Archiv für den Monat Oktober 2020

Hafenarzt Dr. Sannemann Hamburg 1914

Dampfschiff „Fürth“: Über Hygiene und Gesundheit an Bord

Rattenbekämpfung, Gesundheitszeugnisse, Krankheiten und Arbeitsunfälle

Heute berichte ich über einen ganzen anderen Aspekt der Dampfschifffahrt: Hygiene und Gesundheit. Drei unveröffentlichte* Originaldokumente aus dem Jahr 1914 veranschaulichen das Thema dieses Beitrages. (* soweit mir bekannt).

Die Dokumente stammen vom Schiff „Neumünster“, einem Schwesterschiff der „Fürth“ und wurden bei der Kaperung des Schiffes durch die australische Marine im August 1914 nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges sichergestellt. SIEHE: Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Neumünster“

Heute befinden sie sich im Staatsarchiv von Westaustralien, in Perth (Cons. 4230).

Die Unterlagen mussten auf allen Schiffen der Deutschen Handelsmarine im Überseeverkehr mitgeführt werden, sie sind also exemplarisch für alle anderen Schiffe.

Bildnachweis Titel: Bescheinigung Hafenarzt Hamburg, mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.07

Rattenbekämpfung

Fangen wir mit vierbeinigen blinden Passagieren an, die sich zwangsläufig auf jedem Schiff und auch in jedem Hafen der Welt befanden: Ratten.

Das vorliegende Originaldokument ist die Bestätigung einer Rattenbekämpfung an Bord des Schiffes „Neumünster“ im Hamburger Hafen, die am 28. Mai 1914 durchgeführt wurde. Die Bestätigung wurde einen Tag vor Abreise des Schiffes nach Australien ausgestellt, nämlich am 26. Juni 1914 (© mit freundlicher Genehmigung des State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.07):

„Hiermit bescheinige ich, daß der deutsche Dampfer Neumünster Kapitän C. Herrmann am 28. Mai d. Js. zur Vernichtung der Ratten an Bord vorschriftsmäßig mittels Schwefel und Holzkohlen ausgeräuchert worden ist.

Der Hafenarzt: Dr. Sannemann [Unterschrift]

Durch Stempel hat die „Kasse des Instituts für Schiffs- und Tropenkrankheiten“ am 27. Juni 1914 bestätigt, den Betrag für die Dienstleistung erhalten zu haben. Die Stempelgebühr betrug 3 Mark.

Text im Original: siehe Titelbild

Die Echtheit der Bescheinigung wurde vom Britischen Konsulat auf der Rückseite bestätigt, wofür 5 Shilling Konsulargebühr anfielen (etwa 5 Mark), also mehr als für die Ausstellung des Originals selbst:

Bescheinigung Hafenarzt Hamburg, Bestätigung Britisches Konsulat 1914

Bescheinigung Hafenarzt Hamburg, Rückseite, mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.07

Der Hafenarzt in Hamburg

Seit 1883 gab es in Hamburg einen Hafenarzt. Den ersten Hamburger Hafenarzt, Dr. Nocht, hatte ich im Blog bereits vorgestellt (siehe: Aerger in Melbourne). 1906 übernahm das Amt Dr. Sannemann, der bis 1934 in dieser Position blieb.

„Fast jeder Hafen der Welt unterhält einen hafenärztlichen Dienst… Der hafenärztliche Dienst ist für die gesamte Hafengesundheit, Seuchenabwehr (Quarantäne), Hygieneüberwachung etc. verantwortlich. Nach dem internationalen Übereinkommen (WHO: International Health Regulations) obliegt ihm auch die Durchführung und Kontrolle der Rattenbekämpfung an Bord der Seeschiffe bzw. im Hafengebiet.“
(Verkehrsmedizin: Unter Einbeziehung aller Verkehrswissenschaften, H. J. Wagner, Springer-Verlag, 2013, 482 S., Zitat auf S. 249, 
http://books.google.fr)

Wie die Rattenbekämpfung im Hamburger Hafen durchgeführt wurde, erklärt uns Dr. Nocht höchstpersönlich:

„Seit langer Zeit werden an Bord Räucherungen zur Vernichtung von Ratten und anderem Ungeziefer angewandt. Am meisten wird hierzu schweflige Säure, durch Verbrennen von Schwefel erzeugt, benutzt. In Hamburg verbrennen wir den Schwefel zusammen mit Holzkohlen. Auf 1000 cbm Laderaum sollen mindestens 10 kg Schwefel und 20 kg Holzkohle langsam verschwelt werden. Dabei müssen die Laderäume gut abgedichtet und mindestens 10 Stunden lang verschlossen gehalten werden. Nach dem Ausräuchern werden oft Hunderte von verendeten Ratten aufgefunden. Sehr oft findet man die Kadaver um die schwelenden Feuer herumliegen.“

Vorlesungen für Schiffsärzte der Handelsmarine über Schiffshygiene, Schiffs- und Tropenkrankheiten, Bernhard Nocht, Nachdruck 2013, maritimepress (Bremen); abgerufen über books.google.fr

In einem so großen Hafen wie Hamburg musste diese Tätigkeit gut organisiert sein. Es gab für die Desinfektion ein eigenes Schiff:

„Hamburg verfügte mit dem Desinfektionsschiff „Desinfektor“ schon 1908 über die damals modernste mobile Rattenvertilgungsanlage für Schiffe, erdacht von Nocht und Giemsa. Genutzt wurde Generatorengas/Kohlenmonoxyd, Formalin, verstäubte schwefeliger Säure sowie Wasserdampfdesinfektion.“

Quelle: Stephan Krull, Die Geschichte der Gesundheitsbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg im 20. Jahrhundert, Dissertation, Ludwig-Maximilians-Universität München, 2013; abgerufen über edoc.ub.uni-muenchen.de

Bernhard Nocht, Hafenarzt und Tropenmediziner

Sondermarke der Deutschen Bundespost zum 100. Jahrestag des Bernhard-Nocht-Institutes für Tropenmedizin (2000)

Gesundheitspässe

Ein anderes unverzichtbares Dokument an Bord war der Gesundheitspass, der bestätigte, dass im Hafen, von dem sich ein Schiff auf Reise begab, keine Seuchen und Epidemien herrschten.

An Bord der „Neumünster“ befanden sich im Sommer 1914 gleich zwei Gesundheitspässe, da das Schiff nicht nur nach Australien, sondern auch nach Niederländisch-Indien, dem heutigen Indonesien, unterwegs war.

Ausgestellt wurden beide Pässe in Antwerpen, dem letzten angelaufenen europäischen Hafen (Die „Neumünster“ war nach der Abreise aus Hamburg zunächst Rotterdam angelaufen, dann Antwerpen. Von dort ging die Fahrt nonstop nach Fremantle/Westaustralien).

Bill of Health – Der Gesundheitspass für Australien

Die ausstellende Behörde für den Bill of Health war das Britische Generalkonsulat in Antwerpen. Der Text lautet wie folgt (siehe auch Abbildung unten):

Bill of Health

To all to whom these Presents shall come,
I, Sir Cecil Herklet,
British Consul General for Belgium,
send greeting
WHEREAS the German st. Ship “Neumunster”,
Official number 3634, owned by the Deutsch Austral. D.G.
of Hamburg, whose Master is W. C. Herrmann,
and which was last at the Port of Rotterdam,
is about to sail from the Port of Antwerp,
on this first day of July in the Year of our
Lord One thousand nine hundred and fourteen and from thence for
Fremantle, Adelaide and other places beyond the Seas,
with Forty two Persons on Board including the said Master
and Passengers.

Anmerkung: Die ausgeschriebene Zahl forty two wurde am Rand durch die Zahl ergänzt (42).

Weiter lautet der Originaltext des Dokuments:

„Now, Know ye that I, the said Consul General do hereby make it known to all Men, that at the time of granting these presents no Plague, Epidemic Cholera, of Yellow Fever, nor any dangerous or contagious disorder in epidemic form exists in the above Port or neighbourhood.

In testimony whereof I have hereunto set my Name and Seal of Office, on the Day and Year aforesaid.

Given in the British Consulate General
at Antwerp
on the 1st day of July
in the Year of our Lord, 1914

Cecil Herklet [Unterschrift]

 

Die Bestätigung, dass in Antwerpen und Umgebung weder Pest, Cholera oder Gelbfieber herrschten, trägt einen Stempel des Konsulats (BRITISH CONSULATE GENERAL ANTWERP) und eine Wertmarke im Wert von 10 Schilling des Consular Service.

Dies entsprach etwa 10 Mark (1 Britisches Pfund hatte 20 Schilling; der Wechselkurs für ein Pfund lag bei 20,43 Mark).

Bill of Health 1914

Bill of Health, 1. Juli 1914; © mit freundlicher Genehmigung des State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.05

GEZONDHEIDSPAS – Der Gesundheitspass für Niederländisch-Indien

Ein zweiter Gesundheitspass war für das Zielgebiet Niederländisch-Indien notwendig. Dieser ist ausgestellt vom Consulaat Generaal der Nederlanden in Antwerpen.

Darin heißt es im Original sehr ähnlich wie vorstehend, deswegen habe ich auf eine Übersetzung verzichtet:

De Consul Generaal der Nederlanden te ANTWERPEN verklaart,
dat het stoomschip genaamd :
Neumünster
varende onder Duitsche vlag, Kapitein C. Herrmann
den 3 July 1914 uit deze haven vertrekt naar :
Nederlandsch Indië
met eene bemanning van 42 koppen, den Kapitein en passagiers mede-
gerekend, en beladen met Stukgoederen en verklaart
verder dat in deze haven geen pest of gele koorts of choléra, of eenige
andere buitengewone besmettelijke zietke heerscht.
Afgegeven te ANTWERPEN, den 2 Juli 1914,
ten 12 ure.

De Consul Generaal der Nederlanden vnd.
[Stempel und Unterschrift]

Sicherlich wurde auch für dieses Dokument eine Konsulargebühr erhoben, allerdings ist darüber auf dem Dokument selbst nichts vermerkt.

Gesundheitspass Schiff Neumünster 1914

Gezondheidspas, Konsulat der Niederlanden in Antwerpen, 2. Juli 1914 © mit freundlicher Genehmigung des State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.06

Typische Krankheiten der Seeleute

Wenn wir schon beim Thema sind, noch ein paar weitere Informationen zum Thema Gesundheit. Die Besonderheiten des Seemannsberufs beschreibt ein Handbuch für Gewerbehygiene und -gesundheit aus dem Jahr 1926:

„Der Beruf des Seefahrers bringt Lebens- und Arbeitsbedingungen mit sich, die sich von den an Land ausgeführten Berufen schon dadurch unterscheiden, daß die Arbeitsstelle – das Schiff – sich in dauernder Ortsveränderung mit oft sehr jähem Wechsel der klimatischen und Witterungsverhältnisse befindet, und damit auch den Seemann Gesundheitsschädigungen durch Kälte und Hitze, Sturm und Windstille in besonderem Maße aussetzt. Dazu kommen die mit der besonderen Arbeit der einzelnen seemännischen Beschäftigungsgruppen – Decks-, Maschinen-, Bedienungspersonal – verbundenen Gesundheitsgefährdungen wie auch durch das enge Zusammenleben an Bord und den Aufenthalt in den Tropen begünstigten Gefahren der ansteckenden und klimatischen Krankheiten.“

Quelle: Handbuch der sozialen Hygiene und Gesundheitsfürsorge, 2. Band Gewerbehygiene und Gewerbekrankheiten, A. Gottstein, A. Schlossmann, L. Teleky (Hrsg.), Springer 1926.

Tripper, Syphilis und Weicher Schanker

Bei den ansteckenden Krankheiten nahmen Geschlechtskrankheiten eine wichtige Rolle ein:

„Auffallend groß ist die Zahl der geschlechtlichen Erkrankungen. Von den in die Krankenhäuser Hamburgs aufgenommenen Seeleuten waren durchweg ein Drittel, in manchen Jahren eine noch größere Zahl, damit behaftet. Zweifellos trägt dazu die Eigenart des Seemannslebens mit seiner oft recht langen Fernhaltung von der Familie, der Ungebundenheit und der Größe der Versuchung an Land, aber auch die Unkenntnis der mit diesen Krankheiten verbundenen Gefahren wesentlich bei. Meist handelt es sich um Tripper, in etwa ein Viertel der Fälle um Syphilis, in fast ebensoviel um weichen Schanker.“
(gleiche Quelle)

Hautkrankheiten

Auch Hautkrankheiten waren weit verbreitet:

„Ansteckende Hautkrankheiten, besonders Krätze sowie Filzläuse u. dgl., gehören zu häufigen Vorkommnissen, vor allem bei der Decksbesatzung, was wohl mit dem engen Zusammenleben und der leider oft, besonders bei schwerem Wetter, mangelhaften Körperpflege zu erklären ist. Sehr lästig ist ein unter dem Einfluß des Seewassers und des Tropenklimas häufig auftretender, nicht infektiöser Hautausschlag (Roter Hund).“

Anmerkung: Die Hautkrankheit Roter Hund wird medizinisch als Miliaria bezeichnet.

Innere Krankheiten

Bei den inneren Krankheiten nennt die gleiche Quelle an erster Stelle Erkrankungen der Verdauungsorgane. Ein Drittel der Todesfälle nach inneren Erkrankungen ließ sich auf Tuberkulose zurückführen.

Malaria

Nach Sannemann waren in den Jahren 1913 und 1914 bei der Schiffsbesatzung von 13871 inneren Erkrankungen 1860 = 13,1 % Malariafälle vorgekommen.

Schwerpunkt der Malariafälle war jedoch Westafrika und Westindien (68,8 % der Fälle).

(Quelle: Die antropogeographische Bedeutung der Malaria, Dr. Richard Röder, Leiden 1930; books.google.fr).

Im Fahrtgebiet der Schiffe der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft waren Häfen in Indien und Niederländisch-Indien betroffen.

fireman or stoker

Heizer im Maschinenraum eines Dampfschiffs (Bild symbolisch) – Pixabay

Arbeitsunfälle

Neben den erwähnten zahlreichen Krankheiten, gab es auf Dampfschiffen definitiv zu viele Arbeitsunfälle:

„Danach wurden bei einer Gesamtzahl der versicherten Seeleute von rund 70000 in den Jahren 1910-1914 insgesamt 18418 Unfälle angemeldet. Davon waren 2100 (11,4 %) tödlich, jedoch befanden sich dabei 848 mit ihren Schiffen verschollene Seeleute.“
Quelle: Handbuch der sozialen Hygiene und Gesundheitsfürsorge, 2. Band Gewerbehygiene und Gewerbekrankheiten, A. Gottstein, A. Schlossmann, L. Teleky (Hrsg.), Springer 1926.

Für die 848 Toten, die nie mehr heimkehrten, sowie für Ihre Familien, sicher auch kein Trost.

Die Gefahrenquellen waren für die Decks- und Maschinenpersonal unterschiedlich:

„… dass Unfälle und Verletzungen am häufigsten bei dem Maschinenpersonal vorkommen, besonders Verbrennungen und Verbrühungen. Auch Verletzungen mit den bei der Arbeit benutzten Geräten sind nicht selten, ebenso Verletzungen der Augen durch Metallsplitter und Kohlestückchen.“

Auf der letzten Australienfahrt der „Fürth“ hatte sich der Heizer Hunger in Sydney beim Kesselspülen verbrüht. Das ist im Logbuch dieser Reise dokumentiert. Siehe: Dampfschiff „Fürth“: Tagebuch-Spezial – Deserteure, Einschleicher und wechselndes Personal

„Bei der Decksbesatzung sind die Verletzungen nicht so zahlreich, aber oft schwerer, was sich schon in der Häufigkeit der Knochenbrüche ausspricht.“

Das galt mehr für Segelschiffe als für Dampfschiffe, aber „auch Sturz vom Deck in die Schiffsräume gibt oft zu schweren Verletzungen Anlaß.“ (alle Zitate aus der gleichen Quelle).

Zwei tödliche Stürze in den Raum hatte ich anhand der Verhandlungen des Seegerichts Hamburg hier im Blog dokumentiert. Sie ereigneten sich auf dem Dampfschiff „Ulm“ im Hafen von Ambon (Niederländisch-Indien), beide im Jahr 1916. SIEHE: Die „Ulm“ in Ambon (Teil 1 von 2) und Die „Ulm“ in Ambon (Teil 2 von 2)

Mehr zum Thema

Wer mehr über das Thema lesen möchte, kann das in diesem Buch tun:

Mann über Bord! Der Tod auf See, Jürgen Rath (2012), erschienen im Sutton Verlag, Erfurt.

Der Seemann und Historiker Rath beschreibt die Themen Gesundheit, Unfälle, Tod und Gewalt an Bord anhand konkreter Beispiele aus der Segel- und Dampfschiff-Ära. Aussagekräftiges Bildmaterial gibt es obendrein.

steam ship, speaking tube

Sprachrohr zum Maschinenraum eines Dampfschiffes (Pixabay)

Elisabeth von Belgien

„Elisabeth von Belgien“

Die adelige Schwester des Dampfschiffes “Fürth“

Titelbild: Königin Elisabeth von Belgien, Aufnahme um 1910-1920; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Queen_Elisabeth_of_the_Belgians.jpg

Wer hätte gedacht, dass das Dampfschiff „Fürth“ ein Schwesterschiff mit so einem edlen Namen hat. Die übrigen baugleichen Schwestern hießen sehr städtisch „Hagen“, „Reichenbach“, „Plauen“, „Neumünster“ „Osnabrück“ und „Hanau“.

Wie diese bürgerlichen Schwestern zu einem „adeligen Familienmitglied“ kommen, darüber berichtet dieser Blogartikel.

Die anderen Schwesterschiffe der „Fürth“ hatte ich bereits hier im Blog vorgestellt, die Links dazu sind am Ende des Artikels beigefügt.

Flensburger Schiffbau Gesellschaft

Anzeige der Flensburger Schiffsbau-Gesellschaft in der Zeitung Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle vom 22. Februar 1917

Die Flensburger Schiffbau Gesellschaft

Wie es sich für baugleiche Schwesterschiffe gehört, kommen alle aus dem gleichen „Elternhaus“. Alle oben genannten Dampfschiffe erblickten in Flensburg das Licht der Welt, genauer gesagt bei der Flensburger Schiff(s)bau Gesellschaft (FSG), eine auch noch heute (2020) aktive Werft.

Die Werft war zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine der größten Werften im Deutschen Kaiserreich für den Bau von Handelsschiffen und der zahlenmäßig größte Lieferant der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) in Hamburg. Einige der Dampfer wurden in Kleinserie gebaut. Für einen Schiffstyp, der von 1906 bis 1909 entstand, hatte sich der Begriff „Hagen-Klasse“ etabliert, nach dem ältesten Schiff der Kleinserie.

Die DADG war also guter Kunde in Flensburg, aber im Jahr 1906/07 hatte die Werft trotzdem nicht genug Arbeit.

Zu Ende des Geschäftsjahres war sieben Schiffe in Bau:

S.S. „Bianca“ (Stapel-Nr. 271), ein Frachtschiff für die Fa. Kirsten in Hamburg
S.S. „Harzburg“ (Stapel-Nr. 272) für die DDG Hansa in Bremen
S.S. „Fürth“ (Stapel-Nr. 273)
S.S. „Osnabrück“ (Stapel-Nr. 274)
S.S. „Hanau“ (Stapel-Nr. 275)
ein noch nicht benannter Fracht- und Passagierdampfer für die Reederei Hamburg Süd (Stapel-Nr. 276)
ein Petroleum Tank- und Frachtdampfer für die Deutsch-Amerikanische Petroleum Gesellschaft in Hamburg (Stapel-Nr. 277);

Später wird dieses Schiff den Namen S.S. „Niagara“ erhalten

Anmerkung: S.S. ist die international gebräuchliche Abkürzung für Steam Ship, also Dampfschiff

Mit diesen sieben Schiffen konnten aber nicht alle Mitarbeiter beschäftigt werden

„…, weshalb wir uns entschlossen haben, den Bau eines Frachtdampfers von folgenden Dimensionen: Länge 387 Fuss, Breite 50 Fuss 10 Zoll, Tiefe 27 Fuss 9 Zoll, für eigene Rechnung in Angriff zu nehmen.“
Flensburger Schiffsbau-Gesellschaft, Flensburg, Geschäftsbericht für das Betriebsjahr 1906/07, Quelle: Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 06. Sep 1907, S. 15, europeana.eu

Logischerweise muss dieses Schiff die nächste fortlaufende Stapelnummer, also 278 erhalten haben.

Die beschriebene Baugröße (und auch die Motorisierung) entsprach genau den sechs Schiffen, die die Flensburger für die DADG produziert hatten.

Die DADG scheidet als Käufer des Schiffes aus, weil in der mir vorliegenden Schiffsliste der Reederei nach der „Hanau“ kein baugleiches Schiff der „Hagen-Klasse“ mehr unter den Neuanschaffungen verzeichnet ist.

An wen also hatte die Flensburger Werft das baugleiche Dampfschiff während des Baus oder danach verkaufen können?

Flensburger Schiffbau Gesellschaft

Anzeige der Flensburger Schiffsbau-Gesellschaft in HANSA, Deutsche Nautische Zeitschrift

Die „Transatlantica“ Rhederei A. G. in Hamburg

Fündig geworden bin ich bei der „Transatlantica“ Rhederei A.G. in Hamburg, eine von mehreren Reedereien der Hamburger Firma Menzell.

Laut dem Handbuch Schiffahrt und Schiffbau gehörten 1914 zur Menzell-Gruppe noch die Menzell-Linie GmbH und die Fa. Menzell & Co. dazu.
(Schiffahrt und Schiffbau Deutschlands und des Auslandes, Handbuch 1914, Verlagsanstalt und Druckerei-Gesellschaft, Hamburg; über books.google.fr)

Nähere Angaben zu der Reederei „Transatlantica“ macht eine Marktanalyse des amerikanischen Außenministeriums. Danach besteht zwischen der „Transatlantica“ Rhederei A.G. in Hamburg eine feste Geschäftsbeziehung zu einer belgischen Reederei, der Compagnie Royale Belgo-Argentine in Antwerpen.

“Transatlantica” Rhederei A. G., Hamburg, is a company in connection with the Compagnie Royale Belgo-Argentine, Antwerp, under the protectorate of the King of the Belgians.”

Die Flotte der Reederei ist in der gleichen Quelle angegeben:

List of fleet                                                              Tons D. W.

Adelheid Menzell                                                    7,200
Helene Menzell                                                       7,200
Elsa Menzell                                                            7,200
Elisabeth von Belgien                                        7,200
Gouverneur de Lautscheere                                7,350
Ministre Beconaert                                                7,250
Baron Beayens                                                       6,200
President Bunge                                                     6,200
Leopold II                                                                5,200
Republica Argentina                                             5,400
Ministre de Smet de Naeyer                                4,400

Die Schiffe “Adelheid Menzell”, „Helene Menzell“ und „Elsa Menzell“, die die gleiche Tragfähigkeit wie die „Elisabeth von Belgien“ hatten, waren ebenfalls von der FSG in Flensburg gebaut worden. (Quelle: Geschäftsbericht der Flensburger Schiffbau Gesellschaft 1908/09, HANSA, Nautische Zeitschrift, 1909). Heraushebung durch den Blog-Autor.

Diese drei Schiffe hatten aber leicht abweichende Dimensionen und eine schwächere Motorisierung.

Die amerikanische Quelle beschreibt auch das Geschäftsmodell der Reederei: die Frachtfahrt von Hamburg über Antwerpen nach Argentinien:

This is a joint, fairly regular service, with three or four sailings a month from Antwerp direct to the River Plate ports. Since about half a year one of the steamers every month, on the return voyage, runs to Hamburg, discharges cargo bound for this port, and proceeds to Antwerp after having taken new La Plata bound cargo on board; in Antwerp the vessel discharges the rest of the old and completes the new cargo for new voyage.

The vessels have accommodations for limited numbers of cabin passengers only, but may later be intended for transportation of steerage passengers. Up to the present they take only cargo.

Quelle: Recent Reports from Diplomatic or Consular Officers in Regard to the Question of Steamship Service between the United States and South America, House of Representatives, 61st Congress, 2nd session, Doc. No. 881, April -,1910; https://books.google.fr/books?id=CmEqAAAAYAAJ&printsec=frontcover&hl=fr&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false

Compagnie Royale Belgo-Argentine, Antwerp

Reedereiflagge der Compagnie Royale Belgo-Argentine, Quelle: Flags of the World; http://fotw.fivestarflags.com

Compagnie Royale Belgo-Argentine, Antwerpen

Die Compagnie Royale Belgo-Argentine (CRBA) wiederum war erst 1906 als Tochterunternehmen der belgischen Reederei Armement Adolf Deppe (Compagnie Nationale Belge de Transports Maritimes) ins Leben gerufen worden.

Gründer von Armement Adolf Deppe war der aus Lippstadt stammende Deutsche Adolf Deppe. Er entwickelte die Reederei bis zum Ersten Weltkrieg zu einer der führenden Reedereien Belgiens.

Zweiter Teilhaber an der Compagnie Royale Belgo-Argentine (CRBA) war neben dem Unternehmen Armement Adolf Deppe der Reeder Hermann F. W. Menzell aus Hamburg.

Armement Deppe

Armement Deppe, Hausflagge, Quelle: Flags of the World; http://fotw.fivestarflags.com

 

In Hamburg war man bei den alteingesessenen Hamburger Reedereien alles andere als begeistert, dass neue Konkurrenz auf den Markt kam.

Die Konkurrenz der Transatlantica. Als scharfer Konkurrent war den deutschen Konferenz-Linien besonders der sogenannte Menzell-Deppe-Konzern gegenübergetreten. Die Reederei Menzell A.-G., Hamburg, war im Jahr 1908 in die Transatlantica-Reederei A.-G. für Zwecke der Linienfahrt umgewandelt worden. Die Transatlantica trat ihrerseits in eine Betriebsgemeinschaft mit der unter dem Protektorat des Belgierkönigs stehenden Compagnie Royale Belgo-Argentine, der sogenannten Deppe-Gruppe, die einen regen Verkehr zwischen Belgien und Argentinien unterhielt. Die Dampfer der Transatlantica wurden dem Dienst des belgischen Unternehmens angegliedert und ihr ein gewisser Einfluß auf dessen Geschäftstätigkeit eingeräumt.
Quelle: Hamburg-Bremer Afrika-Linie. http://www.digitalis.uni-koeln.de/Fenchel/fenchel_1_116-128.pdf

 

Der Reeder Menzell

Ein Porträt des Reeders Menzell wurde zu seinem 60. Geburtstag in der Zeitschrift Hansa veröffentlicht:

Hermann Menzell 1929

HANSA, Deutsche nautische Zeitschrift, 1929 (66. Jahrgang), S. 1478

„Elisabeth von Belgien“

Die 1909 in Dienst gestellte „Elisabeth von Belgien“ war nicht lange ein Schiff der „Transatlantica“ Rhederei AG in Hamburg. Schon im Jahr 1910 oder 1911 ist das Eigentum an die Compagnie Royale Belgo-Argentine in Antwerpen übergegangen.

Kein wirklicher Eigentumswechsel also, sondern eher ein buchhalterischer Übertrag:

Die Dampfer der Transatlantica wurden dem Dienst des belgischen Unternehmens angegliedert und ihr ein gewisser Einfluß auf dessen Geschäftstätigkeit eingeräumt.
Quelle: Hamburg-Bremer Afrika-Linie. http://www.digitalis.uni-koeln.de/Fenchel/fenchel_1_116-128.pdf

Mit dem Wechsel des Schiffes nach Belgien wurde der deutsche Name ins Niederländische geändert: „Elisabeth von Belgien“ hieß jetzt „Elisabeth van België“. Das Schiff musste durch den Wechsel in ein anderes Land zwangsläufig auch ein anderes Unterscheidungssignal, einen neuen Messbrief und ein neues Schiffszertifikat bekommen.

Zu diesen Dokumenten siehe die Blogbeiträge:

Das Unterscheidungssignal der „Fürth“

Die Vermessung der „Fürth“

Das Schiffszertifikat der „Fürth“

Elisabeth von Belgien

Elisabeth Gabriele in Bayern, Frau des belgischen Königs Albert I., Aufnahme aus dem Jahr 1920; Quelle: Bundesarchiv Bild 102-00140A, Elisabeth Gabriele in Bayern.jpg über commons.wikimedia.org

Elisabeth in Bayern

Namensgeberin des Dampfschiffes „Elisabeth von Belgien“ war eine gebürtige Deutsche: Elisabeth Gabriele Valérie Marie Herzogin in Bayern, geboren 1876 am Starnberger See:

„Prinzessin Elisabeth wurde am 25. Juli 1876 auf Schloss Possenhofen geboren. Ihre Taufpatin war Kaiserin Elisabeth von Österreich, die berühmte Sissi. Ihr Vater war der Augenarzt und frühere General Dr. Carl-Theodor von Wittelsbach, Herzog in Bayern, ihre Mutter Maria-Josepha, Herzogin von Bragança und Infantin von Portugal.“
Myriam Dauven, Co-Autorin der Biographie „Elisabeth de Belgique“ zitiert anlässlich einer Gedenkfeier zum 50. Todestag der Königin, in Belgieninfo.net
https://www.belgieninfo.net/zum-50-todestag-von-koenigin-elisabeth-von-belgien/

Im Jahr 1900 hatte sie Prinz Albert von Belgien geheiratet. Dieser wurde nach dem Tod König Leopold II. im Jahr 1909 neuer König von Belgien: Albert I. Seine Gemahlin Elisabeth wurde belgische Königin.

Elisabeth war beim Volk sehr beliebt, was nicht zuletzt auf ihr soziales Engagement im Ersten Weltkrieg zurückging:

„Unermüdlich habe die Königin auch andere Lazarette und Krankentransporteinrichtungen besucht, und ihre außerordentliche Organisationsgabe und ihr Durchsetzungsvermögen unter Beweis gestellt.“
Zitat aus der gleichen Quelle

Einen Namen machte sie sich als Förderin der schönen Künste, vor allem der Musik. Sie selbst war exzellente Geigenspielerin.

Alles weitere erfahren Sie in der zitierten Biographie: „Elisabeth de Belgique, ou les défis d’une Reine“ Georges-Henri Dumont, Myriam Dauven oder aus vielen anderen Quellen.

Elisabeth starb am 23. November 1965 mit 89 Jahren auf Schloss Stuyvenberg in Brüssel.

Buenos Aires harbour early 20th century

Hafen von Buenos Aires vor 1930; Bibliotecas Buenos Aires; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:MG-014-070_(Puerto_de_Buenos_Aires).tif

Die Fahrten der „Elisabeth von Belgien“/ „Elisabeth van België“

Als Schiff der Reederei Compagnie Royale Belgo-Argentine war die „Elisabeth van België“ auf der Linienfahrt zwischen Hamburg/Antwerpen und der La Plata Region eingesetzt.

Argentinien war zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine Nation mit stark zunehmender Agrarproduktion und viele Reeder sahen in dem aufstrebenden Staat ein lukratives Geschäft.

Armement Adolf Deppe

Anzeige der Reederei Armement Adolf Deppe, Neptune, 28. Juli 1914, Quelle: hetarchief.be

 

Argentinische Ernte
Argentinien ist ein Zukunftsland und es befindet sich augenblicklich offenbar in glänzender Aufwärtsbewegung. Man kann beinahe jedes Jahr wieder von einer Rekordernte sprechen…

Die Erntemenge für das Jahr 1912 werden in dem Artikel wie folgt angegeben:

Weizen 5,5 Mio. t
Leinsaat 8,0 Mio. t
Hafer 1,5 Mio. t
Mais 7,2 Mio. t

Ein großer Teil davon wurde verschifft:

… Das Gesamtquantum der argentinischen Getreideverladungen der laufenden Saison 1912/13 taxiert unsere maßgebende Quelle auf 10 ½ – 11 Millionen Tonnen, die einen Wert von über 1 Milliarde Mark darstellen würden. …
aus: Hansa, Deutsche nautische Zeitschrift, 49. Jahrgang, 1912, S. 993

Aber nicht nur Getreide, auch Wolle und Fleisch waren wichtige Exportprodukte Argentiniens:

„Argentinien wurde nach 1900 zum wichtigsten Rindfleischexporteur der Welt, nachdem die gigantische US-Produktion immer stärker vom schnell wachsenden Binnenmarkt aufgesogen worden war.“
aus: Die Verwandlung der Welt: Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, J. Osterhammel, 2009; Zitat abgerufen über books.google.fr

Die in Argentinien angelaufenen Häfen waren Buenos Aires, Puerto Plata, Rosario, Colastine und als südlichster Hafen Bahia Blanca. Hinzu kam noch Montevideo, die Hauptstadt Uruquays.

Argentina about 1900

Karte von Argentinien (Ausschnitt), frühes 20. Jahrhundert, Project Gutenberg; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:MAP_OF_ARGENTINA_AND_ADJOINING_STATES-UK-1900s-PG-40069.jpg; Zielhäfen zur Verdeutlichung ergänzt

 

Für diese Fahrten nur zwei Beispiele aus dem Jahr 1914. Ein akribisches Quellenstudium würde sicher zahlreiche weitere Fahrten ans Licht bringen, auch wenn der Name des Schiffes die Nachforschungen nicht leicht macht.

Kapitän van Schoonbeek kam Ende Mai 1914 mit der „Elisabeth van België“ aus Buenos Aires in Antwerpen an, um von dort Anfang Juli wieder nach Argentinien zu versegeln:

PORT D’ANVERS.
ARRIVAGES…

DU 30

St. belge Elisabeth van België, cap. Van Schoonbeek, de Buenos-Ayres

Le nouveau précurseur: journal du soir, 30. Mai 1914, hetarchief.be

DEPARTS DU 1 JUILLET

St. belge ELISABETH VAN BELGIË, cap.
Van Schoonbeek, pour Rosario, chargé. 25’

Lloyd Anversois, 2. Juli 1914,

Colastine Hafen

Flusshafen von Colastine (Santa Fé) am Rio Colastiné, an einem Seitenarm des Paraná, ca. 450 Kilometer von der Mündung; Argentinen, Beginn 20. Jh.; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Puerto_de_Colastine_a_principios_del_Siglo_XX.png

 

Elisabeth von Belgien, Auszug Lloyd's Register 1930

Registerauszug aus Llyods Register 1930-31, Elisabeth van België, https://plimsoll.southampton.gov.uk/shipdata/pdfs/30/30b0370.pdf

Zweiter Weltkrieg

Die Geschichte der „Elisabeth von Belgien“/ „Elisabeth van België“ endet im Zweiten Weltkrieg, als das Schiff Teil eines transatlantischen Konvois war:

Konvoi „ON 127“

Der Konvoi ON 127 war der 127. Konvoi von Handelsschiffen von den Britischen Inseln nach Nordamerika (Outbound from the British Isles to North America). Er startete am 4. September 1942 von Liverpool nach Halifax und New York.

Der Konvoi bestand aus 35 Handelsschiffen, die von 4 Zerstörern und 4 Korvetten der Royal Canadian Navy eskortiert wurden.

Unter den Handelsschiffen befanden sich Schiffe britischer, norwegischer und US-amerikanischer Flagge sowie ein schwedisches, ein panamaisches, ein niederländisches und ein belgisches Schiff.

Das belgische Schiff war die „Elisabeth van België“.

Der Konvoy wurde ab 10. September 1942 von dem Wolfpack Vorwärts, einem aus dreizehn U-Booten bestehenden deutschen U-Boot Verband angegriffen (sog. Wolfsrudeltaktik).

Der Angriff verlief wie folgt:

Der folgende Text ist eine eigene Übersetzung aus dem Englischen aus der Quelle uboat.net. Das Original finden Sie dort.

„Zwischen 16:31 Uhr und 16:33 Uhr feuerte U-96 vier Torpedos auf vier Schiffe des Konvois und traf drei davon, die „Sveve“, die „F.J. Wolfe“ und die „Elisabeth von België“. Während die „F.J. Wolfe“ nur beschädigt wurde und die Fahrt fortsetzen konnte, sanken die beiden anderen Schiffe.

Die „Elisabeth van België“ (Kapitän Louis Alexis Gillebert) auf Position 12 im Konvoi, wurde von einem Torpedo im unteren Raum 3 getroffen, der mit 500 Tonnen Kohle gefüllt war. Das Schiff begann sofort auseinanderzubrechen und sank zuerst in der Mitte, wobei sich Bug und Heck in die Luft aufrichteten. Die Besatzung aus 44 Seeleuten und sechs Schützen (das Schiff war mit einer 4inch Kanone und sieben Maschinenpistolen bewaffnet) hat das Schiff schnell, aber geordnet in die Rettungsboote verlassen. Ein Besatzungsmitglied war verloren, drei weitere verletzt. Der Kapitän und 43 Überlebende wurden nach einer Stunde von HMS „Celandine“ (K 75) (Lt. P.V. Collings, RNR) aufgegriffen, einschließlich vier im Wasser treibenden Männern und zwei aus Schlauchbooten. Die übrigen Überlebenden wurden von HMCS „Sherbrooke“ (K 152) (T/Lt. J.A.M. Levesque, RCNR) aus dem Wasser gefischt.“

Die „Elisabeth van België“ war in Ballast unterwegs (die Kohlen im unteren Raum 3 (direkt vor der Maschine) waren Bunkerkohlen für den eigenen Bedarf).

Bei dem Verstorbenen handelt es sich um den 1926 geborenen, erst 16 Jahre alten Schiffsjungen John Wilson aus Liverpool. Eine Gedenktafel mit seinem Namen befindet sich im Tower Hill Memorial in London.

Elisabeth von Belgien

Das Sinken der „Elisabeth van België“, ex-Elisabeth von Belgien, Aufnahme vom 10. September 1942, Autor unbekannt, Quellen: uboat.net, wrecksite.eu (https://www.wrecksite.eu/wreck.aspx?14541)

 

Anmerkungen:

Auf der Seite wrecksite.eu finden Sie unter der angegebenen Seite ein Kurzporträt der „Elisabeth von Belgien“. Diese Quelle bestätigt die Stapelnummer 278 des Schiffes bei der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft.

Bislang konnte ich kein Foto der „Elisabeth von Belgien“ bzw. „Elisabeth van België“ finden (außer dem des sinkenden Wracks). Über Hinweise zu Bildmaterial oder ergänzende Informationen zum Schiff bedanke ich mich im Voraus.

Weitere Schwesterschiffe der „Fürth“

„Hagen“: Schwesterschiffe der „Fürth“: die „Hagen“

„Reichenbach“: Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Reichenbach“

„Plauen“: Schwesterschiffe der „Fürth“: die „Plauen“ und Das Schwesterschiff „Plauen“ – ein Nachtrag

„Neumünster“: Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Neumünster“

„Osnabrück“: Schwesterschiffe der „Fürth“: der Frachtdampfer „Osnabrück“

„Hanau“: Schwesterschiffe der „Fürth“: die „Hanau“

Gibraltar photo 1907

Dampfschiff „Fürth“: Fahrt durchs Mittelmeer und den Atlantik nach London

Aus dem Logbuch (letzter Teil)

Am 7. November 1914 hatte der Frachtdampfer „Fürth“ unter Kapitän R. J. Thomson Port Said am Ausgang des Suezkanals erreicht.

Die Kanalfahrt und die Fahrt von Colombo nach Suez hatte ich im Blog bereits beschrieben: Dampfschiff „Fürth“: durch den Suezkanal

Dieser Beitrag beschreibt die weitere Fahrt nach London. Er stützt sich auf ein Logbuch der „Fürth“, das sich heute im Merseyside Maritime Museum in Liverpool befindet. Siehe: Ein Logbuch der „Fürth” in Liverpool

Titelbild: Gibraltar, Stereoskopie, 1907; Library of Congress, https://www.loc.gov/item/2020680553/

Bunkern in Port Said

Wie fast alle Schiffe, die den Suezkanal durchquerten, hatte auch die „Fürth“ in Port Said Kohle gebunkert. Die Aufnahme dauerte fünf Stunden und vierzig Minuten und endete am 8. November 1914 nachts um 1.40 Uhr.

Anchor Lights Lookouts Ventilation Soundings carefully attended to
1.40 am. Coaling finished
1.55 Stand By
2.8 Anchor up Slow ahead
2.10 Pilot left
2.35 S/Set Log

Anmerkung: S/Set Log bedeutet ausgeschrieben: Streamed and set Log. Das Patentlog dient zur Messung der zurückgelegten Distanz.

coaling Port Said 1934

Suezkanal, Bunkern von Kohlen, 1934, Library of Congress, Washington D.C.; https://www.loc.gov/item/2019713228/

Kohlengesellschaften in Port Said

Port Said war die wichtigste Kohlenstation im Mittelmeer. 1913 wurden 1,8 Millionen Tonnen Kohlen fast ausschließlich zum Bunkern von Dampfschiffen importiert. Diese kamen zum Großteil aus Wales und Nordost-England.

Das Bunkern der Dampfschiffe erfolgte über Leichter mit einer jeweiligen Kapazität von 50 – 300 Tonnen.

Quelle: Steamship Fuel Stations in Foreign Countries and Non-Contiguous United States Territories, W. O. Scroggs, Division of Planning and Statistics, United States Shipping Board, May 1, 1919.

Die Verladung erfolgte durch ägyptische Arbeiter. Zwischen 1000 – 3000 waren im Hafen tätig.

As a result, between one and three thousand coal heavers gathered in Port Said. Due to the efficient organization of this large workforce, Port Said developed into not only one of the largest but also one of the fastest coaling stations in the world.

This system enabled the loading of an average of 100 tons per hour.

Channelling Mobilities: Migration and Globalisation in the Suez Canal Region and Beyond, 1869-1914, Valeska Huber, Cambridge University Press 2013; abgerufen über books.google.fr

Starke Konkurrenz

Ende des 19. Jahrhunderts gab es vier Kohlegesellschaften in Port Said, dann kam die Deutsche Kohlendepot als fünfte Gesellschaft hinzu.

In the late nineteenth century Port Said accommodated four coaling companies. Two of them were French and two British; in 1901 a German company was set up to serve the increasing number of German ships.
Channelling Mobilities: Migration and Globalisation in the Suez Canal Region and Beyond, 1869-1914, Valeska Huber, Cambridge University Press 2013; abgerufen über books.google.fr

Die Gesellschaften konkurrierten miteinander und somit war Kohle in Port Said günstig zu erwerben.

…, the competition between the English and French (and later the German) firms still meant that coal was cheaper in Port Said than in other ports.

Nach der Jahrhundertwende stieg die Zahl der Kohlegesellschaften an und neue Konkurrenten traten auf den Plan.

Port Said 1915

Hafen von Port Said mit dem Verwaltungsgebäude der Suez Canal Authority, 1915, kolorierte Postkarte, State Library Victoria, ID H84.414/12

Port Said – Gibraltar

 

Von Ägypten nach Tunesien

Bereits eine halbe Stunde nach Beendigung der Kohlenaufnahme war die „Fürth“ zu ihrem nächsten Zwischenziel unterwegs: nach Gibraltar.

Am frühen Morgen des 8. November 1914 peilte die Besatzung die letzte Landmarke in Ägypten.

5.41 Damittas L. str. abm 14’ Log 29 ½

Das Damietta Light liegt an der Nilmündung etwa 29 Seemeilen nordwestlich der Kanaleinfahrt bei Port Said.

Die Fahrt durch das Mittelmeer beginnt deutlich rauer, als dies im Indischen Ozean oder im Roten Meer der Fall war. Ein Eintrag vom 8. November lautet:

“8 pm. Strong NW winds & rough sea. Ship pitching heavily
Shipping water over bows
fine cloudy weather”

Zwei Tage später wird die Fahrt durch das Mittelmeer ruhiger und am 12. November passiert die „Fürth“ die beiden nächsten Landmarken: die zu Malta gehörige Insel Gozo und die italienische Insel Pantelleria.

12.Nov:
9.6 [am] Dimitri P. abm. 6‘

Anmerkung: Dimitri P. = Dimitri Point

9.6 pm Pantelleria L. abm 2 ½ ‘

Tunesien

Am 13. und in der Nacht auf den 14. November passiert die „Fürth“ die tunesische Küste in schwerer See. Die Fahrt ging ab jetzt an der nordafrikanischen Küste entlang. In Tunesien sind die Peilungen dreier Landmarken im Logbuch verzeichnet.

13.Nov.

9.45 Zembra Isl. abm.

Anmerkung: Zembra ist eine kleine Insel im Golf von Tunis.

5.41 pm. Canis Rock’s L str abm 7’

Der Leuchtturm auf den Cani Inseln steht auf dem größeren der beiden kleinen Kalkfelsen. Sie liegen nördlich von Bizerte etwa 10 Kilometer vom Festland entfernt.

Ile Cani, Tunisie

Leuchtturm auf der Cani Insel; Privatsammlung Bertrand Bouret; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tunisie_ile_cani.jpg

14. Nov. 1914 :

1.5 am C. Serrat L.

Es handelt sich um das Cap Serrat Lighthouse an der Nordwestküste Tunesiens zwischen den Städten Sejnane und Tabarka.

Algerien

In den frühen Morgenstunden des 14. November 1914 hatte die „Fürth“ den algerischen Küstenabschnitt erreicht, dem das Schiff etwa 450 Seemeilen folgte, bis es hinter Cap Tenès die Küste verließ und durch das Mittelmeer in Richtung Spanien lief.

14. Nov.

10 am C. de Garde L. Str. abm 15‘
1.47 pm C. de Fer L Str. abm 7‘
7.45 C. Bougaroun L. abm 5‘

Anmerkungen: Das Cap de Garde Lighthouse liegt bei der Stadt Annaba, das Cap der Fer Lighthouse zwischen Chetaïbi und Skikda; Cap Bougaroun ist nördlich der Stadt Collo. Alle drei ligen an der algerischen Nordostküste.

15. Nov.

2.15 Afia L abm.
5.45 am C. Carbon L. abm. 19’

4.43 pm C. Caxine L. abm. 10’

16. Nov.

C. Tenes L. abm. 2 ½ ‘

Der Leuchtturm Ras el Afia bei der Stadt Jijel stammt aus dem Jahr 1907.

Cap Carbon liegt bei Bejaïa: Der Leuchtturm wurde 1907 in einer Meereshöhe von 220 m errichtet und leuchtet in einer Höhe von 235 Metern. Er soll damit der höchst gelegene Leuchtturm weltweit sein.

Das Cap Caxine Lighthouse wurde 1868 am Eingang der Bucht von Algier errichtet; noch älter ist der Leuchtturm am Cap Ténès, der 1861 gebaut und 1865 in Betrieb genommen wurde. Er ist der älteste Leuchtturm Algeriens.

Cap Carbon, Algerien

Leuchtturm auf dem Cap Carbon, Algerien, Fotograf und Aufnahmedatum unbekannt; Quelle: La Petite Kabylie, Centre de documentation historique sur l’Algerie, cdha.fr

Spanien

Am frühen Abend des 16. November 1914 erreichte die „Fürth” die spanische Küste beim Cabo de Gata in der Provinz Almeria. Das Kap bildet die „Südostecke“ der Iberischen Halbinsel. Am westlichen Ende der Bucht von Almeria liegt der Faro de Sabinal und in der Provinz Grenada befindet sich der Faro de Cabo Sacratif.

5.38 (pm) C. de Gata L. abm. 6 ½ ‘
9.33 pm Sabinal L. abm 10 ½ ‘

17.Nov.
1.10 am Sacratif L. abm. 16’

Gibraltar map, about 1885

Karte von Gibraltar, Meyers Konversationslexikon, 4. Ausgabe (1885-1890); commons.wikimedia.org

Gibraltar

In Gibraltar legte Kapitän R.J. Thomson am 17. November 1914 einen kurzen Zwischenstopp ein.

Den Grund dafür kann ich nur vermuten, im Logbuch gibt es keinen Anhaltspunkt dafür.

Vor der Abfahrt in Colombo hatte sich Kapitän Thomson verpflichtet, auf der Fahrt nach London allen Anweisungen der Admiralität zu folgen. Dies geht aus einem vertraulichen Schreiben von Gouverneur Chalmers in Colombo an den Minister für Kolonialangelegenheiten, Lord Harcourt, in London hervor:

„… and the Captain has been instructed to follow all Admirality instructions on the voyage.”
The National Archives, Kew; Referenz: CO 323/625/70 vom 27. Oktober 1914

Eine dieser Anweisungen könnte gelautet haben, sich in Gibraltar Informationen für die Weiterfahrt nach England zu besorgen.

Eine dokumentierte Anordnung der Admiralität war, dass das Schiff bei Ankunft in England komplett entladen wurde, um es für den Einsatz als Handelsschiff verfügbar zu haben.

„At the same time the Admy are anxious to have the ship cleared, as they wish to have her made available for commercial use – …”
Handschriftliche Notiz; The National Archives, Kew; Referenz: CO 323/625/70 vom 27. Oktober 1914

Gibraltar 1903

Gibraltar, Stereoskopie, 1903; Library of Congress, https://www.loc.gov/item/2020680545/

17. Nov.
9.50 Europa Pt. L. abm
9.55 Stand by
10.10 ½ speed
10.22 Stopped
11.25 Anchored on Port in 45 faths of cable
Noon. Light West winds smooth sea fine clear weather

Draft 19’5” fwd. 21.11 aft.

Der Stützpunkt der Royal Navy in Gibraltar bestand seit dem Jahr 1704. Anfang des 20. Jahrhunderts erfolgte eine große Erweiterung der Basis und drei Trockendocks entstanden.

Der Aufenthalt der “Fürth” in Gibraltar dauerte nur knapp zwei Stunden. Bereits am frühen Nachmittag des 17. November 1914 verließ die „Fürth“ wieder ihren Ankerplatz und machte sich auf den Weg nach Falmouth in England.

Nach Falmouth

1.10 Hauling up Anchor
1.20 Anchor up
Full ahead s/set Log

Unter verschiedenen Kursen verließ die „Fürth“ unter Peilung der Leuchttürme von Tarifa und Trafalgar die Straße von Gibraltar nach Nordwesten.

3.15 pm Tarifa L. str. abm. 2‘ Log 18
4 pm Light West wind smooth sea fine clear weather. Log 26
6.14 pm C. Trafalgar L. str abm 4 Log 48 ¼
8 pm Light SW winds smooth sea fine cloudy weather Log 66 ½
Midnight Winds Weather Sea Continues the same Log

Anmerkung: Meilenangabe hinter dem letzten Logeintrag um Mitternacht fehlt

18th Nov.

Die Mannschaft wurde beschäftigt, das Ladegeschirr zu überholen. Es musste nach der Ankunft in London einwandfrei funktionieren.

„Crew employed overhauling Cargo Gear”

Währenddessen passierte die “Fürth” verschiedene Leuchttürme an der portugiesischen Küste, zunächst kurz hintereinander die Ponta de Sagres und das Cabo de São Vicente an der Südwestspitze des europäischen Kontinents.

8.42 am Sagres L. str. 2‘ Log 199 ½
9.1 C. St. Vincent L. str. abm 2’ Log 203 ½

Am Nachmittag wurde die See nach dem Verlassen der Straße von Gibraltar rauer und in der zweiten Tageshälfte wurden drei weitere Leuchtfeuer passiert:

4 pm Fresh SSE wind, rough sea, fine cloudy weather Log70 ¼
5.11 pm Espichel L. str abm 7‘ Log 83
7.37 C. Roca L. abm 5‘ Log 108 ½
11.45 pm Berlinga L. str abm 7’ Log 50 ?

Cabo Roca

Cabo da Roca, Ansicht von einem Schiff; Finnish Heritage Agency, Creative Commons Lizenz: CC BY 4.0; Quelle: https://www.europeana.eu/fr/item/2021009/M012_VKKSLS0HA001_12

19. Nov.

Die Crew überholte weiter das Ladegeschirr.

Crew variously employed, preparing & riggging up cargo gear

Am Abend passierte die “Fürth” die letzten beiden Leuchttürme vor dem Durchqueren des Golfs von Biskaya.

8.32 pm C. Finisterre L. abm 9‘ Log 88
9.40 C. Villano L. abm. 7’ Log 9 ½
Midnight Fresh E’ly wind & mod. sea, fine clear weather Log 18

Golf von Biskaya

Der Golf von Biskaya ist bekannt für sein schlechtes Wetter, so auch Ende November 1914:

Ein Eintrag vom 20. November lautet:

Midnight Moderate ENE gale high sea
ship laboring heavily shipping water overall, cloudy weather

Am Abend des 21. November kam dann noch Regen dazu.

Midnight Moderate NE & N gale, high sea
ship laboring heavily shipping heavy water overall, overcast and rainy weather

 

Die Mannschaft der „Fürth“ bestand offensichtlich zum Teil aus Nicht-Engländern, der folgende Logbucheintrag weist darauf hin:

Crew employed variously, washing out Natives Bathroom & WC ?

Bei den späteren Fahrten der exFürth im Jahr 1915 werden wir sehen, dass die leitende Besatzung (Offiziere, Ingenieure) in der Regel aus Briten bestand, während die übrige Besatzung aus anderen Ländern rekrutiert wurde.

 

Auffälliges Detail

Am Mittag des 21. November 1914, zwei Tage vor Erreichen des Hafens in Falmouth, ist das Logbuch am Mittag das letzte Mal von Kapitän R. J. Thomson und seinem Chief Mate (ersten Offizier) S. S. Trickey unterschrieben. Bis zu diesem Tag trugen die Logbuchseiten ab Colombo stets beide Unterschriften.

Alle darauffolgenden Tage bis zum Ende der Aufzeichnungen am 30. November unterzeichnete der erste Offizer S. S. Trickey die Logbuchseiten alleine.

War Kapitän Thomson unpässlich?

Die Frage muss ich unbeantwortet lassen.

Es ist jedoch ungewöhnlich, denn normalerweise muss der Kapitän das Logbuch abzeichnen, auch wenn er die Einträge einer anderen Person anvertraut hat. Diese andere Person war normalerweise der erste Offizier.

Vor der englischen Küste

In Annäherung an die englische Küste wurde am 22. November mehrmals die Wassertiefe gelotet (cast of lead):

10 am. Slowed Engines for Cast of Lead
145 Metres & Grey Sand
10.10 F. Speed
11.8 a/c N48E Log 38
11.50 Reduced Speed

Am Mittag und Nachmittag erfolgten weitere Lotungen:

Noon Cast of Lead. 136 Metres, Gray & fine Sand
0.10 pm Full ahead
3.50 Reduced Speed

4 pm Cast of Lead. 130 Metres Shell Stone
Moderate NE gale high sea ship fetching heavily shipping seas, cloudy weather Log 185
4.10 Full Speed

7.55 Reduced Speed
8 pm Cast of Lead 115 Metres fine Sand
Strong NE wind & rough sea, cloudy weather Log ? [unleserlich, da Zahl im Bund]
8.10 Full Speed

Lizard Point Lighthouse

Lizard Point Lighthouse an der Südspitze Cornwalls; eigene Aufnahme, Februar 2019

In Falmouth

Am frühen Morgen des 23. November 1914 wurde die Küste in Cornwall erreicht, erste Landmarke war der Leuchtturm am Lizard Point.

3.14 Lizard L. abm 3‘ Log 100
3.48 Stand by
3.53 a/c N55E & var. courses
4 am Fresh NE wind & rough sea, fine cloudy weather
Hauled in Log
4.40 Stopped
5.25 Examination Officer onboard
5.28 Anchored on Port Anchor 60 faths of cable
7.40 Stand by, Haul up anchor
8 am Slow ahead & various speeds
8.30 am Moored with Both Anchors 45 faths of cable each in 8 faths of water
Noon. Light NE wind & fine weather

Am Nachmittag sind nur Wettereinträge vorgenommen worden, das Wetter blieb für den Rest des Tages unverändert.

Falmouth map 1827

Skizze des großen Naturhafens von Falmouth, 1827; History and Description of the town and harbour of Falmouth; British Library über europeana.eu/fr/item/9200387/BibliographicResource_3000117240007

24. Nov.

Um 9.30 Uhr wurde mit dem Bunkern von Kohle begonnen; die Menge ist nicht verzeichnet. Im Vergleich zu Port Said wurde weniger Kohle gebunkert, der Tiefgang hinten ist nach dem Bunkern geringer: 21‘6“ im Vergleich zu 22‘5“ in Port Said.

9.30 am Commenced Coaling
Noon. Light SW wind, smooth sea, fine clear weather
Draft 20’0” fwd. 21’6” aft.
1.15 Finished Coaling Pilot onboard
1.20 Stand by
1.32 Anchors up, slow ahead & var. speeds
1.40 Full ahead
1.45 Pilot left
1.48 St. Anthony’s L. abm.
s/set Log a/c S74E

Falmouth, Cornwall, about 1890

Falmouth (Cornwall), Photochromdruck, ca. 1890-1900; Quelle: Detroit Publishing Co., Library of Congress, https://www.loc.gov/item/2002696587/

Nach London

Nach und nach passierte die „Fürth” am 24. November 1914 St. Anthony’s, Eddystone, Star Point Lighthouse und Portland Bill Lighthouse.

4.29 Eddystone L. str abm 3’
6.52 Start L. str abm 3’
11.20 pm Portland Bill L. abm

Eddystone Lighthouse

Eddystone Lighthouse in Plymouth, Photochromdruck, ca. 1890-1900; Quelle: Detroit Publishing Co., Library of Congress, https://www.loc.gov/item/2002708052/

 

25.Nov.

Am 25. November 1914 fuhr die „Fürth“ von der Südküste Englands durch den Ärmelkanal bis in die Themsemündung, wo das Schiff über Nacht ankerte. Die Einfahrt in die Themse war durch eine Vielzahl an Feuerschiffen und Bojen markiert.

Isle of Wight, St. Catherine's Light

St. Catherine’s Lighthouse um 1910; Project Gutenberg’s Pictures in Colour of the Isle of Wight; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:St_Catherine%27s_Lighthouse_c1910_-_Project_Gutenberg_eText_17296.jpg

Der Turm von St. Catherine an der Südspitze der Insel Wight gehörte und gehört zu den lichtstärksten Leuchttürmen Großbritanniens.

3.15 [am] St. Catherine’s L. abm. 12’ Log 143
4 am Fresh NW wind & mod. sea, fine clear weather Log 150

9.7 Beachy Hd. L. abm 9‘ Logh 204
10.7 Royal Sovereign L. vsl abm. Log 214 ½

Anmerkung: vsl steht für „vessel“, zu dieser Zeit befand sich hier ein Feuerschiff.

Am späten Vormittag wurde eine Deviationsbestimmung durchgeführt:

11.4 Swinging ship for deviation
Noon. Fresh SE winds & moderate sea, fine clear weather Log 234
0.7 pm Finished swinging Full ahead

1.35 pm Dungeness abm. 2’ Log 16
2.57 pm Stand by
3.4 Half Speed, var. off Dover
3.55 Pilot onboard
4 pm s/set Log

4.10 S. Foreland abm.
4.27 ½ Speed
4.42 Exam. Officer
4.55 Full ahead

5.11 Gull L.-Vsl.
5.30 Chequer Buoy abm
5.45 Elboy Buoy
6.41 Stand by
6.42 Slow

Douglas L’Vsl var. speeds

6.55 Anchored in 45 faths in 5 faths of water
8 pm Moderate SW wind & sea, fine clear weather

In die Themse

Am Morgen des 26. November 1914 lief die „Fürth“ in die Themse ein. Es sollte bis 3 Uhr am Nachmittag dauern, bis der Frachtdampfer am Kai in Tilbury festgemacht hatte.

26. Nov.

0.30 ship swinging to Flood Tides
5 am ship swinging to Ebb Tides
6.30 Stand By
6.45 Anchor up
6.53 Full ahead C. N40W
7.22 Edinburgh L.-Vsl.
8.2 Knob Bouy
9.15 Nore L.-Vsl.
10.12 Chapman L.-Vsl.
10.50 Mucking L.-Vsl.
10.55 Ship Exam. Off.

Zum Liegeplatz in Tilbury

Kurz nach Mittag gab es bei Gravesend einen Lotsenwechsel und der Hafenlotse begleitete die „Fürth“ durch die Schleuse (lock) zum Liegeplatz (berth).

Die Bezeichnung „Tilbury“ findet sich nicht im Logbuch, jedoch passt die Ortsangabe und die Passage der Schleuse zu den Tilbury Docks.

“The original docks consisted of a tidal basin on Gravesend reach opposite Northfleet, connected by a lock to a main dock with three side branches named East, central and West Branch Docks. Between the tidal basin and Main Dock were two dry docks.”
Quelle: The Old Peninsular & Oriental Steam Navigation Company, Tilbury; http://www.pandosnco.co.uk/tilbury.html

Außerdem gibt ein Dokument in The National Archives (BT 99/3082) ebenfalls den kurzen Hinweis auf den Standort Tilbury:

Furth [at Tilbury] prize ship

Im Tagebuch liest sich die Fahrt zum Liegeplatz wie folgt:

11. Full Speed
11.40 ½ Speed off Gravesend
Noon Fresh SW wind & dull cloudy weather
0.10 Anchored on 30 faths Starb. Anchor ? [unleserliche Angabe im Bund]
Pilot ? [unleserlich]
0.30 pm changed Pilots Haul up Anchor
0.35 Anchor up slow ahead & var. speeds
1.35 In Lock
2.20 Left Lock
proceeded to Berth
3 pm In Berth
3.10 Finished with Engines
3.30 pm Commenced discharging Tea at No. 2 Hatch working to 5 pm
8 pm to Midnight Moderate to Fresh SW wind & cloudy rainy weather

Tilbury Docks, London

Tilbury Docks, London um 1890, Aquarell von dem Marinemaler William Lionel Wyllie, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tilbury_RMG_PW0845.jpg

Tee aus Ceylon für Großbritannien

Über die von Colombo nach England transportierte Ladung erfahren wir aus dem Logbuch, dass die „Fürth“ überwiegend Tee geladen hatte, außerdem (Kokos-)Fasern und Copra. Nicht erwähnt werden die Erze, die ebenfalls an Bord waren. Siehe: Die Erze an Bord der „Fürth“ …

Tee war das mengen- und wertmäßig wichtigste Exportprodukt Ceylons vor Gummi und Kokosprodukten (Copra, Kokosnussöl, Kokosfasern, getrocknete und frische Kokosnüsse, Ölkuchen). Im Jahr 1914 betrug die exportierte Teemenge 193,6 Millionen Pfund (lbs) oder 87 000 Tonnen.
Quelle: Supplements to Commerce Reports, Review of Industrial and Trade Conditions in Foreign Countries in 1915 by American Consular Officers; Department of Commerce, Washington, über books.google.fr

tea plantation, tea factory, ceylon

Teeplantage und -fabrik auf Ceylon, 1915, Quelle: State Library Victoria, Image H83.103/181

Entladen in London

Vom 27. bis 30. November 1914 sind die Logbucheinträge kurzgehalten. Sie sind hier in voller Länge wiedergegeben; sie beziehen sich im Wesentlichen auf das Löschen der Ladung.

27. Nov.
7am Discharging Tea at No. 2 + 3 Hatches & commenced discharging fibres at No. 5 Hatch working throughout to 5 pm
Crew employed variously throughout the day
Moderate SW wind, showery from 12 to 1 o’clock, otherwise fine weather

Saturday, 28th November 1914
7 am. Discharging Tea from No. 1 + 2 Hatches & Copra from No. 4 + 5 Hatches. Closed down No. 3 + 4 + 5 Hatches also Fore Peak
at 3 pm ? to heavy rain working at No. 2 Hatch ? with ? [unleserliche Stellen]
Moderate SW wind fine cloudy weather up to 3 pm
Crew employed variously throughout the day

29. Nov.
Moderate SW wind & fine cloudy weather up to 10 pm, afterwards freshening to a gale with heavy rain

Anmerkung: Der 29. November 1914 war ein Sonntag, es sind deshalb keine Arbeiten eingetragen.

Monday, 30th of November 1914.
am. Discharging Tea at No. 3 + 2 Hatches.

Damit enden die Einträge des ersten Offiziers Stanley Stanford Trickey und auch das Logbuch der „Fürth“ für die letzte Fahrt des Schiffes unter diesem Namen.

Über ein halbes Jahr vorher war das Schiffstagebuch am 21. April 1914 in Hamburg von Kapitän Richter und seinem ersten Offizier, R. Hoffmann, begonnen worden: Das Schiffstagebuch der „Fürth“ – eine Einleitung

Tilbury Docks, London, William Lionel Wyllie

Tilbury Docks, London, Anf. 20. Jh., Aquarell von dem Marinemaler William Lionel Wyllie, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tilbury_RMG_PW0845.jpg

Suez canal 1915

Dampfschiff „Fürth“: durch den Suezkanal

In der Wüste Ägyptens

Bildnachweis Titelbild:

Schiff an einer Signalstation im Suezkanal, 1915, T.P. Bennett Collection, handkoloriertes Diapositiv, State Library Victoria, ID H83.103/152; trove.nla.gov.au; Bild zugeschnitten

Vierzehn Kanalfahrten

Das Dampfschiff „Fürth“ passierte zwischen 1907 und 1914 vierzehn Mal den Suezkanal. Alle Passagen sind in der Rubrik Schiffsmeldungen in den Tageszeitungen aus dieser Zeit dokumentiert. Siehe dazu: Australienfahrten

Eine Besonderheit ist, dass die vierzehn Kanalfahrten stets von Süden nach Norden verliefen, also vom Roten Meer in Richtung Mittelmeer oder anders ausgedrückt, von Suez nach Port Said.

Das hing damit zusammen, dass die Hauptlinien der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) auf der Ausreise von Europa nach Australien um die Südspitze Afrikas verliefen und nur die Rückfahrten durch den Suezkanal.

Grund dafür waren die hohen Kanalgebühren, die sich für die Reederei jährlich zu einer stattlichen Summe addierten.

Zu den Kanalgebühren und über den für die Kanalfahrt notwendigen Messbrief, den Suez-Messbrief siehe den Blogartikel: Der Suezkanal-Messbrief des Dampfschiffes „Fürth“

Suezkanal Messbrief Fürth

Suezkanal-Messbrief der „Fürth“, oberer Teil, Version von 9. November 1910 © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Heute stelle ich Ihnen die vierzehnte Fahrt der „Fürth“ durch den Suezkanal im Detail vor. Denn nur von dieser Fahrt ist ein Logbuch erhalten geblieben (soweit mir das im Oktober 2020 bekannt ist).

Dieses Logbuch habe ich hier im Blog in 18 Artikeln sehr detailliert vorgestellt, der achtzehnte Beitrag endete nach der Kaperung der „Fürth“ vor Ceylon im Hafen von Colombo. Die letzten Tagebucheinträge von Kapitän Richter und seinem ersten Offizier Hoffmann waren vom 11. August 1914.

S S Trickey, R J Thomson 1914

Logbuch der „Fürth“, nummerierte Seite 136 (Ausschnitt – Unterschriften R J Thomson und S S Trickey), mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

R. J. Thomson und S.S. Trickey

Das Logbuch wurde im Oktober 1914 von Kapitän R. J. Thomson fortgeführt, einem Kapitän der Reederei Thomas & James Harrison, welche die „Fürth“ im Auftrag der Britischen Krone nach London überführte. Siehe: Ein Logbuch der „Fürth” in Liverpool und Kapitän R. J. Thomson überführt das Dampfschiff „Fürth“ von Ceylon nach England

Mit dem Schreiben des Logbuches beauftragte Kapitän Thomson seinen ersten Offizier, S. S. Trickey; die Logbucheinträge sind in englischer Sprache.

Stanley Standford Trickey kam aus Brixham, einem Fischerort in der Grafschaft Devon, etwa 50 Kilometer östlich der Hafenstadt Plymouth. Er dürfte zu dieser Zeit 37/38 Jahre alt gewesen sein. Im Jahr 1915 wurde er befördert: Seine erste Reise als Kapitän führte ihn mit dem Schiff  „Botanist“ von Liverpool nach Kalkutta (1915crewlists.rmg.co.uk).

Kapitän R. J. Thomson kam aus Kirkcudbright im südwestlichen Schottland. Zur Zeit der Überführung der „Fürth“ dürfte er 52 oder 53 Jahre alt gewesen sein. Seine nächste Fahrt auf der „Explorer“ ging ebenfalls von Liverpool nach Kalkutta (1915crewlists.rmg.co.uk).

Die Angaben zu R. J. Thomson und S.S. Trickey beruhen auf Informationen aus: The National Archives, Kew; National Maritime Museum, Greenwich; myheritage.com.

Explorer, R. J. Thomson, 1915

Ausschnitt aus der Mannschaftsliste der „Explorer“, 12. Jan. 1915, als vorangegangenes Schiff ist die „Fürth“ eingetragen, irrtümlich jedoch mit dem Zusatz Bremen statt Hamburg; Quelle: National Maritime Museum, Greenwich, https://1915crewlists.rmg.co.uk/document/204757

Anmerkung:

Heutzutage ist die Rechtschreibung im Deutschen meist „Sueskanal“. Zur Zeit des Dampfschiffes „Fürth“ erfolgte die Schreibung in allen Dokumenten mit „z“, also Suezkanal. Hier im Blog folge ich dieser damals üblichen Schreibweise mit „z“, wie sie in den hier im Blog gezeigten Originaldokumenten verwendet wurde und wie sie heute nach wie vor im Englischen oder Französischen üblich ist.

steam ship in Suez canal 1904

Dampfschiff im Suezkanal, Stereographie, 1904, C. H. Graves, Library of Congress, Washington DC; https://www.loc.gov/item/91727909/

Abfahrt aus Colombo

Die Abfahrt der „Fürth“ aus Colombo erfolgte am 23. Oktober 1914. Das Datum ist durch ein Telegramm des Gouverneurs von Ceylon, Robert Chalmers dokumentiert.

Prize ship “Furth“ left here October 23rd for London please make arrangements for taking over ship on behalf of Crown on arrival.
CHALMERS.
Quelle: Telegramm von Gouverneur Chalmers vom 26. Oktober 1914, Britisches Nationalarchiv, Referenznummer CO 323/625/9

Die Einzelheiten erfahren wir aus dem Logbuch.

Der erste Eintrag von Kapitän R. J. Thomson erfolgte am 21. Oktober 1914, also zwei Tage vor dem Ablegen.

An diesem Tag, einem Mittwoch, ließ er alle Boote zu Wasser und beließ sie dort bis zum nächsten Tag. Erst dann wurden sie wieder an Deck gehievt.

Oct 21st. All boats put in water

Oct 22nd. Boats taken onboard.

 

Am 23. Oktober 1914 kam früh um 5.40 Uhr ein Pilot an Bord und die Vorbereitungen zur Abfahrt wurden getroffen. Der Tiefgang wurde ebenfalls eingetragen:

Draft 21‘3“ fwd. 24‘0” aft.

5.40 am Pilot onboard. Singled Moorings
5.55 Stand by
6.10 Anchor up – Slow ahead.
6.20 am Pilot left
6.22 Full ahead. Passing Breakwater.
Streamed and set Log. Set Courses N 67° W
8 am. Light NW wind, mod. swell, fine clean weather.
Log 12 ½.

Kapitän Thomson hat das Patentlog verwendet, um zurückgelegte Entfernungen zu bestimmen. Alle vier Stunden gibt es in der Folge einen Eintrag im Logbuch dazu. Nicht dass ich Ihnen das Patentlog bislang verschwiegen hätte: unter Kapitän Richter wurde es offensichtlich nicht verwendet, es gab keinerlei Einträge im Schiffstagebuch.

Zur Funktionsweise: Das Patentlog besteht aus einer langen Leine, an deren Ende ein Propeller angebracht ist. Die Propellerumdrehungen bei Fahrt des Schiffes werden an Bord auf einem Zähler sichtbar gemacht und die zurückgelegte Entfernung kann sehr zuverlässig abgelesen werden.

Eine Peilung vom Abend desselben Tages:

11.52 pm Muttum Pt. L. abm 10’

Anmerkungen:

abm steht für abeam (deutsch: querab, also im 90° Winkel zur Fahrtrichtung)

Muttom Point Lighthouse liegt etwa 15 Seemeilen westlich von Kap Comorin, der Südspitze des indischen Subkontinents.

Der Leuchtturm spielte eine Rolle bei dem Untergang des Dampfschiffes „Bergedorf“. Der Leuchtturm hatte im Januar 1910 eine stärkere Befeuerung erhalten und die Kennung war geändert worden. Dies führte zu einer Verwechslung, da die Seekarten an Bord der „Bergedorf“ nicht aktualisiert worden waren. (Kennung = Farbe des Feuers und Verhältnis von Scheindauer zu Unterbrechungsdauer).

SIEHE: Der Untergang des Dampfers „Bergedorf“

Informationen über den Leuchtturm: http://muttomlighthouse.com/index.html

Im Tagebuch vermerkt sind ab Ceylon auch die wachhabenden Seeleute.

Die Einträge gehen täglich von 18 Uhr bis 6 Uhr, Wachwechsel alle zwei Stunden. Am 23. und 24. Oktober ist nur ein Name pro Schicht eingetragen, danach regelmäßig zwei Namen.

Alleppey 1900, Lighthouse

Alleppey Leuchtturm, 1900, Fotograf: Zacharias D‘Cruz, British Library Online Collection (bl.uk)

Durch den Indischen Ozean

Die „Fürth“ lief auf ihrer Fahrt Richtung Rotes Meer zunächst die Küste von Kerala (Südwest-Indien) entlang und passierte Alleppey am Mittag des 24. Oktober 1914.

Auf einigen Fahrten hatte die „Fürth“ an der indischen Malabarküste angelegt: SIEHE Das Dampfschiff „Fürth“ an der indischen Malabarküste

Um 18.35 Uhr des gleichen Tages wurde der Kurs von N 23° W auf N 56° W geändert. Das bedeutete, dass das Schiff die indische Küste verließ um den Indischen Ozean in Richtung des Golfs von Aden zu queren.

Die Fahrt durch den Indischen Ozean verlief ruhig.

Der Standardeintrag um Mitternacht in das Logbuch lautete:

„Lights, Lookouts, Ventilation, Soundings having careful attention.”

 

Wie auch schon zuvor die deutsche Decksmannschaft, wurde auch die neue Mannschaft der „Fürth“ mit den gleichen Routinearbeiten beschäftigt:

„Crew employed cleaning & painting ship”

 

Das Wetter ist routinemäßig notiert und zeigt wenig Veränderung. Ein typischer Eintrag vom 29. Oktober, 20 Uhr:

Light East Wind & Smooth Sea, fine clear weather. Log 81

Im Roten Meer

Für die Fahrt durch das Rote Meer benötigte die „Fürth“ knapp sechs Tage.

Die erste Landpeilung nach der Querung des Indischen Ozeans und vor der Einfahrt in das Rote Meer lautete am 1. November 1914:

11.6 am Aden (Marchaq) L. Str. abm 3‘ Log 34 ½. (Signalled)

Das Ras Marchaq Lighthouse ist seit 1867 in Betrieb. Signalled bedeutet, dass die „Fürth“ ihr Unterscheidungssignal an den Leuchtturm übermittelt hat. Siehe dazu: Das Unterscheidungssignal der „Fürth“

Die Insel und Kohlenstation Perim in der Meeresstraße Bab al-Mandab am Eingang zum Roten Meer wurde um 18.35 Uhr gesichtet und um 20.30 Uhr passiert (Balfe Pt. L. abm 2‘).

Die Kohlestation zur Versorgung von Dampfschiffen existierte auf der Insel Perim von 1883 bis 1936. Sie wurde von der Perim Coal Company betrieben und stand in scharfer Konkurrenz mit Kohleversorgern in Aden.

In der Nacht von 1. auf 2. November frischte der Wind auf und die See wurde rau:

2. November, 8 Uhr:

Strong SW wind & rough sea

Vier Leuchttürme wurden an diesem Tag passiert, im Lauf des Nachmittags flaute der Wind ab und die See wurde ruhiger.

0.7 am Mocha L. abm. 7

5.15 Abu Ail L. abm 2’

11.56 am Centre Peak L. str abm 3’

3.38 pm. Jebel Tair Isl. L. Str abm 3’

Drei Tage später, am 5. November, wurden am Abend die zu Ägypten gehörigen El Ikhwa Islands oder Brothers Islands mit dem Brothers Island Lighthouse passiert bevor um 23.15 Uhr die Maschine für zwanzig Minuten gestoppt werden musste. Die Probleme sind nicht näher beschrieben (engine purposes), wiederholten sich aber in der gleichen Nacht (6. Nov. 1914, 0.10 Uhr). Diesmal wurde die Fahrt für zehn Minuten unterbrochen.

Port Tewfic, Suez canal

Port Tewfic am südlichen Eingang des Suezkanals, Photochromdruck, um 1900; Quelle: Library of Congress; https://www.loc.gov/item/2017656980/

Die Kanalfahrt

Am Abend des 6. November 1914 erreichte die „Fürth“ die südliche Einfahrt des Suez-Kanals und ging vor Anker:

8.15 Stand By
8.30 Stopped
8.50 pm Anchored on Port on 20 faths
of cable in 7 faths of water
Mid.
Light West winds & smooth sea, fine clear weather

Das Ankern am Kanaleingang gehörte zur Prozedur einer Kanalfahrt, ebenso wie die Anbordnahme eines Lotsen und die Bezahlung:

A vessel on reaching the port of entry must anchor and arrange for passing….The ship is gauged, a pilot ordered, and the bill made out in advance….A copy of the regulations and of signals used at stations is supplied to each vessel.
aus: Senate Documents, Otherwise Publ. as Public Documents and Executive Documents, 14th Congress, 1st Session-48th Congress, 2nd Session and Special Session, Band 7, 1884, abgerufen über books.google.fr

Ein paar Informationen zum Suezkanal

In seinem Verlauf vom Mittelmeer zum Roten Meer nutzt der Kanal natürliche Wasserflächen, wie den Timasahsee und den Großen und Kleinen Bittersee. Im nördlichen Teil verläuft er durch den schon beim Kanalbau ausgetrockneten Menzalehsee (siehe Karte).

Der Kanal verläuft durch eine weitgehend vegetationslose Landschaft. Die Sanddrift macht ein regelmäßiges Ausbaggern der Fahrrinne notwendig. Winde und Strömungen können die Durchfahrt erschweren.

There is nothing remarkable in the appearance of the canal except the general absence of vegetation; the continued drift of sand necessitates the employment of dredgers throughout. In places where the sand lies at less than the natural angle the banks are supported by imbedded sones. The water pipes from Ismailia to Port Said assist the same object….
The services of the pilot are most necessary in the Bitter Lakes; in the Little Bitter Lake and thence southward, close attention must be paid to the direction and force of the wind and to the current, which sometimes sets across the canal.
The Maritime Canal of Suez, J.E. Nourse, 1884, 48th Congress, 1st Session; Washington 1884; abgerufen über books.google.fr

Der Suezkanal hat keine Schleusen, er war zu Beginn 87 Seemeilen lang. Die Verwaltung oblag und obliegt der Suez Canal Authority.

Seit 1887 konnte der Suezkanal auch nachts durchfahren werden. Schiffe mussten dazu elektrische Suchscheinwerfer an Bord haben oder sich dieses Material vor Ort für die Durchfahrt leihen.

Die Kanalfahrt war auf 10 Kilometer/Stunde begrenzt, um die Uferböschungen vor Erosion zu schützen.

The maximum speed permitted in the canal itself is 10 kilometres an hour.
Encyclopedia Britannica, Ausgabe 1911 (en.m.wikisource.org).

Bei Begegnungen stoppte eines der Schiffe, während das andere die Fahrt fortsetzte:

… ; but owing to the widening that have been carried out, passing is now possible at any point over the greater part of the canal, one vessel stopping while the other proceeds on her way.
Encyclopedia Britannica, Ausgabe 1911 (en.m.wikisource.org).

In recht regelmäßigen Abständen befanden sich 14 Signalstationen zur Überwachung des Schiffsverkehrs am Kanal.

Suez canal about 1913

Begegnung zweier Schiffe im Suezkanal. Das Schiff, von dem aus die Aufnahme gemacht wurde, liegt in einer Ausweichstelle und lässt das andere passieren; Stereoskopkarte, 1913, Library of Congress, Washington DC, https://www.loc.gov/item/2019637404/

Suez und Port Tewfic

Die Stadt Suez am südlichen Kanalende hatte 1907 gut 18.000 Einwohner. Seit dem Kanalbau gibt es einen Frischwasserkanal, der Wasser vom Nil nach Suez bringt. Der Kanal war die wirtschaftliche Grundlage der Stadt. Hafen und Kaianlagen lagen etwa drei Kilometer südlich in Port Tewfic. Sie waren durch einen Damm und einen Eisenbahnanschluss mit Suez verbunden. Für Mekka-Pilger gab es eine Quarantänestation.

Suez is a quarantine station for pilgrims from Mecca; otherwise its importance is due almost entirely to the ships using the canal.

Zitat und Informationen nach Encyclopedia Britannica, Ausgabe 1911 (en.m.wikisource.org).

Suez and Port Tewfik

Suez und Port Tewfik am südlichen Ende des Suezkanals, Karte von 1914; aus: Egypt and the Sudan, Karl Baedeker, University of California Libraries; über commons.wikimedia.org

Suez Egypt 1914

In Suez, Luftaufnahme, um 1914; Quelle: Bain News Service, Library of Congress, Washington DC; https://www.loc.gov/item/2014697965/

Frühe Abfahrt

Am 7. November 1914 kam ein Pilot bereits um 2.30 Uhr nachts an Bord der „Fürth“.

Dazu die Einträge ins Logbuch von diesem Tag.

Anchor Lights Ventilation Sounding & Lookouts carefully attended to

2.30 am Pilot onboard
4 am Light NW airs, fine clean weather
4.3 am Stand By
4.15 Anchor up
4.20 Full ahead
4.35 Canal Office

Im Anschluss wurden im Logbuch die Signalstationen notiert, die etwa im Stundentakt passiert wurden:


5.44 Station No. 1

6.42 Station No. 2

7.37 Stn No. 3

8 am Light NW winds fine weather. Clear. Engines working to orders.
9 am Station No. 4

10.5 Made fast Station No. 5

10.56 proceeded

11 am Stn No. 6

11.40 Stopped Ismaila
changed Pilots. Light airs, fine weather

Draft 20.10 fwds. 21.3 aft.

Suez canal, signal station, 1919

Signalstation am Suezkanal, 1919; Quelle: Australian War Memorial, Accession No. H01803; https://www.awm.gov.au/collection/H01803/

Ismailia

Ismailia liegt am Timsahsee auf der halben Strecke des Suezkanals. Ein obligatorischer Lotsenwechsel fand und findet hier immer noch statt.

Lake Timsah, once a dry basin, is now a sheet of water 2 miles long by 2 ½ miles wide, having through it a navigable channel and an artificial basin three-fifth of a mile square. The town of Ismailia is situated on it; it is almost exclusively a European village, having had no existence before the canal. A fresh-water canal from the Nile gives an ample supply of water, and a considerable vegetation in and about the town. Various species of palms and all varieties of the acacia are luxuriant.
aus: Senate Documents, Otherwie Publ. as Public Documents and Executive Documents,th Congress, 1st Session-48th Congress, 2nd Session and Special Session, Band 7, 1884, abgerufen über books.google.fr

Timsah Lake, Suez canal

Suezkanal am Timsahsee, Photochromdruck, ca. 1890-1905; Library of Congress, Washington D.C.; https://www.loc.gov/item/2017656986/

Von Ismailia nach Port Said

Mit dem neuen Lotsen an Bord ging es nach Port Said, wieder wurde die Passage der Signalstationen im Logbuch festgehalten:

0.12 pm Station No. 8

1.25 Station No. 9

2.22 pm Station No. 10

3.20 Station No. 11

4 pm. Light West winds fine weather
Engines working to orders.
4.34 (?) Station 12

5 pm Station 13

6.5 pm Station No 14

7 pm Left Canal

Am 7. November 1914 um 19 Uhr verließ die „Fürth“ den Suezkanal.

Im Logbuch wurde die Dauer der Kanalfahrt mit 14 Stunden 30 Minuten notiert, das heißt die Einfahrt war um 4.30 Uhr, kurz vor dem Passieren des Kanalbüros in Suez.

Eine Fahrtzeit von 15 Stunden ist auch heute noch eine durchaus übliche Dauer für das Durchqueren des Suezkanals.

Port Said map 1914

Port Said, Karte von 1914; aus: Egypt and the Sudan, Karl Baedeker, University of California Libraries; über commons.wikimedia.org

Port Said 1898

Suezkanal bei Port Said, Stereographischer Druck, 1898; Library of Congress, Washington D.C.; https://www.loc.gov/item/91727902/

In Port Said

Im Jahr 1907 hatte Port Said 49.884 Einwohner. Die Stadt verdankte ihre Existenz dem Suezkanal und diente der Versorgung der durchfahrenden Schiffe:

It lies on the western side of the canal on the low, narrow, treeless and desolate strip of land which separates the Mediterranean from Lake Menzala, the land at this point being raised and its area increased by the draining of part of the lake and by excavation of the inner harbour.

For many years after its foundation it depended entirely upon the traffic on the canal, being the chief coaling station of all ships passing through and becoming the largest coaling station in the world.

Die Stadt hatte einen schlechten Ruf:

…with the damp heat and the dirt and noise of the incessant coaling operations gave the town an unenviable reputation.

Anfang des 20. Jahrhunderts verbesserte sich die Situation der Stadt durch beginnenden Baumwollexport und einen Eisenbahnanschluss nach Kairo.

Zitate und Informationen nach Encyclopedia Britannica, Ausgabe 1911 (en.m.wikisource.org).

Auch Kapitän Thomson nutzte Port Said zum Bunkern von Kohle:

7.30 Off. Bump (?) Let go Anchor (Port.) & made fast to Bumps (?) fore & aft.

7.36 Finished with Engines.

8 pm. Commenced Coaling.

Mid. Nord. West winds fine clear weather

coaling Port Said 1934

Suezkanal, Bunkern von Kohlen, 1934, Library of Congress, Washington D.C.; https://www.loc.gov/item/2019713228/

Suez Kanal Video (ca. 1920)

Von einer Fahrt durch den Suezkanal gibt einen schönen Dokumentarfilm aus den 1920er Jahren (7:33 Minuten). Der Film des Unternehmens Pathé News entstand für die damaligen Wochenschauen (newsreel), die im Kino gezeigt wurden und sich großer Popularität erfreuten.

In den Stummfilm sind kurze englische Textblöcke zur Erklärung eingefügt.

Der Film beschreibt eine Fahrt von Suez nach Port Said, die Fahrtrichtung entspricht also der im Logbuch der „Fürth“ dokumentierten Fahrt durch den Suezkanal. Man bekommt einen sehr guten Eindruck von der Kanalfahrt in der damaligen Zeit, aber auch von Besiedlung und Landschaft. Meine Lieblingsszene ist diejenige, in welcher der Kanallotse mit dem schicken Tropenhelm an Bord eines Schiffes geht.

Den Film gibt es auf YouTube (https://www.youtube.com/watch?v=j3cyoo2n7Ts) oder direkt auf der Seite britishpathe.com unter dem Stichwort The Suez Canal 1920.

Bei über 200.000 historischen Kurzfilmen besteht jedoch die Gefahr, dass Sie viel länger auf der Seite bleiben, als die siebeneinhalb Minuten.

Port Said 1915

Hafen von Port Said mit dem Verwaltungsgebäude der Suez Canal Authority, 1915, kolorierte Postkarte, State Library Victoria, ID H84.414/12

Durchs Mittelmeer

Die Aufnahme von Bunkerkohle in Port Said dauerte fünf Stunden und vierzig Minuten und endete in der Nacht um 1.40 Uhr. Anschließend wurden die Vorbereitungen zur Abfahrt getroffen. Dazu steht im Logbuch vom 8. November 1914

Anchor Lights Lookouts Ventilation Soundings carefully attended to
1.40 am. Coaling finished
1.55 Stand By
2.8 Anchor up Slow ahead
2.10 Pilot left
2.35 S/Set Log

Anmerkung: S/Set Log bedeutet ausgeschrieben: Streamed and set Log

Damit konnte die Fahrt der „Fürth“ durch das Mittelmeer beginnen. Ein nächster Zwischenstopp wird in Gibraltar sein.

Über die Reise der „Fürth“ von Port Said nach London anhand der Eintragungen im Schiffstagebuch berichte ich nächste Woche in einem anderen Blogbeitrag.

Port Said about 1900

Port Said, nördliche Zufahrt zum Suezkanal, Photochromdruck, um 1900; Quelle: Library of Congress; https://www.loc.gov/item/2017656966/

1000 Mark Banknote 1909

Der Schatz des Kapitän Wellhöfer

Über Havarien und Bergelohn

Titelbild: Reichsbanknote 1000 Mark von 1910; Quelle: commons.wikimedia.org

Vorfreude

Dieser Blogartikel erzählt die Geschichte von Carl Wellhöfer, einem Kapitän der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, der im Dezember 1911 mit seinem Dampfschiff „Adelaide“ nach Australien unterwegs war und auf dieser Fahrt ein kleines Vermögen machte.

Sichtlich gut gelaunt erreichte er mit ein paar Tagen Verspätung Australien und berichtete einem Journalisten von seinen Erlebnissen.

Zu diesem Zeitpunkt wusste er bereits, dass nach der Rückkehr in Hamburg eine schöne Summe Bergelohn auf ihn wartete.

Das gleiche galt auch für die anderen Besatzungsmitglieder, wenn auch in deutlich bescheidenerem Umfang. Die Stimmung an Bord dürfte also allgemein gut, wenn nicht sogar ausgelassen gewesen sein.

Lesen wir im Folgenden, was Kapitän Wellhöfer widerfahren ist.

Die Geschichte beginnt im Atlantischen Ozean vor der afrikanischen Küste.

Adelaide ship 1911 German Australian Line

Der Frachtdampfer „Adelaide“ (1911), gebaut von der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft, Aufnahme aus den Jahren 1911-1914; © R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, S. 30, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984.

GERMAN LINER SALVAGED.

Captain Charles Wellhofer, of the German Australian liner Adelaide, which arrived at Melbourne last Saturday, after a trip from Hamburg occupying 59 days, is in rare good humour as the result of an incident which occurred during the voyage. He had been 21 days out, and was steaming down the west coast of Africa in a steady sea when one evening his look-out man reported signals of distress.

 

Charles Wellhöfer hieß eigentlich Carl mit Vornamen, aber vielleicht hat er sich im Commonwealth selbst auch Charles genannt.

Die „Adelaide“ war zu diesem Zeitpunkt von der Reederei auf der Linie 3 der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft disponiert, das heißt das Schiff lief von Hamburg über Antwerpen und Lissabon nach Kapstadt und Algoa Bay (Südafrika) nach Melbourne, Sydney und Brisbane.

Nach 21 Tagen auf See hatte eine der Wachen ein Seenotsignal bemerkt und gemeldet.

 

Captain Wellhofer, who had turned in, hurried on deck, and soon had the Adelaide within hailing distance of the German East African liner Usambara, of 8000 tons, which lay rolling helplessly in the ocean swell. Enquiry elicited that she had lost her propeller two days previously. The shaft and casing had broken, and the after peak was full of water. She was about 40 miles off Dakar, in French Senegal, and it was arranged that she be towed into port by the Adelaide.

Die Deutsche Ost-Afrika Linie (DOAL, German East African Line) war 1890 in Hamburg gegründet worden. Die Dampfer der Linie beförderten Fracht und Passagiere nach Häfen in West-, Süd- und Ostafrika. Das Deutsche Kaiserreich verfügte auf dem afrikanischen Kontinent über einige Kolonien.

Die „Usambara“ war 1903 von Blohm & Voss in Hamburg als „Edfu“ für die Deutsche Dampfschiffahrts Gesellschaft Kosmos gebaut worden. 1911 wurde das Schiff an die DOAL verkauft und in „Usambara“ umbenannt. Nach dem Ersten Weltkrieg musste die “Usambara” an Frankreich abgegeben werden, wurde „Montana“ genannt und war für die Cie. Générale Transatlantique (CGT) in Fahrt. Sie strandete am 22. März 1928 auf der zu Guadeloupe gehörigen Insel La Désirade.
(Quelle: Wrecksite.eu; https://www.wrecksite.eu/wreck.aspx?135909)

Das Schiff hatte ein Ladevermögen von 8.000 Tonnen bei einer Länge von 125 Metern (zum Vergleich das Dampfschiff „Fürth“: 7010 Tonnen Tragfähigkeit, 118 m Länge).

Die Achterpiek (after peak) ist ein kleiner Raum im Heck eines Schiffes.

French Senegal: Senegal war bis 1960 eine französische Kolonie.

Curiously enough, the Usambara was not fitted with wireless telegraphic apparatus, while two sister ships, cruising in the same waters, were so fitted. It was the inability of the Usambara to communicate with these ships that put Captain Wellhofer in such good humour.

Die fehlende Telegrafenausrüstung war also dafür verantwortlich, dass das Schiff „Usambara“ keine Hilfe bei der eigenen Reederei anfordern konnte. Und jetzt kam ausgerechnet die „Adelaide“ dem Schiff zu Hilfe: ausgerechnet deshalb, weil die „Adelaide“ das erste Schiff der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft war, welches mit einer Anlage zur „drahtlosen Telegraphie“ ausgestattet war. SIEHE: Telegrafie per Funk

morse-key-marconis-wireless-telegraph-circa-1899-659720-large

Morsetaste für Funktelegrafie, ca. 1899 © Museums Victoria (Australien), https://collections.museumvictoria.com.au/items/404170

He rode the derelict into port with little mishap beyond a broken tow rope, and thus complied with the German regulations for claiming salvage money. The Usambara was laden almost at the Plimsoll line with general merchandise, and would have been even more valuable from a salvage point of view if she had been carrying passengers. It occupied about four days to tow the disabled steamer into port.

Die Tatsache, dass die “Adelaide“ die manövrierunfähige „Usambara“ in den Hafen von Dakar eingeschleppt hatte, brachte die Zahlung eines Bergelohns mit sich (siehe unten). Je mehr und wertvoller das Schiff beladen war, desto höher viel dieser Bergelohn aus, deshalb auch die Bemerkung „was laden almost at the Plimsoll line“, was heißen soll, dass das Schiff gut beladen war. Zur Plimsoll-Linie siehe: Logbuch der „Fürth“ (4) – Abfahrt aus Hamburg

Im Fall von Passagieren an Bord wäre der Bergelohn höher ausgefallen. Auch die aufgewendete Zeit spielte bei der Festlegung des Bergelohns eine Rolle.

The task of affixing the tow rope in the first instance was accomplished in somewhat forbidding circumstances. The sea, states Captain Wellhofer, was literally alive with sharks that had congregated about the Usambara, and if there had been a case of „man overboard“ that man’s life would not have been worth a pin’s purchase.
The Advertiser, Adelaide, Mi 14. Februar 1912, S. 8

Zum Abschluss bringt der Redakteur mit dem Hinweis auf die Anwesenheit von Haien bei dem Manöver auf See noch eine Portion Abenteuer für seine Leser ins Spiel.

Dakar Harbour about 1915

Dakar, Hafeneinfahrt von einem einlaufenden Schiff, Aufnahme von ca. 1914-18, Australian War Memorial, Ref. HO2298; https://www.awm.gov.au/collection/C244585

Im Seeamt zu Hamburg

Drei Monate nach der Bergung der „Usambara“ befasste sich das Seeamt in Hamburg mit dem Vorfall.

Verhandlungen des Seeamts zu Hamburg.
Den 27. März 1912

Hierauf wurde verhandelt über zwei Unfälle an Bord des zur „Deutsch-Ost-Afrika Linie“ in Hamburg gehörenden, 3850 Reg.-Tons netto großen Dampfers
„Usambara“, Kapitän Greiwe.
Auf der Reise von Las Palmas nach Durban, am 28. Dezember 1911, wurde aus dem Maschinenraum nach der Brücke gemeldet, daß die Maschine gestoppt werden müßte, weil die hintere Tunnelwelle schlage und Propellerschaft, sowie Sternrohr warm liefen. Es wurden sämtliche Segel gesetzt und versucht, das Schiff im Dampfertrakt von und nach Kapstadt zu halten, jedoch blieb das Schiff steuerlos. Auch wurde versucht, mit ganz langsamer Fahrt Dakar zu erreichen, aber ohne Erfolg; alle Versuche, mit der Maschine weiter zu arbeiten, mußten aufgegeben werden, da sich herausstellte, daß die Schwanzwelle gebrochen war. Der Unfall ereignete sich auf 16 Gr. 40 Min. N Br. und 14 Gr. 26 Min. W Lg. Am 30. Dezember um 1 Uhr morgens kam der zur Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft in Hamburg gehörende Dampfer „Adelaide“, Kapitän Wellhöfer, herbei, der die „Usambara“ ins Schlepptau nahm und nach Dakar bugsierte.
Es hat eine Besichtigung der gebrochenen Welle stattgefunden, wobei festgestellt wurde, daß an dem Material, aus dem die Welle angefertigt, nichts auszusetzen war. Anscheinend hat sich an der Bruchstelle ein kleiner Riß befunden, der bei der Besichtigung nicht entdeckt worden ist.
Der Reichskommissar führt den Unfall auf eine hohe Beanspruchung der Welle zurück, nicht etwa auf irgendwelche Mängel oder schlechtes Material.
Das Seeamt gab folgenden Spruch ab:
„Der Dampfer „Usambara“ hat am 28. Dezember 1911 auf der Reise von Las Palmas nach Durban einen Bruch der Schraubenwelle erlitten und ist am 30. Dezember von dem Dampfer „Adelaide“ ins Tau genommen und nach Dakar eingeschleppt worden. Die Ursachen des Wellenbruchs waren nicht festzustellen. Mängel des Materials oder Mängel in der Beaufsichtigung und Behandlung der Welle haben nicht vorgelegen und es trifft weder die Schiffs- noch die Maschinenleitung für den Unfall eine Verantwortung.“

Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 28. März 1912

Anmerkungen:

Kapitän Greiwe hatte versucht die „Usambara“ im „Dampfertrakt zu halten“, was heißen soll, dass er versuchte das Schiff auf einer Position zu halten, die regelmäßig von Schiffen auf dem Weg nach Südafrika befahren wurde. Abseits dieser befahrenen Schifffahrtsroute wäre so schnell kein Schiff vorbeigekommen, das die Notsignale aufnehmen hätte können.

Die Positionsangabe kann nicht stimmen, 14° 26‘ w‘ Länge sind bei der angegeben Breite auf dem afrikanischen Festland.

Der Bergelohn

Eine andere Quelle gibt uns Auskunft, wie hoch der Bergelohn war, den die Deutsch-Ost-Afrika Linie der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft für die Bergung zahlen musste:

D. „Adelaide“, auf der ersten Reise und als Erster mit drahtloser Telegraphie meldete, daß er am 30. Dezember 1911 den Dampfer „Usambara“ betriebsunfähig, etwa 525 Seemeilen von Dakar entfernt, angetroffen und am 3. Januar eingeschleppt hätte. Für diese Bergung sind 100 000 M vergütet worden.
Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Otto Harms (1933), Schröder & Jeve, Hamburg.

Anmerkung:  Wie weit die „Adelaide“ von Dakar entfernt war, als sie die „Usambara“ antraf, bleibt offen, die Angaben sind widersprüchlich.

In anderen Fällen hatten sich Dampfschiffe der DADG in Schwierigkeiten befunden und die Reederei musste ihrerseits Bergelohn an andere Unternehmen und Mannschaften auszahlen. Aber:

„Es liegt aber auch eine ganze Anzahl von Fällen vor, in welchen unsere Dampfer helfend eingreifen konnten und welche der Reederei und den Besatzungen gute Entschädigungen einbrachten.“
(gleiche Quelle)

20 Mark Goldmünze Deutsches Reich 1909, Bild: Pixabay

20 Mark Goldmünze Deutsches Reich 1909, Bild: Pixabay

Die Aufteilung

Insgesamt waren also 100 000 Mark Bergelohn aufzuteilen. Schauen wir uns an, wie die Teilung erfolgt sein könnte.

Im Handelsgesetzbuch heißt es unter § 747 Ausgleichsanspruch der Schiffsbesatzung

(1) Wird ein Schiff oder dessen Ladung ganz oder teilweise von einem anderen Schiff geborgen, so wird der Bergelohn oder die Sondervergütung zwischen dem Schiffseigner oder Reeder, dem Schiffer oder Kapitän und der übrigen Besatzung des anderen Schiffes in der Weise verteilt, dass zunächst dem Schiffseigner oder Reeder die Schäden am Schiff und die Unkosten ersetzt werden, und dass von dem Rest der Schiffseigner oder Reeder zwei Drittel, der Schiffer oder Kapitän und die übrige Besatzung je ein Sechstel erhalten.
Quelle: HGB Stand 31.7.2009 https://www.leipziger-logistik.de/files/hgb-handelsgesetzbuch.pdf

Die unten stehenden Zahlen weisen darauf hin, dass der Aufteilungsschlüssel früher gleich war.

Die Reederei konnte demnach von den 100 000 Mark zunächst ihre Unkosten abziehen und wird davon auch großzügig ausgelegt Gebrauch gemacht haben, schließlich war die DADG für ihr sparsames Wirtschaften bekannt:

Hafengebühren in Dakar, das gerissene Tau, der zusätzliche Kohlenverbrauch beim Schleppen, der Zeitverlust von vier Tagen inklusive der Mehrzahlung an Heuer für die Besatzung und ihre Verpflegung dürften alle in der Unkostenaufstellung wiederzufinden gewesen sein.

Von der Restsumme blieben dann weitere Zweidrittel in der Kasse der Reederei und ein Drittel wurde zu gleichen Teilen zwischen dem Kapitän und der ganzen Mannschaft aufgeteilt (jeweils ein Sechstel).

Die Aufteilung des für die Mannschaft bestimmten Sechstels lag in der Verantwortung des Kapitäns:

Paragraph 747: Ausgleichsanspruch der Schiffsbesatzung

(2) Der auf die Schiffsbesatzung mit Ausnahme des Schiffers oder Kapitäns entfallende Betrag wird unter alle Mitglieder derselben unter besonderer Berücksichtigung der sachlichen und persönlichen Leistungen eines jeden verteilt. Die Verteilung erfolgt durch den Schiffer oder Kapitän mittels eines vor Beendigung der Reise der Besatzung bekannt zu gebenden Verteilungsplans, in dem der Bruchteil festgesetzt ist, der jedem Beteiligten zukommt.
Quelle: HGB Stand 31.7.2009 https://www.leipziger-logistik.de/files/hgb-handelsgesetzbuch.pdf

Auf den Aushang oder die Bekanntgabe dieses Plans dürfte die Mannschaft mit großer Spannung gewartet haben.

Die Summen

Einen Anhaltspunkt für die Auszahlungssummen gibt uns ein anderer Fall, bei dem der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft ebenfalls ein Bergegeld zugestanden wurde. Für die Bergung des schottischen Dampfers „Glenlochy“ durch das Schiff „Meißen“ hat Harms (1933) die an die Mannschaft verteilten Beträge pfenniggenau aufgeschlüsselt.

Dazu die Tabelle von Seite 115:

Bergelohn Aufteilung 1905

Bergelöhne für Kapitän und Mannschaft des Dampfschiffes „Meißen“ nach Einbringung des Dampfers „Glenlochy“ der schottischen Glen Line, Glasgow am 10. Juni 1904 in Aden; Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Otto Harms (1933), Schröder & Jeve, Hamburg

Der Gesamtbetrag des Bergelohns belief sich auf £ 7.500, das entsprach vor dem Ersten Weltkrieg etwa 153 000 Mark.

Bei den gelisteten Beträgen dürfte es sich um die ausgezahlten Summen handeln (netto, nach Abzügen).

Grob nachgerechnet hatte von dem Bergelohn (153 000 Mark) die Reederei 15 000 Unkosten in Abzug gebracht und die verbleibenden 138 000 Mark aufgeteilt, so dass der Reederei zwei Drittel verblieben (92.000 Mark), ein Sechstel dem Kapitän (23.000) und ein Sechstel der Mannschaft (23.000).

„Usambara“

Wenn wir annehmen, dass die Reederei im Fall „Adelaide“/„Usambara“ gleich hohe Unkosten in Abzug brachte, bleiben rund 85 000 Mark aufzuteilen (um runde Zahlen zu bekommen, rechne ich mit 84 000 Mark). Von diesen 84 000 Mark verbleiben 56 000 Mark bei der DADG, 14 000 Mark beim Kapitän und weitere 14 000 Mark bei der Mannschaft.

Halten wir fest: Kapitän Wellhöfer müsste für die Bergung unter der Annahme gleicher Proportionen wie oben einen Bergelohn von etwa 14.000 Mark erhalten haben. Das dürften für ihn mehr als zwei Jahresgehälter gewesen sein.

Aber auch für die Mannschaft, insbesondere die Offiziere hatte sich die Bergung der „Usambara“ gelohnt. Die oben genannten Einzelbeträge wären laut meiner Rechnung mit dem Faktor 0,6 anzusetzen (wobei wir nicht wissen, wie Kapitän Wellhöfer die Summe unter der Mannschaft aufgeteilt hat).

Zur besseren Einordnung des Bergelohns hier noch einmal die monatlichen Heuersätze der Seeleute (Angaben für das Jahr 1914). Quelle: Die Musterrolle (Originaldokument aus den Jahren 1913/1914)

Offiziere
1. Offizier: 220 Mark
2. Offizier: 170 Mark
3. Offizier: 130 Mark
4. Offizier: 120 Mark

Mannschaft
Zimmermann: 95 Mark
1. Bootsmann: 90 Mark
2. Bootsmann: 80 Mark
Matrosen: 73 Mark
Leichtmatrosen: 40 Mark
Jungen: 20 Mark

Koch: 120 Mark
Kochmaat: 55 Mark
1. Steward 75 Mark
2. Steward: 35 Mark

Maschinisten:
1. Maschinist: 375 Mark
2. Maschinist: 270 Mark
3. Maschinist: 200 Mark
4. Maschinist: 125/150 Mark
Maschinisten-Assistenten: 75/60 Mark

Heizer: 83 Mark
Trimmer:73/55 Mark

reichsmark1913

Bild: Pixabay

Kapitän Wellhöfer

Was Kapitän Carl Wellhöfer mit dem Geld machte, weiß ich nicht. Informationen gibt es aber zu seinem weiteren Lebensweg:

Er blieb Kapitän bei der DADG, beziehungsweise bei deren Nachfolgegesellschaften, den Deutsch-Austral und Kosmos Linien und ab 1926 bei der HAPAG, in die diese Reedereien aufgingen.

Es dauerte allerdings bis in dieses Jahr 1926, bis er als Schiffsführer wieder regelmäßig in australischen Hafenstädten anzutreffen war.

1932 unternahm er seine letzte Australienfahrt und ging in den Ruhestand.
(Newcastle Morning Herald and Miner’s Advocate, 19. Juli 1932, S. 9).