche Verwendung der Schweißung im Schiffbau, da ein vollständig geschweißtes Schiff hauptsächlich durch Fortfall von Winkelflanschen und Nietköpfen 25-30% leichter wird als ein genietetes.

Über das Nieten im Schiffbau hatte ich an Hand eines Fotos der „Fürth“ auf der Helling in Flensburg berichtet. Auf dem Foto sind auch Werftarbeiter an drei Nietkochern zu sehen. SIEHE: Die „Fürth“ auf der Helling

Der Schiffbau wurde weiters von den Sicherheitsvorschriften der Klassifikationsgesellschaften bestimmt. Die Gesellschaft Lloyd’s Register hatte ich hier vorgestellt: SIEHE Die „Fürth“ in Lloyd’s Register. Das deutsche Pendant dazu war der Germanische Lloyd, der unter anderem detaillierte Vorschriften über Klassifikation und Bau von stählernen Seeschiffen vorgab.

Die Gesetzgebung stellte Mindestanforderungen an Sicherheit und Arbeitsbedingungen an Bord. Als Beispiel sei genannt die Bekanntmachung, betreffend die Logis-, Wasch- und Baderäume sowie die Aborte für die Schiffsmannschaft auf Kauffahrteischiffen.

Der Schiffbau hatte sich auch an den nationalen und internationalen Vermessungsregeln zu orientieren. Diese komplizierten Regelwerke führten zu bestimmten Schiffstypen, die bei der Vermessung günstiger abschnitten als andere und kleinere Raumgehalte möglich machten. Für die Reeder hatte dies Vorteile bei den Hafen- und Kanalgebühren (Suezkanal) oder auch bei den Versicherungspolicen. Zum Schiffsmessbrief der „Fürth“ und die mit der Vermessung verbundene Problematik siehe: Die Vermessung der „Fürth“

 

Welldecker

Schemazeichnung eines sogenannten Welldeckers; aus: Klassischer Schiffbau der Vorkriegszeit, Heinrich Herner, Salzwasserverlag; Nachdruck des Originals aus dem Jahr 1926; abgerufen über books.google.fr

Welldecker

Eine dieser vermessungstechnisch günstigen Schiffstypen war der sogenannte Welldecker, wie er auch in der Hagen-Klasse und somit bei der „Fürth“ umgesetzt wurde.

Der Name Welldecker leitet sich vom englischen Wort für Brunnen („well“) ab und weist auf das niedrigere Deck im Vorschiff hin, dass gegenüber dem Oberdeck abgesenkt war. Hier befand sich die Ladeluke 1.

Ein wesentlicher Grund für diese Bauform lag in der günstigen Vermessung:

Da der Welldecker wegen der großen Aufbaulänge sehr günstig vermessen werden kann, wendet man diesen Typ auch bei großen Schiffen für atlantische Fahrt an.
Quelle: Klassischer Schiffbau der Vorkriegszeit, Heinrich Herner, Salzwasserverlag; leicht abgeänderter Nachdruck des Originals (1926); abgerufen über books.google.fr

Von den Seeleuten wurde der abgesenkte Bereich mit der Ladeluke 1 auch als „Versaufloch“ bezeichnet. Bei schwerer See sammelte sich in diesem Bereich das Wasser, bevor es wieder ins Meer zurücklief.

Dieses „Versaufloch“ hat sich auf vielen Küstenmotorschiffen („KÜMOS“) bis etwa in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein erhalten, auf modernen Schiffen findet man es nicht mehr.

Die Reichenbach in Burnie

Auf diesem Bild ist das „Versaufloch“ rechts neben dem vorderen Mast gut zu erkennen; mit freundlicher Genehmigung des © Maritime Museum of Tasmania, Cyril Smith Collection vol. 11., https://ehive.com/collections/3906/objects/842355/reichenbach

 

Dampfschiff Reichenbach, 1907, Generalplan

Generalplan der „Reichenbach“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg (Ref. FSG_267).

Der Aufbau des Schiffes

Die „Fürth“ und ihre Schwesterschiffe hatten fünf Ladeluken. Zwischen Luke 1 und 2 sowie zwischen Luke 4 und 5 befanden sich die beiden Masten mit den Ladebäumen. Die Tragfähigkeit eines Ladebaums betrug 5 Tonnen, am vorderen Mast befand sich zusätzlich ein Schwergutladebaum für Lasten bis 15 Tonnen.

Auf dem Aufriss sieht man sehr schön auch die Besegelung mit vier Stützsegeln zur Abwetterung von Schwerwetter. Siehe dazu den Beitrag Tagebuch (11): Die „Fürth“ in den Roaring Forties und den fachkundigen Kommentar dazu.

Charakteristisch für den Schiffstyp war die Trennung von Brücken- und Maschinenhaus. Zwischen beiden lag eine weitere Ladeluke (Luke 3). Auf langen Fahrten ohne Landberührung diente der darunterliegende Laderaum 3 als Reservebunker für die Lagerung zusätzlicher Bunkerkohlen (1720 Tonnen), die nicht von den festen Bunkern (Kapazität 500 Tonnen) aufgenommen werden konnten.

Vor der Maschine konnte Fracht auf vier Ebenen untergebracht werden, in der Zeichnung von oben nach unten „Brücke“, „Zwischendeck“, „Unterdeck“ und „Raum“ bezeichnet. Alle Raumangaben sind in Kubikfuß (C.F.) notiert, alle Längenangaben in Fuß und Zoll.

Im hinteren Schiffsteil wurde der Raum über dem Doppelboden von der langen Welle zwischen Maschine und Ruder eingenommen, es gab ein Deck weniger. Die Decks sind auf der Zeichnung als „Poop“, „Zwischendeck“ und „Raum“ beschriftet.

Zusätzlichen Lagerraum bot die Vor- und die Achterpiek am Bug bzw. Heck des Schiffes. Diese Lagermöglichkeiten sind in der Zeichnung als „Stores“ benannt. In der Afterpiek lagen zusätzlich Öl-, Post- und Proviantraum (Anmerkung: der Ölraum ist auf dem Plan als Probekammer bezeichnet).

Im als Doppelboden konstruierten Schiffsboden sind Tanks für Frisch- und Ballastwasser eingebaut.

Die Mannschaftsräume befanden sich im Bug des Schiffes unter der Back, die Matrosen auf der Steuerbord- und die Heizer auf der Backbordseite. Zur Unterbringung der Mannschaft folgt ein eigener Artikel.

Kapitän, Offiziere und Stewards waren im Brückenhaus untergebracht. Die Kapitänskammer hatte ich bereits beschrieben. Dampfschiff „Fürth“: In der Kapitänskajüte. Vor der Kapitänskammer lag der Kartenraum und vor diesem der Steuerraum. Darunter lagen der Salon und eine Pantry sowie die Unterkünfte von Offizieren und Stewards und ein Sanitätsraum.

Anmerkung: Der mit Verwalter bezeichnete Raum dürfte von einem der Offiziere genutzt worden sein. Es sind nur drei Offizierskammern im Plan eingezeichnet, an Bord waren aber vier Offiziere (nach Harms 1933 ab dem Jahr 1904).

Generalplan Reichenbach 1907, Ausschnitt

Generalplan der „Reichenbach“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, Ausschnitt Peil- und Brückendeck, © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg (Ref. FSG_267).

Die Unterkünfte der Maschinisten und Köche lagen im Maschinenhaus. Dort befand sich auch Küche, Werkstatt, zwei Lampenräume, die Messe und Pantry der Maschinisten sowie Bäder und WCs. An den Seiten des Maschinenhauses befanden sich die Öffnungen für das Bunkern von Kohle.

Am unteren Bildrand ist die Gangway zum Betreten und Verlassen des Schiffes erkennbar.

Dampfschiff Reichenbach, Maschinenhaus, 1907

Generalplan der „Reichenbach“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, Ausschnitt Maschinenhaus, © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg (Ref. FSG_267).

 

Die vielen Halbkreise auf dem Hauptdeck zeigen die Lage der Lüfterköpfe an. Weiterhin sind an Deck die Dampfwinden zu erkennen (4 pro Mast plus zwei weitere seitlich an Luke 3); die beiden Ankerwinden auf der Back und eine Verholwinde auf dem Achterschiff.

Sicher kann man den Zeichnungen noch weitere Details entnehmen, ich will es allerdings bei den genannten Punkten belassen.

Modellbauer gesucht

Die Pläne der „Fürth“ beziehungsweise von zwei ihrer identischen Schwesterschiffe sind also noch vorhanden, jetzt fehlt nur noch ein erfahrener und begeisterter Modellbauer, der solch ein schönes Handelsschiff der Kaiserlich Deutschen Handelsmarine nachbauen möchte!

 

Die Geschichte der beiden gezeigten Schwesterschiffe finden Sie hier:

Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Neumünster“

Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Reichenbach“

 

 

Freight Tariff Europe Australia 1914

Dampfschiff „Fürth“: Frachtraten nach Australien

Kosten für Warentransport im Jahr 1914

In diesem Artikel geht es um die Frachtraten der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) im Jahr 1914 für den Warentransport nach Australien.

Das zugrundeliegende Originaldokument ist ein Jahrbuch der DADG aus dem Jahr 1914, dass die Reederei für ihre Kunden herausgegeben hatte. Ein Exemplar übergab die Reederei der Mitchell Bibliothek in Sydney im April 1914. Dort ist es noch heute. Siehe dazu: Die Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft 1914

Bevor ich auf die Tarife eingehe, erläutere ich zunächst einige Grundbegriffe des Stückgutverkehrs.

Titelbild: Frachttarife von Europa nach Australien im Jahr 1914; aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Leicht- und Schwergut

Für die Berechnung der Frachtsätze wurde zwischen Leicht- und Schwergut unterschieden. Leichtgut wurde nach Kubikmetern und Schwergut nach Tonnen (1000 Kilogramm) berechnet.

Bei Fixirung der Frachtsätze unterscheidet man zumeist zwischen Leichtgut (Maßgut) und Schwergut (Gewichtsgut).

Alle Güter, welche pro Kubikmeter mehr als 1000 Kilogr. wiegen, werden nach dem Gewichte verladen bezw. als Schwergut behandelt, alle Güter dagegen, welche pro Kubikmeter weniger als 1000 Kilogr. wiegen, sind als Leichtgut behandelt und werden nach dem Raume verladen.
Theorie und Praxis des Seehandelsgeschäfts, R. Stern, Sammlung kaufmännischer Lehrbücher, Verlag der Handels-Akademie Leipzig, 1898.

 

In Schiffswahl – “at ship’s option”

Im Kleingedruckten unter der Frachttabelle heißt es jedoch:

All rates are without primage, per ton of 1000 kilos or 1 cubic metre at ship’s option, unless otherwise stated.

“At ship’s option” oder zu Deutsch „in Schiffswahl“ bedeutet, dass die Reederei entweder nach Kubikmeter oder nach Tonnen berechnet und die höhere und damit für sie günstigere der beiden Frachtraten ansetzt. Daran hat sich bis heute nichts geändert, was der Auszug aus dem Jahr 2013 belegt:

Frachttonne, frachttechnischer Ausdruck bei Zuschlägen zur Seefracht, die Berechnungseinheit für „in Schiffswahl“ notierte Seefrachtraten. Die Seefrachtraten werden nach dem Gewicht (1000 Kilogramm, 1015 kg oder 1016 kg), dem Raummaß (cbm, 40 cbf) oder nach Maß/Gewicht (M/G, w/m = weight mesurement) „in Schiffswahl“ angewandt, d. h. daß der Verfrachter entweder Gewicht oder Maß der Sendung der Frachtberechnung zugrundelegen kann, je nachdem welche Berechnungsart die höhere Fracht ergibt.
Dr. Gablers Verkehrs-Lexikon, 2013, abgerufen über books.google.fr

Primage

Ein Frachtsatz setzt sich aus zwei Teilen zusammen: die reine Fracht oder Nettofracht („net freight“) und dem Frachtzuschlag oder Primage; beide zusammen sind die Bruttofracht („gross freight“).

Die in der Tabelle aufgelisteten Frachtraten sind Nettofrachten, daher sind noch 10 Prozent hinzuzufügen, um zur Bruttofacht zu gelangen (all rates are without primage).

Die Entstehung der Primage geht auf sehr alte Zeiten zurück. Sie war ursprünglich, und zwar in Deutschland unter dem Namen Kaplaken, eine außerordentliche Belohnung für den Schiffern die ihm von dem Befrachter gewährt wurde, um ihn zu reger Tätigkeit in seinem Interesse anzuspornen.
Das Seefracht-Tarifwesen, K. Giese, Springer-Verlag, 1919, abgerufen über books.google.fr

Von diesen 10 Prozent hat die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft die Hälfte an den Seehafenspediteur abgegeben:

Von dem Zuschlag wurde die Hälfte (5%) an die Ablader zurückgegeben.
Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Otto Harms (1933), Schröder & Jeve, Hamburg

Freight Tariff Europe Australia 1914

Frachttarife von Europa nach Australien im Jahr 1914; aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Australische Häfen

Die Frachttabelle (siehe Titelbild) umfasste australische Zielhäfen, die direkt von der DADG angelaufen wurden: Fremantle (Westaustralien), Port Adelaide (Südaustralien) , Melbourne (Victoria), Sydney und Newcastle (New South Wales) sowie Brisbane und Townsville (Queensland).

Für Adelaide war die Besonderheit, dass je nach Entladestelle zwei Tarife angeboten wurden, da die Schiffe entweder am Signalmast (Semaphore) oder etwas weiter in Richtung Stadt am Kai anlegten (Wharf).

Der Tarif für Newcastle galt nur für Direktfahrten (without transshipment). Mit Umladung war der Tarif höher (siehe unten).

Drei weitere Häfen, die ebenfalls direkt bedient wurden, aber weniger Bedeutung hatten, sind unter der Tabelle aufgeführt: Albany (Westaustralien), der Erzhafen Port Pirie (Südaustralien) und Rockhampton (auf halber Strecke zwischen Brisbane und Townsville in Queensland an der australischen Ostküste).

Preise

Von Hamburg nach Sydney lag die Bandbreite der Tarife zwischen 47,50 Mark pro Kubikmeter/Tonne für die Klasse 1 und 16 Mark pro Kubikmeter/Tonne für die Klasse 12.

Die Preise für den Transport sind in zwei Spalten angegeben, zum einen für Hamburg, zum anderen für Rotterdam und Antwerpen.

Die unterschiedliche Schreibweise hängt damit zusammen, dass die Angaben in Hamburg in Mark gemacht worden sind und für Rotterdam und Antwerpen in britischen Pfund bzw. Shilling.

Die Tatsache, dass die Mark einem Shilling entsprach, erleichtert die Übersichtlichkeit ungemein. Nur war die Mark in 100 Pfennige unterteilt, der Schilling jedoch in 12 Pennies.

Der Betrag von 47,50 Mark entspricht daher 47 Shilling und 6 Pennies, kurz 47/6.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass 20 Shilling wiederum ein Pfund ergaben. Anders ausgedrückt war ein Pfund somit 240 Pennies.

Wenn Sie auch wissen wollen, was ein Farthing oder eine Guinee waren, finden Sie alle Informationen zum britischen Währungssystem vor der Dezimalisierung im Jahr 1971 hier: http://projectbritain.com/moneyold.htm (in englischer Sprache).

Anmerkung: Für den Hafen Lissabon, der auf der Ausreise nach Australien von den Linien 3 und 4 der Reederei bedient wurde, gab es eine abweichende Frachttabelle. Auf diese komme ich in einem anderen Artikel noch zurück. Zu den Linien siehe: Die Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft 1914

transhipment rates, 1914, Australia

Zusätzliche Frachttarife für Umladungen nach Australien im Jahr 1914; aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Umladungen

Versender von Waren konnten ihre Güter nicht nur in die direkt angelaufenen Hafenstädte verschicken, sondern natürlich auch an andere Destinationen auf dem australischen Kontinent oder über den Hafen Sydney auch in die Südsee oder sogar nach Hawaii (Honolulu).

Je nach Erreichbarkeit des Zielortes lagen die zusätzlichen Frachtraten zwischen 5 – 75 Mark pro Tonne beziehungsweise Kubikmeter.

In einigen extremen Fällen übertrafen die Kosten für den inneraustralischen Transport sogar die Transportkosten von Europa nach Australien. Allerdings werden nur wenige Versender ihre Waren nach Esperance Bay an der westaustralischen Südküste oder in das abgelegene und kleine Burketown an der australischen Nordküste verschickt haben.

additional rates for transhipment

Zusätzliche Frachttarife für Umladungen nach Australien im Jahr 1914 (Fortsetzung); aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Warenklassifikation

Für die zu verschiffenden Waren gab es unterschiedliche Frachtsätze (siehe Titelbild dieses Beitrags).

Je nach Produkt war ein ganz bestimmter Tarif anzuwenden, wobei die DADG zwölf Tarifklassen unterschied, wobei einige Klassen nochmals unterteilt waren, zum Beispiel gab es eine Klasse 4 und eine Klasse 4a. Eine Ausnahme bildete die Klasse 2, die in sieben Unterkategorien unterteilt war, wobei 2a bis 2c gleich tarifiert wurden.

Die Waren und ihre Klassifizierung waren in einer sechsseitigen Tabelle nach der Tarifübersicht angegeben.

Die Aufstellung enthält die Kategorien für Australien und Neuseeland. Für Neuseeland gab es eine eigene Frachtratentabelle mit 8 Klassen (davon zwei mit zwei Unterklassen). Auf die neuseeländischen Tarife gehe ich hier nicht weiter ein.

classification of goods, 1914, German Australian Line

Warenklassifikation, aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Der folgende Ausschnitt für verschiedene Drähte gibt ein Beispiel, wie detailliert die Klassifikation war.

Danach unterschied die Reederei zwischen Stacheldraht (barbed wire), „normalen“ Stahl- und Eisendrähten, verkupferten Drähten, Flaschen- und Floristendrähten, Maschendraht und Drahtseilen (wire rope). Nägel und Klammern (nails and tacks) zum Befestigen des Drahts hatten ebenfalls eine eigene Kategorie.

class of freight, wires 1914, GAL

Frachtraten für verschiedene Drähte, aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Warenbeispiele

Die große Mehrzahl der Konsum- und Verbrauchsgüter waren Klasse 1 oder 2 (a-f) wie zum Beispiel Lebensmittel, Kleidung, Werkzeuge und vieles mehr.

Hier einige Beispiele aus den anderen Klassen:

Klasse 3: Klaviere, Nähmaschinen

Klasse 4 und 4a: Kerzen, Chicorée, Erdfarben, Schmieröl, Kitt, Spielwaren

Klasse 5: Papiertüten, Stöcke

Klasse 6: Holzbretter und -dielen, leere Schachteln oder Flaschen, Bodenbeläge, Sägemehl

Klasse 7: Maschendraht

Klasse 8: Stacheldraht

Klasse 9: Achsen (lose), Eisen- und Stahlbolzen, Zementplatten

Klasse 10: Baumaterial und Eisen (wenn nicht anderes aufgeführt), Ketten in Fässern, Hufeisen, grobe Schmiedestücke, Salz in Säcken

Klasse 11: Eisen- oder Stahlnägel, normaler Eisen- oder Stahldraht

Klasse 12: Eisen- und Stahlblöcke

Sperrgut und Gefahrstoffe

Sperrgut, Gefahrstoffe und sehr schwere Güter unterlagen gesonderten Tarifen und mussten vorher für den Transport eigens angemeldet werden.

Chemikalien waren in einer Tabelle aufgeführt, für alle anderen Spezialtransporte wurden die Frachttarife auf Anfrage angeboten.

Zu den namentlich aufgelisteten Gefahrstoffen zählten Benzin, Kollodium, Salpetersäure, Salzsäure, Schwefelsäure, Diethylether. Sie konnten nur an Deck transportiert werden.

Rates of freight, chemicals, 1914, Australia

Frachttarife für Chemikalien nach Australien im Jahr 1914; aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Vergütung von 10 %

Neben den Dampfschiffen der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) unterhielt auch der Norddeutsche Lloyd einen regelmäßigen Australienverkehr. Anders als die DADG beförderte der NDL auch Passagiere und war die offizielle Postlinie des Deutschen Reiches nach Ostasien und Australien (sogenannte Reichspostdampferlinie).

Versender, die innerhalb eines Halbjahres ihre Waren von Europa nach Australien ausschließlich mit diesen beiden Gesellschaften transportierten, wurde nachträglich eine Vergütung von 10 % auf die Nettofracht gewährt.

Dazu musste innerhalb von drei Monaten nach Ablauf des Halbjahres ein entsprechender Antrag bei der Reederei gestellt werden.

claim for commission, German Australian Line 1914

Formular für 10 %ige Rückvergütung; aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Schlussbemerkung

In der Schifffahrt sind Tarife in der Regel richtungsgebunden. Die oben genannten Tarife galten für Warenlieferungen von Europa nach Australien. Über die Tarife in die entgegengesetzte Richtung liegen mir derzeit noch keine detaillierten Angaben vor.

cases or boxes were used for a lot of different merchandise

Holzkisten wurden für den Transport der verschiedensten Waren verwendet (Bild symbolisch)

Fürth auf der Helling

Die „Fürth“ auf der Helling

Aus dem Archiv des Schifffahrtsmuseums Flensburg

Titelbild: Die „Fürth“ (Bau-Nr. 273) vor dem Stapellauf im Jahr 1907, Ausschnitt; © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass sämtliche Bildrechte beim Schifffahrtsmuseum Flensburg liegen und jegliche Nutzung dieses Bildes der Genehmigung des Rechteinhabers bedarf.

Stapelnummer der "Fürth"
Die „Fürth“ (Bau-Nr. 273) vor dem Stapellauf im Jahr 1907, Ausschnitt; © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg.

Ein zweites Bild des Schraubendampfers „Fürth“

Heute kann ich Ihnen eine echte Fotorarität vom Bau des Dampfschiffes „Fürth“ präsentieren: die „Fürth“ auf der Helling in Flensburg.

Gebaut wurde der Dampfer 1907 bei der Flensburger Schiff(s)bau-Gesellschaft (FSG). Historische Aufnahmen der Werft befinden sich mittlerweile im Schifffahrtsmuseum Flensburg und aus dessen Fotoarchiv, das über 28.000 Aufnahmen umfasst, stammt das hier vorgestellte Bild.

Besonders schön ist, dass die Aufnahme sehr detailreich ist und wir außer der „Fürth“ im Bildvordergrund auch einen Eindruck von der Arbeit auf der Werft bekommen. Dazu weiter unten mehr. Die vollständige Abbildung ist ebenfalls weiter unten im Text zu finden.

Die zweite mir vorliegende Aufnahme der „Fürth“ finden Sie hier: Ein Foto der „Fürth“

Flensburger Schiffbau Gesellschaft
Anzeige der Flensburger Schiffsbau-Gesellschaft in der Zeitung Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle vom 22. Februar 1917

Aufnahmedatum

Der Bildtitel heißt „vor dem Stapellauf“. Dieser erfolgte am 20. Juli 1907. Der Bau hatte am 21. Januar des gleichen Jahres begonnen, an diesem Tag wurde „der Kiel gelegt“, wie es im Schiffbau heißt.

Über den Bau der „Fürth“ hatte ich hier bereits berichtet: Bau, Stapellauf und Probefahrt der „Fürth“

Die Aufnahme dürfte daher etwa Mitte Juli 1907 entstanden sein, vielleicht sogar am 20. Juli, dem Tag des Stapellaufes. An diesem Tag wurde das Schiff auch getauft und zu diesem Anlass, der mit einer kleinen Zeremonie begangen wurde, dürfte der Fotograf sowieso auf der Werft gewesen sein.

Die „Osnabrück“

Einen Eindruck von dem Baufortschritt bekommt man, wenn man das Schiffs links neben der „Fürth“ betrachtet. Die Stapelnummer ist (bei Vergrößerung der Abbildung) unten vor dem Schiffsrumpf erkennbar, es ist die 274. Diese Nummer trug das Schiff „Osnabrück“, ein Schwesterschiff der „Fürth“, welches nur einen Monat nach der „Fürth“ und zwar am 21. August 1907 vom Stapel laufen sollte. Mitte Juni 1907 hatte die „Fürth“ also vermutlich noch genau so ausgesehen. Ein beachtlicher Baufortschritt innerhalb eines Monats also.

Über das Schwesterschiff „Osnabrück“ siehe: Schwesterschiffe der „Fürth“: der Frachtdampfer „Osnabrück“

"Fürth" auf der Helling, Flensburg 1907
Die „Fürth“ (Bau-Nr. 273) vor dem Stapellauf im Jahr 1907; © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg.

Die Helling

Die Helling oder auch der Helgen genannt, ist ein zum Wasser hin leicht abfallender Bauplatz eines Schiffes. Von dort rutscht es am Tag des Stapellaufes ins Wasser und wird dann zu Ende gebaut.

Die Hellinge waren in den norddeutschen Hafenstädten ein gewohnter Anblick. Auf der Internetseite der Stiftung Historische Museen Hamburg heißt es dazu:

Die riesigen Helgengerüste auf den Werften waren Sinnbild der Leistungsfähigkeit und echte Wahrzeichen in der Stadtsilhouette.

Die Quelle beschreibt auch den Ablauf der Arbeiten:

Die Arbeiten auf der Helling begannen mit dem Auslegen der Pallen, auf denen das Schiff abgestützt wurde, und der Vorbereitung der Schlitten und der Bahn für den späteren Stapellauf. Der Schiffbauer auf dem Helgen arbeitet deshalb immer mit dem Lot und dem sogenannten Fallbrett.

Quelle: https://shmh.de/de/hamburgwissen/dossiers/hamburger-schiffbau

Der Stapellauf

Zwei Aufnahmen des Stapellaufs selbst sind von dem Schiff „Anneliese“ überliefert, das auf der Werft von Henry Koch in Lübeck erbaut wurde:

Die „Anneliese“ gleitet ins Wasser:

Stapellauf "Anneliese"
Stapellauf der Anneliese in Lübeck am 4. April 1908 auf der Schiffwerft von Henry Koch; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:HL_Damals_%E2%80%93_Anneliese_%E2%80%93_Schiffswerft_von_Henry_Koch_%E2%80%93_2.jpg

Die „Anneliese“ nach dem Stapellauf im Hafenbecken:

Stapellauf Anneliese
Stapellauf der „Anneliese“ in Lübeck am 4. April 1908 auf der Schiffwerft von Henry Koch; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:HL_Damals_%E2%80%93_Anneliese_%E2%80%93_Schiffswerft_von_Henry_Koch_%E2%80%93_1.jpg

Der Schiffsrumpf

Am Rumpf der „Fürth“ stechen sofort die beiden großen Öffnungen rechts und links vom Bug ins Auge, die Ankerklüsen. Durch diese werden später die Ankerketten für den Steuerbord- und den Backbordanker laufen.

Schön zu sehen sind außerdem die Bullaugen der Mannschaftsunterkünfte, die sich unter der Back im Bug befunden haben.

Das Schiff hat bereits einen Anstrich erhalten, das Unterwasserschiff in Schwarz und der obere Rumpf vermutlich in grauer Farbe. Auch der Schriftzug „Fürth“ ist bereits vorhanden. Ein Indiz, dass die Aufnahme sehr kurz vor dem Stapellauf gemacht wurde.

Nietkocher 1907, Flensburg
Die „Fürth“ (Bau-Nr. 273) vor dem Stapellauf im Jahr 1907, Ausschnitt; © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg.

Das Niet

Im Vordergrund der Fotografie sehen wir Werftarbeiter an drei Nietkochern.

Zu der Zeit unseres Dampfschiffes „Fürth“ wurden die Stahlplatten eines Schiffsrumpfes genietet. Die heute übliche Schweißtechnik hat sich erst in den fünfziger Jahren durchgesetzt.

Man kann sich leicht vorstellen, dass viele zehntausende Niete notwendig waren, um ein mittleres oder großes Schiff zusammenzuhalten.

Wie das Nieten funktioniert, erklärt uns die Stiftung Historische Museen Hamburg:

Es gab das Nieten von Hand sowie wie pneumatisches Nieten. Ab 10mm Durchmesser wurde das Niet auf dem Nietenkocher erwärmt. Der Nietwärmer nahm den weiß glühenden Niet mit der Zange aus der Esse und steckte es schnell in das Nietloch. Der Vorhalter drückte mit dem Vorhalter das Niet gegen die Platte und hielt bis zur Beendigung dagegen. Der mit dem Niethammer arbeitende Nieter drückte mit einigen Schlägen zuerst die Platten zusammen, um dann den Nietschaft zu stauchen und den Schließkopf zu bilden. Alle wasserdichten Teile wurden von Hand oder mit Pressluftwerkzeugen verstemmt und durch kräftiges Abspritzen mit einem Wasserstrahl auf Dichtigkeit geprüft.

Die Nieter arbeiteten in sogenannten Nieterkolonnen:

Das Nieten war Aufgabe der Nieterkolonnen. Sie bestanden aus dem Nieter, dem Vorhalter und dem Nietwärmer, der auch die Niete zureichte. Bei größeren Entfernungen zum Nietofen wurde noch ein Zureicher eingesetzt.

Beide Zitate aus: https://shmh.de/de/hamburgwissen/dossiers/hamburger-schiffbau

Um das Nieten etwas lebhafter zu veranschaulichen, hier noch ein Auszug aus einem Erfahrungsbericht:

Ein erfahrener älterer Schiffbauer hatte die Aufgabe die Niete weißglühend zu kochen. Wenn der Mann am Nietofen erstmal den glühenden Niet mit einer langen Zange vom Feuer genommen hat, musste alles Weitere sehr, sehr schnell gehen, damit der Niet auch heiß zum Nietloch kam. Für den Transport zur Nietstelle setzte man sehr gerne super schnelle Azubis ein.

Der Schiffbauer nahm mit seiner Zange den Niet vom Feuer und warf ihn in die offene Ladeluke. Unten im Schiff wartete schon ein Lehrling mit einem kleinen Metalleimer und fing den glühenden Niet auf und rannte so schnell wie es möglich war durch das Schiff. Meist war der Weg sehr lang und ging auch noch durch Räume, die durch Schotten getrennt waren. Dann wartet hinter dem Schott ein zweiter Azubi und übernahm ganz schnell den Niet und flitzte rasend schnell zur Nietstelle. Dort angekommen übernahm der Dübbermann den Niet und steckte ihn ohne zu zögern in die Nietbohrung. Wenn alles gut gegangen war begann auf der Außenseite des Schiffes der Nieter mit seiner Arbeit. Er bearbeitete den heißen Niet bis ein richtiger Kopf geformt war. Sein Presslufthammer hämmerte in ohrenbetäubenden Lärm auf die Metallteile, Stundenlang, sage ich Euch. Hörschutz wie man es heute kennt, gab es einfach nicht. Der Döbbermann hielt während dessen seinen Döpper gegen den Niet, damit er während des Nietens nicht rausflutschen konnte.

Quelle: http://cuxpedia.de/index.php?title=Beckmannwerft_(Geschichten)

Anmerkungen:

Der Döpper (oder auch „Dolly“) hatte etwa ein Gewicht von etwa 20 Kilogramm. Der Döppermann wurde auch „Gegenhalter“ genannt.

Das Bild zeigt das Nichtvorhandensein persönlicher Schutzausrüstung, wie sie heute selbstverständlich wäre.

Metalleimer (Fangeimer) zum Auffangen der glühenden Niete sehen wir auf diesem Bildausschnitt:

Nieter, Flensburg 1907
Die „Fürth“ (Bau-Nr. 273) vor dem Stapellauf im Jahr 1907, Ausschnitt; © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg.
SS Great Britain Ruderblatt
Nietreihen am Ruderblatt der SS Great Britain (Bristol); eigene Aufnahme, Februar 2019

Zwei weitere hochinteressante Archivalien des Schifffahrtsmuseums Flensburg werde ich Ihnen in Kürze vorstellen. Bleiben Sie dran!

Lloyd's Register, Rotterdam, Neumünster

Ein Revisionsbericht von Lloyds aus dem Jahr 1912

… und Korrespondenz von Lloyd’s Register über das Dampfschiff „Iserlohn“

This is to certify….

Die bekannte Schiffs-Klassifikationsgesellschaft Lloyd’s Register hatte ich bereits vorgestellt und einen Registereintrag des Dampfschiffes „Fürth“ aus dem Jahr 1909-10 präsentiert.

SIEHE: Die „Fürth“ in Lloyd’s Register

Die nach der Indienststellung der Schiffe vergebene Klassifikation wurde regelmäßig von technischen Sachverständigen („Surveyors“) überprüft, die ihre Ergebnisse anschließend nach London mitteilten, damit der Eintrag des jeweiligen Schiffes in den jährlich erscheinenden Ausgaben des Registers wieder auf den neuesten Stand gebracht werden konnte.

Für den Fall der „Fürth“ war es so, dass das erste Audit des im August 1907 in Betrieb genommenen Schiffes bereits im Januar 1909 erfolgte.

Der hier vorgestellte Prüfbericht ist vom Januar 1912 für das Schiff „Neumünster“, einem Schwesterschiff der „Fürth“. SIEHE: Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Neumünster“

Die Überprüfung der „Neumünster“ war im Rheinhafen in Rotterdam vorgenommen worden.

Laut dem technischen Sachverständigen von Lloyd’s Register, A. Schouwenaar, mussten vorläufige Reparaturen in Rotterdam vorgenommen werden. Zusätzlich wurde die Auflage erteilt, nach der Rückkehr in den Heimathafen Hamburg weitere, dauerhafte Reparaturen vornehmen zu lassen.

Rheinhafen Rotterdam 1900

Rijnhaven Rotterdam, zwischen 1890-1900, Photochromdruck, Quelle: Library of Congress Prints and Photographs Division Washington, D.C. 20540 USA; http://hdl.loc.gov/loc.pnp/ppmsc.05849

Lloyd’s Register of British & Foreign Shipping.
Head Office : 71, Fenchurch Street, London, E. C.

Port of Rotterdam
4th Jan. 1912.

This is to certify that I have
Surveyed the German S.S. “Neumunster” of Hamburg,
on the 3rd & 4th Jan 1912, whilst she was lying
afloat in the “Rijnhaven” at this port

and that I have transmitted to the Committee of Lloyd’s
Register of British and Foreign Shipping, London, a Report
stating that all temporary repairs recommended by me have been completed
to my satisfaction, and that I have Recommended that she
be continued as now clasfed, subject to per-
manent repairs be carried out upon return of
the present voyage at Hamburg,
being fit to carry dry & perishable cargoes.

A. Schouwenaar.
Surveyor to Lloyd’s Register.

Im Kleingedruckten der Fußzeile heißt es weiter:

This Certificate is issued upon the terms of Rules and Regulations of the Society, which provide that: – “While the Committee use their best endeavors to ensure that the functions of the Society are properly executed, it is to be understood that neither the Committee nor the Society are under any circumstances whatever to be held responsible for any inaccuracy in any report or certificate issued by the Society or its Surveyors, or in any entry in the Register Book or other publication of the Society, or for any error of judgment, default, or negligence of the Surveyors, or other Officers or Agents of the Society.”

Lloyd's Register, Rotterdam, 1912

Revisionsbericht von Lloyd’s Register für das Schiff „Neumünster“, © mit freundlicher Genehmigung des State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.15

Der Prüfbericht befindet sich in einem Umschlag, der von dem Lloyd‘s Büro in Rotterdam an die Fa. Wambersie & Zoon adressiert war.

Wambersie & Zoon war der Makler der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft in den Niederlanden mit Büros in Rotterdam und Amsterdam.

Lloyd's Register of Shipping 1912

Umschlag Revisionsbericht, Schiff „Neumünster“, © mit freundlicher Genehmigung des State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.15

Wambersie & Zoon

Der Schiffsmakler Wambersie & Zoon geht zurück auf das Jahr 1820, als die Firma von Emanuel Wambersie gegründet wurde. Wambersie war aus den USA zurück nach Rotterdam gekommen und war dort auch amerikanischer Konsul. Sein Sohn Johan, geboren 1806 in Savannah (USA) übernahm später Unternehmen und Amt des Konsuls.

Eine sehr ausführliche Quelle über die Anfänge des Unternehmens finden Sie hier: EMANUEL EN JOHN WAMBERSIE, CONSULS EN CARGADOORS TE ROTTERDAM; http://rjb.x-cago.com/GARJB/1976/12/19761231/GARJB-19761231-0278/story.pdf (in niederländischer Sprache).

Emanuel Wambersie

Emanuel Wambersie, Gründer des Schiffmaklers Wambersie. Das Unternehmen hatte im Lauf seines Bestehens unterschiedliche Teilhaber und Namen.

Wambersie & Zoon wurde im 19. Jahrhundert die führende niederländische Agentur für die Emigration nach den USA.

Ein Teilhaber bei Wambersie & Zoon war Antoine Plate (1845-1927), niederländischer Schifffahrtsunternehmer und Politiker, der zu den Gründern der Nederlandsch-Amerikaansche Stoomvaart Maatschappij gehörte, im Ausland besser bekannt als Holland-America Line (HAL). Makler der Gesellschaft natürlich: Wambersie & Zoon.

Als einer der führenden Schiffsmakler der Niederlanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts, war Wambersie & Zoon Agent zahlreicher deutscher Reedereien: HAPAG, Dampfschifffahrtsgesellschaft „Neptun“, Oldenburg-Portugiesische Dampfschiff-Rhederei, Dampfschifffahrtsgesellschaft „Argo“, die Linie Hamburg-Rotterdam (A. Kirsten) und andere mehr.

Weniger erfolgreich war die 1914 von Wambersie & Zoon gegründete Algemeene Stoomvart Maatschappij für den Transport von Bananen nach Rotterdam. Auch nach einem Neustart nach dem Ersten Weltkrieg im Jahr 1921 mit drei neuen Schiffen wurde die Reederei bereits 1924 liquidiert und die Schiffe wieder verkauft.
(Quelle: theshipslist.com)

Firmensitz von Wambersie & Zoon war in der Calandstraat 5 in Rotterdam. Dort wurde in drei Phasen (1908, 1911 und 1930) ein repräsentatives Firmen- und Wohngebäude errichte, dass heute noch als Baudenkmal erhalten ist (https://www.monumenten.nl/monument/513902)

Logo der Fa. Wambersie & Zoon, ca. 1910

Logo der Fa. Wambersie & Zoon, ca. 1910

Die Klassifizierung des Dampfschiffes „Iserlohn“

Zum Thema des Revisionsberichtes von Lloyds passen zwei Briefe, die in der Lloyd’s Register Foundation in London erhalten sind und in Zusammenhang mit der Klassifizierung des Dampfschiffes „Iserlohn“ stehen.

Die Dokumente sind exemplarisch, es könnte sich auch um jedes andere Dampfschiff der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) handeln.

Der Frachtdampfer „Iserlohn“

Die „Iserlohn“ wurde auf der Reiherstieg-Werft in Hamburg gebaut (Bau-Nr. 426) und am 25. September 1909 in Dienst gestellt. Sie war etwas größer, als die „Fürth“ (4667 Bruttoregistertonnen („Fürth“ 4229 BRT) bei einer Ladekapazität von 7650 Tonnen („Fürth“ 7010 Tonnen).

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges lag die „Iserlohn“ wie viele andere Schiffe der DADG in Niederländisch-Indien (siehe: Die heimlichen Helfer der Kaiserlichen Marine).

Anmerkung: Nach der Stadt Iserlohn wurde 1922 erneut ein Schiff der DADG benannt. Die „Iserlohn“ (II) war ein Schiff der Krupp-Germaniawerft in Kiel (Bau-Nr. 362).

Alle Angaben nach R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984.

Empfehlung der Klassifizierung 100A1

Das Schreiben vom 25. September 1909 ist eine Meldung nach London, dass die „Iserlohn“ die Klassifizerung 100A1 erhalten könne.

Erstellt hat es der Sachverständige der Klassifizierungsgesellschaft Lloyd’s Register in Hamburg, George Dykes.

Die Klasse 100A1, die beste Kategorie in Lloyd’s Register war etwas ganz Normales für ein neues Schiff dieser Größe im Überseeverkehr.

Das Tatzenkreuz vor der Angabe weist darauf hin, dass der Bau des Schiffes in der Werft unter besonderer Aufsicht durch die Klassifizierungsgesellschaft Lloyd’s erfolgte (special survey). Nachdem es mit keiner Schreibmaschinentaste wiedergegeben werden konnte, hat es George Dykes im Brief handschriftlich ergänzt.

Klassifikation 100A1 in Lloyd's Register

Klassifikation 100A1 in Lloyd’s Register

Lloyd's Register, Klassifikation, Iserlohn 1909

Brief von George Dykes zur Klassifikation der “Iserlohn” vom 25. September 1909, Archiv und Bibliothek des Heritage & Education Centre; © Lloyd’s Register Foundation 2018. Alle Rechte vorbehalten. Referenzcode: LRF-PUN-W31-0122-L

Lloyd’s Register hatte in Deutschland neben George Dykes weitere, eigene Sachverständige (Surveyors):

„In Deutschland befinden sich, außer einer Anzahl binnenländischer Surveyors für Materialprüfungen, 4 Experten an der Küste, in Hamburg (für Elbe, Schlewig-Holstein, Mecklenburg), Stettin (fûr Pommern), Danzig (für Preußen) und Bremerhaven (für Bremen, Hannover außer Elbegebiet, Oldenburg). Jeder dieser Surveyors an der Küste steht in direktem Verkehr mit dem Londoner Zentralbureau, und sendet diesem alle Nachrichten über Veränderungen am Schiffsbestand fortlaufend zu. In zahlreichen Fällen läßt das Zentralbureau dann wieder Rückfragen ergehen, die an die Surveyors und Agenten, oder direkt an die Reeder gerichtet werden.“
Quelle: Die Grundlagen der Schiffahrtsstatistik, W. Vogel, 1911, Veröffentlichungen des Instituts für Meereskunde an der Universität Berlin; http://www.digitalis.uni-koeln.de/Vogelw/vogelw72-80.pdf

Flexible Trossen

Das zweite Schreiben vom 7. Oktober 1909 ist offensichtlich eine Antwort, die George Dykes auf eine Rückfrage zur Klassifizierung an den Unternehmenssitz nach London geschickt hat.

Diesmal ist nicht nur ein Durchschlag, sondern der Originalbrief erhalten, so dass wir daraus die Firmenadresse von Lloyd’s Register in Hamburg erfahren: Steinhöft 3. Das war in unmittelbarer Nähe der Kontorhäuser Elbhof und Slomannhaus und einen Steinwurf vom Kaispeicher A mit dem Hamburger Zeitball (siehe dazu den Artikel: Tagebuch der „Fürth“ (3) – Bunkern und Laden im Hamburger Hafen).

George Dykes bestätigt in dem Schreiben, dass es sich bei den Trossen der „Iserlohn“ um Trossen aus flexiblem Stahldraht handelt. Dieser Punkt war wohl unklar geblieben.

Lloyd's Register, Klassifikation, Iserlohn, 1909

Brief von George Dykes von Lloyd’s Register Büro in Hamburg über die Beschaffenheit des Stahldrahtes der « Iserlohn », 7. Oktober 1909, Archiv und Bibliothek des Heritage & Education Centre; © Lloyd’s Register Foundation 2018. Alle Rechte vorbehalten; Referenzcode: LRF-PUN-W31-0120-L