Archiv für den Monat Februar 2020

Cape Town harbour, twenties?

Tagebuch (9): Die „Fürth“ in Kapstadt

Im Hafen von Kapstadt

Titelbild: Der Hafen von Kapstadt, undatiert, ev. 20-er Jahre, DRISA-Archiv, Johannesburg, http://atom.drisa.co.za/collections/LS_Collection_lo-res/LS_01_049.jpg

Rückblick auf die lange Fahrt durch den Atlantik

Die „Fürth“ machte von Lissabon nach Kapstadt eine Durchschnittsfahrt von 10,4 Knoten. Daraus könnte man jetzt einfach eine Durchschnittsdistanz in Seemeilen pro Tag berechnen. Doch so einfach ist die Sache nicht. Es ergeben sich nämlich sehr unterschiedliche Werte für einzelne Tage der Fahrt.

Auffällig dabei ist die große Diskrepanz zwischen dem ersten und dem zweiten Teil der Reise.

Zu Beginn sehen wir, dass die Distanzen (in Seemeilen) sehr hoch sind und es auch bis zum Passieren des Äquators bleiben: 272 (8./9. Mai), 266, 267, 279, 272, 263, 269, 266 (15./16. Mai).

Nach Überqueren des Äquators am Vormittag des 17. Mai 1914 sehen die Zahlen plötzlich ganz anderes aus: 244, 249, 240, 249, 253, 238, 242, 256, 259, 253 und auf der letzten 24-Stunden-Etappe 268 Seemeilen.

Die Erklärung gibt uns die folgende Karte:

South Atlantic Currents

Südatlantische Strömungen, die Bezeichnung Äquator habe ich an der Äquatorlinie zur Verdeutlichung hinzugefügt. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:South_Atlantic_Gyre.png

Zunächst steuert die „Fürth“ von Lissabon mit dem Portugal- und Kanarenstrom bis zur Breite der Kapverdischen Inseln, wo der Kanarenstrom nach Westen abbiegt. Dann „übernimmt“ der nach Osten fließende Guineastrom, aber mit dem Überqueren des Äquators kommt die „Fürth“ zunächst in den starken Südäquatorialstrom und dann in den Benguelastrom, die beide gegen ihre Fahrtrichtung gerichtet sind.

Der Unterschied der beiden Maximalwerte (279 Seemeilen gegen 238 Seemeilen) für eine 24-Stunden-Fahrt auf offener See beträgt immerhin 41 Seemeilen.

Angaben zu zurückgelegten Tagesdistanzen sollten also sehr sorgfältig erfolgen, grobe Angaben „über den Daumen“ können sehr schnell die Realität verzerren.

Anm.: Natürlich sind Wellengang, Wind, Beladung etc.  zusätzliche Einflussgrößen.

Cape Town harbour 1890

Der Hafen von Kapstadt vom Signal Hill, 1890, DRISA Archiv Johannesburg, https://atom.drisa.co.za/collections/P_Collection_lo-res/P1160.jpg

Der Hafen in Kapstadt

Kapstadt als Zwischenstation auf der Reise nach Australien bereitete der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft zeitweise große Probleme:

„Schon im Herbst 1900 war Kapstadt so überfüllt, daß die Abfertigung der Schiffe anstatt zwei bis drei Tage 14 Tage erforderte. … Zu diesem Nachteil kam der weitere beim Stilliegen in den warmen Gewässern der Schiffsboden stark mit Muscheln angesetzt wurde…“

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kaufte die Reederei daher einige Hilfsschiffe und Leichter, um die Abwicklung der Schiffe in Südafrika zu beschleunigen. Nach der Zeit des Zweiten Burenkrieges (ab 1902) verbesserte sich jedoch die Situation und die zusätzlichen Fahrzeuge wurden wieder abgestoßen oder anderweitig eingesetzt.

Die „Fürth“ hatte am 27. Mai 1914 auch sofort einen Liegeplatz im 1905 eröffneten Victoriadock erhalten und das Löschen von Ladung und die Aufnahme von Frischwasser konnte direkt beginnen:

Mittwoch d. 27. Mai 1914 Zeitweise Regen

Löschen von 6h pm bis 12 h pm mit 4 Gängen
Löschen von 12 h pm bis 1 am 28/5 mit 1 Gang

Nahmen 9000 Gallon Frischwasser

Machten das Schiff seeklar

Tiefgang v. 20‘5‘‘ hinten 23‘3‘‘; Mitte 21‘10‘‘

Kohlenbestand 1000 Tons

Anmerkung: Eine britische Gallone entspricht 4,55 Liter; 9000 britische Gallonen knapp 41.000 Liter.

Am Morgen des 28. Mai 1914 konnte die „Fürth“ bereits wieder aufbrechen:

7 h am lösten Vertauungen. Lotse Garrnett, Schlepper „Ludwig Wiener“
Anfang der Reise

7 h 9 min Lotse von Bord, Anfang der Seereise.

log book Furth "Ludwig Wiener"

Logbuch der „Fürth“, nummerierte Seite 39 (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

 

Der Schlepper „Ludwig Wiener“

Beim Anblick des Schleppers „Ludwig Wiener“ könnte Kapitän Richter ein Ausruf des Erstaunens und der Anerkennung entwischt sein, wie zum Beispiel

„Donnerwetter! Tadellos!“

Könnte…

Aber bleiben wir bei den Tatsachen: einen Schlepper wie „Ludwig Wiener“ hatten Kapitän Richter und die Welt bis dato noch nicht gesehen. Er war 1913 fertiggestellt worden, das „Nonplusultra“ unter den Schleppern seiner Zeit und er erregte großes Aufsehen und das nicht nur in Südafrika.

Ferguson in Glasgow

Gebaut wurde das Schiff bei Ferguson Shipbuilders Glasgow. Die südafrikansiche Hafenverwaltung hatte eigens einen Inspektor für die Bauzeit des Schleppers nach Glasgow abgestellt, der den Bau beaufsichtigte.

NEW STEAMER FOR SOUTH AFRICA. 

Ferguson Bros. (Limited), Port-Glasgow, launched yesterday afternoon , with machinery aboard , the twin-screw harbour service steamer Ludwig Wiener for the Colonial  Government for service at Cape Town harbour . She is the most completely equipped vessel of her type yet built. The machinery will be supplied with steam from Babcock & Wilcox water-tube boilers. Marconi’s wireless telegraphy has been fitted, and a complete system of electric lighting has been installed. The naming ceremony was performed by Miss Gladys Booth, daughter of Mr Alexander P. Booth , superintendent of machinery from the Durban Harbour Department, Durban, who has been resident inspector during construction.
aus: The Scotsman, Do 21. August 1913, S. 7, Quelle: britishnewspaperarchive.co.uk

Ludwig Wiener 1913

Der Schlepper „Ludwig Wiener“, zahlreiche Personen an Deck zeigen die imposante Größe des Schiffes, Quelle: DRISA-Archiv, Johannesburg, http://atom.drisa.co.za/collections/PB_Collection_lo-res/PB3097_001.jpg

Außergewöhnlich waren nicht nur die Abmessungen des hochseetauglichen Schleppers, sondern auch seine Leistungsfähigkeit von etwa 2400 Pferdestärken beziehungsweise 433 NHP. Im Vergleich dazu hatte der Frachtdampfer „Fürth“ nach der Angabe in Lloyd’s Register 473 NHP: siehe: Die „Fürth“ in Lloyd’s Register.

Anm.: Wer sich für das Verhältnis nominaler zu „normalen“ Pferdestärken und den damit behafteten Problemen interessiert, empfehle ich folgende Lektüre: Paxman History Pages: https://www.paxmanhistory.org.uk/nhp-defn.htm

„Normale“ Schlepper hatten zu dieser Zeit etwa 1200 Pferdestärken und noch kein Telefunkensystem.

In Australien war man daher neidisch, dass die Südafrikaner jetzt solch ein Schmuckstück ihr Eigen nennen konnten:

WIRELESS ON TUG BOATS.
Will it Extend to Australia?

“The arrival of the great powerful tugboat Ludwig Wiener at Capetown (an illustration of which appears in today’s issue) forces to mind that great as has been the growth in the dimension of vessels in the Australian trade, the tugboat services in Australia have not improved to any great extent. Messrs. Brown’s tug Champion, Messrs. Fenwick’s Hero, Heroine and Heroic in New South Wales, the Alacrity in Melbourne, and the Wato in South Australia, and many others are undoubtedly fine vessels, and have proved their capabilities in many ways on repeated occasions, but compared with vessels such as the Ludwig Wiener they fade into insignificance, and most remarkable of all, too, is the fact that whilst in every part of the globe wireless equipment now ranks amongst the necessary appliances to the modern tugboat, it is unknown here.”
Daily Commercial News and Shipping List, Sydney, 6. Jan. 1914, S. 12

Anm.: Die im Text angesprochene Abbildung ist leider völlig unkenntlich.

Der Schlepper „Ludwig Wiener“ war im Herbst 1913 von Glasgow nach Kapstadt gefahren. Der Platz für Bunkerkohle war bei einem Schlepper naturgemäß begrenzt und so musste „Ludwig Wiener“ auf der Fahrt nach Südafrika unterwegs Kohlen aufnehmen, so zum Beispiel in Dakar:

The Tug Ludwig Wiener.

Messrs Ferguson Brothers (Port Glasgow), have received a cablegram that the large tug Ludwig Wiener, which left the Clyde on Wednesday, 15th October, for Cape Town, arrived at Dakar, Cape Verd, on the 26th, coaled, and sailed on the 27th.
Port Glasgow Express, Mi 29. Okt 1913, S. 3; Quelle: britishnewspaperarchive.co.uk

Technische Daten

Hier noch einige technische Daten zum Schiff
(nach http://www.clydeships.co.uk/view.php?ref=23858)

Größe: 658 Brutto-/265 Nettoregistertonnnen

Länge: 160,0 Fuß (48,8 m)

Breite: 32,1 Fuß (9,8 m)

Tiefe: 16,1 Fuß (4,9 m)

Maschine: 2 x Dreifachexpansions-Dampfmaschine (18, 28.5, 48 x 28 Inch), 433 NHP, 2 Schrauben

Ludwig Wiener Cape Town

Der Schlepper „Ludwig Wiener“ im Hafen von Kapstadt, ohne Datum, Quelle: DRISA-Archiv, Johannesburg, http://atom.drisa.co.za/collections/P_Collection_lo-res/P3097_03.jpg

Der Mensch Ludwig Wiener

Die Frage, die sich jetzt natürlich stellt, ist, warum ein Schlepper in Kapstadt zu einem sehr deutschen Namen kam: Ludwig Wiener.

Hier die Antwort.

Berlin – Kapstadt

Ludwig Wiener wurde 1838 in Berlin geboren und kam bereits als Jugendlicher 1855 nach Südafrika. Dort machte er eine eindrucksvolle Karriere und wurde ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann und Politiker.

Der Artikel in The Age, Melbourne, fasst Wieners Werdegang anlässlich einer Weltreise, die ihn auch nach Australien führte, zusammen:

Ludwig Wiener, who, we understand, is one of the leading mercantile men of South Africa. Mr. Wiener was for many years chairman of the Chamber of Commerce of Capetown, and for six years consecutively he was president of the Associated Chambers of South Africa. He also took, and still takes, an active part in politics. For over fifteen years he represented Capetown in the House of Assembly. Mr. Wiener is a commissioner of the Table Bay Harbor Board, which position he has held since 1882. Through his connection with the Colonial Mutual Life Assurance Society he is greatly interested in Australia. He is chairman of the local board of this society at Capetown, which position he has held for many years. We understand Mr. Wiener is making a tour of the world partly for pleasure and partly on business.
Quelle: ABOUT PEOPLE. The Age, Melbourne, Mi 19. Aug 1908, S. 9

Wiener’s Day

Sehr populär wurde Wiener in Südafrika bestimmt auch dadurch, dass er einen neuen Feiertag einführte, der nach ihm benannt wurde:

“Wiener’s Day. — The general designation of a public holiday breaking the somewhat long period between the August bank holiday and Christmas Day. The bill providing for this holiday was introduced into the Legislative Assembly by Ludwig Wiener, Esq., M.L.A., hence the popular designation.”
Charles Pettmann, Africanderisms; a glossary of South African colloquial words and phrases and of place and other names: (www.ebooksread.com/authors-eng/charles-pettman-244/africanderisms-a-glossary-of-south-african-colloquial-words-and-phrases-and-of–457/page-51-africanderisms-a-glossary-of-south-african-colloquial-words-and-phrases-and-of–457.shtml)

Der Wiener’s Day war der erste Montag im Oktober und wurde zuerst im Jahr 1899 begangen.

Honorarkonsul Österreich-Ungarns

Von 1893 bis 1899 war Ludwig Wiener auch Honorarkonsul Österreich-Ungarns in Kapstadt:

“Gleichzeitig [1893] wurde der deutsche Staatsangehörige Ludwig Wiener, Teilhaber der Firma „van der Byl & Co.“, „Israelit“ und Parlamentsmitglied zum k.u.k. Honoralkonsul ernannt. Wiener war als Jugendlicher 1855 nach Südafrika gekommen und lebte seit 1870 in Kapstadt.“

Van der Byl & Co. war eine südafrikanische Handelsfirma. Wiener hatte dieses Amt bis 1899 inne:

wo er [Emil Edler von Hirsch] „die Leitung des neusystemisierten k.u.k. General-Consulats aus den Händen des Honorarkonsuls Herrn Ludwig Wiener“ übernahm.

Quelle: Rot-Weiss-Rot in der Regenbogennation: Geschichte und Geschichten österreichischer Auswanderer in Südafrika, Andrea Heuberger 2012 (LIT Verlag Münster), abgerufen über books.google.fr

Was mir fehlt, ist ein Zeitungsausschnitt, der die Namensgebung des Schleppers nach Ludwig Wiener thematisiert. Ich kann mir vorstellen, dass man in Kapstadt das Lebenswerk Ludwig Wieners angemessen würdigen wollte. Sein 75. Geburtstag im Jahr 1913 war eine ausgezeichnete Gelegenheit dazu!

Auch ein Bild Ludwig Wieners wäre noch eine schöne Ergänzung zu diesem Beitrag. Falls Sie eines haben, bitte melden!

Nächste Woche im Blog

Die „Fürth“ auf dem Weg um das Kap der Guten Hoffnung und Kap Agulhas nach Mosselbai und Port Elizabeth.

Außerdem zwei kleine Exkurse: zum einen über ein Produkt, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts so wertvoll war wie Diamanten und zum anderen über einen schweren Hurrikane in Port Elizabeth.

 

 

Cape Town, Darling Street, about 1905

Kapstadt, Darling Street, frühes 20. Jhdt. nach 1905 (die Town Hall in der Bildmitte wurde 1905 gebaut; Foto ohne Datumsangabe), DRISA Archiv Johannesburg, Ref. code ZA 0375-LS-LS_01_116 http://atom.drisa.co.za/collections/LS_Collection_lo-res/LS_01_116.jpg

 

Copyright-Hinweis

Auf dem Logbuch ist ein © Copyright, das nach dem Zeitpunkt des Todes des Verfassers für 70 Jahre fortbesteht. Der erste Teil des Logbuches ist von Kapitän Richter, aber in großen Teilen auch von seinem ersten Offizier.

Kapitän Richter starb am 19. Februar 1917, somit sind die 70 Jahre lange abgelaufen. Jedoch ist mir für den ersten Offizier R. Hoffmann das Todesdatum nicht bekannt. Ich weise deshalb pflichtgemäß darauf hin, dass deshalb noch ein © Copyright auf dem Logbuch bestehen könnte.

Über alle Hinweise zu dem 1. Offizier R. Hoffmann bedanke ich mich herzlichst im Voraus. Bislang kann ich nur als Hinweis geben, dass er für diese Fahrt neu auf die „Fürth“ gekommen und im Sommer 1914 32 Jahre alt war: siehe Drei Mannschaftslisten der „Fürth“ aus dem Jahr 1914

Die ersten Folgen des Logbuchs der „Fürth“ finden Sie im Blog ab Januar 2020.

Teide Teneriffa um 1900

Von Lissabon nach Kapstadt: Das Logbuch der „Fürth“ (8)

Die lange Fahrt durch den Atlantik

Die „Fürth“ war auf ihrer Australienfahrt von Hamburg über Antwerpen am 7. Mai 1914 im letzten europäischen Hafen, in Lissabon, angekommen.

Titelbild: Pico de Teide, 1900-1905, Quelle: Archivo de fotografía histórica de Canarias, Ref. 001556, http://www.fotosantiguascanarias.org/

Reisezeiten

Nach der Ankunft wurde im Tagebuch minutengenau die Reisezeit, meilengenau die zurückgelegte Distanz von Antwerpen und auch der Tiefgang (v. 23‘3“; h. 25‘3“) dokumentiert:

Die Reisezeit von Antwerpen nach Lissabon betrug 4 Tage 20 Stunden und 36 Minuten. Darin war der Zeitunterschied zwischen Antwerpen nach Lissabon bereits berücksichtigt, dieser betrug + 51 Minuten.

Die Reisezeit auf Schelde und Tajo sowie die reduzierte Fahrt wegen Nebels wurden ebenfalls genau ausgewiesen: Revierzeit Schelde 5 Std. 20 Min., Revierzeit Tajo 1 Std. 50 Min. hinzu kamen 14 Std. 15 Min. reduzierte Fahrt.

Für die „echte“ Seereise verblieben 3 Tage 23 h 11 m.

log book Furth, German Australian Line 1914

Logbuch der „Fürth“, nummerierte Seite 16 (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

Distanzen

Bislang hatte ich Distanzen zwischen den Häfen nach der Webseite http://www.searoutes.com versucht nachzuvollziehen. Mit dem Tagebuch kann ich jetzt auf echte Werte zurückgreifen:

Die zurückgelegte Distanz der „Fürth“ zwischen Antwerpen und Lissabon betrug laut Tagebuch 1102 Seemeilen (Searoutes wirft 1139 aus; gar nicht so schlecht also).

Davon wurden 111 Seemeilen mit Revier- und reduzierter Fahrt zurückgelegt und 991 in voller Fahrt.

Die Durchschnittsgeschwindigkeit der „Fürth“ betrug auf von Antwerpen nach Lissabon 10,4 Knoten (die volle Fahrt entsprach 11,75 Knoten unter idealen Bedingungen).

Furth, German Australian Line, log book 1914

Logbuch der „Fürth“, nummerierte Seite 16 (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

 

Der Hafen von Lissabon

Über den Hafen in Lissabon um die Jahrhundertwende gibt es nicht gerade sehr viele Informationen:

“In 1907 when the state regained control of the new port the infrastructure consisted in seven docks, with the correspondent technical apparel, a territory including 3500 m of ramps and embankments, 4700 m of piers, two dry docks, and over 14 000 m2 of warehouse space (AGPL, 1938). According to some texts of the time, during the following decades less construction was done, the interventions were mainly the two new ship repair docks, more storage space and the conclusion of the pier of Santos.”
Quelle: Evolution of the Waterfront and the Port of Lisbon from 1887 to 1974 in theportandthecity.wordpress.com

Die politische Lage in Portugal um das Jahr 1914 war äußerst instabil. 1910 wurde die 1. Portugiesische Republik ausgerufen, nachdem König und Thronfolger 1908 umgebracht worden waren. Ständige Regierungswechsel, Attentate von Monarchisten und Generalstreiks konnten kein positives wirtschaftliches Klima schaffen.

Dennoch hatte die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft am Hafen Lissabon bei der Ausreise festgehalten. Man wird Gründe dafür gehabt haben.

Lisbon, Lisboa, 1919

Stadtansicht von Lissabon, 1919, Quelle: Library of Congress, Bain Collection, Quelle : https://www.loc.gov/item/2014680063/

Die Liegezeit der „Fürth“ war entsprechend kurz: 6 Stunden 15 Minuten:

 

Löschen und Laden mit 3 Gängen v. 1 pm bis 5.30 pm

5.30 pm fertig mit Laden

Tiefgang bei Abgang v. 23‘10“; h. 24‘10“

Liegezeit Lissabon 6h 15m

 

5.40 pm Anker auf, Anfg d. Reise Lotse Francisco Manvez. 7.12 Lotse von Bord. Anfang der Seereise.

Machten das Schiff seeklar.

Leicht bewegte See.

 

Korkballen

Über die in Lissabon geladenen und gelöschten Güter gibt es wenige Angaben: später an Bord wurden Korkballen zwischen zwei Laderäumen umgeladen. Diese waren mit Sicherheit aus Lissabon und nicht aus Hamburg oder Antwerpen.

Insgesamt scheint aber mehr gelöscht als geladen worden zu sein. Vergleichen wir dazu den Tiefgang der „Fürth“:

bei Ankunft vorne 23‘3“ und hinten 25‘3“, bei Abfahrt vorne 23‘10“ hinten 24‘10“

Also vorne ein wenig geladen und hinten ein wenig ausgeladen; allerdings nur kleine Mengen, was in insgesamt 4 ½ Stunden Lade- und Löschzeit mit 3 Gängen auch nicht anders zu erwarten war.

Eine lange Reise

Es folgte die sehr lange Reise der „Fürth“ durch den Atlantik nach Kapstadt. Es bleib viel Zeit für Routinearbeiten an Bord. Welche, werden wir uns gleich ansehen.

Werfen wir aber zunächst einen Blick auf die wenigen passierten Landmarken:

Die Reise der „Fürth“ hatte am Abend des 7. Mai 1914 begonnen.

Als erster Leuchtturm wurde am Morgen des 10. Mai 1914 der Anaga Pt. passiert, beim Passieren gab sich die „Fürth“ zu erkennen und zeigte ihr Unterscheidungssignal (U.S. = RPNJ): siehe Das Unterscheidungssignal der „Fürth“

 

7.41                      Anaga Pt. Pos. S76 W

8.2                        Anaga Pt. Pos. N59 W 4 sml ab

zeigten U. S.

Gut informiert

Wie gut die Nachrichtenübermittlung und die Aufbereitung durch die Medien damals schon funktioniert hat, sehen wir an dem unten stehenden Zeitungsausschnitt: Zwei Tage später hatte es diese Passage der „Fürth“ in die Altonaer Nachrichten geschafft.

Altonaer Nachrichten, 12. Mai 1914, Ausschnitt

Zeitungsausschnitt der Altonaer Nachrichten vom 12. Mai 1914, S. 8 über das Passieren der „Fürth“ von Teneriffa, Quelle: europeana.eu

 

Zweiter im Tagebuch dokumentierter Leuchtturm ist der Abona Pt., nur zwei Stunden später, ebenfalls auf Teneriffa:

10 h                      Albona Pt. pos. K N72°W

10.16                   Albona Pt. pos. K. N60°W 12,5 sml ab

Am Mittag wurde dann eine Peilung des Teide durchgeführt:

12 h                      Peak of Tenneriffa Pos. N 34° W

 

Senegal und Südafrika

Drei Tage später, am Vormittag des 13. Mai 1914 wurde Cap Verde gepeilt:

9.43                      peilten Cap Verde Pos. S 87°O

10.5                      peilten Cap Verde Pos. N 79° O 16 sml ab

 

Kap Verde ist der westlichste Punkt Kontinentalafrikas. Das Kap liegt in der Stadt Dakar im Senegal. Der Leuchtturm Phare des Mamelles gehört zu den lichtstärksten Leuchttürmen Afrikas.

Die nächste Landmarke kam dann erst wieder vierzehn Tage später, am 27. Mai 1914 in Sicht, dem Tag, als die „Fürth“ den Hafen von Kapstadt erreichen sollte:

6.38                      C. San Marten Pos. S 82° O in 4 Str.

7.4                        dasselbe Pos. Ost

8.4                        Witte Klip Pos. S 67° 0

11.17                   Darssen Isl. ca. 5 sml ab

Cap St Martin ist die Nordwestspitze der sog. „West Coast Peninsula“ in der Nähe der südafrikanischen Stadt Vredenburg.

Dassen Island ist eine kleine südafrikanische Insel und liegt gut 50 Kilometer nördlich von Kapstadt. Auf dieser Insel stand bei der Passage der „Fürth“ schon das Dassen Island Lighthouse (seit 1893).

 

Routinearbeiten an Bord, Übungen und besondere Vorkommnisse

Zur Bordroutine gehörten das regelmäßige Öffnen der Luken zur Entlüftung. Am Vormittag den 8. Mai 1914 heißt es:

Luke 3 u. Bunkerluken zur Ventilation geöffnet

Die Selbstentzündung von Kohlen war ein häufig anzutreffendes Problem der Dampfschifffahrt. Die regelmäßige Öffnung der Luken und Ventilatoren sollte dazu dienen, entzündliche Gase abzuleiten. Das war auch in den Unfallverhütungsvorschriften so festgehalten:

„Wenn das Wetter es gestattet, sind die einzelnen Luken ganz oder teilweise offen zu halten.“ (§78, zitiert aus dem Artikel Grubengasexplosionen und Selbstentzündung von Steinkohlen an Bord, Kapt. G. Reinicke, Zeitschrift Hansa, 18. und 25. Okt 1913, Quelle: digishelf.de)

Außerdem wurde an diesem Tag das Ladegeschirr überprüft:

Versehen das Ladegeschirr

Am Nachmittag nahm Wind und See allerdings zu und die Luken mussten wieder geschlossen werden:

Grobe See. Wasser über Deck u. Luken. Luken geschlossen.

 

In den darauffolgenden Tagen wurden auch andere Routinearbeiten durchgeführt, hier ein Auszug:

„Stechen Rost u. Farbe ab an Vordeck“

„holten sämtliche Segel, Laken, Bezüge etc an Deck zum Auslüften, ebenso den Vorläufer der Schlepptrosse“

Anmerkung: Die „Fürth“ hatte vier Segel an Bord: Stagfock (Vorsegel), Schonersegel, Großsegel und Großstagsegel (Quelle: Inventarliste des Schwesterschiffes „Neumünster“, State Archives of Western Australia). Zu den Segeln demnächst mehr Informationen.

Sunset Atlantic, about 1900

Sonnenuntergang auf dem Atlantik, ca. 1900 – 1905; Detroit Publishing Co. , Quelle: Library of Congress, http://www.loc.gov/resource/det.4a20038/

Ein Arbeitsunfall und ein gewalttätiger Matrose

Weitere Routinearbeiten konnten auf der langen Fahrt an Bord erledigt werden:

„Überholten u. Versahen das laufende Gut der Segel. Klopfen Rost an St.B. Vordeck.
Luken zur Ventilation geöffnet.“

„Oelen Drahttrossen. Klopfen u. stechen Rost an B.B. Deck u. Mittschiffs“

„Oelten den Schleppdraht.“

„besserten Farbe aus“

„Besserten Winschen u. weiße Farbe aus“

„Machen Klarschiff“

„Klarten Sparrdeck-Zwischendeck auf L. 3
und schiften Korkballen (Melbourne) von Luke 2 auf Luke 3.“

Die für Melbourne bestimmten Korkballen wurden also umgelagert (schiften = stapeln). Dies wurde möglich, weil die Bunkerkohlen an diesem Platz aufgebraucht waren.

Am 16. Mai 1914 gab es einen kleinen Arbeitsunfall:

„Der Junge Junge verletzte sich bei einem Fall durch Glasscherben d. rechten Unterarm.“

Anmerkung: Die Verdoppelung ist korrekt: Der Schiffsjunge hieß mit Familiennamen Junge.

Am 17. und 24. Mai 1914 waren keine Decksarbeiten eingetragen: es waren Sonntage.

Das entsprach der Seemannsordnung (§ 38):

„Auf See darf an Sonn- und Festtagen über das hinaus, was zur Sicherheit und zur Fahrt des Schiffes, zur Bedienung der Maschine, zum Segeltrocknen, Bootsdienst und zur Verpflegung und Bedienung der an Bord befindlichen Personen unbedingt erforderlich ist, der Schiffsmannschaft Arbeit nur in dringenden Fällen auferlegt werden.“

Am Montag geht dann das Rostklopfen weiter. Am Nachmittag meldeten sich die beiden Schiffsjungen beim Kapitän:

Die Jungen Middelborn und Junge beschwerten sich bei mir, daß sie von dem Matr. G. Bauer geschlagen worden seien. Der ??? daß ??? u. frech waren. Ich habe dem Matr. das Schlagen der Jungen verboten u. werde ihn im wiederholten Falle, bestrafen lassen.

Dieser Eintrag wurde von Kapitän Richter mit einer zusätzlichen Unterschrift versehen.

Anmerkungen:

??? unleserliche Stellen im Original (der Eintrag ist sehr klein geschrieben)

Der Nachname des Matrosen ist unklar: im Tagebuch lese ich Bauer, in den Mannschaftslisten aus Sydney ist einmal „Brauer“ und einmal „Bromer“ angegeben.

 

log book Furth 1914

Logbuch der „Fürth“, nummerierte Seite 28 (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

 

Feuerübung

Am Vormittag des 21. Mai 1914 wurde an Bord der „Fürth“ eine Feuerübung durchgeführt:

 

Machten Feueralarm, probierten beide Rauchhelme und den Dampfschlauch.

alles in Ordnung lt. Vorschrift d. S. B. G.

ebenso die beiden Feuerlöschschläuche.

 

Ein Rauchhelm war ein Vorläufer der Atemschutzmaske, er gehörte zur Pflichtausrüstung eines Dampfschiffes. Es war eine Reederei interne Regelung, dass auf jeder Reise eine Übung mit dem Rauchhelm, ein Schottenmanöver und Feuerlärm durchgeführt werden mussten. Das Schottenmanöver folgte am Nachmittag des gleichen Tages.

S.B.G. = Seeberufsgenossenschaft

 

Machten Schottenmanöver

die Sicherheitslampen wurden geprüft und in Ordnung befunden.

Die beiden Einträge, Feueralarm und Schottenmanöver, wurden in roter Farbe gemacht.

 

24. Mai 1914

12 h                      Kohlen aus No. 3 U.Zw.D., brennen aus U. R. 3 (?)

 

Anmerkung: Die Kohlen im Zwischendeck, Luke 3 waren alle, es wurden jetzt Kohlen aus dem Unteren Raum 3 verwendet (Die 3 ist im Bund des Tagebuches und unleserlich).

Auf die Kohlen und den Kohlenverbrauch des Dampfschiffes „Fürth“ komme ich auf der Fahrt von Südafrika nach Australien noch ausführlich zu sprechen.

Cape Town map

Kapstadt und Umgebung, Meyers Konversationslexikon, ca. 1885; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Meyers_b9_s0496_b1.png

Ankunft in Kapstadt

Bevor die „Fürth“ am 27. Mai 1914 Kapstadt erreichte, musste sie durch dichten Nebel fahren. Kapitän Richter ließ Nebelsignale geben, besetzte den Ausguck und ließ mehrfach die Wassertiefe loten:

9.25 loteten 79 Faden ½ Kraft (doppelt unterstrichen).

9.45 lot. 79 Faden

Dichter Nebel gaben Nebelsignale nach Vorschr.

Ausguck besetzt.

11.17 Darssen Isl. ca. 5 sml ab

12 h loteten 90 Faden.

Ab 12 h volle Kraft.

3.28 Ende d. Seereise Lotse Hoben an Bord

steuerten nach Peilungen steuerten nach Lotsenanweisung.

3.50 pm längsseite

4.00 pm Schiff fest im Victoria Dock South Pier

Ende der Reise

Cape Town, Darling Street, about 1905

Kapstadt, Darling Street, frühes 20. Jhdt., ab 1905 (die Town Hall in der Bildmitte wurde 1905 gebaut; Foto ohne Datumsangabe), DRISA Archiv Johannesburg, Ref. code ZA 0375-LS-LS_01_116 http://atom.drisa.co.za/collections/LS_Collection_lo-res/LS_01_116.jpg

Nächste Woche im Blog:

Ein Rückblick auf die lange Atlantikfahrt mit einem kleinen Exkurs über die atlantischen Strömungen, die sich im Tagebuch der „Fürth“ sehr schön widerspiegeln.

Außerdem: Der Hafen von Kapstadt und „Wer und was ist Ludwig Wiener?“

 

Copyright-Hinweis

Auf dem Logbuch ist ein © Copyright, das nach dem Zeitpunkt des Todes des Verfassers für 70 Jahre fortbesteht. Der erste Teil des Logbuches ist von Kapitän Richter, aber in großen Teilen auch von seinem ersten Offizier.

Kapitän Richter starb am 19. Februar 1917, somit sind die 70 Jahre lange abgelaufen. Jedoch ist mir für den ersten Offizier R. Hoffmann das Todesdatum nicht bekannt. Ich weise deshalb pflichtgemäß darauf hin, dass deshalb noch ein © Copyright auf dem Logbuch bestehen könnte.

Über alle Hinweise zu dem 1. Offizier R. Hoffmann bedanke ich mich herzlichst im Voraus. Bislang kann ich nur als Hinweis geben, dass er für diese Fahrt neu auf die „Fürth“ gekommen und im Sommer 1914 32 Jahre alt war: siehe Drei Mannschaftslisten der „Fürth“ aus dem Jahr 1914

Die ersten Folgen des Logbuchs der „Fürth“ finden Sie im Blog ab Januar 2020.

 

Antwerp, 1907, Schelde, van Dyck Quay

Tagebuch der „Fürth“ (7): von Antwerpen nach Lissabon

Grobe See, viel Nebel und eine Deviationsbestimmung

Titelbild: Van Dyck Quay an der Schelde, Antwerpen, 1907, stereoskopische Aufnahme; Quelle: Library of Congress, http://www.loc.gov/item/2019631638/

„Schiff los!“ in Antwerpen

Am Samstag, den 2. Mai wurde das Laden der „Fürth“ abgeschlossen. Vor der Abfahrt wurde das Schiff nach blinden Passagieren durchsucht und anschließend steuerte die „Fürth“ mit einem Lotsen die Schelde flussabwärts.

Sonnabend d. 2. Mai 1914, Trockenes Wetter

Laden von 7 h am bis 12 h am mit 4 Gängen
Laden von 0.30 pm bis 2 h pm mit 3 Gängen
Laden von 2 h pm bis 3 pm mit 2 Gängen
Laden von 3 pm bis 3.30 pm mit 1 Gang

Raumwache L.1 van den Brande, L.2 III. Offz. Wodarz, L.4 Gunthermann, L.5 II. Offz. Nagel

3.30 pm Schiff fertig.

Mannschaft staute Ladung fest, legen Luken an und schnallte diese mit je 3 Persenningen nach Seemannsart.

Decksladung wurde festgestaut u. gelascht

Das ganze Schiff wurde nach blinden Passagieren überholt, es wurden keine entdeckt. Das Schiff wurde seeklar gemacht.

Anmerkungen: Eine Persenning ist eine wetterfeste Abdeckung, eine Plane. Die Abdeckung der Luken mit Persenningen war obligatorisch. Lassen wir uns das am besten von einem Kapitän erklären, der noch auf einem Dampfschiff gefahren ist:

„Der Schwachpunkt auf diesen alten Schiffen war aber die Abdeckung der Ladeluken. Diese doch recht großen Öffnungen im Deck (ca. 9 x 12 m) waren durch stählerne Scheerstöcke in Compartments unterteilt und diese Compartments wurden mit hölzernen Lukendeckeln abgedeckt, die mit den Schmalseiten auf den Scheerstöcken lagen. Über diese Abdeckung wurden dann 3 wasserdichte Segeltuchpersennige gelegt, die rundherum mit stählernen Schalklatten und hölzernen Keilen festgekeilt (verschalkt) wurden. Querschiffs wurden dann über die Persenninge noch Verschlusslatten gelegt und fest mit dem Lukensüll verschraubt. Dies war eine altbewährte und sichere Methode, die Ladeluken seefest und wasserdicht zu verschließen.“
Quelle: Seegeschichten von Kapt. Erwin Schwarz; https://www.klinkrade.de/menschen/seegeschichten-von-kapt-erwin-schwarz/seegeschichten-2

Eine Routinemaßnahme war auch das Absuchen der Schiffe nach blinden Passagieren, auch „Überschmuggler“ oder „Einschleicher“ genannt. Zu diesem Thema mehr nach dem Eintreffen der „Fürth“ in Australien.

Die Hafenzeit in Antwerpen betrug laut Logbucheintrag 4 Tage 10 Stunden 40 Minuten, des Weiteren ist der Tiefgang notiert (v. 24‘8‘‘; h. 24‘10‘‘; Mitte 24‘9‘‘) und die (Trinkwasser-)Tanks 4 und 5 waren wieder voll aufgefüllt.

 

3.40 pm         Schiff los; Anfang d. Reise. Lotse van Schoor, Schlepper „Elbe“

Steuerten nach Lotsenanweisung

Der Wind wehte aus SO mit Stärke 2, es gab einzelne Wolken, das Barometer zeigte 766.9 Torr bei einer Temperatur von 13 Grad.

9 h wechselten Lotsen bei Vlissingen. Seelotse Poelart an Bord.

Anfang der Seereise 9 h 0 min

10.48 Seelotse von Bord bei Wilingen.

11.6 Wandelar F.S. quer Pos. N8°W ¼ sml ab.

Anmerkungen: Schreibweise der Namen eigentlich Wielingen und Wandelaar.

Bilder von den Feuerschiffen Wandelaar, West Hinder, Sandetti, East Goodwin und vielen anderen finden Sie auf der schönen Seite des Leuchtturmfans Klaus Hülse: http://www.leuchtturm-welt.net/HTML/TS/FS.HTM

3. Mai 1914

Am 3. Mai verließ „Fürth“ endgültig die Schelde und steuerte durch den Ärmelkanal in Richtung Westen.

0.55       pass. West Hinder F.S. an ST.B. ½ sml ab

2.30       Sandetti F.S. in 4 Str.

2.53       Sandetti F.S. in S14°O 4.5 sml ab

3.45       East Goodwin in 4 Str.

3.56       East Goodwin in N36°W 2sml ab

7.5         Dungeness F.T. Pos. N52°W

7.15       Dungeness F.T Pos. N37°W 2 sml ab

mäßig bewegte See

9.5         Royal Sovereign in 4 Str.

9.23       Royal Sovereign quer Pos. N23°W 3,5 sml ab

9.45       Beachy Hd Pos. N23°E sml ab

Anmerkungen:

West Hinder war ein Feuerschiff auf der Schelde

Die Sandettie Bank oder Banc de Sandettié wurde von einem französischen Feuerschiff markiert. Sie liegt an der Straße von Dover. Ebenfalls an der Straße von Dover liegen die Goodwin Sands, eine Reihe gefährlicher Sandbänke, an denen zahllose Schiffe verloren gegangen sind.

Dungeness ist ein bekannter Leuchtturm an der englischen Küste. Mehr Infos zur Geschichte: https://dungenesslighthouse.com/history

Dungeness Old Lighthouse

Old Lighthouse und Bahnhof in Dungeness, alte Postkarte, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Dungeness_(SER)_station.jpg

Royal Sovereign war ein Feuerschiff in East Sussex bei der Stadt Eastbourne. Heute ist die Stelle durch einen Leuchtturm auf einer Plattform im Meer markiert.

Beachy Head ist eine Landspitze mit herrlichen Kreidefelsen. Seit 1902 gibt es den heutigen Leuchtturm, der vor den weißen Felsen im Meer steht.

Beachy Head Lighthouse 1909

Beachy Head Lighthouse, alte Postkarte, gelaufen 1909, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Eastbourne._Beachy_Head_Lighthouse._(NBY_443529).jpg

Barometer: fallend

Ein südöstlicher Wind drehte am Vormittag auf Süd und dann auf Südwest, Stärke 3, zwischenzeitlich 3-4, Barometer fallend von 765.5 auf 763.4, Temperatur zwischen 12 und 14 Grad

Am Mittag des 3. Mai war die „Fürth“ 13 Stunden und 12 Minuten in See und hatte 208 Seemeilen zurückgelegt, davon 45 auf der Schelde und 163 auf offener See.

Bis Mitternacht wurden nur noch zwei weitere Leuchttürme passiert: um 19.25 Uhr der Phare de Goury (Nordende der Halbinsel Cotentin, Normandie) und um 20.03 der Phare des Casquets auf den heute unbewohnten Casquets Inseln, die zu Guernsey gehören. Ab dieser Zeit wurde das Wetter auch deutlich ungemütlicher und das Barometer fiel auf 758,4 Torr.

Grobe See

Für den 4. Mai heißt es dann im Tagebuch:

0-4 Uhr: steife Regenböen, See zunehmend. Wasser über Vordeck u. Luken. Schiff stampft in SWl. Dünung

4-8 Uhr: Zeitweise Schmuttregen. Grobe See, Wasser üb. Bord u. Vordeck. Schiff stampft in SWl. Dünung

8-12 Uhr: Desgl.
10.17 Ushant in 4 Str. S15°W p. K.
10.55 Ushant Pos. S41°O quer 4sml ab

Anmerkungen:

Schmuttregen ist ein norddeutscher Ausdruck für feinen Regen

Ushant ist der englische Name der bretonischen Insel Ouessant. Der Phare du Créac’h ist einer der stärksten Leuchttürme Europas und aus einer Distanz von fast 60 Kilometern erkennbar. Er wurde 1863 errichtet und 1888 elektrifiziert; heute gibt es dort auch ein Museum.

Bis zum Mittag des 4. Mai 1914 hatte die „Fürth“ 242 Seemeilen zurückgelegt, der Leuchtturm auf Ouessant war der letzte Eintrag vor dem Überqueren der Bucht von Biscaya, das Wetter blieb vorerst schlecht.

Ushant, creach lighthouse 1883

Phare de Créac’h auf der bretonischen Insel Ouessant, 1883, Quelle : commons.wikimedia, Datei : Phare du Creac’h d’Ouessant (10968814023).jpg

Die Einträge für den Nachmittag:

0-4 Uhr                Grobe See, Schiff stampft und nimmt Wasser über Deck und Luken

4-8 Uhr                Durcheinanderl. Dünung. Grobe See, Wasser über Back, Deck u. Luken

8-12 Uhr             Unverändert

Wind von WSW über W nach W gegen N drehend;

Anmerkung: Die Back ist das Oberdeck am Bug des Schiffes.

 

5. Mai 1914

Am Nachmittag des 5. Mai wurden die Bedingungen besser und Bordarbeiten konnten verrichtet werden:

0-4 Uhr                Bewegte See. Sämtliche Bootstaljen wurden versehen. Boot N° 4 wurden neue Taljenläufer geschoren

Anmerkung: Talje ist ein Flaschenzug; „versehen“ steht für überprüfen und der Begriff „scheren, geschoren“ im Sinne von einziehen, das heißt es wurden neue Taue in die Talje (den Flaschenzug) des Bootes Nr. 4 eingezogen. Die „Fürth“ verfügte über 4 (Rettungs-)boote aus Holz plus ein sogenanntes Arbeitsboot.

Um 23.40 Uhr passiert die „Fürth“ den Leuchtturm am Cap Villano.

Anmerkung: Der Faro de Cabo Villano liegt an der Nordwestküste Spaniens an der Costa de la Muerte, ein Name, der für die großen Gefahren für die Seefahrt an diesem Küstenabschnitt steht.

Dichter Nebel – halbe Kraft

Gegen Morgen kommt an diesem Tag dichter Nebel auf, die Fahrt wird verringert, Nebelsignale gegeben, der Ausguck besetzt und später alle Schotten geschlossen:

0-4 Uhr Westl. Dünung, mäßig bewegte See.

4-8 Uhr Unsichtige Luft, fahren entsprechend reduziert.

6.35 – 6.55 (?) halbe Kraft. Geben Nebelsignale nach Vorschrift. Luke 3 u. Bunkerluken zur Ventilation geöffnet. Ausguck besetzt.

9.35 – 9.43 ½ Kr. Zeitweise unsichtig, fahren entsprechend langsamer, geben Nebelsignale nach Vorschrift. Ausguck besetzt.
11.45 pass S/S. „Lüneburg“, Schotten dicht (Text dick rot unterstrichen)

log book Furth 1914

Logbuch der „Fürth“, nummerierte Seite 15 (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

Anmerkungen: Unsichtige Luft oder unsichtiges Wetter meint stark reduzierte Sichtbedingungen durch Nebel, Starkregen, Schneefall etc.; ½ Kr., H. K.  = halbe Kraft

Die Schotten sind Trennwände in einem Schiff, die verhindern, dass das Eindringen von Wasser an einer Stelle des Schiffs lokal begrenzt und die Schwimmfähigkeit des Schiffes erhalten bleibt.

Die „Lüneburg“ war wie die „Fürth“ ein Schiff der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG), sie kam aus Australien und erreichte Le Havre am 10. Mai 1914. Sie wurde auf der Tecklenborg-Werft in Geestemünde gebaut und im Dezember 1912 für die DADG in Dienst gestellt. Mehr über die Werft und alle Details zum Schiff „Lüneburg“ gibt es auf der Seite http://www.tecklenborg-werft.de/.

Ein Schwesterschiff der „Fürth“, die „Plauen“ hatte an dieser Küste am 3. September 1907 auf ihrer Jungfernfahrt im Nebel eine Havarie mit einem finnischen Schiff und erreichte gerade noch den Hafen Vigo: Schwesterschiffe der „Fürth“: die „Plauen“. Die Kapitäne der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft waren also gewarnt.

SS Lueneburg, German Australian Line 1912

Frachtdampfer „Lüneburg“, © R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Cuxhaven (1984).

Deviationsbestimmung

Am Nachmittag war das Wetter besser und Kapitän Richter führte eine Deviationsbestimmung durch:

Dazu folgender Tagebucheintrag:

3.30 bis 4.3 schwaiten zwecks Deviationsbestimmung

Anmerkung: schwaien, schwojen: die Lage verändern; hier: den Kurs ändern

log book steam ship Furth 1914

Logbuch der „Fürth“, nummerierte Seite 15 (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

 

Missweisung und Magnetkompassablenkung

Die Eintragung „schwaiten zwecks Deviationsbestimmung“ sei hier kurz erklärt. Dazu versuche ich zunächst eine kurze Einleitung zu geben.

Beim Steuern nach Kompass sind zwei verschiedene Abweichungen zu berücksichtigen.

Missweisung

Der geographische Nordpol ist nicht am gleichen Ort wie der magnetische Nordpol, deswegen zeigt der Kompass nach magnetisch Nord („missweisend Nord“) und nicht nach geografisch Nord („rechtweisend Nord“) und der Winkel zwischen beiden Richtungen ist die Missweisung. Der sogenannte rechtweisende Kurs muss also um diese Missweisung korrigiert werden. Der Wert kann der Seekarte entnommen werden, er ist für ein Revier oder Fahrtgebiet (ungefähr) gleich. Allerdings braucht man dazu aktuelle Karten, denn der magnetische Nordpol hat die Eigenschaft, mit der Zeit zu wandern.

Magnetkompassablenkung

Schwieriger gestaltet sich die Magnetkompassablenkung: Man kann sich leicht vorstellen, dass die Kompassnadel auf einem rund 120 Meter langen Schiffskörper aus Stahl einigermaßen stark abgelenkt wird. Die große Dampfmaschine und die Ladung des Schiffes, wenn sie denn eisenhaltig ist, beeinflussen die Nadel zusätzlich. Diese Magnetkompassablenkung oder auch Deviation genannt, ist der Unterschied zwischen einer Kompasspeilung und missweisend Nord. Anders als bei der Missweisung ist die Deviation aber für jeden gefahrenen Kurs unterschiedlich, denn die Wirkung auf den Steuerkompass kann sich je nach Kurs verstärken, abschwächen oder auch neutralisieren. Für gefahrene Kurse von 0° bis 360° erhält man daher eine sinusförmige Abweichungskurve.

Kapitän Richter ging es bei der Deviationsbestimmung vermutlich vorrangig um südliche Kurse, die ihn bis Südafrika begleiten sollten. Er änderte daher von 15.30 Uhr bis 16.03 Uhr mehrmals den (südlichen) Kurs, wahrscheinlich um jeweils 10° oder 15°. Zu jedem dieser Kurse hat er dann eine Seitenpeilung einer Landmarke notiert und in eine Steuertabelle geschrieben oder/und in einem Millimeterpapier grafisch aufgezeichnet.

Nach dieser Deviationsbestimmung konnte er dann ruhigen Gewissens von Lissabon nach Kapstadt fahren, eine Strecke auf der es, wie wir sehen werden, nur wenige Landmarken gab und auf der der richtige Kurs umso wichtiger war, um keine wertvolle Zeit zu verlieren.

So, ich hoffe, dass mir diese kurze Erklärung zur Navigation wasserfest gelungen ist. Falls Sie einen Fehler gefunden haben, bitte melden, konstruktive Kritik ist immer willkommen.

Logbook Furth 1914

Gesteuerter Kurs, Missweisung, örtliche Ablenkung (Deviation) und wahrer Kurs im Logbuch der „Fürth“, nummerierte Seite 15 (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

7. Mai 1914

Vor der Ankunft in Lissabon herrscht wieder dichter Nebel, Kapitän Richter musste beidrehen, loten und auf bessere Sicht warten. Um sich von der Küste freizuhalten, lässt er westliche Kurse steuern. Kurz nach Viertel nach acht ist dann Cap Roca in Sicht und die „Fürth“ kann in den Tejo zum Hafen Lissabon einlaufen:

fahren langsam, einzelne Nebelschwaden, leicht bewegte See

drehten bei in Hörweite v. Cap Roca.

Dichter Nebel. WNW Dünung

5.30 loteten 120 Mtr. 6.15 120 Mtr. ?, 8h 86 Mtr. ?

steuern westl. Kurse

Gaben Nebelsignale nach Vorschrift. Ausg. besetzt.

8.18 sichteten Cap Roca, 9.6 pass. Cuia F.T. N 87°O Abst. 2 ¼ sml

9.35 Ende d. Seereise
Lotse Francisco Manvez an Bord. 10.8 pass. Fort Bugio 11h Doktor Visite.
11.25 Ankerten mit St. B. Anker u. 70 Faden Kette. Ende d. Reise.

Anmerkungen:

Cap Roca = Leuchtturm Cabo da Roca (Farol de Cabo da Roca) liegt am westlichsten Punkt Portugals bei Sintra

Guia Lighthouse (Farol da Guia) in Cascais. Auf der alten Seekarte unten liegt der Farol de Guia oben links; westlich von der langgestreckten Bucht von Cascais. Cap Roca liegt außerhalb des Kartenausschnitts.

? unleserliche oder unklare Stelle im Text

 

Nächste Woche im Blog

Der Hafen von Lissabon und die lange Reise durch den Atlantik nach Südafrika.

Wir erfahren viel über die Routinearbeiten an Bord und lernen auch, dass es an Bord nicht immer friedlich zuging!

Begleiten Sie die „Fürth“ nach Kapstadt, in sieben Tagen an gleicher Stelle!

 

Copyright-Hinweis

Auf dem Logbuch ist ein © Copyright, das nach dem Zeitpunkt des Todes des Verfassers für 70 Jahre fortbesteht. Der erste Teil des Logbuches ist von Kapitän Richter, aber in großen Teilen auch von seinem ersten Offizier.

Kapitän Richter starb am 19. Februar 1917, somit sind die 70 Jahre lange abgelaufen. Jedoch ist mir für den ersten Offizier R. Hoffmann das Todesdatum nicht bekannt. Ich weise deshalb pflichtgemäß darauf hin, dass deshalb noch ein © Copyright auf dem Logbuch bestehen könnte.

Über alle Hinweise zu dem 1. Offizier R. Hoffmann bedanke ich mich herzlichst im Voraus. Bislang kann ich nur als Hinweis geben, dass er für diese Fahrt neu auf die „Fürth“ gekommen und im Sommer 1914 32 Jahre alt war: siehe Drei Mannschaftslisten der „Fürth“ aus dem Jahr 1914

Die ersten Folgen des Logbuchs der „Fürth“ finden Sie im Januar 2020.

 

 

Antwerp 1900 schelde Anvers escaut

Logbuch (6): Die „Fürth“ in Antwerpen

28. April bis 2. Mai 1914: 5 Tage laden

Bildnachweis Titelbild:
Antwerpen über die Schelde gesehen, ca. 1890-1900;
Quelle: commons.wikimedia.org/wiki/File:Antwerp_across_the_Scheldt,_photochrom.png

Ankunft der „Fürth“ in Antwerpen

Am 27. April 1914 war die „Fürth“ kurz vor dreizehn Uhr in Antwerpen angekommen und ankerte in der Schelde.

Der nächste Arbeitstag begann sehr früh. Um 3.20 Uhr lichtete die „Fürth“ den Steuerbordanker und erreichte mit Hilfe der beiden Schlepper „Herkules“ und „Herkules“ den Schuppen 19 am Kai St. Michel:

 

Dienstag d. 28. April 1914

3.20 am Anker auf, Schlepper „Herkules“ u. „Herkules“

5 h am Schiff fest am St. Michel Quai Schuppen 19. Ende der Reise

Tiefgang v. 16‘1‘‘, h. 19‘2‘‘

Rev. Zeit Schelde 1 Tag 0 Std. 25 min

 

Anmerkung:

Rev. Zeit Schelde 1 Tag O Std. 25 min: hier hat Kap. Richter die Zeit festgehalten, ab der der Lotse an Bord kam und die für das Befahren der Schelde bis zum Festmachen am Kai notwendig war, inklusive der Zeit als das Schiff vor Anker lag.

Schuppen 19 war offensichtlich der Lagerschuppen, welcher der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft von der Stadt Antwerpen fest zugewiesen worden war:

„… Im Anschluss daran gelang es von der Stadt einen festen Liegeplatz am Scheldekai zu erhalten. Dies war das wichtigste für die Linie.“
Quelle: Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Otto Harms (1933).

Löschen und Laden

Das Löschen und Laden begann dann um 7 Uhr morgens:

Dienstag, d. 28. April 1914. Schönes Wetter.

Löschen von 7 h am bis 10 h am mit 3 Gängen
Laden von 7 h am bis 10 h am mit 2 Gängen,
Laden von 10 h am bis 7 h pm mit 5 Gängen
Laden von 7.30 pm bis 7 h am 29./4 mit 2 Gängen
Bunkern von 7 h pm bis 2 h am 29./4. mit 1 Gang

Mannschaft machte Reinschiff

1 Kontrolleur u. 2 Decksleute an Land

Raumwache L1 van den Brands
Raumwache L2 III. Offz. Wodarz
Raumwache L.3 IV. Offz. Christiansen
Raumwache L.4. Gunthermann
Raumwache L5. II. Offz. Nagel

Nachts Raumwache L.2 Muchow
Nachts Raumwache L.4 de Kost
Aufsicht Nachts III. Offz. Wodarz bis 12h pm, II. Offz. Nagel bis 3.30 am 29/4, IV Offz. Christiansen bis 7 h am 29/4

Anmerkungen: Der (Ladungs-)Kontrolleur beim Beladen eines Schiffes wurde auch Tallymann genannt (engl. tallyman).

Die Raumwachen waren außer den drei Offizieren offensichtlich nicht Teil der Schiffsbesatzung, ihre Namen tauchen später nicht mehr auf.

Die gelöschte Ladung

Die von der „Fürth“ gelöschte Ladung ist aus einer Zeitungsmeldung bekannt. Es waren Umladungen aus Hamburg vom Schiff „Esslingen“, das auf der Heimfahrt den Hafen Antwerpen nicht angelaufen hatte, darunter Gambir (siehe: Gambir und Eucalyptusrinde), Ölkuchen, Gummi und Kopra:

BUREAUX DE MM. EIFFE & Co.
De Hambourg, st. allem. FÜRTH, cap. Richter.
Ex steamer ESSLINGEN, de Singapore :
160 sacs cubes gambier, à ordre.
De Pontianak :
1000 balles tourteaux, à ordre.
De Palembang :
40 caisses gomme, à ordre.
De Tellicherry :
920 sacs copra, à ordre.
Quelle: Lloyd Anversois, journal maritime émanant des courtiers de navires, 29. Apr 1914, hetarchief.be

Anwerp, port, stereophoto

Stereoaufnahme des Hafens in Antwerpen, 1905; © Stadsarchief Antwerpen, http://www.felixarchief.be, Referenznummer GP#8722

Mittwoch, 29. April 1914

Am Mittwoch, den 29. April 1914 wurde das Laden mit 3 – 5 Gängen fortgesetzt (in der Tat wurde rund um die Uhr geladen, wenngleich nachts auch mit weniger Gängen). Außerdem wurde die Liegezeit im Hafen dazu genutzt, die Funktionstüchtigkeit der Rettungsboote zu überprüfen:

Machten Bootsmanöver. Schwingen ST.B. u. B.B. Boote aus
Alles in Ordnung lt. Vorschrift d. S.B.G.

Anmerkungen:

ST.B., B.B.: Steuerbord und Backbord
S.B.G.: See-Berufsgenossenschaft

Das Ausschwingen der Boote musste nach §17 der Unfallverhütungsvorschriften der See-Berufsgenossenschaft alle drei Monate durchgeführt werden. Es wurde am 24. Juli 1914 im Hafen von Adelaide wiederholt.

Donnerstag, 30. April 1914 und Freitag, 1. Mai 1914

Das Laden wird jeweils mit drei bis fünf Gängen fortgesetzt. Am Freitag werden von 7 Uhr bis 16 Uhr zusätzlich mit 3 Gängen Kohlen gebunkert.

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag ist im Logbuch ein Missgeschick beim Laden notiert:

Um 2 h am 1/5 wurde von einem Mann d. Stauers der Ginblock von No. 4 Ladebaum abgefiert und fiel auf einen längsseit liegenden Leichter, diesen etwas beschädigend.

log book Furth 1914

Logbuch der „Fürth“, nummerierte Seite 9 (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

Anmerkungen:

Ein Ginblock ist eine Rolle eines Flaschenzugs; etwas abfieren heißt etwas an einem Tau herunterlassen.

 

De Koster schläft

In der Nacht vom Freitag auf Samstag findet sich dann der folgende Logbucheintrag:

Der Raumwächter de Koster wurde des Nachts schlafend im Raum aufgefunden. Nach einer Meldung an Herrn Kpt. Schütt (Inspektor) wurde p. p. Koster von diesem an Land geschickt und übernahm Matr. Wimmer die fragliche Wache.

Logbuch Dampfschiff Fürth

Logbuch der „Fürth“, nummerierte Seite 9 (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

 

Kapitän Schütt

Kapitän H. Schütt war als Inspektor der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft dauerhaft im Hafen von Antwerpen eingesetzt:

„In Antwerpen hatten wir seit Einführung des Fahrplans von 1911 ständig mindestens eines unserer Schiffe und es hat sich dabei als nützlich gezeigt, den Betrieb durch einen Inspektor überwachen zu lassen. Er konnte auch leicht nach Rotterdam und Amsterdam, wenn erforderlich, hinüberkreuzen. Dafür wurde Kapitän H. Schütt ausersehen, der Anfang 1912 seine Tätigkeit aufgenommen und sich sehr gut bewährt hat. Er ist dort noch tätig.“
Quelle: Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, O. Harms (1933).

 

 

Der Hafen von Antwerpen

Der Hafen Antwerpen war für viele deutsche Firmen im Westen oder Südwesten Deutschlands eine gute Alternative zu Hamburg, da er deutlich näher lag:

“By means of an adjusted rail-rates policy, the port of Antwerp could attract more cargoes (from the West and South-West Germany for instance) than before. Moreover, the Scheldt was 24 hours closer, within reach a day earlier than the Weser or the Elbe. Time saving on account of the location, as well as the rapid dispatch of goods were obvious advantages, especially in boom periods.”

Es war also logisch, dass sich die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) ein starkes Standbein in Antwerpen aufgebaut hatte und zum starken Wachstum des Hafens beitrug. Auch die umfangreiche Ladetätigkeit der „Fürth“ ist ein Beleg dafür.

„…it should be noted that shortly before World War I broke out, one out of four incoming ships sailed under German flag.”

Für einen schnellen Transport von Ex- und Importgütern zwischen dem Westen Deutschlands und Antwerpen sorgten Züge auf dem sogenannten „Eisernen Rhein“, einer 1879 in Betrieb genommenen Bahnstrecke zwischen Rheydt (Mönchengladbach) und Antwerpen.

„In conclusion it can be stated that ocean shipping from Antwerp received a strong impetus from the presence of the German shipping companies.”
Die drei Zitate stamen aus: German Ocean Shipping and the Port of Antwerp, 1875-1914, An Introduction, G. Devos, aufgerufen unter vliz.be (Platform for Marine Research, Flanders Marine Institute, Oostende).

E. Eiffe und Co.

Entscheidenden Anteil an der starken Stellung der DADG in Antwerpen hatte die Fa. E. Eiffe & Co., die Vertreter der Reederei in Antwerpen war:

„Der Vertreter der DADG in Antwerpen, Ernst Eiffe, hatte mit der belgischen Regierung, einen Vertrag über regelmäßige Abfahrten aus Antwerpen geschlossen. Die DADG hatte im Anschluss von der Stadt einen festen Liegeplatz am Scheldekai erhalten.“
Quelle: Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, O. Harms (1933).

Ernst Eiffe Antwerpen Antwerp Anvers 1858 - 1914

Ernst Eiffe, 1858-1914; © Neptune, Journal maritime et commercial, constructions navales, intérêts de la batèllerie etc., Anvers, 28. Feb 1914 ; hetarchief.be

Der Firmengründer Ernst Eiffe starb im Februar 1914 und im Nachruf vom 28. Februar 1914 in der Antwerpener Zeitung Neptune erfahren wir einiges über sein Leben:

Ernst Eiffe wurde 1858 in Hamburg geboren und kam schon 1873 nach Antwerpen, um bei Mogin, Straetman & Cie. das Reedereigeschäft zu erlernen. 1886 gründete er mit seinem Bruder sein eigenes Unternehmen.

Eiffe & Co. war Agent der Deutsch Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, der Hamburg-Amerika Linie, der Hamburg-Südamerikanischen Dampfschiffahrts-Gesellschaft, des Süd-Brasil Dienstes, der Empreza Nacional de Navegaçâo, der Empreza Insulana de Navegaçâo und der Mediterranean Line.

Desweiteren war Eiffe & Co. Eigner der Schifffahrtslinie Eiffe & Co und Repräsentant der Reederei J. H. Koenigsfeld. sowie der Deutsch-Südamerikanischen Telegraphengesellschaft A. G., Köln.

Nach seinem Tod führten seine Partner das Geschäft fort und ein zweiter Sohn, Rudolf, wurde neuer Teilhaber.

Der vollständige Artikel aus Neptune mit zusätzlichen Informationen ist untenstehend im Original beigefügt.
(Quelle: http://www.hetarchief.be)

Nächste Woche im Blog

Die Abfahrt aus Antwerpen am Samstag, den 2. Mai 1914.

Auf der Fahrt nach Lissabon kommt die „Fürth“ vor der Bretagne in schwere See und vor der Iberischen Halbinsel in dichten Nebel. Die Ankunft in Lissabon erfolgte daher mit etwas Verzögerung.

Außerdem führt Kapitän Richter auf diesem Fahrtabschnitt eine Deviationsbestimmung durch. Mehr zur Nautik auf der „Fürth“ nächste Woche im Blog!

rigging

Nachtrag: Der Artikel über Ernst Eiffe im Originalwortlaut

Nécrologie
La mort de M. Ernst Eiffe

Feu Ernst EIFFE senior.
La nouvelle de la mort de M. Ernst Eiffe, le chef de la firme Eiffe & Co, connue en Bourse vendredi, y a jeté la consternation. On savait M. Eiffe souffrant depuis quelque temps, mais on était loin de s’attendre à un dénouement aussi soudain.

Ernst Eiffe tenait dans le monde des affaires maritimes un très grand rôle, et la firme qu’il fonda est actuellement une des plus importantes de la place. M. Ernst Eiffe était un homme d’affaires actif, entreprenant, éclairé et probe. Il ne comptait que des amis. Tout le monde est d’accord pour dire que le commerce maritime de la place fait en Monsieur Ernst Eiffe une perte sérieuse. M. Ernst.Eiffe est mort à Cannes où il se trouvait en compagnie de son frère. Voici quelques notices biogi-aphiques. M. Eiffe est né à’Hambourg en 1858 et vint s’établir de bonne heure à Anvers, en 1873. Il entra à cette date dans la maison Mogin-Straetman & Co, qu il quitta pour créer en 1886 avec son frère la firme Eiffe & Co. La firme Eiffe comprenait comme associés MM. Ernst Eiffe senior, Grossbodt, E. Eiffe junior, Rohlsen. La firme est l’agence générale de la Deutsch Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, de la Hamburg-Amerika Linie, de la Hamburg-Sudamerika-nische Dampfschifffahrts-Gesellschaft et Hamburg-Amerika Linie, Süd-Brasil Dienst, de l’Empreza Nacional de Navegaçâo, de l’Empreza Insulana de Navegaçâo, de la Mediterranean Line; elle possède la ligne Belgo-hollandaise Eiffe & Co et représente l’armement J. H. Koenigsfeld. Elle a créé une succursale au Katanga et elle représente la Deutsch-Südamerikanische Telegraphengesellschaft A. G., de Cologne.

La maison a un département d’expéditions très important, un département d’assurances maritime et incendie, un département combustibles et un département d’huiles minérales, représentant l’Europäische Petroleum-Union G. m. b. H., de Berlin, la Société Belgo-hollandaise des pétroles, de Bruxelles, la Steaua Romana, Act. Ges. für Petroleum-Industrie, de Bucarest, la The Roumanian Oil Trading Co. Ltd., de Londres.

Eiffe, qui a la grande naturalisation depuis 1897, était chevalier de l’ordre de Léopold et chevalier de l’ordre de l’Aigle rouge.

La disparition de M. Ernst Eiffe n’amènera aucune modification dans la firme, sauf l’entrée comme associé de M. Rudolf Eiffe, le fils puîné du regretté défunt.

Ce n’est pas seulement dans le monde des affaires mais aussi dans le monde de la bienfaisance que M. Eiffe avait pris une place prépondérante. C’était un homme d’affaires accompli mais avant tout un homme de grand cœur.

Nous présentons à ses enfants qui l’idolâtraient et a ses collaborateurs, nos sentiments les plus sincères de condoléances.

Copyright-Hinweis

Auf dem Logbuch ist ein © Copyright, das nach dem Zeitpunkt des Todes des Verfassers für 70 Jahre fortbesteht. Der erste Teil des Logbuches ist von Kapitän Richter, aber in großen Teilen auch von seinem ersten Offizier.

Kapitän Richter starb am 19. Februar 1917, somit sind die 70 Jahre lange abgelaufen. Jedoch ist mir für den ersten Offizier R. Hoffmann das Todesdatum nicht bekannt. Ich weise deshalb pflichtgemäß darauf hin, dass deshalb noch ein © Copyright auf dem Logbuch bestehen könnte.

Über alle Hinweise zu dem 1. Offizier R. Hoffmann bedanke ich mich herzlichst im Voraus. Bislang kann ich nur als Hinweis geben, dass er für diese Fahrt neu auf die „Fürth“ gekommen und im Sommer 1914 32 Jahre alt war: siehe Drei Mannschaftslisten der „Fürth“ aus dem Jahr 1914

Die ersten folgen des Logbuchs der „Fürth“ finden Sie im Januar 2020.

 

 

 

 

 

elb mouth 1910

Tagebuch der „Fürth“ (5): von Hamburg nach Antwerpen

Küstenfahrt mit vielen Peilungen

Am 25. April 1914 um 19.05 Uhr legte die „Fürth“ vom Australiakai im Hamburger India-Hafen ab. Assistiert von den Schleppern „Emil“ und „Johanna“ und dem Hafenlotsen Kraeft ging es durch den Hamburger Hafen. Um 19.30 Uhr wurde der Hafenlotse von einem Seelotsen abgelöst, der die Steueranweisungen die Elbe flussabwärts bis hinter Cuxhaven gab.

Bildnachweis Titelbild:

Karte der Elbmündung aus Baedeker „Northern Germany as far as the Bavarian and Austrian Frontiers; Handbook for Travellers“ by Karl Baedeker. Fifteenth Revised Edition. Leipzig, Karl Baedeker; New York, Charles Scribner’s Sons 1910; Quelle: commons.wikimedia.org ; Map elbe mouth 1910.jpg; „Courtesy of the University of Texas Libraries, The University of Texas at Austin.“ http://www.lib.utexas.edu/maps/map_sites/hist_sites.html

Ganz oben links im Bild: die Insel Helgoland; direkt über dem 54sten Breitengrad befinden sich die Eintragungen für die beiden Feuerschiffe Elbe I und Elbe II (siehe unten)

1914 den 26ten April

Tagebuch des deutschen Schiffes Fürth auf der Reise von Hamburg nach Antwerpen

 

Steuern auf Lotsenweisung

1.22                pass. Cuxhaven

1.50                Elbe 5

2.18                Elbe 4

2.22                Lotse von Bord

2.38                pass. Elbe 3

2.55                Elbe 2

3.20                pass. Elbe 1 an B.B. ½ sml ab.
Anfang der Seereise. Bewegte See.

Wind NNW, Stärke 4, bew., Barometer 777,7, 15,8 Grad

 

Anmerkungen:

Elbe 5 bis Elbe 1: ehemalige Feuerschiffe an der Elbmündung; Elbe 1 war die äußerste Station im Nordwesten.

Informationen zu den Elbe-Feuerschiffen und ihre detaillierte Geschichte finden Sie auf der schönen Seite www.baken-net.de. Das letzte Feuerschiff Elbe 1 war bis 1988 bemannt und wurde erst dann durch ein unbemanntes Schiff ersetzt. Heute ist dieses letzte bemannte Elbe 1 Schiff „Bürgermeister O’swald II“ ein Museumsschiff und wird durch einen Verein betreut: Den Blog des Vereins finden Sie hier: https://www.elbe-1.de/

Kapitän Richter machte zu Beginn einer Fahrt stets zwei Eintragungen: „Schiff los“ und/oder „Anfang der Reise“ beim Ablegen des Schiffes im Hafen und anschließend „Anfang der Seereise“ in dem Moment, in dem das Schiff das Fluss-/Hafenrevier verließ und auf offener See fuhr.

Der deutschen Küste entlang

Bis zum Mittag wurden weitere markante Punkte an der deutschen Küste passiert:

4.15                Helgoland F. Pos. N 8°W pass.

4.20                Weser F.S. 4 str. an B.B. Bewegte See.

4.42                Weser F.S. quer Pos. S 8° O 4 sml ab.

6.37                Norderney F.S. Pos. S 8° O ¾ sml ab.

 

11.2                Borkum Riff F.S. Pos. S 4° O ½ sml ab. Bewegte See.

 

Anmerkung

ab steht für querab und bezeichnet den Moment, in dem das beschriebene Seezeichen passiert wurde (90° Winkel zur Fahrtrichtung).

Heligoland 1910

Die Insel Helgoland im Jahr 1910, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Map_helgoland_1910.jpg

 

Die Logbucheintragungen am Mittag

Am Mittag des 26. April 1914 finden sich folgende Eintragungen im Schiffstagebuch:

Breite nach Peilung: 53° 44‘ N und Länge nach Peilung: 5° 48‘ O, der Stand des Chronometers und die Reisezeit: O Tage 16 h 55 min in See.

Zu den täglichen Eintragungen zur Mittagszeit gehörte auch die zurückgelegte Distanz, wobei zwischen Revierdistanz (Rev. D.) und Seedistanz (See D.) unterschieden wurde. Die Revierdistanz auf der Elbe war in diesem Fall 76 Seemeilen, also vom Ablegen in Hamburg bis zum Passieren des Feuerschiffs Elbe 1. Die Seedistanz, also die Fahrt auf dem offenen Meer, betrug 90 Seemeilen, zusammen 166 Seemeilen.

log book Furth 1914

Schiffstagebuch der „Fürth“, nummerierte Seite 6, Ausschnitt, mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

Unterschrieben sind die Eintragungen von Kapitän W. Richter und dem Steuermann (1. Offizier/Chief Mate) R. Hoffmann.

In den Niederlanden

Am Nachmittag folgen Eintragungen von der niederländischen Küste:

1.10       Ameland F.T. Pos. S 23° O 12 sml ab

2.5         Brandari Pos. S 11° O
Ameland Pos. S 57 ° O

Anmerkung: Beide Positionen sind im Logbuch in anderer Reihenfolge eingetragen worden, dieser Eintrag wurde dann mit zwei Pfeilen korrigiert

3.10       Terschelling F. S. an B.B. nahe bei

Bootsrolle, Feuerrolle und sonstige Bekanntmachungen (?) wurden ausgehängt

6.15 ? Haaks F.S. Pos. S24W

6.46 Haaks F.S. an B.B. pass. 0,7 sml ab

Anmerkungen:

Ameland und Terschelling gehören zu den Westfriesischen Inseln,

Brandari (= eigentlich Brandaris) ist ein Leuchtturm auf Terschelling

F.T. Feuerturm (Leuchtturm), F.S. Feuerschiff

(?) unleserliche oder unklare Stelle im Text

Brandaris, Terschelling, Leuchtturm

Der Leuchtturm Brandaris auf Terschelling ist der älteste Leuchtturm der Niederlande, der heutige Turm ist aus dem Jahr 1594. Gemälde des niederländischen Malers Carl August Breitenstein (1864-1921) Quelle: commons.wikimedia.org/wiki/File:Carl_August_Breitenstein_-_De_Brandaris_op_Terschelling_-_0394_-_Rijksmuseum_Twenthe.jpg

 

Bootsrolle und Feuerrolle

Die Boots- und die Feuerrolle gehörten zu den Sicherheits- und Rettungsvorschriften an Bord:

„Die gesamte Schiffsbesatzung ist nach einer Bootsrolle auf die Boote und Klappboote ein- zuteilen, und an jedem Boot müssen die Nummern der dafür bestimmten Leute angeschlagen sein. Offiziere und Unteroffiziere sind auf die Boote gleichmäßig zu verteilen.“ (§ 54 Einteilung der Besatzung, Auszug aus dem Gesetz über das Auswanderungswesen; Quelle: Hilfsbuch für den Schiffsbau: https://link.springer.com/content/pdf/bbm%3A978-3-642-50701-4%2F1.pdf)

„Feuerrolle: beschreibt genau festgelegte Übungen für die Besatzung zur Bekämpfung der Gefahren auf See. Jeder Mann hat dabei bestimmte Aufgaben an bestimmten Stellen zu erfüllen. Die Feuerrolle ist Teil der Schiffsrolle, die wiederum der Dienstplan und die Wacheinteilung der gesamten Besatzung eines Schiffes in See ist.“
Quelle: http://www.grosse-seefahrt.de/lexikon/Feuerrolle/

Zu den sonstigen vorgeschriebenen Aushängen auf den Schiffen gehörten die Seemannsordnung und die Unfallverhütungsvorschriften der See-Berufsgenossenschaft.

Die DADG hatte zusätzliche Bekanntmachungen über die Handhabung der persönlichen Gegenstände, die Überstunden, des Landurlaubs, einen Aushang für Beschwerden über Beköstigung und das Rauchen an Deck (Quelle: Schiffstagebuch „Neumünster“, nummerierte Seite 3, State Archives of Western Australia).

Weiter ging die Fahrt die niederländische Küste entlang:

10.13 ? Scheveningen Pos. S 39° O u. Ymuiden N ?

11.10 bis 11.30  nahmen Seelotsen Koosmann an Bord

11.30     wieder volle Kraft

Anmerkungen:

Ymuiden (IJmuiden) liegt am Nordseekanal, hier ist die Schleuse für den Zugang zum Hafen Amsterdam

Schevenigen gehört zu Den Haag

Der Seelotse kam für die Passage an den Rheinmündungsarmen Waal und Lek an Bord.

 

27. April 1914

Die erste Eintragung für den 27. April 1914 ist dann das Passieren der Insel Schouwen kurz vor 2 Uhr nachts:

 

1.47 pass. Schouwen Bk F.S. an St.B. ¼ sml ab

2.45 pass Steenbark Boje an B.B. ¼ sml ab

 

Bei Vlissingen kam ein Lotse für die Fahrt auf der Schelde an Bord:

 

Steuerten nach Lotsenanweisung

Ende der Seereise

4.35 pass. Vlissingen, Lotse Vymmels an Bord

6.00 pass. Termuzen

7.15 Ankerten mit St.B. Anker und 40 Faden Kette im Mittelgatt

Tiefgang v. 16‘2‘‘, h. 18‘11‘‘

10.15 am Anker auf

0.57 pm ankerten unterhalb Antwerpen mit St.B. Anker und 30 Faden Kette

Wache 1 Offz. u. 1 Mann Wache

Die Schiffsapotheke u. die Sanitären-Ausrüstungen (?) wurden von mir persönlich überholt u. vollzählig u. den Gesetzen entsprechend gefunden. W. Richter (Unterschrift)

 

Anmerkungen:

Schouwen: Schouwen-Duiveland ist eine niederländische Insel

Vlissingen: Niederländische Stadt an der Mündung der Westerschelde

1 Faden (nautischer Faden) entspricht 6 Fuß oder 1,8288 m.

Die Überholung der Arzneimittel hatte nach der Bekanntmachung betr. Krankenfürsorge auf Kauffahrteischiffen, § 16 alle drei Monate durch den Kapitän zu erfolgen. Nach § 15 der gleichen Bekanntmachung waren sie zusätzlich einmal im Jahr durch einen Arzt zu überholen.

Eine erneute Kontrolle der Bordapotheke durch Kapitän Richter erfolgte am 22. Juli 1914 im Hafen von Melbourne.

 

Mittags, den 27. April 1914

Über die zurückgelegte Distanz gibt es zwei Einträge

166 Seemeilen (Distanz vom Vortag) + See Dist. 178 sm + Rev. Dist. 48 sm: Total 392 sm

Die angegebene Revierdistanz von 48 Seemeilen betrifft die Fahrt auf der Schelde.

Zuträglich gibt diese Eintragung:

Rev. Dist. Elbe 76 sml
Rev. Dist. Schelde 48 sml = 124 sml
Seedistanz 268 sml

Durch die langen Distanzen auf Elbe und Schelde war die Durchschnittsfahrt nur 10,6 Knoten.

Zu Buch gebracht wurde zu diesem Zeitpunkt auch die Fahrtzeit mit diesen Einträgen:

Anfg. d. Seereise 26/4 3.20 am
Ende d. Seereise 27/4 4.35 am
Dauer der Seereise 1 Tag 1 h 15 m
Zeitunterschied + 0 h 19 min
Übernahme des Lotsen – 0 h 20 min
wahre Dauer d. Seereise 1 Tag 1 h 14 min

 

Nächste Woche im Blog

Die „Fürth“ lag also ab 12.57 Uhr in der Schelde auf Reede. Der nächste Tag, der 28. April 1914, sollte für die Besatzung sehr früh beginnen, zwei Schlepper kamen um 3.20 Uhr früh und brachten die „Fürth“ an den Scheldekai Quai St. Michel.

Dort begann um 7 Uhr das Löschen von Ladung und zeitgleich die Aufnahme von neuer Ladung und Bunkerkohlen. Es wartete viel Ladung am Kai, denn der Ladevorgang sollte von Dienstag bis Samstag andauern.

Außerdem: ein Bootsmanöver, ein Missgeschick beim Laden, eine schlafende Wache, Informationen zum Hafen Antwerpen und zur Firma Eiffe & Co., dem Makler der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft in Antwerpen.

 

Copyright-Hinweis

Auf dem Logbuch ist ein © Copyright, das nach dem Zeitpunkt des Todes des Verfassers für 70 Jahre fortbesteht. Der erste Teil des Logbuches ist von Kapitän Richter, aber in großen Teilen auch von seinem ersten Offizier.

Kapitän Richter starb am 19. Februar 1917, somit sind die 70 Jahre lange abgelaufen. Jedoch ist mir für den ersten Offizier R. Hoffmann das Todesdatum nicht bekannt. Ich weise deshalb pflichtgemäß darauf hin, dass deshalb noch ein © Copyright auf dem Logbuch bestehen könnte.

Über alle Hinweise zu dem 1. Offizier R. Hoffmann bedanke ich mich herzlichst im Voraus. Bislang kann ich nur als Hinweis geben, dass er für diese Fahrt neu auf die „Fürth“ gekommen und im Sommer 1914 32 Jahre alt war: siehe Drei Mannschaftslisten der „Fürth“ aus dem Jahr 1914

Die ersten folgen des Logbuchs der „Fürth“ finden Sie im Januar 2020.