Suche nach der Waratah

Die fünfte Fahrt der „Fürth“ nach Australien
vom 3. Juli bis 27. November 1909

Auf der Linie 2 der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft

In der unten stehenden Anzeige vom Mai 1909 sehen wir außer den drei bekannten Linien, zum ersten Mal eine Linie 4 (Skandinavien-Australien). Auf diese Linie gehen wir näher ein, wenn die „Fürth“ diese Linie bedient (die neunte Fahrt der „Fürth“ nach Australien im April 1911).

German Australian Steam Ship Co., advertisement Hansa May 1909

Anzeige der DADG in der Zeitschrift HANSA, Mai 1909

Die „Fürth“ ist auf ihrer Fahrt nach Australien in Europa noch Rotterdam und Antwerpen angelaufen, bevor es nach Südafrika ging.

Werfen wir unser Augenmerk diesmal auf die Südspitze Afrikas und achten auf das Ankunftsdatum:
Am 3. August erreichte die „Fürth“ Mossel Bay, eine Stadt in der gleichnamigen Bucht östlich des Kaps der Guten Hoffnung in Südafrika.

Wo ist die „Waratah“?

Am zweiten August, also einen Tag vorher, finden wir in australischen Medien folgende Meldung, die dann spätestens einen Tag darauf Tagesthema in aller Welt sein sollte:

THE STEAMER WARATAH OVERDUE AT CAPETOWN.
LONDON, August 2.
Reuter’s correspondent at Durban expresses alarm at the steamer Waratahs non-arrival at Capetown on the voyage from Adelaide, July 6, to London. The vessel left Port Natal on July 26 with 300 passengers aboard, and has not since been reported.
The Advertiser, Adelaide, Di 3. Aug 1909, S. 7

Anm.: Port Natal ist heute unter dem Name Durban bekannt, drittgrößte Stadt Südafrikas und wichtiger Hafen. Die Zahl der Passagiere ist übertrieben, auf der Waratah waren zu diesem Zeitpunkt 211 Personen, Mannschaftsmitglieder und Passagiere.

Der Hintergrund

Die „Waratah“ war ein australisches Dampfschiff, welches auf dem Weg von Australien nach London war. Das Schiff hatte am 6. Juli 1909 Adelaide als letzten australischen Hafen verlassen.

Dort hatte die „Waratah“ 300 Tonnen Bleikonzentrat und große Mengen Tiefkühlfleisch sowie Butter und Getreide in einer Gesamtmenge von 6.655 Tonnen als auch 82 Passagiere an Bord genommen. In Port Natal (Durban) wurde am 25. Juli 1909 ein Teil der Ladung gelöscht. Weitere Passagiere und Kohle (für den eigenen Bedarf) kamen an Bord.
(southaustralianhistory.com.au, The Lost Ship Waratah, Flinders Range Research)

Die „Waratah“ hat Durban am 26. Juli 1909 in Richtung Kapstadt verlassen.

Zwischen Durban und Kapstadt

Die Entfernung von Durban nach Kapstadt beträgt 845 nautische Meilen (www.searoutes.com), eine Strecke, die bei einer Geschwindigkeit von 12 Knoten in drei Tagen zurückgelegt werden kann.

Später wird man erfahren, dass die „Waratah“ am 27. Juli 1909 zuletzt gesehen wurde.

Verschwunden

Danach: nichts! Gar nichts! Bis heute bleibt das Schicksal der „Waratah“ ungeklärt. Überreste des Schiffes wurden nie gefunden, obwohl nichts unversucht blieb. Menschen, wie der Südafrikaner Emlyn Brown haben über zwei Jahrzehnte intensiv nach der „Waratah“ gesucht. Alle Recherchen und Tauchgänge haben nicht geholfen, die „Waratah“ bleibt unauffindbar und damit eines der großen Mysterien der Schifffahrt.

© State Library Victoria,Image H92.330/7 The Australian Liner Waratah which disappeared mysteriously between Durban and Capetown in 1909

Das australische Schiff „Waratah“, dass am 27. Juli 1909 auf der Fahrt von Australien nach London vor der südafrikanischen Küste zuletzt gesehen wurde und danach spurlos verschwand. Der Fall ist bis heute ungeklärt, das Schiff wurde nie gefunden. © State Library Victoria, Image H92.330/7

Vieles wurde seitdem über die „Waratha“ geschrieben. Zwei Blogs haben jedes mögliche Detail in Zusammenhang mit der „Waratah“ untersucht. Unter den Suchbegriffen Waratah Revisited und Waratah Explained finden interessierte Leser wirklich tiefgreifende Informationen über das Verschwinden der „Waratah“. Nicht zuletzt war der Blog Waratah Revisited auch die entscheidende Anregung für mich, die im Vergleich zur „Waratah“ bescheidene Geschichte der „Fürth“ in Form eines Blogs zu erzählen.

Die Suche

Natürlich wurde das überfällige Schiff intensiv gesucht. Desweiteren wurden alle Schiffe, die entlang der südafrikanischen Ostküste unterwegs waren, angewiesen, Ausschau nach der „Waratah“ zu halten, darunter auch die „Fürth“, denn schließlich bestand die Hoffnung, das Schiff noch zu finden. Diese Hoffnung begründete sich darauf, dass das Schiff manövrierunfähig geworden sein könnte und auf dem Meer trieb.

In addition to this, every vessel between August 2 and 10 September leaving the ports bound for Eastern Cape coastal route was asked to keep a look-out for the Waratah. These included: Suffolk, Suevic, Salamis, Geelong (Waratah’s sister ship), Narrung, Bergadof (sic), Tainui, Firth (sic), Oberhausen and others.
(waratahrevisited.blogspot.fr)

Anm: Bergadof muss richtig „Bergedorf“ heißen und Firth natürlich „Fürth“

Ohne Erfolg

Allerdings konnte die Nachricht, die die „Fürth“ in Fremantle verkünden konnte, diese Hoffnung nicht aufrechterhalten. Die Aufmerksamkeit war dennoch groß, weil sich alle Neuigkeiten über den Verbleib des Schiffes „Waratah“ erhofften.

Im Folgenden dazu einige Meldungen, denen sicher noch viele andere hinzugefügt werden könnten:

Unavailing research, "Waratah", TARANAKI HERALD, VOLUME LV, ISSUE 13990, 23 AUGUST 1909

Zeitungsmeldung vom 23. August 1909 über die erfolglose Suche der „Fürth“ nach der „Waratah“, TARANAKI HERALD, Neuseeland, VOLUME LV, ISSUE 13990, 23 AUGUST 1909

Waratah. D, London. 23. August. Der von East London in Fremantle angekommene deutsche Dampfer Fürth hat weder den Dampfer noch irgend welches Wrackgut gesichtet.
Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 24. August 1909, S. 35

STEAMER FURTH’S SEARCH.
NO SIGN OF WRECKAGE.
The German-Australian steamer Furth arrived at Fremantle on Sunday morning. She left East London on Thursday, August 5th, with instructions to watch for the Waratah or wreckage throughout the trip, which traversed the tracks where it was likely wreckage would be found drifting with the currents. No sign of the missing vessel or wreckage was seen.
Ovens and Murray Advertiser, Beechworth, Sa 28. Aug 1909, S. 8

ARRIVAL OF STEAMER FURTH.
WARATAH NOT SIGHTED.
PERTH, Sunday. The German steamer Furth, which left East London on August 5th, arrived at Fremantle this morning. She found no trace of the Waratah.
OWNERS STILL HOPEFUL.
The owners of the Waratah are still hopeful of the vessel’s safety.
The Ballarat Star, Victoria, Mo 23. Aug 1909, S. 6

Das spurlose Verschwinden der „Waratah“ mit über 200 Menschen an Bord erzeugte in Australien und anderswo eine Mischung aus Hoffnung und Verzweiflung. Jedes Anzeichen einer Rettung wurde als Strohhalm aufgegriffen, an den man sich klammerte.

Ein mysteriöses Rettungsboot

Vor diesem Hintergrund müssen wir auch die folgende Meldung über ein Rettungsboot einordnen, das an der Westküste Australiens gesichtet wurde. Allerdings mit dem Schönheitsfehler, dass der berichtende Leuchtturmwärter aussagte, das Rettungsboot habe eine deutsche Flagge getragen, womit wieder unsere „Fürth“ ins Spiel kommt:

A MYSTERIOUS BOAT
IS IT FROM THE WARATAH?
FLYING THE GERMAN FLAG.
CROWDED WITH MEN.
PASSES CAPE NATURALISTE.
During the forenoon the chief harbor master at Fremantle (Captain C. J. Irvine) received an urgent telegram from the lighthouse-keeper at Cape Naturaliste (Mr. Baird) stating that early this morning a ship’s boat flying the German flag passed Cape Naturaliste. In his message, which conveyed very ineagre particulars, Mr. Baird mentioned that the boat was crowded with men, and that it would probably put into Bunker Bay, which is situated near the Cape mentioned.
The Daily News (Perth, WA : 1882 – 1950)  Do 26. Aug 1909, S. 8

Welche Flagge?

Nüchterner betrachtet die Angelegenheit ein Kommentar in der gleichen Ausgabe. Wie könnte ein Rettungsboot die australische Küste in vier Wochen erreichen, wenn selbst ein Dampfer für die gleiche Strecke drei Wochen braucht? Gehört es vielleicht zur „Fürth“, dem einzigen deutschen Dampfer, der zum fraglichen Zeitpunkt an dieser Stelle unterwegs war?

WHERE WAS IT FROM?
THE WARATAH THEORY DISCUSSED.
DOES THE BOAT BELONG TO THE
GAS. FURTH.
When first the news arrived it was taken for granted at once that the mysterious boat’s crew , belonged to the missing Waratah, but second thoughts rather dispelled this anticipation, the wish having been father to the thought. In the first place the German flag somewhat discounts the Waratah theory, although it may have been the only piece of bunting the boat owned when she left the vessel. The only German boat she could possibly belong to would be that of the G.A.’S. Furth, which left Fremantle on Tuesday evening last, and passed Cape Naturaliste at 5 o’clock yesterday morning, going south. In the second place the Waratah was reported missing a month ago, and, when takes three weeks good steaming from Durban to the Western Australian coast, it is not likely that a boat’s crew could reach here within four weeks.
The Daily News, Perth, Do 26. Aug 1909, S. 8

Anm.: Cape Naturaliste liegt in Westaustralien etwa 100 Seemeilen südlich von Fremantle.
Victoria Quay, Fremantle, approximately 1907, State Library of Western Australia, 129205PD

Das Victoria Quay in Fremantle, West-Australien,
ungefähr 1907, Quelle: State Library of Western Australia, Nr. 129205PD

Am Tag darauf gibt es dann die Auflösung. Das gesichtete Rettungsboot war weder von der „Waratah“ noch von der „Fürth“, allerdings auch keine Einbildung des Leuchtturmwärters. Das Rettungsboot war eines von zweien, die zu dem französischen Segler „Gaël“ gehörten, der weit vor der australischen Küste sank. Wie der wachhabende Leuchtturmwärter allerdings die deutsche Flagge mit der französischen verwechseln konnte, wird sein Geheimnis bleiben.

Anm: Die deutsche Flagge war damals schwarz-weiß-rot, quer gestreift, die französische ist blau-weiß-rot, längs gestreift.

FRENCH BARQUE GAEL.
ARRIVAL OF THE MISSING BOAT.
Fremantle, Aug 27.
The ship’s boat, containing the captain and eleven of the crew of the barque Gael, has landed on the coast opposite Jarrahdene.
Perth, August 27.
Captain Meteye, of the Gael, said the barque sailed from Nantes on April 20. When 82 days out the ship ran into very heavy weather, and began to leak. The crew worked at the pumps for six days and nights, but were forced to give in, as the water continued to gain. Then arrangements were made to divide the crew and leave the ship. The boats left at 3 o’clock on Sunday afternoon, and stood by the sinking ship till Monday night, when the vessel sank about midnight. After three days’ sailing the captain’s boat sighted land, and it was decided to make for the beach. On Wednesday afternoon the boat was capsized in the surf, but the occupants managed to scramble ashore. They lost all the ship’s papers and everything brought away from the ship. They camped on the beach that night, and on Thursday explored the coast in the hope of discovering some habitation. They were unsuccessful, and it was not till yesterday that, in exploring inland, they came upon some cows and met an opossum trapper, who took them to Harrahdene.”

The Postmaster-General’s Department advises: “Perth advises under Friday’s date, 12.20 p.m.: ‘Following received from Karridale: Boat containing twelve wrecked seaman, including captain, mate, ten sailors, from ship Gael, landed on coast opposite Jarrahdene, about eight miles North.’”.
The Brisbane Courier, Sa 28. Aug 1909, S. 5

Untergang der „Waratah”

Zurück zur “Waratah”: Das Schiff ist entweder in einem Sturm gesunken und/oder wurde von einer sogenannten Monsterwelle erfasst. Die südafrikanische Ostküste ist dafür berüchtigt. Auch eine Explosion der Kessel ist möglich. Die genaue Ursache wird wahrscheinlich für immer im Unklaren bleiben.

Die „Fürth“ auf Grund

Zur Nebensache gerät dabei die weitere Reise der „Fürth”. In Adelaide wurden 1.300 Tonnen allgemeine Ladung gelöscht, allerdings nicht ohne eine vorherige Panne:

IMPORTS-August 29.
Furth: from Hamburg-1,300 tons of general merchandise.
The Advertiser, Adelaide, Mo 30. Aug 1909, S. 4, SHIPPING NEWS.

MISHAPS AT PORT ADELAIDE.

The grounding of the steamer Furth on August 30 in the Port Adelaide River a short distance from No. 9 beacon, whilst in charge of Pilot Henderson, was reported by the master of the vessel. The steamer touched on the eastern bank. She did no damage and the board decided to take no action.
The Advertiser, Adelaide, Fr 10. Sep 1909, S. 10

Es ist also noch einmal alles gut gegangen! Wie die „Fürth” wieder freikam, erfahren wir allerdings aus der Meldung nicht. Wurde ein Teil der Ladung in Schuten gelöscht, um das Schiff freizubekommen, hat man einen höheren Wasserstand abgewartet oder hat man das Schiff freigeschleppt?

Mehl für Java

In Adelaide wurde eine große Menge “breadstuff”, wahrscheinlich Mehl aufgenommen. Die Menge muss wirklich bedeutend gewesen sein, auch wenn keine Zahlen vorliegen. In der nachfolgenden Meldung wird das Ablegen der „Fürth” als wichtigste Abfahrt der Woche eingestuft und Adelaide war damals wahrlich kein kleiner Hafen. Außerdem weist die lange Liegezeit von über zehn Tagen auf eine sehr große Ladungsmenge hin.

SHIPPING NOTES.

Chief among the departures was the steamer Furth, with a large consignment of breadstuffs for Java ports.
The Register, Adelaide, Mo 13. Sep 1909, S. 6

Nach Niederländisch-Indien (in den englischsprachigen Meldungen kurz “Java ports”) war die Fürth noch in Singapur und an der indischen Malabarküste, und zwar in Cochin und Calicut, bevor es durch den Suezkanal über Marseille und Amsterdam zurück nach Hamburg ging.

Ladeliste Amsterdam

Hier die detaillierte Ladeliste für Amsterdam.

Die Ladung umfasste Bleierz als Schüttgut (1.185 Tonnen), Reis, Kopra, Kokosgarn, Teakbalken und –planken, Sagomehl, Tapiocamehl, Kaffee, Büffel- und Rinderhäute, Ziegenfelle, Dammarharz, Chinarinde, Pfeffer und Rizinussamen.

CARGALIJST AMSTERDAM
Java. „Fürth“, S. 22 bn. Koffie, Maintz & Co.; 8 p. Buffelhuiden; 80 bn. Kinabast, v. Eeghen & Co., Order; eene partij losse Looderts 1,185,000: 1155 zak Rijst; 857 stuks Teakzwalpen; 24 stuks Teakbalken; 34 p. Koehuiden, 80 kn. Gom Damar, 552 zak Sagomeel, 255 zak Peper, 41 pak Geitevellen, 540 zak Coprah, 310 zak Castorzaad, 23 pak Buffelhuiden, 314 zak Tapiocameel, 300 bn. Cocosgaren.
Rotterdam: 49 stuks Teakbalken, 18 pak Koehuiden, 50 kn. Gom Damar.
Algemeen Handelsblatt, 22. Nov. 1909,

In Hamburg traf die „Fürth” am 27. November 1909 ein.

Detaillierte Fahrtroute

Zum Abschluss die detaillierte Fahrtroute der Fürth gemäß den Schiffsmeldungen der Tageszeitungen.

German-Australian Liner "Fürth", voyage number 5 from July, 3rd to November 27th 1909

Die detaillierte Fahrtroute der „Fürth vom 3. Juli bis 27. November 1909 auf der Linie 2 der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft