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Guttapercha und der Tote aus Borneo

Kein neuer Commissario

Guttapercha

Keine Sorge, Guttapercha ist nicht noch ein neuer „Commissario“ und der Tote aus Borneo auch keine exotische Leiche. Aber eins nach dem anderen!

Auf den Fahrten der „Fürth“ treffen wir einige Waren an, die heute weitgehend in Vergessenheit geraten sind, wie zum Beispiel die Guttapercha oder auch nur kurz Gutta genannt. Wenn Sie nicht gerade in einem Dentallabor arbeiten, sind Sie wahrscheinlich noch nie in Berührung mit diesem, zur Zeit unseres Dampfschiffes „Fürth“, sehr begehrten Rohstoff gekommen. Ich auch nicht.

Und wer weiß heute schon noch, dass der weltweite Erfolg des größten deutschen Industrieunternehmens, der Firma Siemens, zu einem großen Teil auf dieser Substanz und ihrer Verarbeitung beruht?

Aber beginnen wir auf der Insel Java, wo die „Fürth“ regelmäßig Batavia, Soerabaya und auch Tjilatjap anlief (heute Djakarta, Surabaya und Cilacap) und Guttapercha nach Europa brachte.

guttapercha java

Guttapercha-Verarbeitung auf Java (ca. 1920/1930); Quelle: commons.wikimedia.org, File:COLLECTIE TROPENMUSEUM West-Java Tjipetir arbeiders bedienen de machines die de guttapercha wassen en persen TMnr 60020167.jpg

Der Guttaperchabaum

Dort, auf Sumatra, Borneo sowie auf der malaiischen Halbinsel, wächst der Guttaperchabaum (Palaquium gutta). Dieser tropische Laubbaum wird bis über 20 Meter hoch und liefert reichlich Milchsaft. Einige andere Arten der Gattung Palaquium liefern ebenfalls Guttapercha, aber nicht immer in der gewünschten Qualität.

Durch Trocknung, Reinigung und Aufkochen erhält man aus dem Milchsaft ein kautschukähnliches Produkt, die Guttapercha.

guttapercha java

Nicht erst seit Palmöl: Die Abrodung von tropischen Wäldern auf Java für Guttapercha-Plantagen
Quelle: commons.wikimedia.org, File:COLLECTIE TROPENMUSEUM Proefaanplant van guttapercha op de rubberonderneming Langsa West-Java TMnr 60020174.jpg

Eigenschaften

„Das wesentlichste Merkmal, durch welche sich Guttapercha ohne weiteres von dem mit ihr so oft identifizierten Kautschuk unterscheidet, ist zweifellos die bereits von Tradescant erwähnte, und auch von D’Almeida, sowie Montgomerie betonte Eigenschaft, beim Eintauchen in heißes Wasser weich und plastisch zu werden, dann beim Abkühlen jede ihr vorher gegebene Gestalt beizubehalten und hart, aber keineswegs spröde, wie andere Harze zu werden. Dem gegenüber wird Kautschuk in heissem Wasser nicht weich, und behält seine ursprüngliche Elastizität und Spannkraft fast unvermindert bei.“
Dr. Eugen Obach (1899): Die Guttapercha, Verlag von Steinkopff & Springer, Dresden,
abgerufen unter:
http://dfg-viewer.de/show/?tx_dlf%5Bpage%5D=1&tx_dlf%5Bid%5D=http%3A%2F%2Fdigital.ub.uni-duesseldorf.de%2Foai%2F%3Fverb%3DGetRecord%26metadataPrefix%3Dmets%26identifier%3D1259277&tx_dlf%5Bdouble%5D=0&cHash=47b26e1b8afb23734d48166b38dc3659

Ein guter Isolator

Guttapercha hat neben dieser einfachen Verformbarkeit noch eine andere, sehr begehrte Eigenschaft: sie ist ein guter, sogar sehr guter Isolator. Womit wir zur Firma Siemens & Halske kommen.

„Das Jahr 1847 wird in der Geschichte der Guttapercha-Industrie allezeit denkwürdig bleiben. Wurde doch in demselben die Pflanze, von der dieses industriell wertvolle Produkt stammt, zum ersten Male von Sir William Jackson beschrieben. Und im gleichen Jahr begann auch Dr. Ernst Werner von Siemens, damals Artillerieleutnant in der Preussischen Armee, die Verwendung von Guttapercha zur elektrischen Isolierung unterirdischer Telegraphenleitungen aufzunehmen. Er erbaute damals eine Maschine, mittels welcher Draht fortlaufend mit dem Stoffe umhüllt werden konnte. Diese Maschine ist, mit geringen Änderungen, bis auf den heutigen Tag im Gebrauch geblieben.“
Dr. Eugen Obach (1899): Die Guttapercha, Verlag von Steinkopff & Springer, Dresden.

Allegorical scene showing Neptune with a trident in foreground, and lion representing Great Britain holding one end of the Atlantic cable and eagle representing the United States holding the other end of the cable, with ocean between them and cities behind them. Includes portrait of the inventor, Cyrus Field, at top center.

Das achte Weltwunder, Originalbeschreibung: Allegorical scene showing Neptune with a trident in foreground, and lion representing Great Britain holding one end of the Atlantic cable and eagle representing the United States holding the other end of the cable, with ocean between them and cities behind them. Includes portrait of the inventor, Cyrus Field, at top center.
Quelle: Library of Congress, https://lccn.loc.gov/93510355

Das achte Weltwunder

Der Bedarf an Kabeln war in der zweiten Hälfte des neunzehnten und zu Beginn des 20. Jahrhunderts enorm. Unterirdische Telegrafenleitungen wurden über hunderte Kilometer über Land gelegt und ab 1856 begann die Geschichte einer technischen Meisterleistung, die damals als achtes Weltwunder gefeiert wurde: Die 1866 nach mehreren Fehlversuchen gelungene Installation eines über 2000 Meilen langen Unterseekabels zwischen Europa und Nordamerika. Ein Meilenstein in der Kommunikationstechnik.

Guttapercha war also sehr begehrt und wurde entsprechend teuer.

„Dazu kommt, was wesentlich mitspricht, daß der Preis der Guttapercha immer mehr steigt, und wenn dieser Punkt bei den großen Unterseekabeln nicht von entscheidender Bedeutung ist, so wird doch die Kostenfrage, wenn es sich um elektrische Anlagen, z. B. für Beleuchtungszwecke handelt, eine sehr wesentliche.“
Arthur Wilke (1893): Die Elektrizität, ihre Erzeugung und ihre Anwendung in der Industrie und Gewerbe, Springer Verlag Berlin Heidelberg (abgerufen unter books.google.fr)

Djeloetong oder „Dead Borneo“

Dies hatte zur Folge, dass auch andere Produkte als Ersatzstoffe für Guttapercha auf den Markt kamen. Einer davon war Djeloetong, mit Handelsnamen auch „Dead Borneo“, das ebenfalls auf der „Fürth“ nach Europa transportiert wurde.

Der ungewöhnliche Handelsname „Dead Borneo“ soll darauf zurückgehen, dass das Holz des Djeloetong-Baumes ein bevorzugtes Material für die Herstellung von Särgen war. Deswegen also in der Überschrift „der Tote aus Borneo“. Sie mögen mir diese etwas freie Übersetzung nachsehen.

djeloetong

Djeloetong (Handelsname Dead Borneo) ist ein Ersatzstoff für Guttapercha,
Quelle: Hubert Winkler (1912), Botanisches Hilfsbuch: für Pflanzer, Kolonialbeamte, Tropenkaufleute und Forschungsreisende, Hinstorffsche Verlagsbuchhandlung, Wismar (abgerufen unter books.google.fr)

Golfbälle

Falls Sie Golf spielen: Golfbälle wurde um die Jahrhundertwende (also um 1900) ebenfalls aus Guttapercha hergestellt.

„The Gutta Percha ball was the ball that opened Golf to the masses, the first major development in the evolution of the golf ball.

Gutta Percha revolutionised the game of golf,… „
(https://www.standrewsgolfco.com/shop/products/heritage-collection/clubs-and-balls/historic-balls/the-bramble-guttie/)

So ein Golfball hieß je nach Oberflächenbeschaffenheit „Guttie“ oder „Bramble“. Diese Bälle finden Sie antiquarisch oder auch als Replik. Das ist vielleicht mal ein ungewöhnliches Geschenk für einen Golfer und Sie können jetzt ja auch noch eine Geschichte dazu erzählen! Lassen Sie mich bitte wissen, wenn Sie als Golfer einen Guttapercha-Ball ausprobieren, wie er sich im Spiel von modernen Bällen unterscheidet.

Im Plastozän

Heute, im Zeitalter des „Plastozän“, ist Guttapercha weitgehend in Vergessenheit geraten. Verwendet wird es nach wie vor in der Zahntechnik:

„In der Zahnmedizin wird es als provisorisches Füllmaterial und zur Herstellung von Abdrücken sowie zum Verfüllen der Wurzelkanäle bei Wurzelkanalbehandlungen verwendet.“
(http://www.chemie.de/lexikon/Guttapercha.html)

Falls Sie im Sommer an den Atlantik fahren und am Strand spazieren gehen, achten Sie mal auf gummiartige Substanzen im Strandgut, vielleicht fällt Ihnen ja echtes Guttapercha in die Hände! Mehr dazu in einem Artikel der Zeit:
https://www.zeit.de/2015/06/strandgut-cornwall-fundstueck-tjipetir

Das Titelbild des Beitrags ist eine Werbung der Firma Continental aus dem Jahr 1903, die damals noch Continental Caoutchouc & Guttapercha Co. hieß. Auch das haben wir im Plastikzeitalter längst vergessen.

Anmerkung: Der Beitrag erschien in einer ersten Fassung am 8. September 2018.

advertisement, continental, guttapercha, 1903

Werbung der Continental Caooutchouc & Guttapercha Co. Hannover aus dem Jahr 1903
Quelle: commons.wikimedia.org (File:1903 Werbung Continental Pneumatic Continental Caoutchouc & Guttapercha Co. hannover.JPG)

logbook German-Australian Liner Furth 1914

Das Schiffstagebuch der „Fürth“

Ein Glücksfall

Im Fall des Dampfschiffes „Fürth“ haben wir das seltene Glück, dass sich ein Schiffstagebuch (Logbuch) bis ins einundzwanzigste Jahrhundert erhalten hat. Es befindet sich im Merseyside Maritime Museum in Liverpool. Wie es dort hingekommen ist, erfahren Sie hier: Ein Logbuch der „Fürth” in Liverpool

Bildnachweis Titelbild: Titelseite des Logbuchs der „Fürth“, Beginn 21. April 1914; mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

Über den Maritime & Historical Research Service Books, Boxes and Boats hatte ich Fotos vom Logbuch erhalten. Der Service bietet nicht nur Recherchedienste an, sondern hat auch eine sehr informative Webseite, die sich ausgezeichnet als Ausgangspunkt für eigene Recherchen zum Thema Schifffahrt eignet: http://www.maritimearchives.co.uk/

Mithilfe des Logbuchs können wir die letzte Australienfahrt der „Fürth“ bis ins Detail nachverfolgen. Aus anderer Perspektive, nämlich rekonstruiert aus Zeitungsmeldungen des Jahres 1914, hatte ich hier berichtet: Unvollendete Fahrt

Das Logbuch enthält sehr viel interessante Details über die Seefahrt zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die ich zum besseren Verständnis mit reichlich zusätzlichen Informationen aufbereitet habe:
Reisevorbereitungen vor der Abfahrt, das Bunkern, Laden und Löschen in den Häfen, die Anbordnahme von Hafen- und Seelotsen, Routinearbeiten an Bord, vorschriftsmäßige Überprüfungen, Navigation, Reise- und Liegezeiten, Wetterbedingungen, zurückgelegte Seemeilen, Probleme mit Mannschaftsmitgliedern, Desertionen und vieles mehr geben einen direkten Einblick in das Leben an Bord der „Fürth“ und der Handelsmarine im Allgemeinen.

Bis heute ist mir nur die Existenz eines weiteren Logbuches eines Schiffes der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft bekannt. Es ist das Logbuch des Dampfers „Neumünster“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, ebenfalls aus dem Jahr 1914: siehe Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Neumünster“ und Aus dem Logbuch des Schiffes „Neumünster“

Informationen auf der Titelseite des Logbuchs (Titelabbildung)

Neben dem Schiffsnamen „Fürth“, sind der Heimathafen, das Unterscheidungssignal (siehe dazu Das Unterscheidungssignal der „Fürth“), der Kapitän W. Richter und gleich zweimal der Name der Reederei angegeben sowie deren Hausflagge abgebildet.

Im unteren Teil der Seite steht der folgende Text:

Dieses Schiffstagebuch enthält 184 mit fortlaufenden Seitenzahlen versehene Seiten, von denen jede für einen bürgerlichen Tag bestimmt ist. Vorgeheftet sind: 1. Zusammenstellung der Vorschriften über die Führung und Behandlung des Schiffstagebuchs (Tagebuchverordnung vom 21. März 1904 § 6); 2. Anweisung in betreff der Beurkundung von Geburten und Sterbefällen auf Seeschiffen während der Reise nebst Musterbeispielen für solche Beurkundungen (Reichsgesetzblatt 1875 S. 23 ff.). Am Schlusse sind Formulare zum Geburtenregister und zum Sterberegister angehängt.

Das Schiffstagebuch ist begonnen am 21. April 1914
und beendet am [kein Eintrag]

Anmerkung: Heraushebungen wie im Originaldokument

Der bürgerliche Tag

Der bürgerliche Tag ist nach einem Handbuch der Seefahrtskunde wie folgt definiert:

„Der bürgerliche Tag, für die Geschäfte und Verhältnisse des gewöhnlichen Lebens und Verkehrs, beginnt um Mitternacht, und endet in der nächsten Mitternacht, und wird in zwei gleiche Hälften, jede zu 12h, eingetheilt; die erstere heißt Vormittag, gewöhnlich mit V.M. oder auch mit A.M. (ante meridiem) bezeichnet; die zweite Hälfte heißt Nachmittag, mit N.M. oder P.M. (post meridiem) bezeichnet.“
Quelle: Handbuch der praktischen Seefahrtskunde, Erster Band, Eduard Bobrik, Verlagsbureau, Leipzig, 1848 (abgerufen über books.google.fr)

Damit ist der bürgerliche Tag ein für uns heute „ganz normaler“ Tag. Eine Abgrenzung des Begriffes besteht zum astronomischen Tag und zum seemännischen Tag, die beide am Mittag beginnen.

Vormittag und Nachmittag

In den Schiffsmeldungen der Tageszeitungen wurden regelmäßig die Begriffe vm. bzw. nm. verwendet (siehe dazu die Routenpläne bei den Australienfahrten der „Fürth“). vm entspricht also 0-12 Uhr und ist nicht mit unserer heutigen Verwendung des Wortes Vormittag zu verwechseln. Entsprechendes gilt für nm. oder Nachmittag.

Kapitän Walter Richter verwendet in seinen Aufzeichnungen eine Zeitzählung von 1 bis 12 mit den Begriffen am und pm, wie wir es in der Definition oben finden oder wie wir das aus dem Englischen kennen. 0.50 pm entspricht also 12.50 Uhr nach unseren heutigen Gewohnheiten.

Zeitlicher Umfang des Logbuchs

Der erste Eintrag im Schiffstagebuch der „Fürth“ ist – wie auf dem Titelblatt angegeben – vom 21. April 1914. Der letzte Eintrag von Kapitän W. Richter ist am 11. August 1914 in Colombo gemacht worden.

Anschließend klafft (leider) eine Lücke von über 2 Monaten (12. August bis 22. Oktober 1914).

Das Logbuch wird dann am 23. Oktober 1914 von Kapitän R. J. Thomson wieder aufgenommen, sein letzter Eintrag ist vom 30. November 1914 siehe dazu: Kapitän R. J. Thomson überführt das Dampfschiff „Fürth“ von Ceylon nach England

Copyright

Auf dem Logbuch ist ein © Copyright, das nach dem Zeitpunkt des Todes des Verfassers für 70 Jahre fortbesteht. Der erste Teil des Logbuches ist von Kapitän Richter, aber in großen Teilen auch von seinem ersten Offizier.

Kapitän Richter starb am 19. Februar 1917, somit sind die 70 Jahre Urheberrecht lange abgelaufen. Jedoch ist mir für den ersten Offizier R. Hoffmann das Todesdatum nicht bekannt. Ich weise deshalb darauf pflichtgemäß darauf hin, dass deshalb noch ein © Copyright auf dem Logbuch bestehen könnte.

Über alle Hinweise zu dem 1. Offizier R. Hoffmann bedanke ich mich herzlichst im Voraus. Bislang kann ich nur als Hinweis geben, dass er für diese Fahrt neu auf die „Fürth“ gekommen und im Sommer 1914 32 Jahre alt war: siehe Drei Mannschaftslisten der „Fürth“ aus dem Jahr 1914

cover logbook Furth 1914

Einband des Logbuchs der „Fürth“, Wiedergabe in Falschfarben, um die Lesbarkeit der Schrift zu erhöhen, mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

Der Einband des Logbuches

Auf dem Leineneinband des Logbuches stehen handschriftlich in großen Buchstaben die folgenden Texte:

S/S Fürth
15te Reise

Das Wort ‚Reise‘ ist in Kurrentschrift wiedergegeben, das Schriftbild entspricht den Einträgen im Innenteil. Diese Beschriftung kommt also sehr wahrscheinlich von Kapitän Richter oder dem ersten Offizier.

Die Reederei hatte die Reisen der Schiffe durchnummeriert. Intuitiv habe ich das bei den Australienfahrten der „Fürth“ von Anfang an ebenfalls getan und die Fahrten 1 bis 14 genannt (siehe Australienfahrten). Die Abweichung um eine Reise ergibt sich aus der Fahrt Nummer 13, die ich als eine Fahrt gezählt habe, die von der Reederei offenbar jedoch in zwei Fahrten aufgeteilt wurde, was sehr nachvollziehbar ist, dauerte sie doch vom 15. Februar 1913 bis zum 7. April 1914, also etwa 14 Monate. Eine logische Teilung ergibt sich nach der Rückkehr der „Fürth“ nach Europa in Newcastle-on-Tyne.

Damit wäre die 13. Fahrt nach Zählung der Reederei wahrscheinlich vom 15. Februar 1913 bis 2. Juli 1913 und die 14. Fahrt vom 16. Juli 1913 bis 7. April 1914.

Spätere Ergänzungen

Zu einem offensichtlich späteren Zeitpunkt wurde in großen Zahlen 1914 auf den Titel über die bestehenden Einträge geschrieben.

Eine weitere Eintragung auf dem Titel ist die Zahl „1.“ in der oberen rechten Ecke. Darunter stehen ebenfalls in schwarzer Schreibschrift die Großbuchstaben G.H. Die Bedeutung dieses Eintrages kann ich nicht deuten, eventuell stammt sie von einem Archivar.

Einleitende Seiten im Innenteil

Das Logbuch enthält vor den eigentlichen Einträgen einige vorgedruckte Seiten. Darin werden die folgenden Punkte behandelt:

Rückseite der Titelseite

Die Seite enthält die Skala der Windstärke nach Beaufort von 0 – 12, Beauforts Bezeichung des Wetters, das heißt 17 Kleinbuchstaben, die bestimmten Wettersituationen zuordnet sind sowie eine neunstufige Skala des Seegangs.

logbook steamer Furth, 1914

Logbuch der „Fürth“, Rückseite Titelblatt; mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

Sicherheitsvorschriften

Die nächste Seite enthält eine Tabelle mit Eintragungen zu den Sicherheitsvorschriften. Je Zeile gibt es eine Anweisung (z. B. „Überholung der Boote“), den Verweis auf die entsprechende Vorschrift, die Häufigkeit, mit der die Sicherheitskontrollen durchzuführen sind und die vierte Spalt lässt Raum für die Eintragungen, wann die Kontrollen durchgeführt wurden und auf welchen Seiten die entsprechenden Einträge im Logbuch zu finden sind (siehe Abbildung unten).

Vorschriften zur Führung des Schiffstagebuchs

Die Folgeseiten enthalten eine „Zusammenstellung der Vorschriften über die Führung und Behandlung des Schiffstagebuchs“, das heißt welche Eintragungen vor Beginn der Reise, von Tag zu Tag und im eintretenden Fall zu machen sind mit Verweis auf die jeweiligen Gesetze und Verordnungen.

Gefolgt wird dieses Kapitel von der „Anweisung in betreff der Beurkundung von Geburten und Sterbefällen auf Seeschiffen während der Reise“ gefolgt von vier Anlagen mit Musterbeispielen für beide Fälle.

Logbuch Fürth 1914

Logbuchseite mit den Sicherheitsvorschriften; mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

Fortsetzung

Die „Fürth“ im Trockendock No. 3 bei Blohm & Voss in Hamburg.

Außerdem werden Sie erfahren, was es mit Rathjens Compositionen auf sich hat.

Tagebuch (2) : Die „Fürth“ im Trockendock

Auf der Startseite des Blogs sind unter der Rubrik „Logbuch“ alle weiteren Logbucheinträge des Dampfschiffes „Fürth“ abrufbar.

Dieser Artikel erschien in einer ersten Fassung am 4. Januar 2020.

Gothenburg, about 1910

Das Dampfschiff „Fürth“ in Göteborg

Im April 1911

Titelbild: Gothenburg (Göteborg), Teil des Hafens, Postkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, herausgegeben 1913, Fotograf unbekannt, eigene Sammlung.

Am 7. April 1911 erreichte der Frachtdampfer „Fürth“ Gothenburg. So bezeichnete man damals noch im Deutschen, wie im Englischen bis heute, die schwedische Stadt Göteborg. Ein Anlass, uns in der belebten Hafenstadt zur Zeit der Jahre um 1910 einmal umzusehen.

Anmerkung: Eine Initiative der Stadtregierung aus dem Jahr 2009, Gothenburg zum alleinigen internationalen Namen der Stadt Göteborg zu machen, konnte sich nicht durchsetzen. So heißt es im Deutschen heute weiterhin Göteborg. Auf Schwedisch wird Göteborg übrigens so ausgesprochen: yörteboarie. Naja, so ähnlich jedenfalls.

Gothenburg postcard about 1900

Göteborg, Hafen, Ansichtskarte (Fotograf unbekannt), Quelle: National Maritime Museum, Schweden – Public Domain, https://www.europeana.eu/item/916109/smm_sm_photo_Fo200568

Skandinavisches Holz für Australien

Auf den ersten Blick scheint es ungewöhnlich, ein Schiff der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) in Skandinavien anzutreffen, aber die Reederei hatte eine feste Linie von Gothenburg in Schweden über Frederikstad in Norwegen nach Australien eingerichtet. SIEHE dazu auch: Die „Fürth“ in Skandinavien

DADG Advertisement in HANSA, April 1912

Anzeige der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft vom April 1911 in der Zeitschrift HANSA

Hintergrund war der sehr ungleich ausgelastete Schiffraum auf den Reisen zwischen Europa und Australien. Auf der einen Seite musste die Reederei ausreichend Schiffsraum in Australien bereitstellen, um den dortigen Erwartungen ihrer Kunden gerecht zu werden. Auf der anderen Seite wurden von Hamburg und Antwerpen in Richtung Australien weitaus weniger Güter transportiert als auf dem Rückweg.

Mehr zum Warentransport zwischen beiden Ländern finden Sie hier: Australische Exporte nach Deutschland und Deutsche Exporte nach Australien 1908

Die Lieferung nordischer Hölzer und Holzprodukte schaffte Abhilfe, auch wenn die Frachtraten für diese Waren nicht sonderlich hoch waren (um es freundlich auszudrücken). Aber immer noch besser, als halb leer oder gar in Ballast nach Australien zu reisen.

Gothenburg post card about 1900

Göteborg, Hafeneinfahrt, Ansichtskarte (Fotograf unbekannt), Quelle: National Maritime Museum, Schweden CC BY-SA, https://www.europeana.eu/item/916109/smm_sm_photo_Fo200569

Die Anfänge der Direktverbindung von Skandinavien nach Australien gingen auf die Jahre 1903/1904 zurück. Die erste Lieferung waren allerdings kein Holz für Australien, sondern Kantsteine für Südafrika. Die ursprüngliche Idee der Reederei, Hölzer ebenfalls nach Südafrika zu liefern, schlug fehl, und so wurde Australien das Ziel der Holzlieferungen.

1909 waren bereits zehn Dampfer auf der Skandinavien-Linie beschäftigt und vor dem Ersten Weltkrieg gab es vierwöchentliche Abfahrten.

Insgesamt war es ein Geschäft, das man gerne mitnahm, allerdings ohne damit große Gewinne einzufahren. Der Geschäftsführer Otto Harms drückte es 1933 nüchtern aus: „Die Fahrt hielt befriedigend an.“ Zitat Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft Hamburg, Schröder & Jeve (1933).

Gothenburg port about 1900

Göteborg, Hafen, Ansichtskarte (Fotograf unbekannt), Quelle: National Maritime Museum, Schweden – CC BY-SA, https://www.europeana.eu/item/916109/smm_sm_photo_Fo200557

Am Fluss Göta

1900 hatte Göteborg etwa 130.000 Einwohner. Die Bevölkerungszahl hatte sich damit innerhalb von hundert Jahren verzehnfacht. Eine Größenzunahme, die bei vielen anderen Industriestädten ebenfalls zu beobachten ist. Gleichzeitig entwickelte sich die Stadt zum wichtigsten Exporthafen Schwedens und auch zum bedeutendsten Zentrum schwedischer Emigration nach Amerika.

Wichtige Industriezweige waren Metallfabriken und Sägewerke, die das Holz verarbeiteten, das auf dem Fluss Göta nach Göteborg transportiert wurde.

gothenburg harbour about 1900

Göteborg, Hafen, Ansichtskarte (Fotograf unbekannt), Quelle: National Maritime Museum, Schweden – CC BY-SA, https://www.europeana.eu/item/916109/smm_sm_photo_Fo200567

In der Zeit vor der Dampfmaschine war das Holz weiter flussaufwärts an Sägemühlen gesägt worden. Mit der Ausbreitung dampfbetriebener Holzsägen verlagerten sich die Sägegatter flussabwärts nach Göteborg. Es liegt auf der Hand, dass die Qualität von frisch geschnittenem Schnittholz dem eines auf dem Fluss transportierten geschnittenen Holzes deutlich überlegen war.

Neben gesägtem Holz, waren Grubenholz für Bergwerke und Bahnschwellen für die unermüdlich expandierenden Eisenbahnen wichtige Exportprodukte. Auch die rasch wachsende Papierindustrie verlangte mehr und mehr Holz. Praktisch für die Holzproduzenten war dabei, dass Holzstoff (wood pulp) aus Abfallholz oder aus Holz minderwertigerer Qualität produziert werden konnte.

Gothenburg customs house about 1900

Göteborg, Residensbron-Brücke und Zollhaus, Ansichtskarte (Fotograf unbekannt), Quelle: National Maritime Museum, Schweden – CC BY-SA, https://www.europeana.eu/item/916109/smm_sm_photo_Fo200562

Der Hafen in Göteborg

Der Hafen Göteborgs geht auf das Jahr 1620 zurück. Er ist damit sogar ein Jahr älter als die Stadt selbst. Eine erste Blüte erlebte der Hafen nach der Gründung der Swedish East India Company im Jahr 1731, als Tee, Seide, Porzellan und andere exotische Produkte in Göteborg entladen wurden.

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde mit dem Bau von Kaianlagen und dem Ausbaggern der Fahrrinne für größere Schiffe die Grundlage für den modernen Hafen gelegt. Mit Anlage des Masthuggskajen von 1888 bis 1902 konnten auch große Überseedampfer in Göteborg festmachen. Ein Bahnanschluss sorgte für die notwendige Infrastruktur.

Von 1908-1914 erfolgte ein weiterer Ausbau, jetzt auf der nördlich des Flusses Göta gelegenen Insel Hisingen (Sannegårdshamnen). Dieser Hafenteil wurde wichtigster Importweg für Kohle und Koks, die zu dieser Zeit rund zwei Drittel aller schwedischen Importe ausmachten.

gothenburg 1906

Gothenburg, Hafen und Zollhaus (rechts am Bildrand), stereografische Aufnahme, 1906; Quelle: Library of Congress, Washington DC, https://www.loc.gov/resource/stereo.1s38138/

Bei den schwedischen Exporten dominierten zunächst Holz und Holzprodukte mit 75 %. Bis 1910 ging deren Anteil auf 40 % zurück und Eisenerze erreichten ebenfalls etwa 40 % des Exportvolumens. Die Verschiffung der Erze erfolgte direkt von der nordschwedischen Stadt Luleå oder ab 1902 auch über das norwegische Narvik.

Wer mehr dazu lesen möchte, wird hier fündig:

Port of Gothenburg, History of the Port; https://www.portofgothenburg.com/about-the-port/history-of-the-port/

Shipping in Sweden, 1850-1913, Martin Fritz, Scandinavian Economic History Review, 1980; https://www.tandfonline.com/doi/pdf/10.1080/03585522.1980.10407923

emigrants in gothenburg about 1905

Göteborg, ein Dampfer mit Emigranten verlässt den Hafen in Richtung England und Amerika, ca. 1905; rechtes Foto einer ursprünglich stereografischen Aufnahme, Quelle: Library of Congress, Washington DC; https://www.loc.gov/resource/cph.3b40508/

Schwedische Auswanderung von Göteborg

Während des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts emigrierten etwa 1,3 Millionen Schweden nach Nordamerika mit einem Höhepunkt in den 1880er Jahren.

Die Auswandererroute verlief ab den 1860er Jahren von Göteborg in der Regel über den Hafen Hull in Großbritannien. Dort nahmen die Auswanderer den Zug nach Liverpool und von dort wiederum setzten sie ihre Reise über den Atlantik fort. Eine andere Route war die über Hamburg.

Erst ab 1915 gab es dann einen direkten Linienverkehr zwischen Göteborg und New York durch die Gesellschaft Rederiaktiebolaget Sverige-Nordamerika, die ab dem Jahr 1925 unter dem bekannteren Namen Svenska Amerika Linien (SAL) firmierte.

Der nordamerikanische Staat mit dem größten Anteil an schwedischen Einwanderern war Minnesota (12 % der Einwohner im Jahr 1910). Bei den Städten übte Chicago die größte Anziehungskraft auf die Schweden aus. Nur Stockholm hatte mehr schwedische Einwohner als Chicago, wo 1910 etwa 100.000 schwedisch stämmige Einwohner lebten.

Dass Auswanderung allerdings kein Selbstläufer ist, beweist eine andere Zahl: etwa ein Fünftel der Emigranten kehrte wieder nach Schweden zurück.

Mehr Informationen und Literaturquellen gibt es im Aufsatz Swedish Immigration to North America von Dr. Dag Blanck, Svenson Swedish Immigration Research Center; https://www.augustana.edu/swenson/academic/history#:~:text=During%20the%201880s%20alone%2C%20some,persons%20in%20the%20United%20States.

gothenburg calypso 1905 emigrants

Emigranten auf dem Dampfschiff „Calypso“ (Wilson Line) auf dem Weg nach England und Amerika, stereografische Aufnahme, 1905, Quelle: Library of Congress, https://www.loc.gov/resource/stereo.1s38142/

gothenburg market 1905 saluhallen

Göteborg, Menschenmenge auf dem zentralen Markt, dem größten Markt Schwedens, stereografische Aufnahme, 1905, Quelle: Library of Congress, Washington DC, https://www.loc.gov/resource/stereo.1s38129/

Rechts im Bild sind die Saluhallen aus dem Jahr 1889. Die große Markthalle am Kungstorget existiert bis heute und wurde 2009 – 2012 umfassend renoviert.

Gothenburg hamngatan about 1890

Gothenburg, Stadtkanal mit Norra und Södra Hamngatan (Nördl. und Südl. Hafenstraße), ca. 1890, Quelle: Library of Congress, Washington DC; https://www.loc.gov/resource/ppmsca.52856/

Demnächst im Blog

Unveröffentlichte Tagebucheinträge eines Matrosen des Schiffes „Brisbane“ der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft sind vermutlich die einzigen überlieferten Dokumente aus der deutschen Kriegsgefangenschaft im Ersten Weltkrieg in Portugiesisch-Indien (Goa).

Ein echtes Highlight hier im Blog mit neuen Erkenntnissen zur Gefangenschaft deutscher Seeleute in Goa in den Jahren 1914 – 1919!

Bleiben Sie dran!

Tjilatjap, Java, about 1910

In Tjilatjap

Im Süden der Insel Java

Heute führen uns die Reisen des Dampfschiffes „Fürth“, einem Frachtdampfer der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft Hamburg (DADG), nach Tjilatjap.

Tjilatjap liegt im Süden der Insel Java, die vor der Unabhängigkeit Indonesiens zu Niederländisch-Indien gehörte. Die Stadt heißt heute offiziell Cilacap, in englischen Quellen wurde auch die Schreibweise Chilachap benutzt, wie auf der untenstehenden Karte aus Encyclopædia Britannica, Ausgabe 1911. Das „p“ am Wortende ist übrigens stumm, es wird nicht gesprochen.

Java map about 1910

Karte der Insel Java, aus Encyclopedia Britannica 1911, Lage der Stadt Tjilatjap farbig markiert; https://en.wikisource.org/wiki/1911_Encyclopædia_Britannica

Die Stadt erlangte für den Handel eine gewisse Bedeutung, da sie über den einzigen Hafen an der Südküste Javas verfügt, der für große Schiffe zugänglich ist. Darüber hinaus schützt die im Süden vorgelagerte langgestreckte Insel Nusa Kambangan den Hafen vor starken Winden und hohem Seegang.

Über einen Schienenanschluss war der Hafen von Tjilatjap mit dem Hinterland verbunden.

Die folgende Abbildung ist um das Jahr 1900 entstanden. Sie zeigt eine noch sehr primitive und rudimentäre Ausstattung der Anlegestelle von Tjilatjap. In der rechten Bildmitte ist gerade das Gerüst für den neuen Anleger in Bau, der die Hafeninfrastruktur maßgeblich verbessern sollte.

Tjilatjap about 1900

Tjilatjap, Anlegestelle, um 1900, Digital Collections Leiden University Libraries, http://hdl.handle.net/1887.1/item:782587, Creative Commons CC BY License

Im folgenden Bild war der Bau abgeschlossen und der neue Kai in Betrieb.

Dem Fotografen ging es offensichtlich darum, die schöne Lichtstimmung im Hafen einzufangen. Sonst hätte er vielleicht den Namen des Schiffes notiert, das am Kai lag. Es ist einer der markanten „Zweischornsteiner“ der DADG.

Siehe dazu die folgenden Artikel: Instagram der Kaiserzeit: Ansichtskarten

Zumindest lässt sich das Bild durch das abgebildete Schiff auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg datieren (1900-1914).

tjilatjap wharf with German Australian line steamer

Tjilatjap, Kai, ca. 1900-1914, Digital Collections Leiden University Libraries, http://hdl.handle.net/1887.1/item:823951, Creative Commons CC BY License

Mehr Glück haben wir mit der nachstehenden Aufnahme, bei der die Namen der beiden Schiffe mit archiviert wurden. Es sind die Frachtdampfer „Reichenbach“ der DADG und „Thüringen“ des Norddeutschen Lloyd Bremen.

„Reichenbach“ war ein Schwesterschiff der „Fürth“. Ich hatte den Dampfer hier im Blog ausführlich vorgestellt. SIEHE: Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Reichenbach“

Tjilatjap, steamships Reichenbach and Thueringen, about 1908

Die Frachtdampfer „Reichenbach“ (DADG, rechts) und „Thüringen“ (NDL, links) am Anleger in Tjilatjap, von der Insel Noesa Kambangan aus gesehen, um 1908, Digital Collections Leiden University Libraries, http://hdl.handle.net/1887.1/item:915206, Creative Commons CC BY License

Den Dampfer „Thüringen“ ereilte 1914 das gleiche Schicksal wie einem anderen Schwesterschiff der „Fürth“, der „Neumünster“: Im August 1914 war auch „Thüringen“ im Hafen von Fremantle konfisziert worden. Die Besatzung wurde im Anschluss auf der Insel Rottnest interniert.

Hier das Schiff noch einmal auf einer Ansichtskarte des Norddeutschen Lloyd.

Thüringen Schiff

Frachtdampfer „Thüringen“, Norddeutscher Lloyd Bremen, Ansichtskarte ungelaufen und undatiert (ca. 1906-1914), eigene Sammlung

Warenumschlag in Tjilatjap

Eine detailreiche Aufnahme zeigt den Güterbahnhof von Tjilatjap.

Neben den Gleisen und Lagerschuppen sehen wir links ein Gebäude, in dem die Büros der Reedereien untergebracht waren.

In der linken Hälfte befand sich das Büro der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, wie ein großes Schild über dem Eingang belegt. Das Büro war offensichtlich zur Zeit der Aufnahme nicht besetzt, die Tür ist geschlossen.

Im rechten Gebäudeteil sehen wir die Kontore der Stoomvaart Maatschappij Nederland und der Koninklijke Paketvaart Maatschappij. Auch hier befindet sich ein breites Schild über den Büros.

tjilatjap, donan station, about 1910

Tjilatjap, Bahnhof im Stadtteil Donan; Digital Collections Leiden University Libraries, http://hdl.handle.net/1887.1/item:914990, Creative Commons CC BY License

Das Dampfschiff „Fürth“ in Tjilatjap

Die abgelegene Lage der relativ kleinen Stadt Tjilatjap hat zur Folge, dass die Ankunft und Abfahrt der Schiffe in den Zeitungen nicht so gut dokumentiert wurde wie in Batavia oder Soerabaya.

Dennoch sind mindestens fünf kurze Aufenthalte des Frachtdampfers „Fürth“ in der Zeit zwischen dem 6. Oktober 1907 und dem Februar 1911 in den Schiffsmeldungen der niederländischen Zeitungen überliefert.

Über aufgenommene Fracht der „Fürth“ in Tjilatjap habe ich leider keine Angaben. Wichtige Handelsgüter waren Kopra, Gummi, Tee und Maniok.

Gummi wurde auf Plantagen auf der vorgelagerten Insel Nusakambangan gewonnen, die als Gefängnisinsel genutzt wurde (und bis heute wird). Die Häftlinge mussten auf den Gummiplantagen und in der angeschlossenen Fabrik arbeiten.

Heute sind in der Stadt eine bedeutende Erdölraffinerie und ein großes Zementwerk angesiedelt. Für indonesische Verhältnisse ist die Stadt mit über 200.000 Einwohnern sehr klein geblieben.

Historische Aufnahmen aus der Kolonialzeit

Die folgenden Aufnahmen vermitteln einen Eindruck vom krassen Gegensatz des Lebens in den europäischen Kolonien. Es handelt sich um eine Aufnahme des Marktes von Tjilatjap und zwei vom europäischen Club.

tjilatjap market

Tjilatjap, Marktplatz, Digital Collections Leiden University Libraries, http://hdl.handle.net/1887.1/item:914617; Creative Commons CC BY License

tjilatjap societeit 1920

Gesellschaft im Club (Sociëteit) um 1920; Digital Collections Leiden University Libraries, http://hdl.handle.net/1887.1/item:904906, Creative Commons CC BY License

Societeit Tjilatjap about 1920

Tjilatjap, Sociëteit (Club der Europäer); Digital Collections Leiden University Libraries, http://hdl.handle.net/1887.1/item:919467; Creative Commons CC BY License

Tropenkrankheiten

Das privilegierte Leben der Europäer in Tjilatjap hatte jedoch einen gewaltigen Haken: die Stadt war berüchtigt für Tropenkrankheiten, vor allem Malaria.

In der Zeitung De Locomotief vom 4. April 1910 heißt es:

Aus Tjilatjap schreiben sie uns: Abgesehen davon, dass hier schon Pocken und akute Malaria weit verbreitet sind, sind seit 31. März sechs Cholera-Fälle mit tödlichem Ausgang vorgekommen.
De Locomotief, Samarang (Java), 4. April 1910, http://www.delpher.nl

Wären Sie damals noch dazu im Besitz von Meyers Reiseführer gewesen, wären sie bestimmt niemals auf die Idee gekommen, Tjilatjap in Ihre Java-Rundreise aufzunehmen:

„ein unbedeutender Seehafen und verrufenes Fiebernest, an der landschaftlich schönen Südküste Javas, der die lange »Blumeninsel« (Noesa Kembangan) vorgelagert ist“
(Meyers Weltreisen 1912 über Tjilatjap)

Die Besatzungen der deutschen Schiffe, die den Ersten Weltkrieg im Hafen von Tjilatjap verbrachten, mussten diese Fiebererfahrung machen. Harms (1933) schreibt dazu:

„In Tjilatjap haben die Besatzungen ziemlich stark unter Fieber zu leiden gehabt.“ (Harms, 1933).

Verantwortlich für das ungesunde Klima waren große Sumpfgebiete in der Umgebung der Stadt. In den 1920er Jahren wurden umfangreiche Wasserbaumaßnahmen durchgeführt, um den Wasserabfluss im Hinterland zu verbessern.

Tjilatjap map 1894

Karte von Tjilatjap, 1894, aus: West-Java; traveller’s guide for Batavia to the Preanger Regencies and Tjilatjap, Cornell University Library, Ithaka (New York); http://seasiavisions.library.cornell.edu/catalog/seapage:160_71

Tjilatjap im Ersten Weltkrieg

Zwei DADG-Schiffe und ein Reichspostdampfer des Norddeutschen Lloyd Bremen verbrachten den ganzen Ersten Weltkrieg im Hafen von Tjilatjap.

Der Frachtdampfer „Lübeck“ (SIEHE: Das Projekt DigiPEER) war auf dem Weg von Fredrikstad (Norwegen) nach Australien unterwegs und hatte am 25. Juli 1914 das Kap der Guten Hoffnung passiert. Am 11. August erhielt das bereits mit drahtloser Telegrafie ausgestattete Schiff vom Dampfer „Lüneburg“ Nachricht vom Kriegsausbruch und änderte seinen Kurs nach Tjilatjap, wo es am 26. August 1914 einlief.

Das Dampfschiff „Stolberg“ erreichte von Hamburg kommend, am 30. Juli Fremantle in Westaustralien. Es gelang dem Kapitän noch am 4. August den Hafen zu verlassen. Statt nach Melbourne und Sydney, nahm er Kurs auf Tjilatjap, das er am 10. August erreichte. Noch im August verließ „Stolberg“ wieder Tjilatjap, um die Kaiserliche Marine zu unterstützen. Siehe dazu den Artikel: „Stolberg“ suchte dann den Hafen Makassar als neuen Nothafen auf.

Der Dampfer „Sydney“ hatte in Sydney am 28. Juli abgelegt: Fahrtziel Adelaide. Statt in Adelaide Erze zu laden, fuhr das Schiff jedoch direkt weiter in Richtung Batavia. Nachdem die Mannschaft Nachricht von „Stolberg“ erhalten hatte, dass die Passage der Sundastraße nicht sicher wäre, ließ der Kapitän den Kurs nach Tjilatjap ändern. „Sydney“ erreichte den Hafen an der javanischen Südküste am 11. August.

Ein weiteres Schiff, das in Tjilatjap Zuflucht gesucht hatte, war der Reichspostdampfer „Roon“ des Norddeutschen Lloyd Bremen.

Frachtdampfer Sydney 1911, DADG

Frachtdampfer „Sydney“, Baujahr 1911, © Abbildung aus: Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft Hamburg 1888-1926, R. Schmelzkopf (1984), Eigenverlag (Strandgut), Foto aus der Sammlung A. Kludas

Fünf lange Jahre

Die Schiffe „Lübeck“, „Sydney“ und „Roon“ sollten fünf lange Jahre in Tjilatjap bleiben. Erst im August 1919 verließen sie den Hafen unter neuer Flagge.

Die deutschen Schiffe, die so viele Jahre ruhig im Hafen von Tjilatjap gelegen haben, werden nach und nach ausgerüstet, um ihrer neuen Bestimmung unter englischer Flagge zu folgen. Es ist ein Passagierschiff, die Sydney und zwei Frachtschiffe, die Lübeck und die Roon.
Het nieuws van den Dag voor Nederlandsch-Indië, 19. Aug. 1919; www. Delpher.nl (eigene Übersetzung)

Anmerkung: Der Artikel hat zwei Schiffe durcheinandergebracht: das Passagierschiff war der Reichspostdampfer „Roon“ des Norddeutschen Lloyd Bremen und „Sydney“ war ein Frachtschiff der DADG.

Alle vier genannten Schiffe mussten 1919 an Großbritannien abgeliefert werden. Die drei DADG-Dampfer wurden von der British India Steam Navigation Company (BI) bereedert. SIEHE dazu den Artikel: Das Schulschiff „Australia“

Über den Aufenthalt eines DADG-Dampfers in Niederländisch-Indien während des Ersten Weltkriegs hatte ich am Beispiel von Dokumenten Wilhelm Holsts berichtet. Holst war Schiffkoch auf dem Dampfer „Ulm“, der in den Kriegsjahren vor der Insel Ambon lag. Holst erkrankte während des Aufenthalts, er starb im März 1917.
Die „Ulm“ in Ambon (Teil 1 von 2) und Die „Ulm“ in Ambon (Teil 2 von 2)

Nusa Kambangan Lighthouse

Tjilatjap, Leuchtturm auf der Insel Nusa Kambangan, Ansichtskarte undatiert (ca. 1900-1930), Collectie Wereldculturen, Public Domain Anonymous 70 EU

HIrsch Kupfer- und Messingwerke (HKM) Halberstadt

Der „Fall Snow“ und die Firma Hirsch in Halberstadt

Handel mit dem Feind

Titelbilld: Verkaufsprospekt für die Kapitalerhöhung der Hirsch Kupfer- und Messingwerke (HKM) in der Berliner Börsenzeitung vom 7. Oktober 1911; Quelle europeana.eu

Halberstadt und Fürth

Wussten Sie schon, was Halberstadt und die Stadt Fürth, Namenspatin des Dampfschiffes „Fürth“ gemein haben?

Beide Städte verfügen über ein reiches jüdisches Erbe und in beiden Städten hinterließen wohlhabende jüdische Bürger eindrucksvolle Stiftungen, die zum Teil noch heute ihren Einwohnern zugutekommen.

Diese Gemeinsamkeit wurde im Jahr 2011 durch eine gemeinsame „Bewerbung für die Tentativliste der UNESCO Welterbekonvention“ unter dem Titel „Jüdisches Stiftungswesen als Beitrag zur Entwicklung des modernen Sozialstaates“ zum Ausdruck gebracht.

Darin heißt es: „Die seriellen Komponenten in Fürth und Halberstadt repräsentieren die Vielfalt der materiellen Zeugnisse jüdischen Wohlfahrtswesen in zwei städtischen jüdischen Gemeinden. Die erhaltenen Stiftungsgebäude reflektieren dabei die Breite der Wohlfahrtsleistungen, die Aspekte der sozialen Fürsorge, medizinischen Versorgung und Bildung aufnahmen und damit das Spektrum der späteren Grundleistungen des modernen Sozialstaates vorwegnehmen.“
Quelle: www.moses-mendelssohn-akaedemie.de

Halberstadt cathedral about 1890

Halberstadt, der Dom; Fotochromdruck der Fa. Photoglob in Zürich, 1890, Quelle: Library of Congress, https://www.loc.gov/resource/ppmsca.52560/

Aron Hirsch

Einer dieser jüdischen Stifter in Halberstadt war der Metallindustrielle Aron Hirsch. Das Familienunternehmen Hirsch & Sohn war ein bedeutender Metallhändler und über zahlreiche Beteiligungen auch in der Metallproduktion tätig. Geschäftsbeziehungen bestanden nach ganz Europa, aber auch nach Mittel- und Südamerika, Asien und Australien.

Im Jahr 1906 wurde aus der offenen Handelsgesellschaft Hirsch & Sohn die Hirsch Kupfer- und Messingwerke Aktiengesellschaft zu Halberstadt (HKM). Die Gesellschaft hatte ein Stammkapital von 7 Millionen Mark. Sie betrieb als Zweigstellen ein Messingwerk bei Eberswalde und ein Kupferwerk in Ilsenburg am Harz.

Das Kapital der Aktiengesellschaft blieb mit großer Mehrheit bei Aron Hirsch & Sohn (6.996.000 Mark). Geschäftsführer waren die Kaufleute Aron Hirsch und Dr. Phil. Abraham Hirsch sowie Fabrikdirektor Max Hesse, der das Messingwerk bei Eberswalde leitete.
Quelle: Berliner Börsenzeitung vom 23. August 1906; Staatsbibliothek zu Berlin über europeana.eu

Über die Tätigkeit des Unternehmens sagt der im Titelbild dieses Beitrages abgebildete Verkaufsprospekt bei der Erhöhung des Grundkapitals im Jahr 1911:

Die Gesellschaft befasst sich mit der Weiterverarbeitung und Verfeinerung von Metallen, insbesondere Kupfer und Zink in den verschiedensten Legierungen und verschiedenen anderen Metallen durch Walzen, Pressen, Stanzen und Ziehen zu mannigfachen Zwecken, namentlich auch für den Eisenbahn-, Schiffbau und militärische Zwecke.

Die beiden Werke der Gesellschaft beschäftigten im Jahr 1911 „etwa 1550 Beamte und Arbeiter“.

Dem florierenden Unternehmen wurde jedoch durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges der Rohstoffnachschub abgeschnitten. Eine dieser Rohstoffquellen war Australien.

Messingwerk Finow (HKM)

Messingwerk bei Eberswalde am Finowkanal mit Hafenbecken und Wasserturm, der 1918 fertiggestellt wurde; historische Ansichtskarte; commons.wikimedia.org; Heegermuehle-messingwerk-lu.jpg; Lizenz: CC BY-SA 3.0

Hirsch & Sohn in Australien

Hirsch & Sohn hatte sich in Australien eine solide Geschäftsbasis aufgebaut. Das Unternehmen besaß Anteile an den beiden australischen Metallgesellschaften Australian Electrolytic Smelting & Refining Company und an der Mount Morgan Gold Mining Co. Ltd.

An letzterer hatte sich 1882 übrigens auch William Knox D’Arcy beteiligt. Siehe dazu den Beitrag Die Ursprünge der bp Gruppe (British Petroleum).

Des Weiteren bestand eine Geschäftsbeziehung mit dem Unternehmen Francis H. Snow in Adelaide, der für Hirsch & Sohn als Agent arbeitete und die Verschiffung von Erzen und Konzentraten organisierte.

An dieser Stelle kommt die Deutsch-Australische Dampfschiffahrts-Gesellschaft (DADG) ins Spiel. Erze und Konzentrate waren eine regelmäßige Fracht auf den Heimfahrten der Reederei von Australien.

Ein schönes Beispiel eines Erztransports nach Europa ist folgende Zeitungsnotiz über die Fahrt des Dampfschiffes „Australia“ von Port Pirie (Südaustralien) nach Hamburg über Antwerpen:

April 22.—Australia, str., 4686, J. Hellerich, for Antwerp via Durban, with 2003 tons zinc concentrates, shipped; by F. H. Snow; 4011 tons ore, shipped by Australian Metal Co., and 4633 tons do., shipped, by Elder, Smith & Co., total 10,647 tons. Elder, Smith & Co., agents.
Port Pirie Recorder and North Western Mail, Fr 24. 
Apr 1914, S. 2, SAILED.

Die 2003 Tonnen Zinkkonzentrate, die F. H. Snow verschiffte, waren für Hirsch & Sohn bestimmt.

Port Pirie, Australia

Die „Australia“ in Port Pirie, eigene Montage aus zwei Fotos aus der State Library of South Australia, Referenznummer B9524/2 und B9524/3

Metallhandel in deutscher Hand

Wie groß die Bedeutung deutscher Unternehmen im weltweiten Metallhandels zu diesem Zeitpunkt war, zeigt sich, wenn man sich auch die anderen beiden Verschiffer ansieht:

4011 Tonnen Erz im Namen der Australia Metal Co.

Die Australian Metal Company war eine Tochtergesellschaft der Metallgesellschaft in Frankfurt am Main, Inhaber Wilhelm Merton. Siehe dazu den Artikel: Die Erze an Bord der „Fürth“ …

Das Unternehmen Elder, Smith & Co., das 4633 Tonnen Erze mit der „Australia“ nach Antwerpen verschiffte, war wiederum der Agent des dritten großen deutschen Metallhändlers, der Firma Beer, Sondheimer & Co. mit Sitz ebenfalls in Frankfurt am Main.

Bleiben wir für heute bei Hirsch & Sohn und seinem Geschäftspartner Snow.

Hampden Smelters Qld.

Erze werden mit Bahnwaggons einer Eisenhütte angeliefert, um 1912, Hampden Smelters, Queensland, Australia, Quelle: State Library of Queensland

Francis Hugh Snow

Francis Hugh Snow wurde 1854 in Yorkshire (England) geboren und ging als junger Mann nach Australien wo er zu nächst als Handelsagent arbeitete.

Später spezialisierte er sich als Metallbroker und wurde ein bedeutender Händler. Snow war verheiratet und hatte vier Söhne.

Iron Monarch Whyalla 1919

Minenarbeiter beim Erzabbau, 1919, Iron Monarch, Whyalla, South Australia, State Library of South Australia, Ref. B62487; https://collections.slsa.sa.gov.au/resource/B+62487

Gestörte Geschäftsbeziehung

Die internationale Geschäftsbeziehung von Hirsch & Sohn mit Francis H. Snow fiel nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges noch im August unter den Bann des Commonwealth, die Handelsbeziehungen mit dem Feind unter Strafe gestellt hatte.

Trading with the Enemy

Commonwealth Proclamation, Trading with the Enemy, The Daily News, Perth vom 25. August 1914; trove.nla.gov.au

Das stellte Unternehmen wie Francis H. Snow, die über viele Jahre eng mit den deutschen Geschäftspartnern zusammengearbeitet hatten, natürlich vor große Probleme.

Der Staat hatte plötzlich ein scharfes Auge darauf, welche Firmen noch mit dem Feind kommunizierten.

Verlässlicher Partner der Regierung waren die australischen Tageszeitungen, die sich auf die vermutlichen Fälle stürzten und in großer Breite darüber Bericht erstatteten. Mit Kriegsbeginn war in Australien eine breite antideutsche Kampagne gestartet worden.

So kam das Unternehmen Snow als Agent eines deutschen Großunternehmens auf die Anklagebank.

Weiters überrascht es nicht, dass dies sehr zügig geschah, nämlich bereits im November 1914:

alleged trading with the enemy 1914

Vermeintlicher Handel mit dem Feind; Observer, Adelaide, 28. November 1914; trove.nla.gov.au

Vor Prozessbeginn hatte die Staatsanwaltschaft Snows Büros durchsucht und zahlreiche Unterlagen sichergestellt.

Der Prozess gegen Francis H. Snow

Der Prozess gegen Snow dauerte von November 1914 bis Februar 1915.

Während des Prozesses verfolgte die Presse sehr genau den Prozessverlauf und berichtete nach jeder Sitzung des Gerichts. Die Details würden viele Seiten füllen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Firma Snow nach Kriegsbeginn versuchte, die Lieferungen über Drittstaaten abzuwickeln, wie zum Beispiel über Geschäftspartner in New York oder Rotterdam.

Auf Dokumente angesprochen, die einen direkten Kontakt mit Hirsch & Sohn belegten, äußerte sich Snow nicht, sondern gab an, nichts davon zu wissen. Er wird zitiert mit Aussagen wie “I know nothing about“ oder “I must admit I know nothing of that”.

Ende Januar 1915, als sich die Beweislage gegen Snow mehr und mehr verdichtete, ordnete das Gericht Hausarrest gegen Snow an und ließ eine Militärwache vor seinem Haus postieren.

Am 11. Februar wurde Snow wegen versuchten Handels mit dem Feind schuldig gesprochen. Snow wurde gegen eine Sicherheitsleistung von 1000 £ von einer Haftstrafe verschont. Außerdem musste er zwei Bürgschaften von je 1000 £ hinterlegen:

The Snow Case 1915

Snow Case Concluded; Observer, Adelaide, 13. Februar 1915; trove.nla.gov.au

Zu späteren Zeiten

Francis Hugh Snow starb am 5. April 1930 im Alter von 75 Jahren in einem Krankenhaus in Adelaide. Einer seiner Söhne, Wilfrid H. Snow, hat das väterliche Unternehmen in den 1920er Jahren nach Rückzug seines Vaters weitergeführt.

Francis Hugh Snow 1930

Meldung über den Tod von Francis H. Snow, News, Adelaide, Sa 5. April 1930, S. 4; Quelle: trove.nla.gov.au

Das Unternehmen Aron Hirsch & Sohn bestand bis 1929, als das Handelshaus in Zahlungsschwierigkeiten kam und mit dem Berliner Metallunternehmen Schoyer & Co. fusionieren musste. Die Industrieaktivitäten wurden von der britischen ICI-Gruppe übernommen.

Neben seiner Geschäftstätigkeit war Aron Hirsch in Halberstadt und Berlin ein großzügiger Stifter. Er starb im Februar 1942 in Wiesbaden.

Das zu HKM gehörende Kupferwerk Ilsenburg wurde 1948 auf das Walzen von Blech umgestellt und gehört heute als Ilsenburger Grobblech GmbH zum Salzgitter-Konzern.

Das Messingwerk in Eberswalde war bis 1945 in Betrieb und wurde dann von der sowjetischen Besatzungsbehörde demontiert. Ein später an gleicher Stelle stehendes Walzwerk wurde 2012 stillgelegt. Zurzeit (2022) soll dort zwischen einigen noch verbliebenen historischen Industriegebäuden neuer Wohnraum entstehen: http://www.messingwerkfinow.de

Der Traum der Städte Halberstadt und Fürth, ihr jüdisches Stiftungswesen zum UNESCO Welterbe werden zu lassen, war 2014 zu Ende. Gegen Neuschwanstein hatten sie keine Chance.

Vielleicht schafft es ja in Zukunft das Halberstädter Würstchen als immaterielles Kulturerbe anerkannt zu werden. Meine Stimme hat es.

German Australian Line 1908 advertisement

Aus dem Jahrbuch von New South Wales 1908


Anzeige der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft

Das Jahrbuch von New South Wales erschien 1908 in seiner 27. Ausgabe und enthielt unentbehrliche Informationen über das allgemeine Leben, Wirtschaft, Politik, Kultur, Transport, Kalenderinformationen, Lebenshaltungskosten, Posttarife und vieles mehr.

In dem Buch konnte man sicherlich stundenlang blättern, genauso wie Sie heute vielleicht die ein oder andere Stunde im Internet verbringen, um sich zu informieren, wie zum Beispiel auch jetzt bei der Lektüre dieses Artikels.

Das Handbuch erschien am 1. März 1908 und kostete „ten shillings and sixpence“, was 10,50 Mark entsprach und damit nicht gerade günstig war. Der „normale“ Leser dürfte das Werk in einer öffentlichen Bibliothek konsultiert haben.

Die großen Schifffahrtsunternehmen durften in so einem wichtigen Nachschlageband natürlich nicht fehlen und waren im Anzeigenteil vor dem redaktionellen Inhalt vertreten.

Die Linien der DADG

Wir erfahren, dass die DADG zu dieser Zeit drei Linien betrieb, deren Frequenz und Fahrtziele detailliert angegeben sind. In der „Outward“-Spalte finden wir alle Häfen auf dem Weg von Europa nach Australien und in der rechten „Homeward“-Spalte alle Häfen auf dem Rückweg.

Zu den Linien siehe auch das DADG-Handbuch aus dem Jahr 1914. Sechs Jahre später war der Verkehr auf sieben Linien angewachsen: Die Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft 1914

advertisement of February, 14th, 1908, German-Australian Steam Ship Co.

Anzeige der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft vom 14. Februar 1908 in der Zeitung „Hamburgischer Korrespondent und neue hamburgische Börsen-Halle“, S. 8

Die Flotte der DADG

Die Flotte der DADG ist mit den Namen der Schiffe und ihrer Tonnage wiedergegeben. In der zweiten Spalte ganz oben finden wir „unser“ Dampfschiff „Fürth“ wieder. Die Tonnage ist mit 4238 Bruttoregistertonnen angegeben. Das ist der Wert aus dem ersten Schiffsmessbrief. In einem zweiten Brief wurde der Wert später auf 4229 BRT korrigiert. Zur Vermessungsproblematik siehe: Die Vermessung der „Fürth“

Die Schiffe, bei denen die Angabe about steht, waren bei Drucklegung noch nicht amtlich vermessen, die exakte Tonnage daher noch nicht bekannt.

Ebenfalls können wir ersehen, dass 1908 nur zwei Schiffe über Kühlräume verfügten: „Oberhausen“ und „Solingen“ (taking refrigerated cargo). Über die Kühlraumausstattung von DADG-Schiffen hatte ich in diesen zwei Artikeln berichtet: Obst aus Übersee und Hatte die Fürth eine Kühlanlage?

Drahtlose Telegraphie war 1908 bei der DADG noch kein Thema, das sollte erst drei Jahre später auf die Tagesordnung kommen. SIEHE: Telegrafie per Funk

Insgesamt war die Zahl mit 32 Schiffen schon recht beachtlich. Bis 1914 sollte die Flotte sogar auf über 50 Dampfschiffe anwachsen:

German Australian Line, ships 1914

Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, Stand Dezember 1913, Tabelle aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Das in der Anzeige im Titelbild dieses Artikels genannte Schiff „Laeisz“ hatte sich im Februar 1908 von Australien auf die Heimreise nach Hamburg gemacht. Es strandete nach einem Navigationsfehler am 16. März 1908 im Roten Meer auf einem Felsen und sank. Die Besatzung konnte sich in die Boote retten und wurde von einem anderen Dampfer nach Aden gebracht.

Als einziges DADG-Schiff trug es den Namen einer Person. Das im Juni 1901 in Dienst gestellte Schiff erhielt seinen Namen in Erinnerung an den im März des gleichen Jahres verstorbenen Reeder und Kaufmann Carl Laeisz (sprich Leiß). Laeisz war mit einem Aktienpaket in Höhe von 125.000 Mark an der Gründung der DADG beteiligt gewesen.

German Australian Line 1912

Anzeige der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, Generalvertretung Sydney am 21. Nov. 1912 in der Zeitung Daily Commercial News and Shipping List, Sydney

Die Agenten der DADG

Zuletzt nennt die DADG in der Anzeige ihre australischen Agenten. Die Reederei betrieb selbst eine eigene Generalagentur in Sydney, dem wichtigsten Hafen in Australien. Siehe dazu: Logbuch (13) der „Fürth”: In Sydney

Einige der aufgelisteten Agenten hatte ich in früheren Blogartikeln mehr oder weniger ausführlich vorgestellt:

Die Gebrüder Strelitz in Fremantle

George Wills & Co. in Adelaide

James Service & Co. in Melbourne sowie

Brabant & Co. in Brisbane.

Über die anderen werde ich noch recherchieren und zu gegebener Zeit hier im Blog berichten.

Generell lässt sich sagen, dass die Reederei langfristige Geschäftsbeziehungen anstrebte. Alle in der Anzeige 1908 genannten Agenten sind auch im Handbuch der Reederei aus dem Jahr 1914 noch gelistet. Als neuer Standort hinzugekommen nach 1908 der wichtige Erzhafen Port Pirie in Südaustralien, der vom Agenten George Wills & Co. in Adelaide mit übernommen wurde.

James Service, George Wills and Co., Ltd., Melbourne, Adelaide, advertisement

Anzeige der Agenten in Melbourne und Adelaide, Zeitung „Daily Commercial News and Shipping List“, Sydney, 30. Juni 1914

Makassar harbour, about 1910

In Makassar

Titelbild: Ladebrücke im Hafen von Makassar, Ansichtskarte, ungelaufen, undatiert, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Aufnahme ca. 1910-1913; eigene Sammlung

Mit dem Dampfschiff „Fürth“ in Niederländisch-Indien

Die Hafenstadt Makassar (Macassar, Mangkasar) war die Hauptstadt des gleichnamigen Distriktes auf der Insel Celebes (indonesisch: Sulawesi). Zu den Zeiten des Dampfschiffes „Fürth“ gehörte die Insel und damit auch die Stadt zu Niederländisch-Indien (heute Indonesien).

Laut Encyclopedia Britannica (Ausgabe 1911) lebten dort 17.925 Menschen, davon 940 Europäer, 2618 Chinesen und 168 Araber.

Die Stadt liegt an der Westküste einer südlichen Halbinsel von Celebes (zur Lage siehe Karte unten). Die Makassarstraße trennt die Insel von der westlich gelegenen Insel Borneo.

Heute hat die Stadt etwa 1,5 Mio. Einwohner, der Ballungsraum rund 3 Mio.

Celebes and Macassar map

Die Lage von Celebes und Makassar in Niederländisch-Indien; die Lage der Städte Singapur und Batavia (heute: Jakarta) habe ich zur Orientierung eingefügt; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Sulawesi_Locator.svg (Wiedergabe in Sepia); Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported

Macassar pier and quays, before1912

Makassar, Hafen, Aufnahme aus dem 1912 veröffentlichten Buch „Scented Isles and Coral Gardens“ von C. D. Mackellar; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:The_Pier_and_Quays,_Macassar,_Celebes.jpg

Kopra

Die Handelsgüter für die Schiffe der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG), die in Makassar geladen wurden, waren Kopra, Kaffee, Gummi, Gewürze und Hölzer.

Von diesen Gütern war Kopra (getrocknetes Kokosnussfleisch) mit Abstand das wichtigste, es diente in Europa zur Herstellung von Margarine und Seife. 70 % der Ausfuhr im östlichen Teil Niederländisch-Indiens lief über den Hafen von Makassar.

Siehe dazu auch den Artikel: Die Fracht der „Fürth“ – Kopra

Im Zeitraum von 1909 bis 1913 war Niederländisch-Indien weltweit der wichtigste Exporteur von Kopra mit 2,38 Mio. Tonnen, gefolgt von den Philippinen, Britisch-Malaya (heute Malaysia) und Ceylon (heute Sri Lanka).

Wichtigstes Abnehmerland für Kopra war zu dieser Zeit Frankreich, das etwa 50 % der Weltproduktion von Kopra importierte. Haupteinfuhrhafen war Marseille. Über die beeindruckende Schwebefähre im Hafen von Marseille habe ich kürzlich ausführlich berichtet. SIEHE: Die Schwebefähre in Marseille

Aber auch Deutschland fragte Kopra in großer Menge nach. So wurden in Bremen und Hamburg allein täglich 60-200 Tausend Tonnen Margarine hergestellt, für die große Mengen Kopra benötigt wurden.

Informationen nach: The globalizing of copra and coconut oil industry of Makassar before the second world war, Abd. Rasyid Asba et al., 2020 IOP Conf. Ser.: Earth Environ. Sci. 575 012094;

the white meat of coconutsis dried to get kopra

Kopra ist das getrocknete weiße Fruchtfleisch der Kokosnuss, die Nüsse sind ca. 1-2,5 Kilo schwer; Bild: Pixabay

Verträge mit niederländischen Linien

Nachdem Makassar in Niederländisch-Indien lag, musste die DADG ihr Frachtaufkommen vertraglich mit den holländischen Linien regeln.

Dies waren die folgenden drei Reedereien:

– Stoomfahrt Maatschappij Nederland, Amsterdam
– Rotterdamsche Lloyd, Rotterdam und
– Stoomvaart Maatschappij Ocean, Amsterdam/Ocean S. S. Co. Holt, Liverpool

Nach einem Vertrag vom 12. Oktober 1900 erhielt die DADG einen Frachtanteil von 21 Prozent der Ladung aus Java und von Padang (Sumatra). Der Hafen Makassar hingegen wurde zunächst ganz der DADG überlassen. Das dürfte daran gelegen haben, dass er im östlichen Teil Niederländisch-Indien und damit „weit ab vom Schuss“ lag. Für die DADG bedeutete er auf der Rückfahrt über die australische Ostküste und die Torres-Straße hingegen keinen Umweg.

Bei den vereinbarten Frachtanteilen waren Regierungsgüter und Zucker ausdrücklich ausgenommen. Diese beide Kategorien waren ausschließlich den niederländischen Linien vorbehalten.

Spätere Änderungen der Vereinbarung erhöhten den Frachtanteil der DADG auf 25 %. Makassar musste dafür wieder mit den niederländischen Linien geteilt werden.

Insgesamt waren die Absprachen mit den niederländischen Reedereien für die DADG eine gute Geschäftsgrundlage. Der damalige Geschäftsführer der DADG, Otto Harms schrieb dazu:

„So hat der Vertrag denn auch gut gearbeitet und die Verbindung mit den holländischen Linien hat sich immer freundschaftlicher gestaltet.“
Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft Hamburg, Otto Harms (1933), Schröder & Jeve, Hamburg.

Macassar harbour about 1910

Makassar , Pirogenhafen, Aufnahme um 1910; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Macassar._Prauwenhaven._Lighter_harbour.,_KITLV_1403280.tiff

Direktfahrten nach Niederländisch-Indien

Im Jahr 1909 wurde mit den niederländischen Reedern eine Übereinkunft über Direktfahrten nach Niederländisch-Indien getroffen. Das war neu, denn bislang wurden die Häfen Niederländisch-Indien von der DADG nur auf der Rückfahrt von Australien bedient. Die neuen Direktfahrten liefen stattdessen von Europa direkt durch den Suezkanal.

An dem Vertrag mit je einem Drittel beteiligt waren die DADG, die Stoomvaart Maatschapij Nederland und der Rotterdamsche Lloyd.

Die zweiwöchentlichen Abfahrten erfolgten von Hamburg und Amsterdam bzw. Hamburg und Rotterdam.

Für die DADG bedeutete der Vertrag eine weitere Ausweitung des Südostasiengeschäfts:

„Das war ein sehr bedeutender und wichtiger Vertrag, welcher unsere Stellung in der Fahrt weiter befestigte und insbesondere uns erleichterte von Makassar 14tätige Gelegenheit zu bieten.“ (gleiche Quelle)

Frachtdampfer „Fürth“ in Makassar

Die Bedeutung Makassars für die DADG spiegelt sich auch in den Fahrten des Dampfschiffes „Fürth“ wider. Bei 15 Australienfahrten liefen fünf Reisen über Makassar.

Allerdings hatte der Erfolg des Warenumschlagsplatzes Makassar auch seine Schattenseiten. Die Anleger im Hafen waren mehr und mehr überlastet, was zu längeren Wartezeiten bei der Abfertigung führte. Im August 1911 waren die „Fürth“ und ein weiterer Frachter davon betroffen:

„…
En wat dat zeggen wil, konden we dezer dagen alen toen twee groote vrachtschepen, de Deucalion en de Fürth eenige dagen op de ree moesten wachten brj gebrek aan ruimte aan de steigers.
…“
Bataviaasch nieuwsblad, 10. Aug 1911, Quelle: delpher.nl

Muskatnüsse, Makassar vor 1942

Arbeiter und Arbeiterinnen in Makassar sortieren Muskatnüsse und trennen sie von den Blüten; Sammlung Tropenmuseum (National Museum of World Cultures), Aufnahme vor 1942; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:COLLECTIE_TROPENMUSEUM_Arbeiders_selecteren_nootmuskaat_en_ontdoen_de_noten_van_de_foelie_Makassar_Celebes_TMnr_10012350.jpg

Demnächst im Blog

Historische Aufnahmen geben interessante Einblicke in die Häfen, die Wirtschaft und in die Kultur Niederländisch-Indiens. Bleiben Sie dran!

Hutholmen Frederikstad, 1913, steamer "Java"

Postkarten der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft

Das Dampfschiff „Java“ in Frederikstad

Titelbild: Frederiksstad, Norwegen, Dampfschiff „Java“, Postkarte der DADG (ungelaufen), Juli 1913, eigene Sammlung.

Ansichtskartenhefte

Letztes Jahr konnte ich ein schönes Los mit Ansichtskarten der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) erwerben, die ich nach und nach hier vorstellen möchte.

Zu jeder der Ansichtskarten wird es historische Informationen sowie weiteres Bildmaterial geben, die ich rund um die Abbildung recherchiert habe.

Wie die Perforation am linken Rand verrät, sind die Karten einem Heftchen entnommen. Dieses wurde von der Reederei herausgegeben. Es muss mindestens 24 Karten enthalten haben, vielleicht auch mehr. Heute liegen mir immerhin 23 davon vor.

Anmerkung: Bis heute sind mir nur 24 Motive bekannt, weitere konnte ich auf den verschiedenen Verkaufsplattformen noch nicht entdecken.

Ansichtskarten waren das „Instagram der Kaiserzeit“ und Kartenheftchen waren damals schwer in Mode. Man findet die herausgelösten Karten häufig in Antiquariaten. Zumindest Karten, die von den großen, auch Passagiere befördernden Schifffahrtsgesellschaften publiziert wurden, wie zum Beispiel dem Norddeutschen Lloyd, aber auch von niederländischen oder französischen Linien. Für eine reine Frachtschiffreederei wie die DADG waren die Kartenhefte eher ungewöhnlich.

Der Druck der Karten erfolgte im Offsetdruck, sie haben nicht die Brillanz der damals oft noch im Lichtdruck hergestellten Ansichtskarten. SIEHE: Der Strandhöft im Jahr 1905

Frederikstad, 1920-1940, harbour and industry

Fredrikstad, Industrieanlagen und Hafen, 1920-1940; National Library of Norway, public domain; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2386._Fredrikstad_-_no-nb_digifoto_20150916_00095_bldsa_PK06315.jpg

Juli 1913

Datieren lässt ich das Kartenheft recht gut mit zwei Karten. Eine Aufnahme vom Australiakai in Hamburg ist auch im Buch von Otto Harms über die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft wiedergegeben und dort mit dem 26. Juli 1913 beschriftet (auf den Kartenrückseiten selbst befinden sich leider keine Angaben außer dem Wort „Postkarte“).
Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Schröder & Jeve (1933).

Das in der Titelabbildung wiedergegebene Schiff „Java“ wurde ebenfalls im Juli 1913 für die Reederei in Dienst gestellt und bediente auf der Jungfernfahrt die Skandinavien-Linie. Laut Zeitungsmeldungen war das Schiff in der zweiten Julihälfte zum Laden in Fredrikstad. Diese Aufnahme kann also definitiv nicht vorher entstanden sein.

Die DADG feierte im September 1913 ihr 25-jähriges Bestehen. SIEHE: 25 Jahre Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft

Ich gehe heute davon aus, dass das Kartenheft zu dieser Gelegenheit in Auftrag gegeben wurde.

Frederikstad about 1920 - 1930

Fredrikstad, Stadtansicht zwischen 1920-1930; National Library of Norway; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:1344._Fredrikstad._-_no-nb_digifoto_20150807_00186_bldsa_PK06344.jpg

Hutholmen

Die Stelle, an der das Foto mit dem Dampschiff „Java“ in Frederikstad aufgenommen wurde, lässt sich genau lokalisieren.

Es ist im Fjord Vesterelva vor der Insel Hutholmen. Das kleine massive Huth Fort mit den drei bogenförmigen Öffnungen ist auf dem Foto links neben dem Schiff gut erkennbar.

Die Stadt selbst ist auf der Aufnahme (Titelbild dieses Blogartikels) nicht zu erkennen, sie liegt im Bilderhintergrund rechts. Zu sehen ist lediglich eine Industrieanlage am linken Flussufer mit einem rauchenden Kamin.

Eventuell handelt es sich um eines der Sägewerke, die sich an beiden Ufern befanden, wie zum Beispiel das Unternehmen Fredrikstad Dampsag og Høvleri.

Fort Hut, Hutholmen, Frederikstad, Norway

Fort Hut(h) auf Huth(h)olmen, Festungsanlage von 1797; Quelle: Fredrikstad Museum, Arne Stangebyes samlinger, https://lokalhistoriewiki.no/wiki/Fil:Huth.jpg

Holzexporte

Frederikstad war der wichtigste Hafen Norwegens für Holzexporte: 1913 gingen von hier 50,5 % des gesamten Exportvolumens ins Ausland.

This is no doubt the most promising sawmill center in Norway, because it is located at the mouth of the most important floating river and right in the center of a manufacturing district …
Quelle: Forest Resources, Lumber Industry and Lumber Export Trade of Norway, US Department of Commerce, Special Agents Series No. 211, A. H. Oxholm, 1922, abgerufen über books.google.de

Für gehobeltes Holz war Australien nach Großbritannien der zweitwichtigste Exportmarkt. Ich finde das auf Grund der weiten Distanz Australiens schon überraschend:

Australia is the second largest market for Norwegian planed lumber and has been a growing market for a number of years. During normal conditions Australia takes 30 to 35 per cent of the export of planed stock from Norway.
(gleiche Quelle)

Holzverarbeitung, Frederikstad, um 1880

Frederikstad, Holzindustrie, Aufnahme von Henrik Sigvard Scheel zwischen 1870-1890; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fredrikstad,_%C3%98stfold_-_Riksantikvaren-T015_01_0194.jpg

Die Schuten zum Beladen der Schiffe, wie sie rechts und links des Dampfschiffes „Java“ zu sehen sind, hatten das Aussehen von kleinen schwimmenden Hütten, da sie mit Dach und Wänden ausgestattet waren, um das Holz vor Niederschlägen zu schützen. Sie wurden bei Bedarf zu den zu beladenden Schiffen geschleppt.

Die Ladegeschwindigkeit für das Holz wird mit 160 – 400 Tausend Fuß in zehn Stunden angegeben. Bei Regenfällen wurde der Ladevorgang allerdings unterbrochen.

The steamers may take on board from 160 to 400 thousand feet in 10 hours, according to the local conditions in each district.
(gleiche Quelle)

Die besondere Form der Schuten zeigt auch eine Aufnahme, die während des Ersten Weltkrieges entstanden sein dürfte, da das zu beladende Schiff einen Tarnanstrich („dazzle camouflage“/„razzle dazzle“) hat.

loading timber at frederikstad, WW1

Laden von Holz in Frederikstad, Quelle: Forest Resources, Lumber Industry and Lumber Export Trade of Norway, US Department of Commerce, Special Agents Series No. 211, A. H. Oxholm, 1922, abgerufen über books.google.de

Frederikstad

Frederikstad (auch Frederiksstad) liegt in Südostnorwegen (Østfold) an der Bahnstrecke von Christiana (Oslo) nach Gothenburg (Göteburg); im Jahr 1900 hatte die kleine Stadt 14.553 Einwohner (Quelle: Encyclopedia Britannica, Ausgabe 1911).

Die Holzindustrie entstand durch die geografische Lage der Stadt an der Mündung des Flusses Glomma, dem mit 600 Km längsten Fluss Norwegens. Über den Fluss konnten die Baumstämme zu den Sägewerken transportiert werden.

Neben der Holzindustrie war Frederikstad auch Zentrum für die Produktion von Ziegelsteinen sowie für den Schiffbau. Der Hafen wurde im Winter durch Eisbrecher eisfrei gehalten.

Das Dampfschiff „Java“

Auf der Jungfernfahrt des Dampfschiffes „Java“, die im Juli 1913 begann, wurde nach Gothenburg und Frederikstad nur noch ein kurzer Zwischenhalt in Emden eingelegt.

Von dort ging es unter Führung von Kapitän T. Bahr in nur 39 Tagen bis nach Melbourne, wo das Schiff am 9. September 1913 eintraf. Auf der Fahrt machte die „Java“ im Durchschnitt 13,3 Knoten; ein erstaunlicher Wert für das Frachtschiff mit einer Ladekapazität von rund 11.900 Tonnen.

Der Journalist von „The Age“, Melbourne lobte es in der Ausgabe am 10. September 1913 überschwänglich:

She is one of the most up to date cargo vessels that has visited the port …

Die “Java” war das erste Schiff, das die DADG vor dem Ersten Weltkrieg beim Bremer Vulkan bauen ließ (Bau-Nr. 565). Das ist etwas überraschend, denn der Bremer Vulkan war vor dem Ersten Weltkrieg die größte deutsche Werft für den zivilen Schiffbau.

Bei Kriegsausbruch war die „Java“ eines der wenigen Schiffe der DADG, die in Deutschland lagen. Sie musste dann 1919 nach Frankreich abgeliefert werden, wo sie für die Regierung in Fahrt war, bevor sie 1920 an die Cie. des Messageries Maritimes in Marseille verkauft und in „Min“ umbenannt wurde.

1942 wurde die „Min“, exJava in Biserta (Bizerte/Tunesien) vom Deutschen Reich beschlagnahmt und an die italienische Regierung verchartert. Unter dem neuen Namen „Conegliano“ sank die exJava am 6. Juni 1943 bei Olbia (Sardinien) nach einem Bombentreffer. Das Schiff wurde 1949 im Maddalena-Archipel versenkt. Dort liegt das Wrack heute noch in etwa 20 Meter Tiefe und ist ein Tauchziel.

Weitere Informationen: https://wrecksite.eu/wreck.aspx?151420

Frederiksstad Tilskuer

Anzeige der Firma Andersen in der Tageszeitung Frederiksstad Tilskuer vom 20. April 1911, Seite 3

Das Dampfschiff „Fürth“ in Frederikstad

Das Dampfschiff „Fürth“ war im April 1911 in Frederikstad und hatte ebenfalls Holz für Australien geladen. Siehe dazu die Blogartikel

Die „Fürth“ in Skandinavien

und

Die Barwon-Papiermühle in Fyansford, Geelong

Andersen & Co. Frederiksstad

Anzeige des Maklers Andersen & Co. in Frederiksstad (Norwegen) für die Abfahrt des Dampfschiffes „Fürth“ im April 1911 nach Australien, Zeitung Kysten, 30. März 1911, Seite 3, Quelle: National Library of Norway

Pennsylvania Dampfschiff 1896

Ich wünsche allen ein schönes und gesundes neues Jahr!

Titelbild
Neujahrsgruß in einer Broschüre mit einer Illustration des Postdampfers „Pennsylvania“ und der Routenangabe Hamburg – New York von Lübeck, Oswald (Herstellung) (Fotograf) – Deutsche Fotothek, Germany – Public Domain.
https://www.europeana.eu/de/item/440/item_JVEO65FUQ4XP43M5QCACBCS2NMEPR4XB

Die „Pennsylvania“

Der Reichspostdampfer „Pennsylvania“ lief im September 1896 bei Harland & Wolff in Belfast für die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft, kurz HAPAG, vom Stapel und war zu dieser Zeit das weltweit größte Passagier- und Frachtschiff.

In der ersten Klasse konnten 162, in der zweiten Klasse 197 und in der dritten Klasse 2.382 Passagiere an Bord gehen. Damit war die „Pennsylvania“ ein wichtiges Schiff für die Auswanderung nach Amerika.

Wie die Beschriftung der Abbildung angibt, wurde die „Pennsylvania“ auf der Linie Hamburg – New York eingesetzt.

Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges war die „Pennsylvania“ in New York. Nach dem Kriegseintritt der USA im Jahr 1917 wurde sie von den USA beschlagnahmt und kam unter dem Namen „Nansemond“ als Versorgungsschiff in Fahrt.

Nach Kriegsende beförderte die „Pennsylvania“ eine große Menge amerikanischer Soldaten zurück in die USA, wurde dann im Hudson River aufgelegt und 1924 in Baltimore abgebrochen.

Dampfschiff Pennsylvania 1896

Dampfschiff „Pennsylvania“, Aufnahme zwischen 1896-1899, Fotograf John S. Johnston, Public domain, via Wikimedia Commons; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:SS_Pennsylvania_(1896).jpg

Der Blog im Jahr 2022

Die Geschichte des Frachtdampfers „Fürth“ ist im Dezember 2021 mit dem Blogartikel Weltwirtschaftskrise (SIEHE: Das Ende des Dampfschiffes „Fürth“) zu Ende gegangen. Die Blogreise des Dampfschiffes hatte im Januar 2018 begonnen.

Damals waren mir viele Quellen, die ich in der Folgezeit aufspüren konnte, noch nicht bekannt.

Auch in diesem Jahr werde ich die Recherchearbeit fortsetzen und bin optimistisch, neue Quellen zu erschließen. Außerdem sind über die vergangenen drei Jahre aus unterschiedlichsten Gründen viele Geschichten liegengeblieben, was aber nicht heißen soll, dass sie weniger interessant wären und nicht verdienen, erzählt zu werden.

Den Schwerpunkt, den ich mir für dieses Jahr gesetzt habe, ist die Recherche nach persönlichen Aufzeichnungen und den Schicksalen der Besatzung des Dampfschiffes „Fürth“ oder anderen Besatzungsmitgliedern der Deutschen Handelsmarine. Ziel soll es sein, mehr über den Alltag oder das Leben an Bord zu erfahren und Geschichte jenseits der Zahlen und Fakten lebendig werden zu lassen.

Auch über das Leben der deutschen Zivilgefangenen in den vielen, während des Ersten Weltkrieges über die ganze Welt verstreuten Lagern, versuche ich, noch mehr herauszufinden. Zumindest was die Lager angeht, in denen Seeleute von Schiffen der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, gefangen gehalten wurden.

Außerdem ist es mir 2021 gelungen, ein schönes Los mit Original-Ansichtskarten der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft zu erwerben, die ich hier im Blog nach und nach vorstellen werde. Natürlich stets verbunden mit vielen recherchierten Informationen rund um die einzelnen Fotografien.

Ihnen und euch noch einmal ein glückliches, erfolgreiches und gesundes Jahr 2022 … und bleiben Sie oder bleibt dem Blog treu!

sale sultania 1934

Das Ende des Dampfschiffes „Fürth“

Die „Sultania“, exKerman, exFürth wird abgebrochen

Titel: Dampfschiff „Fürth“: Zeitungsartikel über den Verkauf zum Abbruch
Daily Commercial News and Shipping List, Sydney, 12. Februar 1934, S. 4; Quelle: National Library of Australia, trove.nla.gov.au

Folgen der Weltwirtschaftskrise

Nach Informationen des globalen Marktplatzes der Schifffahrtsbranche, The Baltic Exchange, wurden im Zuge der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er/Beginn der 1930er Jahre 3,5 Millionen Bruttoregistertonnen (BRT) Schiffsvolumen aufgelegt.

The depression of the 1930s resulted in 3.5 million gross tonnage being laid up.
Quelle: balticexchange.com; history 1920-1939

Allein für das Jahr 1933 spricht HANSA, Deutsche Nautische Zeitschrift, von 1,8 Millionen Tonnen, die aus dem Verkehr gezogen wurden:

„Im Laufe des Jahres 1933 sind von der Welttonnage über 1,8 Mill. T abgewrackt, von denen allein 240 000 T. zum Abwracken nach Japan gegangen sind.
HANSA, Deutsche Nautische Zeitschrift, 1934 (71. Jahrgang), S. 109

Neben Japan gab es auch in Europa viele Abwrackwerften, allen voran in Großbritannien oder Italien.

Die Zahlen für ausgewählte Länder:

USA

Den drastischen Rückgang an Schiffsraum verdeutlicht auch eine Meldung in The New York Times vom 31. Dezember 1933 (Section S, p. 10; nytimes.com). Danach war ein Drittel der Kapazitäten der US-amerikanischen Handelsmarine aufgelegt worden:

33% OF OUR SHIPS REPORTED LAID UP
Survey of Merchant Fleet Reveals Sharp Curtailment, Committees Declare

More than one-third of the seagoing tonnage of the American merchant marine is laid up, according to information submitted by committees of ship operators to the National Industry Recovery Administration.

Bush Docks 1914, Brooklyn, New York

Bush Terminal, Brooklyn, um 1914, Library of Congress; über Wikipedia (https://en.wikipedia.org/wiki/File:Bush_Terminal_Brooklyn_historic.jpg)

Großbritannien

Auf den Britischen Inseln war die Lage ähnlich dramatisch, auch wenn sich die Lage 1933 wieder leicht erholte:

Zu Beginn des Jahres 1934 waren 1,24 Mio. Nettoregistertonnen (NRT) oder 32 % aufgelegt, ein Jahr zuvor noch 1,97 Mio. Tonnen bzw. 37 %.

In Schiffen ausgedrückt werden 482 Einheiten aufgeführt, davon 253, die bereits seit einem Jahr oder länger nicht mehr genutzt wurden.

Quelle: Commerce Reports Weekly, Bureau of Foreign and Domestic Commerce, US Department of Commerce, Jan. 6, 1934 über books.google.fr

Greenland Dock, London

Das Greenland Dock in London, 1927, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Greenland_dock_1927.jpg

Britisch Indien

In Britisch Indien lähmte ebenfalls ein drastischer Einbruch der Im- und Exporte den Schiffsverkehr um etwa 55 %. Auch auf den Eisenbahnverkehr und die Landwirtschaft hatte die Great Depression extreme Auswirkungen.

Die Krise führte zu zahlreichen Aufständen gegen die britische Kolonialherrschaft (siehe unten). Weltweite Aufmerksamkeit fand der Salzmarsch unter Führung Mahatma Gandhis im Jahr 1930, der letztlich zur Unabhängigkeit Indiens im Jahr 1947 führen sollte.

Über den Überlebenskampf indischer Reedereien gegen die allmächtigen Kolonialherren hatte ich hier berichtet: Die „Sultania“, exFürth wird nach Rangun verkauft

Bombay harbour 1890

Bombay, Hafen bei der Ankunft eines Postschiffes, Photochromdruck, um 1890; Library of Congress, https://www.loc.gov/item/2017658173/

Regionale Ereignisse erschweren die Situation zusätzlich

Aufstände

Die Weltwirtschaftskrise war für viele Reedereien eine Katastrophe.

Für den Eigner des Dampfschiffes „Sultania“, exFürth, die Bengal Burma Steam Navigation Co., kamen zusätzlich lokale Ereignisse in dem Fahrgebiet der Gesellschaft zwischen Kalkutta und Rangun hinzu, die zu einem noch stärkeren Umsatzeinbruch geführt haben dürften.

In der Hauptstadt Burmas, Rangun kam es im Mai und Juni 1930 zu gewaltsamen Konflikten zwischen indischen und burmesischen Arbeitern (Rangoon Riots). Dem war ein lange schwelender ethnischer Konflikt zwischen Burmesen und indischen Arbeitern, die in großer Zahl ins Land gekommen waren, vorausgegangen.

Noch im gleichen Jahr, im Dezember 1930, begann der Saya-San-Aufstand burmesischer Bauern gegen die Kolonialmacht. Der starke Verfall der Preise für das Hauptanbauprodukt Reis hatte viele der verarmten Landwirte mobilisiert. Der Aufstand sollte fast zwei Jahre dauern und endete mit der Verhaftung der Aufständischen und der Exekution Saya Sans und anderer Anführer.

Erdbeben

Neben der Weltwirtschaftskrise und ethnischen Konflikten wurde die Region auch von Naturkatastrophen heimgesucht. Zwischen Januar 1929 und Januar 1931 kam es in der Region Bengalen und Burma zu mehreren Erdbeben.

Die zwei bedeutendsten waren das Bago-Erdbeben am 5. Mai 1930 und das Pyu-Erdbeben vom 4. Dezember 1930. Beide führten zu zahlreichen Zerstörungen.

Aufgelegt

Vor diesem Hintergrund ist es leicht verständlich, dass die Reederei die „Sultania“ im Dezember 1931 in Kalkutta aufgelegt hat:

SCINDIA LINES.
Reported Transfer Of Tonnage.
…intends to share in the passenger-carrying traffic in the Bay of Bengal, where the company is now virtually in control of the Bengal-Burma Steam Navigation Co., Ltd., which owns the steamers Englestan and Sultania. The latter, however, has been laid up at Calcutta since December, 1931.
The Strait Times, Singapore, 19. Oktober 1933, S. 3; Quelle: eresources.nlb.gov.sg

Abgebrochen

Interessanterweise sind es australische Medien, die sich des ehemaligen Schiffes „Fürth“ der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg erinnern und über den Abbruch berichten.

Die einzige Meldung, die ich über den Abbruch der „Fürth“ finden konnte, stammt aus der führenden australischen Tageszeitung für Wirtschaft und Schifffahrt Daily Commercial News and Shipping List, Sydney vom 12. Februar 1934 (siehe Titelbild).

Leider werden weder Verkaufspreis noch Abbruchwerft genannt. Laut dem Schifffahrtshistoriker Schmelzkopf fand die Verschrottung der „Fürth“ noch im Jahr 1933 in Bombay statt.
Quelle: R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984

In Lloyd’s Register endet die Karriere der „Fürth“ mit dem Eintrag in der Ausgabe 1933-34 mit dem Stempeleintrag „Broken up“.

Sultania broken up 1933 1934

Lloyd’s Register, Ausgabe 1933-34; persönliche Einsichtnahme am Firmensitz in 71, Fenchurch Street, London im September 2019

Nachtrag: Die Schwesterschiffe der „Fürth“

Von den sechs Schwesterschiffen der „Fürth“, die vor dem Ersten Weltkrieg für die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft in Fahrt waren, wurden auch die „Hagen“, die „Neumünster“, die „Osnabrück“ und die „Hanau“ in den Jahren 1932 – 1937 abgewrackt.

Die „Reichenbach“ war bereits im „Ersten Weltkrieg“ von einem deutschen U-Boot versenkt worden.

Lediglich das Dampfschiff „Plauen“ überlebte die 1930er Jahre. Die portugiesische „Ganda“, ex CityofMilan, exPlauen wurde am 20. Juni 1941 vom deutschen U-Boot U 123 vor der marokkanischen Küste versenkt.