Archiv für den Monat Juli 2019

Die "Reichenbach" in Burnie, Tasmanien

Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Reichenbach“

Das Titelfoto

Die „Reichenbach“ in Tasmanien

Das Titelfoto zeigt das Dampfschiff „Reichenbach“ in Burnie (Nordküste Tasmaniens) im Jahr 1913. Mein herzlicher Dank geht an das Maritime Museum of Tasmania, dem Inhaber der Bildrechte, mit dessen freundlicher Genehmigung ich das Bild hier Blog zeigen kann. Das Bild ist Teil der Cyril Smith Collection vol. 11., die handschriftliche Bildunterschrift lautet:

S.S. REICHENBACH AT BURNIE – TAS – APRIL 1913
SS. REICHENBACH – OWNER GERMAN AUSTRALIAN LINE
4271 GR. TONS.
BROUGHT CEMENT TO BURNIE FOR BREAKWATER. APRIL 1913

Referenz: © Reichenbach; Smith, Cyril; P_2015-0587(11)Reichenbach, Quelle: https://ehive.com/collections/3906/objects/842355/reichenbach

Anmerkung: die richtige Tonnage der „Reichenbach“ ist 4217 Bruttoregistertonnen, nicht 4271.

Die Reichenbach in Burnie

© Maritime Museum of Tasmania, Cyril Smith Collection vol. 11., https://ehive.com/collections/3906/objects/842355/reichenbach

Das Maritime Museum of Tasmania besitzt noch andere schöne Objekte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft. Grund dafür ist, dass der Dampfer „Oberhausen“ bei Kriegsausbruch im August 1914 in einem tasmanischen Hafen lag und dort beschlagnahmt wurde. Die Besatzung wurde interniert (SIEHE: https://geschimagazin.wordpress.com/2014/03/23/der-fall-des-dampfschiffes-oberhausen/ ).

Zu den Kuriositäten des Museums gehören unter anderem Eierbecher, Weingläser und Bierfilze aus der Offiziersmesse der SS Oberhausen, jeweils mit Werbeaufdruck der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (Quelle: https://ehive.com/objects?query=Oberhausen)

Schwesterschiffe in Kleinserie

Die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft ließ zwischen 1905 und 1907 bei der Flensburger Schiffsbau-Gesellschaft sieben baugleiche Schiffe der sogenannten „Hagen-Klasse“ bauen. Eine Kleinserienfertigung, die sich für die Reederei in günstigen Anschaffungskosten niederschlug.

Bereits zwischen 1896 und 1901 wurden auf der gleichen Werft neun Dampfer der „Meißen-Klasse“ erstellt und später dann, in den Jahren 1910 bis 1914, sechs Dampfschiffe der „Adelaide-Klasse“.

Die „Reichenbach“

Die „Reichenbach“ wurde im Oktober 1905 von der Reederei bestellt und am 15. Dezember 1906 ausgeliefert. Die Abmessungen waren mit denen der „Fürth“ identisch: Länge 389 Fuß, Breite 50 Fuß 10 Zoll, Seitentiefe 27 Fuß 9 Zoll. Die Baukosten lagen mit 1 218 000 Mark etwas unter denen der „Fürth“ (1 272 000 Mark).

Kleine Unterschiede traten dann bei der Schiffsvermessung zu Tage, kein Schiff war zu 100 % identisch mit einem anderen. So hatte die „Reichenbach“ 4217 Bruttoregistertonnen gegenüber 4229 der „Fürth“.

Namensgebung

Bei der „Reichenbach“ stellt sich die Frage, welche der zahlreichen Städte und Orte dieses Namens Pate für das Schiff stand.

Mein persönlicher Favorit ist Reichenbach im Vogtland. Einen Beleg dafür habe ich nicht, aber einige Anhaltspunkte, die dafürsprechen. Eine Nachfrage beim dortigen Stadtarchiv brachte leider keine Aufklärung.

In der kleinen Stadt Reichenbach im Vogtland (1910 mit über 29.000 Einwohnern) waren um die Jahrhundertwende, also um 1900, zahlreiche Spinnereien und Webereien ansässig, wie zum Beispiel die Woll- und Seidenweberei Schultz & Donner oder die Färbereien und Appreturanstalten Georg Schleber AG (siehe Abbildung). Die Schleber AG hatte bereits 1888 auf der Weltausstellung in Melbourne ihre Waren ausgestellt.

Ein anderes Standbein der Industrie in Reichenbach i. V. war die Papierherstellung. Bekannt ist sicher auch der Ingenieur August Horch, der von 1902 bis 1904 in Reichenbach Autos fertigte, bevor er dann die Herstellung nach Zwickau verlagerte.

Georg Schleber AG Reichenbach

Georg Schleber AG, Werk Reichenbach 1890, Quelle: Von Th. Beer / E. M. Engels Verlag, Leipzig / Verlag Eckart & Pflug, Leipzig – Eckart und Pflug (Hrsg.): Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild; https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1457230

Zwei weitere Reichenbachs, die für die Namensgebung des Schiffes in Frage kämen, wären Reichenbach im Eulengebirge (1910 über 16.000 Einwohner) oder Reichenbach an der Fils (1900 rund 1500 Einwohner), beides Standorte von Baumwollspinnereien und -webereien.

Oder vielleicht ein ganz anderes Reichenbach, an das ich noch gar nicht gedacht habe?

Aufforderung an alle Reichenbacher

Nun die Aufforderung an alle Reichenbacher, Licht ins Dunkel zu bringen und einen Beleg zu beschaffen, welches Reichenbach denn nun Pate stand. Ich freue mich schon jetzt auf Ihre Hinweise!

Im Australienverkehr

Zurück zum Schiff: Wie die „Fürth“ war auch die Reichenbach im Australienverkehr der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft eingesetzt und bediente verschiedene Routen. Auf dem Titelbild ist eine Zementlieferung nach Tasmanien im April 1913 dokumentiert.

Die "Reichenbach" am Australiakai

Die „Reichenbach“ am Australiakai in Hamburg, das Bild ist ein Ausschnitt aus dem bereits gezeigten Bild „Australia-Dampfer am Kai“, eine Aufnahme vom 25. Juli 1913, Schornstein nachträglich koloriert; © Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Otto Harms, 1933 (Verlag Schröder & Jeve)

Juli 1914

Vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges war die „Reichenbach“ auf der Linie New York -Java unterwegs (siehe dazu auch: Petroleum für Java). Anschließend wurde sie dann in Südostasien nach Saigon beordert. Dort erhielt die „Reichenbach“ eine Ladung Reismehl für Liverpool, wo sie am 23. Juli 1914 eintraf.

In Liverpool wurde das Löschen der Ladung und das Bunkern von Kohle wegen des drohenden Kriegsausbruchs beschleunigt, so dass die „Reichenbach“ Liverpool am 1. August 1914 wieder verlassen konnte und nördlichen Kurs nahm, um Großbritannien in Richtung Skandinavien zu umfahren.

Zielhafen war Gothenburg (Schweden), wo die „Reichenbach“ Ladung aufnehmen sollte, vermutlich eine Holzlieferung für Australien (SIEHE: Die Barwon-Papiermühle in Fyansford, Geelong). Auf dem Weg dorthin, lief das Schiff am 4. August 1914 Christiansand in Süd-Norwegen an, wo es später interniert wurde.

Am 4. Februar 1915 wurde die „Reichenbach“ in Norwegen verkauft und war für The Bergen Steamship Company / Det Bergenske Dampskibsselskab unter dem neuen Namen „Meteor“ in Fahrt.

Dampfschiff Meteor, exReichenbach

Diese Aufnahme der „Meteor“, ex-„Reichenbach“ von Steuerbord voraus zeigt deutlich die Trennung von Steuer- und Maschinenhaus mit den dazwischenliegenden (kleinen) Ladekränen. © H.Larsson-Feddes samling; http://www.sjohistorie.no/no/skip/19297/

Die letzte Reise

Ende 1916 befand sich die „Meteor“, ex-„Reichenbach“ mit Stückgut auf dem Weg von Philadelphia nach London. Sie hatte Philadelphia am 23. November 1916 verlassen und hatte zunächst eine ruhige, ereignislose Fahrt über den Atlantik.

Am 7. Dezember 1916 wurde das Schiff fünfundzwanzig Seemeilen südwestlich des Bishop’s Rock (Scilly Inseln, Cornwall) von dem deutschen U-Boot UB 29 unter dem Kommando von Erich Platsch aufgegriffen und versenkt. Die Mannschaft konnte das Schiff zuvor in die Rettungsboote verlassen. Später wurden die Männer vom dänischen Schiff „Borneo“ aufgegriffen und nach Falmouth gebracht.

Siehe: www.sjohistorie.no/no/skip/19297/dokumenter

Die „Meteor“ war das letzte Schiff von insgesamt 36, die UB 29 zum Opfer fielen. Am 13. Dezember 1916 wurde UB29 vor Ostende von dem Zerstörer „HMS Landrail“ versenkt.

Im Herbst 2017 erregte UB29 erneut Aufmerksamkeit, da das Wrack erst zu diesem späten Zeitpunkt von Tauchern eindeutig identifiziert werden konnte. Der Fundort wird von der belgischen Regierung geheim gehalten, um die Totenruhe der noch im Schiff befindlichen 23 Soldaten nicht zu stören.

Siehe: https://uboat.net/wwi/boats/?boat=UB+29 und www.youtube.com/watch?v=iEBhNQ_57_0

Quellen zum Text:
Theshipslist.com
sjohistorie.no
The Wrecksite.eu (https://www.wrecksite.eu/wreck.aspx?58869)
R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, 1888 – 1926, Cuxhaven 1984
Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1933.

Suezkanal Messbrief Fürth

Der Suezkanal-Messbrief des Dampfschiffes „Fürth“

Originaldokumente aus Hamburg

Das Protokoll über die Suez-Vermessung

Den Schiffs-Messbrief der „Fürth“ habe ich im Blog bereits ausführlich vorgestellt. Siehe dazu: Die Vermessung der „Fürth“. Durch die nachträgliche Änderung des Vermessungsergebnisses ist er glücklicherweise erhalten geblieben.

Die für die Vermessung des Schiffes und die Ausstellung des Messbriefes zuständige Behörde war im Deutschen Kaiserreich das Kaiserliche Schiffs-Vermessungsamt in Berlin. Der Messbrief selbst wurde dann an die Schiffsregisterbehörde in Hamburg gesandt, die daraufhin das Schiffszertifikat ausstellte: Das Schiffszertifikat der „Fürth“

Eine Woche später, am 21. August 1907, sandte das Kaiserliche Schiffs-Vermessungsamt erneut einen Brief nach Hamburg.

Der Inhalt: Das Protokoll über die Suez-Vermessung des Dampfers „Fürth“ für die Fahrt durch den Suezkanal.

Kaiserliches Schiffsvermessungsamt Berlin, Dampfer Fürth

Schreiben des Kaiserlichen Schiffsvermessungsamtes vom 21. August 1907, © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Der Suezkanal (Sueskanal)

Der Suezkanal wurde am 17. November 1869 eröffnet und veränderte den weltweiten Schiffsverkehr bis zum heutigen Tag.

Die Nutzung des Kanals durch den internationalen Schiffsverkehr wurde dann im Jahr 1888 in der Konvention von Konstantinopel völkerrechtlich reglementiert. Bereits zuvor war ebenfalls in Konstantinopel eine internationale Kommission zusammengetreten, um die Gebühren für die Durchfahrt festzusetzen.

Nachdem alle Nationen gleich behandelt werden mussten, es aber durchaus Abweichungen in den Vermessungspraktiken der einzelnen Länder gab, wurde eine eigene Vermessungsgrundlage geschaffen, was bis heute Bestand hat. Das für den Suezkanal gültige Vermessungsergebnis wurde dann in einem „Schiffsmessbrief für die Kanalfahrt“ dokumentiert. International spricht man vom „Suez Canal Special Tonnage Certificate“.

Anmerkung: Heute ist die Rechtschreibung im Deutschen korrekterweise „Sueskanal“. Zur Zeit des Dampfschiffes „Fürth“ erfolgte die Schreibung in allen Dokumenten mit „z“, also Suezkanal. Hier im Blog folge ich dieser damals üblichen Schreibweise mit „z“, wie sie in den hier gezeigten Originaldokumenten verwendet wurde und wie sie heute nach wie vor im Englischen oder Französischen üblich ist.

Der Suez-Messbrief

Anders als beim Schiffsmessbrief, der von der Vermessungsbehörde in Berlin ausgestellt wurde, wurde der Suez-Messbrief der „Fürth“ von der „Deputation für Handel und Schiffahrt“ in Hamburg erstellt und am 24. August 1907 unterzeichnet. Die Behörde bescheinigte darin der Reederei die Vermessungsergebnisse „auf Grund stattgehabter Vermessung in Gemäßheit der von der internationalen Kommission zur Regelung der Abgaben auf dem Suezkanal angenommenen Regeln“.

Suez-Messbrief der Fürth

Schiffsmessbrief für die Kanalfahrt der „Fürth“, Version vom 24.08.1907, oberer Teil des Dokuments; © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Der Bruttoraumgehalt der „Fürth“ wird auf dem Suezkanalbrief mit 5445 Registertonnen angegeben. Davon abzugsfähig sind dann Räume für Mannschaft und Navigation sowie Maschinenräume. Zusätzlich werden 75 % des vermessenen Maschinenraums für die Kohlenbunker in Abzug gebracht. Dieser prozentuale Abschlag für die Treibstoffe („Treibkraftabzug“) wird in der Schiffsvermessung als sogenannte „Donauregel“ bezeichnet. Das Endergebnis der Vermessung war dann ein Nettoraumgehalt von 4087 Registertonnen.

Dieser erste Messbrief für die Kanalfahrt scheint also geradeso noch rechtzeitig fertig geworden zu sein, denn der Tag der Ausstellung (24.08.1907) ist identisch mit dem Abfahrtsdatum der „Fürth“ zu ihrer Jungfernfahrt: Eine Jungfernfahrt mit Verspätung.

Suez-Messbrief des Dampfschiffes Fürth

Schiffsmessbrief für die Kanalfahrt der „Fürth“, Version vom 24.08.1907, unterer Teil des Dokuments; © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Der zweite Suez-Messbrief

Da der deutsche Schiffs-Messbrief der „Fürth“ nachträglich berichtigt wurde (siehe: Die Vermessung der „Fürth“), gibt es auch vom Suez-Messbrief der „Fürth“ eine zweite, korrigierte Fassung.

Mit Schreiben vom 6. Februar 1908 an die Schiffsregisterbehörde sandte die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) den ersten Suez-Messbrief mit der Bitte um Berichtigung an die Behörde zurück:

„Ir. Nr. 165 VI
Im Besitze der geehrten gestrigen Mitteilung erlauben wir uns, der Behörde beiliegend den Suezkanal-Meßbrief für D. „Fürth“ zu behändigen und zugleich ergebenst zu bemerken, daß der deutsche Meßbrief bereits vom Kaiserlichen Schiffsvermessungsamt berichtigt worden ist.
Hochachtungsvoll und ergebenst
Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft
Harms“

Anm.: „behändigen“ war ein damals übliches Verb im Sinne von „übergeben“
Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft Hamburg

Schreiben der DADG vom 6.2.1908 © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Am 26. Januar 1908 war die „Fürth“ von der Jungfernfahrt nach Hamburg zurückgekommen und der Original-Messbrief konnte erst zu diesem Zeitpunkt an die Behörde geschickt werden. In einer Verfügung der Behörde vom 14. Februar 1908 an die Reederei heißt es dann unter Punkt 4: Berichtigung des Suezkanalmessbriefes

Auch diesmal war der Briefverkehr „just-in-time“, denn am 15. Februar 1908 sollte die „Fürth“ zu ihrer zweiten Australienfahrt aufbrechen und wie üblich auf der Heimreise durch den Suezkanal fahren: Eisbären für Adelaide.

Von dieser zweiten Version des Suezmessbriefes der „Fürth“ liegt kein Exemplar im Staatsarchiv Hamburg vor, so dass ich über die Änderung des Nettoraumgehaltes in dieser Messbriefversion keine Angaben machen kann. Die Geschichte ist damit jedoch noch nicht zu Ende.

Eine zweite Berichtigung im Jahr 1910

Ein weiteres Schreiben, das im Staatsarchiv Hamburg erhalten geblieben ist, ist datiert vom 7. November 1910, also über 2 ½ Jahre später. Erneut sandte das Kaiserliche Schiffsvermessungsamt in Berlin ein Protokoll über die Vermessung des Dampfers „Fürth“ zur Ausfertigung eines Messbriefes für die Fahrt durch den Suezkanal nach Hamburg an die Deputation für Handel, Schiffahrt und Gewerbe.

Nachdem ich keine Angabe über Änderungen der Vermessungsregeln aus dem Jahr 1910 finden konnte, gehe ich davon aus, dass die bestehende Reglementierung neu interpretiert und ausgelegt wurde. Jeder, der sich mit Schiffsvermessung beschäftigt, weiß von dieser Interpretationsfähigkeit zu berichten. Der Wikipedia-Artikel zum Thema bietet dazu einen interessanten Einstieg.

Der jüngste vorliegende Schiffsmessbrief für die Kanalfahrt ist datiert vom 9. November 1910 und weist jetzt einen Nettoraumgehalt von 3967 Registertonnen auf, also 120 Registertonnen weniger.

Das neue Ergebnis kam im Wesentlichen durch die Neuberechnung der Aufbauten zustande.

Es bleibt die Frage offen, ob die „Fürth“ diesen neuen Messbrief für die Kanalfahrt bereits in Hamburg an Bord hatte, denn das Schiff hatte den Hafen einen Tag vorher, am 8. November 1910, zur nächsten Australienfahrt verlassen (Pfeffer aus Tellicherry). Eventuell wurde er auf dem Landweg nach Rotterdam oder Antwerpen nachgesandt, doch das ist reine Spekulation.

Suezkanal Messbrief Fürth

Suezkanal-Messbrief der „Fürth“ mit geändertem Nettoraumgehalt, Version von 9. November 1910 © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

 

Die Kanalgebühren für den Suezkanal

Eine Vorstellung über die Kanalgebühren gibt uns Otto Harms, der Direktor der DADG in seinem Buch über die Reederei (1933):

„Die Gesamtausgaben für diese Gebühren zum Satze von 6 ¼ Frs. beliefen sich im ersten Vierteljahr 1914 auf über 740000 Frs., wobei hervorzuheben ist, daß es sich mit Ausnahme der Linie 5 nur um heimkehrende Schiffe handelt, welche die Ausreisen um Südafrika gemacht hatten.“

Die 6 ¼ Franc beziehen sich auf die Nettoregistertonne pro Durchfahrt, so dass von Januar bis März 1914 Schiffe der DADG mit einem Raumgehalt von 118400 Nettoregistertonnen durch den Suezkanal fuhren. Bei überschlagsweise gerechneten 5400 Nettoregistertonnen pro Schiff ergäbe dies 22 Kanalfahrten alleine für die ersten drei Monate 1914.

Anm.: Die „Fürth“ zählte 1914 bereits zu den kleineren Schiffen, daher habe ich einen wesentlich höheren Durchschnittswert von 5400 Registertonnen für die Tonnage angesetzt.
Die Kanalgebühren waren 1890 noch 9,5 Frs. gewesen und wurden nach und nach gesenkt, nach Ansicht der Reeder aber (natürlich) immer noch viel zu hoch.

Eine stattliche Summe

Umgerechnet entsprachen die 740 000 Frs. vor dem Ersten Weltkrieg einer Summe von etwa 600 000 Mark (Wechselkurs 1 Franc = 0,81 Mark).

Für das Dampfschiff „Fürth“ (3967 Registertonnen) wurde also 1914 der Betrag von 24800 Franc für eine Durchfahrt fällig, also rund 20.000 Mark. Die „Fürth“ erreichte Suez am 18. März 1914 und durchfuhr anschließend den Kanal in Richtung Mittelmeer (SIEHE: Endlich nach Hause!).

Die stattlichen Kanalgebühren waren der Grund, dass die Reederei den Kanal fast ausschließlich für die Heimfahrten benutzte und die ausgehende Linienfahrt nach Australien und Ostasien über Südafrika durchführte.

Der Schwedenausweis

Der Suezkanal war nicht das einzige Fahrtgebiet, für das die „Fürth“ ein besonderes Dokument an Bord haben musste.

Für den Verkehr in den schwedischen Häfen war der Schwedenausweis notwendig. Dort, genauer gesagt in Gothenburg war die „Fürth“ auf ihrer neunten Fahrt (SIEHE: Die „Fürth“ in Skandinavien).

Der folgende Satz mag einen Eindruck davon geben, wie kleinlich die unterschiedlichen Vermessungsbestimmungen ausgestaltet wurden:

„Nach ihm [dem Schwedenausweis] sind alle freistehenden Niedergangshäuser, selbst wenn sie verschließbar sind, aber zu abzugsfähigen Räumen führen, von der Vermessung frei.“

Deshalb heißt es auch in der gleichen Quelle:

„Es ist dringend zu wünschen, daß die Schiffsvermessung durch internationale Vereinbarung so weit vereinfacht und vereinheitlicht wird, daß jedes Schiff nur einen Meßbrief zu führen braucht, der in allen Staaten und Kanälen anerkannt wird.“
Handbuch für die Schiffsführung, J. Müller, J. Krauß, M. Berger, 3. Ausg., Springer, 1938, abgerufen über books.google.fr am 10.07.2019

Der Suezkanal, als auch der Panamakanal haben bis heute (2019) ihre eigenen Vermessungsregeln und Messbriefe. Der Schwedenausweis wurde nach dem Zweiten Weltkrieg abgeschafft.

Genua Panorama Photochromdruck

W. Richter, Kapitän der „Fürth“ von 1912 bis 1914 – Heimkehr und Tod

Genua – Hamburg

Über die abenteuerliche Rückreise von Kapitän Richter aus Colombo und seine Erlebnisse als Gefangener in Marseille konnte ich ausführlich berichten, da er nach seiner Rückkehr den Hamburger Nachrichten ein ausführliches Interview gegeben hatte. Dieses wurde am 16. Dezember 1914 in aller Ausführlichkeit veröffentlicht.

SIEHE: Die abenteuerliche Reise des Kapitäns der „Fürth“, W. Richter, auf der „Koningin Emma“Der Kapitän der „Fürth“ in Gefangenschaft in Marseille und Der Kapitän der „Fürth“, W. Richter, als Gefangener in Marseille – Teil 2

Der vorletzte Satz seines Interviews „Wir drei Kapitäne und mein dritter Offizier aber dampften schleunigst in die teure Heimat hinein.“ lässt offen, wie die vier nach Deutschland kamen: Mit dem Schiff oder mit dem Zug?

Nach den Erlebnissen auf See liegt es nahe, dass die vier Seeleute von Genua den Zug nach Deutschland genommen haben und sich nicht noch einmal der Gefahr einer Festnahme aussetzen wollten. Außerdem habe ich bislang noch nicht gelesen, dass ein Kapitän mit einem Schiff irgendwo hin „gedampft“ wäre.

Bildnachweis zum Titelbild: Genua, Blick zum Leuchtturm, Photochromdruck, Quelle: commons.wikimedia.org/wiki/File:View_towards_the_lighthouse_Genoa_Italy.jpg

Hendschel’s Telegraph

Hendschel’s Telegraph, Ausgabe 1914 (zu Hendschel’s Telegraph siehe Blogartikel: Rückkehr nach Deutschland mit dem Dampfschiff „Tabanan“), gibt uns über die Verbindung Genua-Hamburg Auskunft. Darin heißt es:

Genua P.P. Abgang 8.15 Uhr über Mailand, Basel, Karlsruhe
Ankunft Hamburg [am Folgetag] 11.43 Uhr; Reisedauer 27,5 Stunden
Fahrpreis 155,75 Mark 1. Kl, 100.70 Mark 2. Kl.
Quelle : http://www.deutsches-kursbuch.de/1914/906_hoch.htm

Anmerkung: Genua P. P. steht für den Bahnhof Piazza Principe.
Genoa, stazione piazza principe 1906

Genua, Stazione Piazza Principe, Kartenausschnitte aus Baedeker, Italy Handbook for Travellers, Vol I, 13ed, 1906; Quelle: commons.wikimedia.org/wiki/File:Stazione_Principe_1906.png

Ende November/Anfang Dezember 1914 war Kapitän W. Richter also wieder zurück in Hamburg.

Die Freilassung in Marseille erfolgte am 25. November 1914, so dass er frühestens am 27. November 1914 zurück in Hamburg sein konnte.

Verein Deutscher Seeschiffer

Nach der Rückkehr nach Hamburg gibt es von Kapitän W. Richter nur noch zwei Spuren (die ich ausfindig machen konnte).

Die erste ist eine Versammlung des Vereins Deutscher Seeschiffer zu Hamburg aus dem Jahr 1915. In einem Bericht darüber heißt es:

Schiffahrt.
P. Der Verein Deutscher Seeschiffer zu Hamburg hielt gestern abend unter Leitung seines 2. Vorsitzenden, Kapitäns B e n d i x, eine zahlreich besuchte Versammlung ab. Zunächst wurden die Kapitäne Th. Rühne (Rhederei-Akt.-Ges. von 1696) und Walter Richter, D. „Fürth“, als neue Mitglieder aufgenommen. …
Börsen-Halle / ab 1905: Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 16. April 1915, S. 22

Das ist die erste, mir vorliegende Quelle, die den Vornamen von Kapitän Richter preisgibt. Das „W“ steht also für Walter (eventuell auch Walther, wie wir noch sehen werden).

Verein Deuscher Seeschiffer 1915

Anzeige des Vereins Deutscher Seeschiffer in der Zeitschrift Hansa, 1915, Quelle: digishelf.de

Im Dienste des Vaterlandes

Die zweite und letzte Spur von Kapitän Walt(h)er Richter stammt aus dem Jahr 1917.

Zwei Anzeigen in Hamburger Zeitungen belegen den Tod des Kapitäns im Februar 1917:

Familien-Nachrichten.

Gestorben:
… – Kapitän Walter Richter. – …
Neue Hamburger Zeitung, 22. Feb 1917, S. 4

und

Familien-Nachrichten.
… Gestorben: … Kapt. Fr. Walter Richter, 47 J.

Börsen-Halle / ab 1905: Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle,
22. Feb 1917, S. 10

Kapitän Walt(h)er Richter wurde also nur 47 Jahre alt.

Letzte Ehre

Der Verein Deutscher Seeschiffer ehrt sein Mitglied in der Versammlung vom 28. Februar 1917:

Schiffahrt.
P. Der Verein Deutscher Seeschiffer zu Hamburg hielt am 28. Februar im Adolf Woermann-Haus eine Sitzung unter der Leitung seines ersten Vorsitzenden, Kapitän C. Schroedter ab. Dieser gab zunächst Kenntnis von dem Ableben des langjährigen Mitgliedes, Kapitän Fr. Walter Richter, dessen Andenken in üblicher Weise von der Versammlung geehrt wurde.

Börsen-Halle / ab 1905: Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 01. März 1917, S. 24

In der Zeitschrift HANSA wird etwas mehr bekanntgegeben, nämlich dass Kapitän Richter „im Dienste des Vaterlandes“ gestorben ist. Einzelheiten werden nicht genannt.

Vereinsnachrichten
Verein Deutscher Seeschiffer zu Hamburg.
Sitzung vom 28. Februar. Das Ableben des im Dienste des Vaterlandes gestorbenen Kapt. Walter Richter wird in üblicher Weise geehrt. …
HANSA, März 1917

Sterberegister

Die Quelle, in der der Vorname des Kapitäns mit Walther (mit h) angegeben ist, ist das Generalregister Sterbefälle der Stadt Hamburg aus dem Jahr 1917. Als anderer Vorname ist Friedr., also Friedrich eingetragen. In zwei Anzeigen (siehe oben) steht die Abkürzung „Fr.“ vor dem Vornamen Walter.

Als Todestag ist der 19. Februar 1917 angegeben, ein Montag. (https://www.hamburg.de/contentblob/4282230/bf2e3c50f499afca70b419c3931a20fe/data/332-5-49038-01.pdf; S. 144/185)

Nachruf

Kapitän Friedrich Walt(h)er Richter, der die „Fürth“ zur zwölften Australienfahrt im September 1912 übernommen hatte und das Dampfschiff bis zum August 1914 als verantwortlicher Schiffsführer leitete, war Ende November/Anfang Dezember 1914 aus Ceylon nach Hamburg zurückgekommen.

26 Monate später verstarb er im Alter von nur 47 Jahren.

Wir werden ihn als zweiten Kapitän der „Fürth“ in Erinnerung behalten.

Zur Erinnerung: Erster verantwortlicher Schiffsführer des Dampfschiffes „Fürth“ war von 1907 bis August 1912 Kapitän C. B. Saegert: Kapitän C. B. Saegert – eine Würdigung

Bild: Pixabay, Wiedergabe in Sepia

 

Pontons dans le port de Marseille

Der Kapitän der „Fürth“, W. Richter, als Gefangener in Marseille – Teil 2

Ein schwimmendes Gefängnis

Fort Saint-Nicolas

Den ersten Teil der Gefangenschaft musste Kapitän W. Richter, Kapitän des Dampfschiffes „Fürth“, mit seinen vier deutschen Leidensgenossen im Fort Saint-Nicolas verbringen (Der Kapitän der „Fürth“ in Gefangenschaft in Marseille).

Die ebenfalls zunächst im Fort Nicolas festgehaltenen Zivilgefangenen waren auf die Frioul-Inseln oder nach Korsika gebracht worden. Dafür waren am 4. November 1914 deutsche Soldaten als Gefangene in Fort Nicolas eingetroffen.

Kurz darauf wurden die Soldaten und die fünf anderen Gefangenen (vier Seeleute und ein Professor) vom Fort Saint-Nicolas auf ein Ponton gebracht:

Die Zitate sind erneut aus dem Bericht von Kapitän Richter aus den Hamburger Nachrichten vom 16. Dezember 1914, S. 3; Quelle:
http://www.theeuropeanlibrary.org/tel4/newspapers/issue/Hamburger Nachrichten/1914/12/16

Die Lage wird nicht besser

„Wir wurden nun sämtlich durch einen kleinen Dampfer auf einen im Außenhafen verankerten großen Schwimmponton gebracht. Der Zustand einiger Verwundeter hatte sich aber inzwischen so stark verschlimmert, daß sie durch ihre Kameraden getragen werden mußten. Unser neuer Aufenthalt war zwar geräumiger, aber nicht besser. War der alte Raum im Fort doch wenigstens noch gegen den Wind geschützt, so konnte hier die frische und naßkalte Seebrise unbehindert durch den weiten eisernen Aufbau des Pontons, der uns als Wohnraum angewiesen wurde, hindurchfegen, da die Vorderseite nur durch ein Holzgitter abgeschlossen war und die Fenster in der Hinterwand zumeist keine Scheiben mehr hatten. Kurzes Häckselstroh war auf dem Asphaltboden nur dünn aufgestreut. In der Mitte blieb es auf dem Boden nicht liegen, da der Wind es fortwehte und in dem ganzen Raume herumtrieb. Die an den Seitenwänden befindlichen Luftlöcher waren überhaupt nicht verschließbar.“

Marseille, port et pont transbordeur

Marseille. Eingang zum Alten Hafen und das Bassin de la Joliette, Bei genauem Hinsehen erkennt man die filigrane Struktur der Schwebefähre über der Hafeneinfahrt, Postkarte, undatiert, Quelle: https://www.geneanet.org/cartes-postales/view/5042753#0

Kälte, Nässe und Wind

„Am nächsten Tage nach der Überführung erschien der Kommandant, begleitet von einer etwa zwanzig Jahre alten Zivilperson, um sich von der Unterbringung der Gefangenen persönlich zu überzeugen. Ihm gegenüber beschwerten wir uns, hinweisend auf die Verwundeten, bitter über diese neue Unterkunft, die gegen Kälte und Wind auch gar keinen Schutz bot. Er jedoch gab uns zur Antwort, indem er zugleich auf die Zivilperson hinwies: „Dies ist mein Sohn. Er ist in Jena Student gewesen und dort zwei Monate gefangen gehalten worden. Er hat täglich nur zwei Liter Wasser erhalten und dabei auf einer Holzpritsche schlafen müssen. Dieser Aufenthaltsraum ist also gut genug für euch.“ Diesem Hohn setzte der junge Begleiter noch die Krone dadurch auf, daß er uns beim Fortgeben, sich umdrehend, zurief: „Ihr habt es hier ausgezeichnet.“

Marseille, port, vue panoramique

Marseille, Hafen um 1915, Postkarte, Quelle: https://www.geneanet.org/cartes-postales/view/5177212#0

Eisige Nächte

„Wir richteten uns so gut wie möglich auf dem Schwimmponton ein. Jeder, der über seine gesunden Glieder verfügte, sprang seinen kranken und verwundeten Kameraden hilfreich bei. Besonders taten sich hierbei zwei deutsche Unteroffiziere hervor, die in zivilen Verhältnissen Lehrer gewesen waren. Sie sorgten für Ordnung und besondere Pflege für die Kranken, die noch von einem zufällig mitgekommenen Sanitätsunteroffizier, einem Württemberger, auf das aufopferndste gepflegt wurden. Das Leben in den Nächten war geradezu entsetzlich. Klappernd vor Frost konnte niemand schlafen. Durch Umhergehen suchte man sich zu erwärmen, wovon die Verwundeten keinen Gebrauch machen konnten. Sie krochen dicht zusammen, um sich gegenseitig warmzuhalten. Der anbrechende Tag brachte erst die Erlösung von den Qualen der Nacht, da mit ihm die Hoffnung auf etwas wärmenden Sonnenschein kam. Aber auch er stellte sich leider nur zu häufig nicht ein.“

Selbsthilfe

„Auf uns fünf Zivilisten wirkten diese nächtlichen Szenen erschütternd. Wir sammelten kurz entschlossen unter uns, da wir genügend Geldmittel besaßen, eine bedeutende Summe, für die wir eine große Anzahl Decken, eine größere Menge Verbandsstoff und Medikamente herbeischaffen ließen. Der hilfreiche Sanitätsunteroffizier, Paul Poschart aus Reutlingen, – es sei, da er Tag und Nacht unermüdlich in der Ausübung seiner Liebestätigkeit war, sein Name hier genannt, – griff nun energisch ein und wirkte segensreich unter den Verwundeten, die mit großer Liebe an ihm hingen. Waschwasser gab es überhaupt nicht. Wer sich waschen wollte, schöpfte sich mit seinem Eßnapf aus dem Trinkwassereimer etwas Wasser und begoß sich damit Gesicht und Hände. Aus der zur Verfügung stehenden Kantine wurde nur sehr wenig gekauft, da die Preise fast unerschwinglich hoch waren, Aufenthalt im Freien war nur bei günstiger Witterung, und dann auch nur zwei Stunden am Nachmittag, auf dem oberen Deck des Pontons gestattet.“

Marseille - Le Phare Sainte Marie

Hafeneinfahrt in Marseille mit dem Leuchtturm Sainte-Marie; Postkarte (gelaufen 1906), eigene Sammlung.

Verzögerte Freilassung

„Am 18. November winkte die Erlösung aus diesem scheußlichen Gefängnis. Die Soldaten wurden eingeschifft und soviel uns bekannt wurde, nach Tunis gebracht. Wir blieben aber zurück, da am gleichen Tage die Nachricht von Paris gekommen war, das unserer Beschwerde beim englischen Gesandten Folge gegeben sei und wir nun nach einem neutralen Lande entlassen werden sollten. Am folgenden Tage wurden wir abgeholt und zur Polizeiwache gebracht. Dort wurden wir wie Verbrecher photographiert und gemessen. Frei waren wir jedoch noch nicht. Wir wurden wieder in einem Gefangenenwagen nach dem Hafen zurückgebracht und mußten unterwegs die Verhöhnungen und tätlichen Beleidigungen der Straßenpassanten ertragen. Am 21. November wurden wir wieder von dem Schwimmponton abgeholt. Unter militärischer Bewachung machten wir auf der Suche nach dem spanischen Dampfer Barzella, mit dem wir nach Genua fahren sollten, Irrfahrten im Hafen von Marseille umher und fanden den Dampfer nicht, da er überhaupt nicht im Hafen lag. Wohl oder übel mußten wir unseren elenden Wohnaufenthalt wieder aufsuchen, den wir erst am 25. November endlich für immer verlassen konnten. Auf mein Gesuch hin, uns doch zur italienischen Grenze zu bringen, wurden wir an dem Tage unter militärischer Bewachung bei Ventimiglia über die französische Grenze geschoben. Von diesem kleinen italienischen Städtchen aus begaben wir uns nach Genua, wo unser Professor, dessen Nerven gänzlich zusammengebrochen waren, vorerst zu seiner Erholung blieb. Wir drei Kapitäne und mein dritter Offizier aber dampften schleunigst in die teure Heimat hinein. Eine schwere Zeit voll böser Eindrücke, die uns wie ein übler Traum bedrückten, lag hinter uns.“

An dieser Stelle endet der Augenzeugenbericht von Kapitän W. Richter in den Hamburger Nachrichten.

Die anderen Kapitäne waren zwei Kapitäne der Bremer Dampfschiffs-Gesellschaft Hansa, deren Schiffe ebenfalls in Colombo geblieben waren:  F. H. R. Gronau, Kapitän des Dampfers „Rappenfels“ und W. Müller, Kapitän der „Moltkefels“ (Die „Fürth“ in Colombo: 11. bis 18. August 1914).

Zu Prof. Kahle siehe den Blogbeitrag: Die abenteuerliche Reise des Kapitäns der „Fürth“, W. Richter, auf der „Koningin Emma“.

Der genannte dritte Offizier der „Fürth“ war H. Wodarz.

Nächste Woche im Blog: Kapitän W. Richter – Heimkehr nach Hamburg und Tod

Pontons dans le port de Marseille

Marseille, Alter Hafen, im Bild erkennt man einige Pontons, allerdings ohne Aufbauten; Postkarte, undatiert, Quelle: https://www.geneanet.org/cartes-postales/view/5936029#0