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Der Bielbrief der „Fürth“ und die Eintragung ins Schiffsregister

Originaldokumente aus dem Jahr 1907

Staatsarchiv Hamburg

Im Staatsarchiv Hamburg konnte ich bei den Seeschiffsregisterakten die Akte des „Schraubendampfers Fürth“ ausfindig machen. Die Akte enthält zahlreiche Originaldokumente aus der Registrierungsphase der „Fürth“ sowie den dazugehörigen Schriftverkehr zwischen der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, dem Kaiserlichen Vermessungsamt und der Schiffsregisterbehörde in Hamburg.

Erleichtert wurde die Einsichtnahme der Akte durch einen Kopierservice, den das Staatsarchiv Hamburg in Kooperation mit den Elbe-Werkstätten, einer gemeinnützigen, anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen, anbietet. Das ist eine gute Alternative zu einer persönlichen Fahrt in den Lesesaal, der von mir aus stolze 1300 Kilometer entfernt ist.

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Antrag der DADG zum Eintrag der „Fürth“ in das Schiffsregister; © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Das Antragsschreiben

Das hier abgebildete Antragsschreiben der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft ist adressiert an die „Deputation für Handel und Schifffahrt“ in der Schiffsregister-Behörde Hamburg.

Das vom 13. August 1907 datierte Scheiben lautet:

D. “Fürth“
Wir beantragen ergebenst die Eintragung dieses für uns bei der Flensburger Schiffsbau-Gesellschaft in Flensburg gebauten Dampfers und fügen zu diesem Zweck die vorgeschriebene Anzeige und Bielbrief hier bei.
Gleichzeitig ersuchen wir um Ausfertigung eines Schiffs-Zertifikats sowie Auszuges aus demselben und baldmöglichste Überlassung des deutschen Messbriefes.
Hochachtungsvoll

Unterzeichner sind Direktor Harms und ein Prokurist: ppa. Oppermann.

Unter den Unterschriften findet sich ein Zusatz des Adressaten: Unterschriften und Vertretungsbefugnis sind amtlich bekannt.

In der Schiffsregisterakte im Staatsarchiv befinden sich ebenfalls die im Brief erwähnten Anlagen: Die sogenannte Anzeige und der Bielbrief.

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Titelseite der Anzeige für die Eintragung der „Fürth“ ins Schiffsregister; © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Die Anzeige

Bei der sogenannten Anzeige handelt es sich um ein vierseitiges Formular, das bei der Beantragung der Eintragung in das Register für Seeschiffe ausgefüllt werden musste. Es enthält Angaben über die Schiffsgattung („Schraubendampfer“), die Maschinenleistung (2200 indizierte Pferdestärken), das Baumaterial (Stahl), den Namen des Erbauers (Flensburger Schiffsbau-Gesellschaft), den Erbauungsort (Flensburg), das Erbauungsjahr (1907) und den Heimathafen (Hamburg).

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Seite 2 der Anzeige für die Eintragung der „Fürth“ ins Schiffsregister; © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Als Reederei ist die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft eingetragen mit dem Verweis auf die letzte Registereintragung, den Dampfer „Neumünster“.

Anmerkung: Das Schiff „Neumünster“, ein Schwesterschiff der „Fürth“, wurde drei Monate zuvor, im Mai 1907, an die Reederei abgeliefert.
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Seite 3 der Anzeige für die Eintragung der „Fürth“ ins Schiffsregister; © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Auf der vierten Seite ist ausgewiesen, dass es sich um einen Neubau handelt und es wird auf den Bielbrief vom 3. August 1907 verwiesen (siehe unten).

Im Hinblick auf den Lebenslauf von Kapitän C. B. Saegert, dem ersten Schiffsführer der „Fürth“, ist interessant zu erfahren, dass sein Wohnort mit Rostock angegeben ist. Ein Hinweis, der uns mehr über die Identität des Kapitäns verraten kann (Kapitän C. B. Saegert – eine Würdigung). Außerdem ist die Besatzung der „Fürth“ mit vierzig Personen angegeben und wir erfahren, dass die „Fürth“ zwei Chronometer an Bord hatte.

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Seite 4 der Anzeige für die Eintragung der „Fürth“ ins Schiffsregister; © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Der Bielbrief

Laut Brockhaus‘ Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1, Leipzig 1911, S. 203 ist ein Bielbrief oder Beilbrief bzw. Bylbrief ein „obrigkeitliches Zeugnis über Ursprung (gesetzmäßig ausgeführten Bau), Gattung, Größe und Tragfähigkeit eines Schiffs“ (Quelle: http://www.zeno.org/nid/20000957712)

Im Bielbrief der „Fürth“ bescheinigt die Werft, die Flensburger Schiffsbau-Gesellschaft, den Neubau des Dampfers und dessen Eigentumsübergang an die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft.

Dabei wird das Baumaterial angegeben (Stahl), die Dimensionen des Schiffs und die Bauzeit. Die Tragfähigkeit der „Fürth“ wird in einem anderen Dokument angegeben, dem Messbrief, auf den wir noch zurückkommen.

Unterzeichnet wurde der Bielbrief vom Direktor der Flensburger Schiffsbau-Gesellschaft, Thomas Bredsdorff und dem Prokuristen Adolf Jacobsen in Anwesenheit des Notars Christian Petersen, einem Notar aus Flensburg im Bezirk des Königlich Preußischen Oberlandesgerichts zu Kiel. Das Unterzeichungsdatum ist der 3. August 1907. Er ist damit derzeit das älteste von der „Fürth“ vorliegende Original-Dokument.

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Bielbrief der „Fürth“; © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Die Notargebühren für die Beurkundung des Bielbriefes der „Fürth“ gehen aus einem Rechnungsstempel in der linken unteren Ecke der Urkunde hervor: 57,40 Mark laut geltender Gebührenordnung, 1,50 Mark als Stempelgebühren und 10 Pfennig Schreibgebühren, was sich zu Notargebühren in Höhe von 59,00 Mark addierte.

Zum Vergleich: Ein Bauarbeiter in Kiel hatte 1907 einen Wochenlohn von 27,00 Mark bei einer Arbeitswoche von wohlgemerkt 54 Stunden (Quelle: Arbeitslohn und Arbeitszeit in Europa und Amerika 1870–1909, Rene Kuczynski, S. 693, abgerufen über books.google.fr).

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Bielbrief der „Fürth“, Notarstempel; © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Bevor die „Fürth in das Register für Seeschiffe eingetragen werden konnte, musste allerdings noch ein weiteres Dokument vorliegen: Der Messbrief.

Hinweis: Erstveröffentlichung dieses Artikels am 23. März 2019.

distances Europe Australia in nautical miles

Die weiten Reisen des Dampfschiffes „Fürth“

54000 Kilometer in fünf Monaten

Titelbild: Entfernungstabelle Linie 2 aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Vor der kommenden Feriensaison zeige ich Ihnen heute eine Entfernungstabelle der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) aus dem Jahr 1914.

Sie kennen diese Art von Tabellen vielleicht noch aus dem Pränavizän, also dem Erdzeitalter vor der Erfindung des Navigationsgerätes, als ein Autoatlas zur Standardausrüstung für die automobile Urlaubsreise gehörte.

Mein betagtes Exemplar von der Kraftstofffirma mit der Muschel weist beispielsweise für die Reise von Hammerfest nach Malaga stolze 5533 Straßenkilometer aus.

Mit ungleich größeren Entfernungen rechnete die DADG in ihren Entfernungstabellen.

Die Tabelle der DADG aus dem Jahr 1914

Wie es sich für eine Reederei gehört, sind alle Entfernungen in Seemeilen (= nautische Meilen) angegeben, das heißt, für eine Angabe in Kilometern muss jeder Wert mit 1,852 multipliziert werden (1 Seemeile entspricht 1852 Meter).

Die Gesamtdistanz einer gut fünfmonatigen Rundreise von Hamburg nach Hamburg, in der Tabelle 29245 Seemeilen, entspricht also gut 54000 Kilometern. Die Strecke Hammerfest-Malaga würde dagegen, in Seemeilen ausgedrückt, auf 2988 Seemeilen zusammenschrumpfen.

Zugegebenermaßen habe ich die umfangreichste Tabelle mit den weitesten Entfernungen herausgesucht (Linie 2 der DADG), aber die anderen Übersichten stehen diesem Tableau nicht viel nach.

Warum der Text in Englisch ist, habe ich hier erklärt: Die Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft 1914

distances Europe Australia in nautical miles

Entfernungstabelle Linie 2 aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Die Häfen der Linie 2

Von links nach rechts sind die Häfen in der Reihenfolge angegeben, wie sie auf der Linie 2 der Reederei angelaufen wurden: von Europa über Südafrika nach Australien. Sydney war die „Endhaltestelle“. Von dort ging es zurück über Süd- und Westaustralien, also Port Adelaide und Fremantle nach Batavia (Jakarta).

Anmerkung: In Klammern habe ich die heute gültigen Namen der Städte gesetzt.

Die weiteren Häfen auf Java waren Samarang (Semarang), Soerabaya (Surabaya) und Tjilatjap (Cilacap). Anschließend liefen die Schiffe in die beiden britischen Besitzungen, die Strait Settlements Singapur und Penang auf der Malayischen Halbinsel und von dort an die indische Malabarküste nach Cochin (Kochi). Zu Cochin siehe: Das Dampfschiff „Fürth“ an der indischen Malabarküste

Suez (Sues) und Port Said schließlich sind die beiden Endpunkte des Suezkanals, bevor Marseille der erste europäische Hafen auf der Rückreise war (in der Tabelle wird die englische Schreibweise Marseilles verwendet).

Durch den Umweg über Südostasien wuchs die Entfernung zwischen Sydney und Hamburg auf 15335 Seemeilen an. Auf der Hinreise waren es dagegen „nur“ 13910 Seemeilen, obwohl die Reise um den Afrikanischen Kontinent herumlief.

Eine andere Tabelle (Linie 1) weist für die direkte Rückreise von Sydney über Colombo nach Hamburg eine Entfernung von 12790 Seemeilen aus (siehe Abbildung).

Distances in nautical miles, Europe, Australia

Entfernungstabelle Linie 1 aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Nah und fern

Die kürzeste Entfernung in der Tabelle ist die von Suez nach Port Said mit 87 Seemeilen, was der Länge des Suezkanals zur damaligen Zeit entspricht (genau waren es 87,7 Seemeilen oder 162,5 Kilometer).

Die weitesten Distanzen, die das Schiff zwischen zwei Häfen ohne Landberührung zurücklegte, waren die Strecke Antwerpen – Kapstadt (6250 Seemeilen) und East London (Südafrika) nach Fremantle (Westaustralien, 4320 Seemeilen).

In Zeit ausgedrückt dauerte die Reise von Antwerpen nach Kapstadt etwa 3 ½ Wochen, die von East London nach Fremantle rund 2 ½.

Es kam aber auch vor, dass die Strecke Antwerpen – Fremantle (oder Melbourne) nonstop zurückgelegt wurde. Die Mannschaften blieben dann sechs Wochen oder mehr ohne Landberührung (und ohne Nachrichten, wenn keine drahtlose Telegrafie an Bord war – heute unvorstellbar!).

United Tyser Line

Interessant finde ich auch die Tabelle der United Tyser Line, einer Gemeinschaftslinie aus DADG, DDG Hansa (Bremen) und der Tyser Line Ltd. (London). Von New York nach Sydney (über Südafrika) legten die Frachtdampfer eine Strecke von 14010 Seemeilen, knapp 26000 Kilometer zurück. Nicht in der Tabelle verzeichnet ist Durban in Südafrika, ein Hafen der zwischen New York und Fremantle zur Aufnahme von Bunkerkohlen angelaufen wurde.

United Tyser Line, distances

Entfernungstabelle United Tyser Line aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Zurückgelegte Gesamtdistanz

Für das Dampfschiff „Fürth“ habe ich versucht, die zurückgelegten Seemeilen abzuschätzen, die das Schiff von der Jungfernfahrt im August 1907 bis zum Ersten Weltkrieg bei der Festsetzung in Colombo (August 1914) zurückgelegt hat.

Allein sechsmal bediente das Schiff die in der Entfernungstabelle angegebene Linie 2.

Bei insgesamt fünfzehn durchgeführten Reisen komme ich an Hand der Entfernungstabellen und mit zusätzlicher Ergänzung einiger Strecken durch die Internetseite searoutes.com auf etwa 425 000 Seemeilen oder 787 000 Kilometer.

Zurück zu eingangs erwähnter Strecke: die Distanz von Hammerfest nach Malaga hätte das Schiff in den sieben Jahren insgesamt mehr als 142-mal zurückgelegt.

Anders ausgedrückt hat die „Fürth“ in dieser Zeit die Erde über neunzehnmal umrundet.

Auf das Kalenderjahr gerechnet gibt das eine Fahrdistanz des Dampfschiffes „Fürth“ von 61 000 Seemeilen oder 112 000 Kilometern.

Bei einer angenommenen Durchschnittsgeschwindigkeit von 10,5 Knoten dürfte das Schiff im Schnitt somit rund 242 Tage pro Jahr auf See gewesen sein.

Wenn man bedenkt, dass das Be- und Entladen vor Erfindung des Containers eine aufwändige Angelegenheit war, ist das eine gute Auslastung.

steam ship Furth, 10th travel to Australia

Beispiel für eine Linienfahrt der „Fürth“ auf der Linie 2 der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft; eigene Tabelle; jedes Datum ist durch mindestens eine Zeitungsmeldung belegt

Zuverlässige Dampfmaschine

Die Maschinisten der „Fürth“ müssen gute Arbeit geleistet haben, denn in den sieben Jahren ist kein einziger Maschinenschaden dokumentiert, zumindest keiner, der eine lange Verzögerung bedeutet hätte und eine Meldung in den damaligen Tageszeitungen wert gewesen wäre.

SS Great Britain Bristol, engine room

SS Great Britain, Maschinenraum, Bristol (England), eigene Aufnahme Februar 2019

Allgemeine Gültigkeit

Die vorgestellten Werte dürften ein Durchschnitt gewesen sein, der für alle anderen Schiffe der Reederei ebenfalls Gültigkeit hat. Die Höchstgeschwindigkeit der Schiffe lag sehr einheitlich zwischen 11,5 und 12,5 Knoten (21,30 -23,15 km/h).

Mit einer Maschinenleistung von 2200 PS lag die „Fürth“ zu Beginn des Jahres 1914 bereits am unteren Ende der Skala aller eingesetzten Schiffe, neuere Frachtdampfer ähnlicher Baugröße hatten bereits 3100 PS, die großen Schiffe bis zu 4500 PS.

Auch alle anderen Frachtschiffe der großen deutschen Reedereien im Überseeverkehr (HAPAG, Norddeutscher Lloyd, DDG Hansa oder Hamburg Süd) dürften um das 1910 auf ähnliche Werte gekommen sein.

Für Kombi- oder Passagierschiffe galten andere Werte, diese Schiffe waren deutlich schneller unterwegs und konnten dementsprechend größere Distanzen bei gleicher Fahrzeit zurücklegen.

shipping review 1912

Shipping Review, Daily Commercial and Shipping News, Sydney 31.12.1912

Von der Tageszeitung zum Live-Tracking

Vor dem Ersten Weltkrieg waren Tageszeitungen für ein breites Publikum die einzigen Nachrichtenquellen, um zu erfahren, wo sich ein Schiff gerade aufhielt, beziehungsweise am Tag oder an den Tagen zuvor aufgehalten hatte. In den Zeitungen der großen Hafenstädte nahmen diese Meldungen durchaus eine ganze oder sogar mehrere Seiten ein. Zwei Beispiele sind abgebildet.

Heute können Sie den weltweiten Schiffverkehr live von zu Hause aus mitverfolgen. Wenn Sie zum Beispiel Apps oder Homepages von MarineTraffic oder ShipFinder ansehen, bekommen Sie einen Eindruck vom globalen Schiffsverkehr.

Schiffsmeldungen Tageszeitung 1913, Beispiel

Suchbild: In welchem Hafen ist die „Fürth“ am 6. November 1913 angekommen? Schiffsmeldungen, Ausschnitt, De Maasbode, Rotterdam, 7. Nov 1913 (Abendblatt, 2. Ausgabe)

seaman's book, German Australian Line 1910

Die Karriere des Kapitän Peter Kiel

Das Seefahrtsbuch eines Schiffsoffiziers

Titelbild: Seefahrtsbuch von Peter Christensen Kiel aus dem Jahr 1910; in Privatbesitz, Abbildung mit freundlicher Genehmigung des Eigentümers

Heute bin ich in der Lage, Ihnen ein seltenes Originaldokument präsentieren zu können: Das Seefahrtsbuch von Peter Christensen Kiel.

Kiel war Offizier und später Kapitän der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft Hamburg (DADG).

Das Seefahrtsbuch befindet sich in Privatbesitz, sein Eigentümer hat es mir freundlicherweise für eine Veröffentlichung hier im Blog zur Verfügung gestellt. An dieser Stelle ganz herzlichen Dank dafür.

Das Zeitdokument reiht sich in ein in seltene Schriftstücke, die von dieser, nur bis in das Jahr 1926 bestehenden Reederei, noch erhalten sind.

Peter Christensen Kiel

Peter Christensen Kiel wurde am 7. Juni 1882 in Wonsbek geboren. Sein Vater war der Kapitän Chresten Thomsen Kiel.

Wonsbek liegt in Nordschleswig an der Förde von Hadersleben. Damals lag die Region ganz im Norden des Deutschen Kaiserreiches, heute ist sie ein Teil Dänemarks. Wonsbek heißt daher aktuell Vonsbæk und die Stadt Hadersleben, in der Kiel später wohnte, Haderslev.

Haderslev Jungfernstieg 1911
Ansichtskarte von Hadersleben/Haderslev, gelaufen 1911; gemeinfrei; Quelle: commons.wikimedia.org

Die frühe Karriere zur See von Peter Christensen Kiel bleibt uns verborgen, da das erhaltene Seefahrtsbuch nur den Zeitraum von 1910 bis 1913 abbildet. Wir müssen davon ausgehen, dass Kiel ein erstes Seefahrtsbuch besessen hatte. Vermutlich war es bereits zur Gänze ausgefüllt, so dass Kiel 1910 vom Seefahrtsamt Hamburg ein neues ausgestellt bekam.

Auf der Titelseite des Seefahrtsbuchs ist vermerkt, dass Kiel am 12. Februar 1907 in Schleswig die Kapitänsprüfung als Schiffer großer Fahrt abgelegt hatte.

Peter Kiel, master
Seefahrtsbuch von Peter Christensen Kiel aus dem Jahr 1910, Vergrößerung der Titelseite; in Privatbesitz, Abbildung mit freundlicher Genehmigung des Eigentümers

Weiters wissen wir aus der Zeit vor 1910, dass Kiel im Jahr 1903 seinen Militärdienst in der 1. Torpedoabteilung absolviert hat. Dieser Eintrag datiert vom 1. Oktober 1903. Kiel unterlag der Kontrolle des Bezirkskommandos Hadersleben.

Elbing seaman's book 1910
Seefahrtsbuch von Peter Christensen Kiel aus dem Jahr 1910, Seiten 10-11; in Privatbesitz, Abbildung mit freundlicher Genehmigung des Eigentümers

Schiffsoffizier Kiel

Am 14. Januar 1910 heuerte Kiel als 2. Offizier auf dem DADG-Dampfer „Elbing“ unter Führung von Kapitän Leibfahrt an. Seine Heuer betrug monatlich 150 Mark. Die Fahrt dauerte 5 Monate und 14 Tage und endete am 28. Juni 1910. Das ist eine sehr durchschnittliche Dauer einer damaligen Australienreise der DADG. Das Seefahrtsbuch bescheinigt Kiel, dass er für diesen Zeitraum seine Beiträge für die Invalidenversicherung bezahlt hatte.

Am 15. Juli 1910 musterte Kiel für seine nächste Fahrt an. Diese bestritt er als 1. Offizier, der nächste Schritt in seiner Karriere bei der DADG. Sein Schiff: „Magdeburg“ unter Leitung von Kapitän Helling. Kiel erhielt jetzt eine Heuer von 190 Mark monatlich. Mit 5 Monaten und 16 Tagen war die Reisedauer fast identisch mit der zuvor. Am 30. Dezember 1910 war Kiel zurück in Hamburg.

Magdeburg, Sydney 1910
Mannschaftliste der „Magdeburg“ vom 26. September 1910 eintreffend in Sydney; Quelle: marinersandships.com.au

Anmerkung: Peter Kiel – 28 – Wonsbek – 1. Offizier ist der erste Name auf der Liste links oben

Kiel blieb drei Monate in Hamburg und musterte am 10. März 1911 auf der „Offenbach“ unter Kapitän Mangelsdorff bei unveränderter Heuer an. Nach 5 Monaten und 4 Tagen war er am 13. August 1911 zurück in Hamburg.

Kiel blieb auf der „Offenbach“, erhielt aber einen neuen Chef, Kapitän Moritzen. Seine Heuer stieg auf 210 Mark. Das Schiff verließ Hamburg am 30. Januar 1912. Es kehrte im September zwar nach Hamburg zurück, aber Kiel blieb für eine weitere Fahrt direkt an Bord, so dass sein Dienstverhältnis erst nach 13 Monaten am 1. März 1913 in Hamburg endete.

Für die lange Dauer von dreizehn Monaten habe ich zwei Gründe gefunden. Zum einen fand die erste Fahrt Kiels auf der „Offenbach“ auf der Skandinavien-Linie statt. Auf dieser Linie wurden die Schiffe randvoll mit Holz für Australien beladen, zum Teil auch als Deckladung. Lade- und Abladezeiten gestalteten sich daher deutlich länger, als bei anderen Fahrten. Zum anderen lief „Offenbach“ auf der zweiten Fahrt Kiels nach Nordamerika, was ebenfalls mit zusätzlicher Zeit verbunden war.

Es folgte dafür eine sehr kurze Fahrt. Kiel musterte am 22. März 1913 als erster Offizier auf der „Iserlohn“ unter Kapitän Orgel für eine Heuer von jetzt 240 Mark an.

Die Fahrt führte nach Schweden und Norwegen und von dort wieder zurück nach Hamburg. Das war sehr ungewöhnlich, aber vielleicht musste vor der Reise nach Australien eine Reparatur durchgeführt werden, wofür der Heimathafen erneut angelaufen wurde, bevor die lange Reise nach Australien angetreten wurde.

iserlohn seaman's book 1913
Seefahrtsbuch von Peter Christensen Kiel aus dem Jahr 1910, Seiten 18-19; in Privatbesitz, Abbildung mit freundlicher Genehmigung des Eigentümers

Mit dem Eintrag zu dieser kurzen Skandinavien-Reise endet das Seefahrtsbuch von Peter Christensen Kiel.

Er dürfte danach von der DADG mit der Leitung eines Schiffes betraut worden sein.

Kapitän Kiel

Die Zeit zwischen dem 8. April und dem 12. Dezember 1913 muss ich derzeit offenlassen.

Sicher ist, dass Kiel den Frachtdampfer „Neumünster“ als Kapitän für die 13. Fahrt des Schiffes übernommen hatte. Diese begann am 12. Dezember 1913 in Hamburg und endete am 21. Mai 1914 am gleichen Ort.

Diese Fahrt dokumentiert nicht das Seefahrtsbuch, sondern die Musterrolle der „Neumünster“. Sie ist im State Records Office of Western Australia in der Stadt Perth erhalten geblieben. Mehr dazu hier: Die Musterrolle (Originaldokument aus den Jahren 1913/1914)

ship's articles Neumunster 1913/1914
Musterrolle des Dampfschiffes Neumünster, Seite 2, Ausschnitt, © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.03)

Anmerkung: Kapitän Carl Herrmann übernahm die „Neumünster“ kurz vor dem ersten Weltkrieg (die zweite in der Musterrolle überlieferte Fahrt). Er wurde mit seiner Mannschaft in Westaustralien interniert: Rottnest Island: Die Internierung deutscher Seeleute in Westaustralien

Für den weiteren Verlauf der Karriere von Kapitän Kiel vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs sind wir auf Schiffsmeldungen angewiesen. Diese besagen, dass Kiel den Dampfer „Elmshorn“ der DADG übernommen hatte. Die Fahrt führte den Kapitän durch den Suezkanal nach Asien.

„Elmshorn“ mit Kapitän Kiel verließ am 26. Juni Suez und erreichte Soerabaya auf Java am 26. Juli 1914.

Laut Schmelzkopf (1984) erreichte „Elmshorn“ anschließend am 1. August 1914 Makassar und wurde dort von der Etappe Batavia als Kohlenversorger für deutsche Kriegsschiffe ausgerüstet.
Quellenangabe: Reinhart Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984

Nach Versorgung des Kreuzers „Geier“ kam „Elmshorn“ am 23. August 1914 nach Manila. Hier wurde das Schiff interniert. Bei Kriegseintritt der USA im April 1917 wurde das Schiff beschlagnahmt. Die Philippinen waren zu dieser Zeit amerikanische Kolonie (1898-1946).

Neben „Elmshorn“ waren auch die DADG-Schiffe „Bochum“ und Esslingen“ in Manila; insgesamt 18 deutsche Schiffe.

450 Personen aus Manila, darunter sehr wahrscheinlich auch die Seeleute der beschlagnahmten Schiffe wurden in die USA gebracht. Sie kamen im Dezember 1917 im Immigrationszentrum Angel Island (San Francisco) an und wurden einen Monat später weiter in das Lager Hot Springs transportiert. Unter diesen Personen dürfte auch unser Kapitän Peter Kiel gewesen sein.

Über das ungewöhnliche Lager Hot Springs habe ich hier berichtet:
Angelpartie in Hot Springs

Peter Kiel und Johannes Kiel

Die Verfolgung der Spur Peter Kiels verkompliziert sich, weil es vor dem Ersten Weltkrieg bei der DADG zwei Kapitäne mit dem Nachnamen Kiel gegeben hat. „Unseren“ Peter und Johannes. Ein Ahnenbuch der Familie (in Privatbesitz) schließt aus, dass sie Brüder waren. Vielleicht aber Cousins. Das muss offenbleiben.

DADG Schiffsmeldungen 1914
Die Kapitäne Kiel, „Elmshorn“ mit Peter Kiel und „Rostock“ mit Johannes Kiel, Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 27. Juni 1914; Quelle: europeana.eu

Anmerkung: Die Vornamen der beiden Kiels habe ich anderen Quellen entnommen.

In den 1930er Jahren finden wir Johannes Kiel als Kapitän der „Bitterfeld“, einem Kühlschiff der Hamburg-Amerika Linie, in den australischen Medien wieder. Er wurde in einem Artikel der Newcastle Sun vom 10. Februar 1934 als Kapitän der „alten Schule“ gewürdigt. (Quelle: trove.nla.gov.au)

Was allerdings aus Kapitän Peter Kiel geworden ist, muss ich leider offenlassen.

Über weitere Informationen, die den Lebenslauf von Kapitän Peter Kiel ergänzen können, freue ich mich außerordentlich.

Die gewaltige Sammlung des Peter Tamm Sen.

Beitragsbild: Frachtdampfer „Sumatra“ (1913), DADG.- Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Peter Tamm Sen. Stiftung, http://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/deed.de, https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/CEZKPDR5B6AYP642TGDGBXSKON3JA76M

Eine maritime Schatzkiste

Peter Tamm Sen. hat in seinem Leben viel gesammelt. Sehr viel gesammelt. Seine Sammelleidenschaft (und auch seine finanziellen Mittel) gingen weit über die vieler anderer Sammler hinaus und so entstand im Lauf seines Lebens die weltgrößte Sammlung maritimer Objekte.

Zu bestaunen ist die gewaltige Anzahl von Modellen, Gemälden, Zeichnungen, Fotos, Plänen und vielem mehr heute im Kaispeicher B in Hamburg. Das Internationale Maritime Museum Hamburg zeigt die Sammlung Peter Tamms in dem ehemaligen Lagerhaus auf neun Ausstellungsebenen. Betrieben wird das Museum nicht von der öffentlichen Hand, sondern von der Peter Tamm Sen. Stiftung, die heute von seinem Sohn Prof. Peter Tamm geleitet wird.

Ziel dieser Stiftung ist es, „nachfolgende Generationen für die Seefahrt zu begeistern und ihnen deren Wichtigkeit für die Prosperität der Weltbevölkerung zu verdeutlichen.
Zitat: imm-hamburg.de

Die Zahlen der Sammlung sprechen für sich:

  • 1.700 Großmodelle von Schiffen
  • 55.000 Miniaturmodelle im Maßstab 1:1.250
  • 7.000 Gemälde, Zeichnungen, Grafiken und Aquarelle
  • 50.000 Konstruktionspläne
  • 120.000 Monografien und Sammelwerke
  • 2.000 Filme
  • über 1 Million Fotos
  • 2.000 Schiffsspeisekarten
  • 36 Knochenschiffe

Erst ein Teil der Sammlung ist digitalisiert und über das Online Archiv des Museums als auch über die Deutsche Digitale Bibliothek abrufbar.

Zum heutigen Zeitpunkt (Februar 2024) ergibt die Recherche nach der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG), der in diesem Blog behandelten Hamburger Reederei, 105 Schiffsfotos.

Darüber hinaus hält die Bibliothek zwei der seltenen Jahrbücher der DADG, jeweils ein Exemplar aus dem Jahr 1912 und eines aus dem Jahr 1914.

Weitere interessante Objekte sind mit fortschreitender Digitalisierung bestimmt noch zu erwarten.

Internationales Maritimes Museum Hamburg, © Logo, Quelle : Presseseite des Internetauftrittes des Museums; https://www.imm-hamburg.de/wp-content/uploads/2011/06/IMMH_Logo_rot.jpg

Über 100 Fotos von DADG-Schiffen

Schauen wir uns die digitalisierten Fotos an:

Von den 105 Schiffsfotografien müssen wir lediglich vier abziehen, die irrtümlicherweise der DADG zugeordnet wurden (ein Foto des Petroleumfrachters „Sioux“ und drei der „Franz Klasen“, einem anderen Tankschiff). Bleiben 101 Fotografien, wovon etwa die Hälfte auf Schiffe entfällt, die vor dem Ersten Weltkrieg in Fahrt waren. Die andere Hälfte zeigt Schiffe der 1920er Jahre, zu einem Teil sogar schon nach der Übernahme der Reederei durch die allmächtige HAPAG. Siehe dazu den Blogartikel: https://frachtdampferfuerth.com/2021/10/09/schiffsregister-loeschung-fuerth/.

Nachdem ich mich hier im Blog des Frachtdampfers „Fürth“ vorwiegend mit der Handelsschifffahrt bis zum Ersten Weltkrieg beschäftige, habe ich mir die etwa 50 Fotos dieser Epoche genauer angesehen. Viele davon finden wir bereits in der Monografie über die Reederei von Reinhart Schmelzkopf aus den 1980er Jahren, der seinerzeit fast alle DADG-Schiffe abbilden konnte (R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984).

Es bleiben etwa fünfzehn Aufnahmen übrig, die – meines bescheidenen Wissens nach – bislang unveröffentlicht sind oder in nur wenig zugänglichen Quellen verwendet wurden.

Eines davon finden Sie heute als Titelbild dieses Blogartikels.

Der Frachtdampfer „Sumatra“

Der Fotograf der Aufnahme ist unbekannt, der Aufnahmeort nicht angegeben. Meiner Meinung nach könnte das Foto beim Stapellauf des Schiffes am 8.Mai 1913 oder bei der Probefahrt am 28. Juni 1913 in der Flensburger Förde aufgenommen worden sein. Zu diesem Zeitpunkt trug das Schiff noch nicht die Reedereiflagge der DADG, die nach der Ablieferung auf dem vorderen Mast zu sehen wäre. Bei genauem Hinsehen lassen sich auf dem Peildeck eine ganze Menge Punkte ausmachen, die man bei besserer Auflösung sicher als Menschen identifizieren könnte.

Mit einer Tragfähigkeit von 12000 Tonnen gehörte die „Sumatra“ zu den großen Schiffen der Reederei. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges hatte die DADG nur vier Schiffe dieser Größenordnung in Fahrt, alle anderen waren deutlich kleiner (zwischen 6800 und 10000 Tonnen Tragfähigkeit).

„Sumatra“ war von diesen vier großen Schiffen das mit Abstand teuerste. Lagen die Baukosten für die Schiffe gleicher Größenordnung „Australia“, „Java“ und „Tasmania“ bei rund 2 Millionen Mark, lag „Sumatra“ bei 2,435 Millionen Mark. Grund dafür: als einziges der großen Schiffe war es mit einer Kühlanlage ausgestattet worden, die mit etwa 400.000 Mark zu Buche schlug.

Zum Vergleich dazu: Der Frachtdampfer „Fürth“ kostete im Jahr 1907 die Reederei 1,272 Mio. Mark.

In einem Teil des Laderaumes konnten durch die Kühlanlage verderbliche Lebensmittel wie Obst oder Fleisch nach Europa gebracht werden. Als Obst wurden vor allem Äpfel transportiert, die dank der versetzten Erntezeit auf der Südhalbkugel in Hamburg guten Absatz fanden. Als Fleisch wurde vor allem Rind befördert, aber auch Lamm und Kaninchen.

Anmerkung: Harms (1933) gibt die Größe des Kühlraums der „Sumatra“ mit 150.000 Kubikfuß an. Das sind knapp 4250 Kubikmeter, was etwa dem Volumen eines mittelgroßen Heißluftballons entspricht. Da passt schon was rein!

Frachtdampfer „Sumatra“ während der Endausrüstung in Flensburg, Fotograf unbekannt, Sammlung A. Kludas, aus R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984.

Informationen

Weitere Informationen über das Internationale Maritime Museum Hamburg finden Sie hier:
https://www.imm-hamburg.de/

Ab 21. März 2024 bis 15. September 2024 läuft übrigens eine Sonderausstellung über 200 Jahre Reederei F. Laeisz, die zur Zeit des Frachtdampfers „Fürth“ die berühmten Flying-P-Liner im Einsatz hatte. Mehr dazu hatte ich hier geschrieben: https://frachtdampferfuerth.com/2022/01/15/hansahafen-hamburg/

Im Jahr 2023 konnte das Museum rund 150.000 Besucher empfangen. Ich hoffe, dass auch ich demnächst einmal den Weg nach Hamburg finde. Neben der Sammlung reizt mich die Maritime Bibliothek, die nach vorheriger Anmeldung ebenfalls besucht werden kann!

Foto: Michael Zapf Pressefotografie Hamburg ; IMMH Maritimes Museum

Kaispeicher B mit Seezeichen Elbe 1, © Internationales Maritimes Museum Hamburg, Pressebild, Wiedergabe in Sepia; Quelle: https://www.imm-hamburg.de/presse/pressebilder/

steamer Augsburg 1896

Verschollen und vergessen: Der Frachtdampfer „Augsburg“

Eine Erinnerung an die verschwundenen Seeleute der „Augsburg“

Beitragsbild: Der Frachtdampfer „Augsburg“, Aufnahmedatum unbekannt (zwischen 1896-1912); © R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, S. 30, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984, Aufnahme aus der Sammlung A. Kludas.

Vorwort

Im Februar 2024 jährt sich der Untergang des Frachtdampfers „Augsburg“ zum 112. Mal. Nachdem das Schiff New York am 2. Februar 1912 verlassen hatte, ward es nie mehr gesehen. In Durban (Südafrika) wartete man vergeblich auf seine Ankunft. Es ist bis heute verschollen.

Nach dem ersten Erscheinen dieses Artikels im November 2020 konnte das Schicksals eines Heizers, des Schweizers Emil Steiner, aufgeklärt werden. Er war einer von den rund 40 Seeleuten, die im Ozean ein nasses Grab fanden. Seine Geschichte finden Sie hier: Schicksal des verschollenen Schiffsheizers Emil Steiner aufgeklärt

Ich wage nicht zu hoffen, noch ein weiteres Schicksal aufklären zu können. Mir geht es darum, die vergessene Geschichte der „Augsburg“ zu erzählen und den vierzig Männern ein Andenken zu hinterlassen.

Im Jahr 1912

Das Jahr 1912 wird in der Schifffahrtsgeschichte für immer und ewig mit dem Untergang der „Titanic“ verbunden bleiben. Sie erinnern sich sicher an einige Fakten: größtes Schiff der Welt – Eisberg – Kollision – White Star Line – Jungfernfahrt – 14. April 1912 – über 1500 Opfer usw.

Ich werde mich nicht in die Legionen einreihen, die über dieses bekannteste Schiffsunglück der Geschichte etwas zu sagen hatten oder auch nicht.

Zwei Monate zuvor, also im Februar 1912, war auf der Fahrt von New York nach Durban (Südafrika) ein anderes Schiff verunglückt und danach verschwunden, der Frachtdampfer „Augsburg“ der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG), Hamburg.

Dieser Schiffsuntergang hat es nicht einmal in die sonst recht umfangreiche Liste der bedeutenden Seeunfälle 1911 – 1920 bei Wikipedia gebracht, obwohl dort auch kleinere Havarien verzeichnet sind (Stand Februar 2024; https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_bedeutender_Seeunf%C3%A4lle_1911%E2%80%931920).

Das Schiff „Augsburg“, um das es hier geht, finden Sie ebenfalls nicht auf der Begriffsklärungsseite von Wikipedia, Stichwort Augsburg (Stand Februar 2024): https://de.wikipedia.org/wiki/Augsburg_(Begriffskl%C3%A4rung)

Auch sonst werden Sie über das Schiff nicht viel finden, und falls Sie doch auf mehr Informationen stoßen, als in diesem Artikel zu lesen ist, bitte ich um Ihre Mitteilung!

Der Frachtdampfer „Augsburg“ scheint also völlig vergessen zu sein; dieser Artikel möchte das Schiff wieder in Erinnerung bringen.

Vor allem aber soll der Artikel eine Erinnerung sein an die rund vierzig Seeleute, die mit dem Schiff „Augsburg“ bis heute verschollen sind. Ihre Namen sind unten im Text aufgeführt.

Anmerkung: Der hier beschriebene Frachtdampfer „Augsburg“ ist ein Dampfschiff der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG). Er ist nicht zu verwechseln mit SMS Augsburg, einem Kleinen Kreuzer der Kaiserlichen Marine, der 1909 vom Stapel lief.

Andere Schiffsunglücke im Blog

Über einen anderen Verlust eines Dampfschiffes der DADG hatte ich hier berichtet:

Der Untergang des Dampfers „Bergedorf“

Auch zwei andere, recht bekannte Schiffskatastrophen waren bereits ein Thema:

Die Explosion der „Sultana“ im Jahr 1865: SIEHE Gedenken an eine vergessene Katastrophe

und das mysteriöse Verschwinden der „Waratah“ im Jahr 1909. In die Suche nach dem australischen Schiff war auch der Frachtdampfer „Fürth“ eingebunden. SIEHE dazu: Suche nach der Waratah und Waratah – Suche Teil 2

Augsburg 1909 Steroscopic Card

Die Patenstadt: Ansicht von Augsburg mit Rathaus und Perlachturm, Stereoskopkarte 1909, Quelle: Library of Congress, https://www.loc.gov/item/2019643656/

Die „Augsburg“ (1896)

Die „Augsburg“ lief bei Charles Connell & Co. in Glasgow vom Stapel (Bau-Nr. 226) und wurde am 27. Juni 1896 an die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft ausgeliefert.

Es wurde bestellt am 18. Oktober 1895 ein Neubau bei Charles Connell & Co., Glasgow. Preis 39 500 £ – 6500 t d./w., elf Knoten; Lieferung 18. April 1896. Das war wieder ein Schritt vorwärts, 500 tons mehr d./w. und ½ Knoten mehr an Fahrt. Das Schiff wurde am 27. Juni 1896 geliefert und erhielt den Namen „Augsburg“. (Harms, 1933)

Anmerkungen:

d./w. = deadweight, Tragfähigkeit

39 500 £ entsprachen etwa 790 000 Mark. Die Einstandskosten der „Augsburg“ beliefen sich auf insgesamt 849 000 Mark (Harms, 1933).

Mit 4287 Bruttoregistertonnen, einer Länge von gut 115 Metern und einer Dreifachexpansions-Dampfmaschine mit 2000 PS hatte es eine vergleichbare Größe und Motorisierung wie das Dampfschiff „Fürth“. Die Bauweise des Schiffes war jedoch eine ganz andere. Siehe dazu zum Vergleich ein Bild der „Plauen“, eines Schwesterschiffs der „Fürth“, aus ähnlicher Perspektive.

Mehr über die „Plauen“ hier: Schwesterschiffe der „Fürth“: die „Plauen“

steamer Augsburg 1896

Der Frachtdampfer „Augsburg“, Aufnahmedatum unbekannt (1896-1912); © R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, S. 30, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984, Aufnahme aus der Sammlung A. Kludas.

Dampfschiff

Das Dampfschiff „Plauen“, © National Library of Australia (State Library of New South Wales), Reference code 456726

Die Höchstgeschwindigkeit der „Augsburg“ ist mit 11 Knoten angegeben, die Stärke der Besatzung mit 37 Mann.

Vor der „Augsburg“ war nur das Schiff „Sommerfeld“ bei Charles Connell & Company bestellt worden. Danach wurde auf dieser Werft kein Schiff mehr für die DADG gebaut. Ein drittes Schiff, dass in Glasgow am Clyde gebaut wurde, war die „Chemnitz“ (1889). Die Werft war in diesem Fall Alexander Stephen & Sons.

A “poor man’s ship“

Die Einrichtungen für die Besatzung waren auf der Glasgower Werft sehr einfach gehalten. Das belegt das folgende Zitat:

Um für die getrennten Taxen bei der Kasko-Versicherung zuverlässige Unterlagen zu haben, hatten wir die Erbauer der Dampfer „Augsburg“ und „Flensburg“ um ihre Abschätzungen ersucht. Die Auskünfte lauteten für die Kajüte mit Zubehör:
auf 1080 £ für „Augsburg“ (6500 t d./w.)
auf 3200 £ für „Flensburg“ (6000 t d./w)
und zeigen, daß die Wohneinrichtungen usw. in Glasgow wesentlich einfacher als in Flensburg gehalten und mehr dem „poor man’s ship“ angepaßt waren.
Harms, 1933

Anmerkung: Die „Flensburg“ war von der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG) erbaut worden, die Werft, welche die meisten Schiffe für die DADG herstellte.

Im Linienverkehr für die DADG

Von 1896 bis 1912 war die „Augsburg“ im Linienverkehr der DADG eingesetzt. Die Reederei bediente mit ihren Schiffen von Europa aus Südafrika, Australien und Niederländisch-Indien (das heutige Indonesien), hatte aber auch Linien von Nordamerika (New York) nach Java und nach Australien.

Feuer an Bord

Über ein Feuer an Bord der „Augsburg“ im Jahr 1904 hatte ich an anderer Stelle berichtet: Das Dampfschiff „Fürth“ an der indischen Malabarküste. Hier nochmal der Artikel aus The Sydney Morning Herald:

… The fire has been extinguished, cargo in No. 3 hold, Rolls of coir yarn, casks coconut oil, bags of poonac, bales of coir yarn, bags of copra for Hamburg and Antwerp; capacity of holds 23,800 cubic feet, about a half damaged more or less by fire and water. Most this cargo from Volkart Brothers. Stormy weather prevent work. All cargo No. 3 hold is being discharged, two-thirds already out. …
The Sydney Morning Herald, 16. März 1904, S. 10, Accidents to German Steamers

Anmerkungen: 23800 Kubikfuss sind rund 674 Kubikmeter; coir yarn ist Kokosfaser und poonac ist ein Rückstand der Kokosölgewinnung, also ein Ölkuchen, der noch als Viehfutter verwendet wird. Kopra ist getrocknetes Fruchtfleisch der Kokosnuss: Die Fracht der „Fürth“ – Kopra

Die im Artikel erwähnte Entladung der „Augsburg“ fand in Ferrol (spanische Nordwestküste) statt.

Ein Hurrikane und zwei Eisberge

Im Herbst 1907 hatte die „Augsburg“ einen schweren Hurrikane zu überstehen, bei dem zwei Eisberge gesichtet wurden. Das Schiff erreichte Fremantle (Westaustralien) mit erheblichen Schäden an Deck. Der Schweinestall mit zwei Schweinen und der Hühnerstall mit etwa einem Dutzend Hühnern wurden von Deck gespült. Schweine und Hühner dienten als Vorrat für die Bordküche.

Augsburg at Fremantle.
A HEAVY GALE.
ICEBEEGS SIGHTED.

FREMANTLE. Saturday, The Tyser liner Augsburg arrived last night from New York. The captain reports fine weather till October 2. When near Kerguelen she passed two large icebergs, five miles off. Next day the southerly gale increased to a hurricane. During the night the vessel was swept by heavy seas, and portion of the rails on the starboard side was carried away. The hand wheel aft was smashed, the iron stanchions supporting the awnings of poop broken and bent, and a large derrick weighing 1000 lb unshipped from the main mast. The pigstye with two pigs and hencoop with a- dozen fowls broke adrift, and striking the back stays on the port side were broken open and all the live stock were carried overboard. Next day the weather moderated, and continued fine to port. The ship sails tor Sydney this afternoon.
Evening News, Sydney, Sa 12. Okt. 1907

Die „Augsburg” unter Führung von Kapitän Paulsen (Evening Mail, 11. Okt 1907) war auf dieser Fahrt für die United Tyser Line unterwegs, einer Gemeinschaftslinie der DADG mit DDG Hansa, Bremen und der Tyser Line Ltd., London.

United Tyser Line

Artikel über die Linie New York – Australien in der Zeitschrift Hansa, März 1907

Februar 1912

Im Februar 1912 war die „Augsburg“ auf der Linie New York – Java eingesetzt. Eine Linie, die auch die „Fürth“ einmal bedient hatte und zwar im August 1913. SIEHE: Petroleum für Java

Die Abfahrt aus dem Heimathafen Hamburg erfolgte zuvor am 16. Dezember 1911 und das Schiff erreichte New York unter Ballast am 5. Januar 1912. Kapitän war Wilhelm Winter.

Augsburg arrives in New York, January 1912

Ankunft der „Augsburg“ in New York; The New York Herald, 6. Jan 1912; Quelle: Library of Congress, Washington DC

Über den Makler der DADG in New York, die Firma Funch, Edye & Co. siehe den Blogartikel: Im Auftrag Rockefellers

In der gleichen Ausgabe von The New York Herald wird berichtet, dass die „Augsburg“ am Tag zuvor in einem Sturm bei Sandy Hook einen Anker verloren hatte, der nun ersetzt wurde.

steamer Augsburg, January 1912

Augsburg verliert Anker; The New York Herald, 6. Jan 1912; Quelle: Library of Congress, Washington DC

Die Sandy Hook Bay liegt an der südlichen Einfahrt zum Hafen New York auf dem Gebiet von New Jersey. Die „Augsburg“ lag dort vielleicht auf Reede, bevor sie an Pier 3 in den Bush Docks in Brooklyn anlegen konnte.

Bush Docks 1914, Brooklyn, New York

Bush Terminal, Brooklyn, um 1914, Library of Congress; über Wikipedia (https://en.wikipedia.org/wiki/File:Bush_Terminal_Brooklyn_historic.jpg)

Der auch als Industry City bekannte Hafenkomplex Bush Docks/Bush Terminal bestand aus sieben Landungsstegen, die mit Lagerschuppen überbaut waren.

Die Liegezeit der „Augsburg“ in New York betrug genau vier Wochen und der Frachtdampfer verließ den Hafen von New York am Freitag, den 2. Februar 1912 mit Petroleum in Kanistern (“cased oil“) und Stückgut nach Batavia. Der nächste Hafen, der für die Aufnahme von Bunkerkohle angelaufen werden sollte, war Durban (Südafrika).

Nach dem Verlassen von New York wurde die „Augsburg“ nie mehr gesehen. Der Frachtdampfer mit etwa 40 Mann Besatzung gilt bis heute (Februar 2024) als verschollen.

meer_still_pixabay

Bild: Pixabay

Der Untergang der „Augsburg“

Es gibt keine letzte Gewissheit, wann was passiert ist.

Eine Vermutung ist, dass die „Augsburg“ bereits zwei Tage nach dem Verlassen von New York in einen schweren Sturm geraten ist und in diesem Sturm oder in Folge davon untergegangen ist.

Diese Vermutung basiert auf dem Bericht eines anderen Kapitäns:

Am gleichen Tag wie die „Augsburg“ hatte auch die „Magdeburg“, ebenfalls ein Schiff der DADG den Hafen New York mit Ziel Australien (über Durban nach Fremantle, Adelaide, Melbourne, Sydney und Brisbane) verlassen. Die Routen beider Schiffe waren bis Durban identisch.

Augsburg, Magdeburg, New York Tribune, February 1912

Abfahrt der „Augsburg” und der „Magdeburg” am 2. Februar 1912; New York Tribune, 3. Februar 1912, Quelle: Library of Congress, Washington DC

Kapitän Orgel berichtete nach dem Eintreffen der „Magdeburg“ in Australien von einem schweren Sturm, der zwei Tage nach dem Ablegen von New York etwa vierundzwanzig Stunden andauerte. Die anschließende Fahrt wäre dann ruhig verlaufen.

… Two days after leaving New York the Magdeburg ran into very bad weather. However, it only lasted for twenty-four hours and the remainder of the voyage was characterised by smooth seas …
Fate of the steamer Augsburg, The Mercury, Hobart, 16. April 1912, S. 4

Zu diesem Zeitpunkt war die „Augsburg“ bereits lange überfällig und Kapitän Orgel hatte die Befürchtung, dass die „Augsburg“ dem Sturm zum Opfer gefallen war.

FEARS FOR THE AUGSBURG.
The German-Australian steamer Magdeburg, from New York, via Adelaide, which arrived at Melbourne on Friday, left New York on February 12, and two days afterwards encountered a fierce storm. The steamer battled through without injury, but Captain Orgel fears that the Augsburg, of the same line, which left New York on the same day for Batavia, via Durban, was unable to weather the gale, and foundered. The Augsburg is two months overdue at Durban.
The Sydney Morning Herald, 8. April 1912, S. 10 (trove.nla.gov.au)

Über zwanzig Jahre später hat Otto Harms in seinem Buch über die Reederei bis zum Ersten Weltkrieg, das Verschwinden des Schiffes wie folgt zusammengefasst:

Für den Verlust des Dampfers „Augsburg“, welcher auf der Reise von New York nach Java verschollen ist, haben wir keine Erklärung, sondern nur eine Vermutung. Das Schiff war unter Führung eines tatkräftigen, tüchtigen Kapitäns, welcher nicht nur „Augsburg“ schon mehrere Reisen gefahren, sondern genau dieselbe Reise schon vorher gemacht hatte, das Schiff also gut kannte. Wir wissen auch von seinen Vorgängern in der Führung, daß „Augsburg“ ein gutes Seeschiff war. Von einem andern unserer Dampfer, welcher ungefähr zur selben Zeit New York verlassen hatte, ist berichtet worden, daß zu jener Zeit sehr schwere Stürme im Atlantischen Ozean gewütet haben. Dieser Dampfer hat darunter so gelitten, daß er St. Vincent anlaufen mußte, um den Kohlenvorrat zu ergänzen. Es ist sicher, daß „Augsburg“ diese Stürme ebenfalls durchzumachen hatte und es muß angenommen werden, daß er darin Schaden erlitten, welcher ihn betriebsunfähig gemacht hat, und daß er dann dem schweren Wetter zum Opfer gefallen ist. Besonders zu beklagen ist der Verlust vieler Menschenleben. Die Besatzung bestand aus 37 Mann.
Otto Harms (1933), Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft Hamburg, Schröder & Jeve, Hamburg.

Harms war vor dem Ersten Weltkrieg Geschäftsführer der Reederei.

Anmerkung: St. Vincent war eine bedeutende Kohlenstation auf den Kapverdischen Inseln.

Hoffen und Bangen

Die Distanz zwischen New York und Durban beträgt 7565 nautische Meilen (nach Searoutes.com). Bei einer angenommenen Durchschnittsfahrt von 10 Knoten entspricht das 31 Tagen und 12 Stunden.

Die „Fürth“ hatte im Sommer 1913 ziemlich genau diese Zeit gebraucht (Abfahrt von New York am 20. August 1913 und Ankunft in Durban am 21. September 1913).

Auf die Fahrt der „Augsburg“ übertragen, war mit einem Eintreffen in Durban um den 5. März 1912 gerechnet worden.

Die ersten Meldungen in den Zeitungen über die überfällige „Augsburg“ erschienen ab dem 23. März 1912:

In den USA:

steamer Augsburg, March 1912

Fear Steamer Is Lost: The Evening World, New York, 22. März 1912; Quelle: Library of Congress, Washington DC

In Niederländisch-Indien:

steamer Augsburg, De Sumatra-Post; 22.03.1912

De Sumatra-Post vom 22. März 1912; http://www.delpher.nl

Natal war britische Kolonie und ab 1910 Teil der Südafrikanischen Union. Wichtigste Hafenstadt war Durban (Port Natal).

In Deutschland:

steamer Augsburg, Altonaer Nachrichten March 28th, 1912

Augsburg überfällig, Altonaer Nachrichten vom 28. März 1912 (europeana.eu)

Im April 1912 kam noch einmal Hoffnung auf. Die treibende „Augsburg“ wäre im Atlantik auf 38° nördlicher Breite und 56 ° Länge gesichtet worden. Zwei deutsche Schiffe, die „Caledonia“ und die „Bremen“ (1897) machten sich auf die Suche, aber ohne Erfolg. Die Nachricht stellte sich später aber als Falschmeldung heraus.

steamer Augsburg, April 1912

To Hunt The Augsburg: The Sun, New York, 22. April 1912; Quelle: Library of Congress, Washington DC

Zeitungen in Niederländisch-Indien brachten Meldungen, dass die treibende „Augsburg“ in der Nähe der Insel Ceylon gesichtet worden oder auf der Fahrt verbrannt wäre. Die große Ladung Petroleum ließ das eine nahe liegende Ursache sein. Keiner dieser Meldungen lagen jedoch Tatsachen zugrunde, es handelte sich um Gerüchte.

Die verschollenen Seeleute

Die Besatzung der „Augsburg“ geht aus einem Artikel im Hamburger Anzeiger vom 30. März 1912 hervor. Einleitend heißt es:

Von dem Hamburger Australdampfer „Augsburg“, der wie berichtet, schon lange überfällig ist, und auf den bereits 60 Prozent Rückversicherung abgeschlossen worden sind, fehlt auch bis heute jede Nachricht, so daß die Befürchtung, daß er auf der Reise von Neuyork über Südafrika nach Australien mit der ganzen Besatzung verloren gegangen ist, nicht von der Hand zu weisen ist. Würde er infolge Schaftbruchs oder schweren Maschinenschadens manövrierunfähig geworden sein, so hätte man ihn jedenfalls bereits angetroffen, da die Route, welche er fährt, stark belebt zu sein pflegt. …

Anschließend folgen die Namen der Seeleute, die ich zur besseren Übersicht untereinander geschrieben habe. Es sind Kapitän Winter und 37 Besatzungsmitglieder.

Die Besatzung besteht, laut Musterrolle, aus nachstehenden Personen:
Kapitän Wilhelm Winter – Altona
erster Steuermann Robert Th. C. Herrlich – Lübeck
zweiter Steuermann Walter F. G. H. Reckling – Zelle
dritter Steuermann Johannes K. Abam – Hildesheim

Zimmermann C. Heinrich Dankwerts – Cranz
Bootsmann Carl J. F. Lange – Kustrow

Matrosen
Chr. G. R. Lange – Stettin
Aug. Nyström – Stockholm
F. H. Carl Lorenz – Aken
Paul J. C. Hidde – Berlin
Ferdinand Boschke – Danz. Heisternest
Anton Jerschewitz – Herrwilk, Rußland

Leichtmatrosen
Georg K. H. Schwarz – Lauterbach
G. Emil Kühn – Deuben
C. Jackel

Koch Carl J. F. Großmann – Bärnsdorf
Kochsmaat Heinrich Blanck – Markt Bergel
erster Steward Hermann H. J. Alwes – Hamburg

erster Maschinist Maximilian D. Russe – Neu-Lewin
zweiter Maschinist Carl A. Chr. Friedland – Hamburg
dritter Maschinist C. Richard Becker – Altona

Assistenten
Ludw. A. M. K. Burmeister – Lübeck
A. Sukopp

Heizer
August Zoller, Mosnang
Max Drunkenpolz – Kötzling
J. J. Richard Putz – Berlin
Rich. E. Stubbe – Birken
Emil Steiner – Utzensdorf
Henry Szameitpreugsch – Memel
Jakob Baudy – Grafenhausen

Schmierer
J. Peter Reis – Frickenhausen

Trimmer
Rudolf Prozell – Plömnitz
Franz P. Knak – Wiedeloh
Johann H. F. Ehrich – Kiel
Christian Carstensen – Bollersleben
Ernst M. C. Barth – Hamburg
W. Dages
R. Willbrecht

Quelle: Hamburger Anzeiger vom 30. März 1912; Quelle: europeana.eu

Mögliche Desertionen

Die im Hamburger Anzeiger vom 30. März 1912 veröffentlichen Seeleute von der Musterrolle der „Augsburg“ müssen am 2. Februar 1912 beim Ablegen des Schiffes in New York nicht alle zwangsläufig an Bord gewesen sein.

Ich hatte über das Thema Desertionen einen ausführlichen Artikel veröffentlicht. Darin wurde deutlich, dass die Zahl der Desertionen auf Dampfschiffen zu dieser Zeit zwischen 15 – 25 % pro Reise lag und dass New York mit Abstand der beliebteste Hafen für Desertionen in Hamburg angemusterter Seeleute war. SIEHE: Dampfschiff „Fürth“: Tagebuch-Spezial – Deserteure, Einschleicher und wechselndes Personal

Das Seemannsamt Hamburg verzeichnete für das Jahr 1912 die sehr hohe Zahl von 899 Desertionen im Hafen New York.

Die „Augsburg“ hatte immerhin vier Wochen im Hafen von New York gelegen und die Gelegenheiten zu desertieren dürften zahlreich gewesen sein.

Letzte Sicherheit über die Seeleute, die tatsächlich an Bord waren, kann nur eine Mannschaftsliste der Hafenpolizei New York vom 2. Februar 1912 bei der Abfahrt der „Augsburg“ geben.

Ob diese Outward crew list in den National Archives oder an einem anderen Ort überliefert ist, habe ich jedoch nicht recherchiert.

Oktober 1912

Im Oktober 1912 erschienen noch einmal einige Artikel in australischen Medien, die das Verschwinden und die Suche im April thematisierten.

Ich schließe diesen Blogbeitrag mit den letzten Worten eines mehrfach in gleichem Wortlaut erschienenen Artikels (zum Beispiel in Daily Commercial and Shipping List, Sydney vom 31. Oktober 1912:

… Since then hope has gradually dwindled down until now even the most optimistic persons have realised that the good old steamer has gone to the “port of missing ships”.

Im „Hafen der vermissten Schiffe“ ist die „Augsburg” bis heute.

sea gull

Bild: Pixabay.

ship's articles Neumunster 1913/1914

Eine Musterrolle aus den Jahren 1913/1914

Eine Original-Musterrolle von einem Schwesterschiff der „Fürth“

Titelbild mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230 1.03), siehe auch das Ende des Beitrags

Das Dampfschiff „Neumünster“

Von einem Schwesterschiff der „Fürth“, dem Dampfschiff „Neumünster“, ist eine Musterrolle erhalten, die sich heute im Nationalarchiv der Hauptstadt Westaustraliens, in Perth befindet, im State Records Office of Western Australia.

Über die „Neumünster“ hatte ich bereits ausführlich berichtet: Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Neumünster“

Die Musterrolle liefert wertvolle Informationen über:

– die Personen an Bord, ihre Funktion und ihre Heuer (siehe das Ende des Beitrags), zum Teil auch ihre zuständige Versicherung und das vorherige Schiff, auf dem sie beschäftigt waren

– die Verpflegung der Mannschaft, beziehungsweise die ihr zustehenden Rationen (siehe Dampfschiff „Fürth“: Bordverpflegung nach Musterrolle)

-die Vertragsbedingungen zwischen dem Kapitän als Arbeitgeber und den angeheuerten Mannschaftsmitgliedern

Die vorliegende Musterrolle umfasst zwei Australienfahrten der „Neumünster“, eine von Dezember 1913 bis Mai 1914 (dreizehnte Fahrt) und eine zweite von Juni 1914 bis zur Kaperung des Schiffes nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges Mitte August 1914 (vierzehnte Fahrt).

Wegen der Kaperung trägt das Dokument einen blauen Eingangsstempel im oberen Teil der Titelseite. Er belegt die Beschlagnahmung der Musterrolle durch die australischen Behörden, des Obersten Gerichtshofes: SUPREME COURT OFFICE PERTH, W.A. 18 AUG. 1914 (siehe dazu: Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Neumünster“)

Anmerkung: W.A. steht für Western Australia

ship's articles Neumunster 1913/1914

Musterrolle des Dampfschiffes Neumünster, Titelseite, Ausschnitt, mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.03)

Die Musterrolle

Definition

Die Musterrolle (englisch: ship’s articles) ist eine offizielle Liste, in der alle Besatzungsmitglieder eines Schiffes eingetragen sind. Die Eintragung erfolgte in einem Musterungsverfahren vor dem Seemannsamt.

Die Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) hatte ihren Heimathafen in Hamburg, die Musterungen wurden demzufolge vom Seemannsamt Hamburg durchgeführt. Im Ausland übernahmen die Kaiserlichen Konsulate die Aufgaben des Seemannsamtes. Die Musterrolle hatte sich während der gesamten Reise eines Schiffes an Bord zu befinden.

Inhalt

Ein Arbeitsvertrag zwischen einer Reederei und den Besatzungsmitgliedern der Schiffe wird als Heuerverhältnis bezeichnet. Dieses Vertragsverhältnis wird durch die Seemannsämter behördlich überwacht. Die Musterrolle beurkundet, wer an Bord tätig ist und wie die Schiffsbesatzung zusammengesetzt ist. Die aufzunehmenden Angaben waren in der Seemannsordnung von 1902, § 14 definiert:

„Die Musterrolle muß enthalten: Namen und Nationalität des Schiffes, Namen und Wohnort des Kapitäns, Namen, Wohnort und dienstliche Stellung jedes Schiffsmanns, den Hafen der Ausreise, die Bestimmungen des Heuervertrags, namentlich auch den Ueberstundenlohnsatz (§. 35 Abs. 3, §. 37 Abs. 3) und etwaige besondere Verabredungen. Insbesondere muß aus der Musterrolle erhellen, was dem Schiffsmanne für den Tag an Speise und Trank gebührt. Bei besonderen Verabredungen mit Schiffsoffizieren kann die Eintragung auf die Wiedergabe des wesentlichen Inhalts beschränkt werden. Abreden, welche nach §. 1 Abs. 2 unzulässig sind, dürfen nicht aufgenommen werden.“

Die Musterrolle war ein amtliches Dokument, sie wurde in Form eines offiziellen Vordrucks von der Reichsdruckerei erstellt.

Die vorliegende Musterrolle des Dampfschiffes „Neumünster“ aus dem Jahr 1913/1914 verfügt über 20 Seiten (16 Innenseiten plus 4 Seiten Umschlag). Auf Seite 2 sind zwei gedruckte Formblätter eingeklebt, die die Verpflegung an Bord und die besonderen Vertragsbedingungen der DADG enthalten.

Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Musterrollen von Schiffen der Reederei im gleichen Zeitraum Unterschiede aufwiesen. Die Musterrolle der „Neumünster“ kann daher als Modell für alle anderen Schiffe, also auch der „Fürth“ dienen.

Die Titelseite der Musterrolle

Die Titelseite der Musterrolle trägt die Aufschrift Deutsches Reich, den Reichsadler, den Schiffsnamen, den Heimat- und Registerhafen und das Unterscheidungssignal des Schiffes. Außerdem ist eingetragen, dass die Anmusterung für unbestimmte Zeit erfolgt. Alternativ bestehen die vorgedruckten Möglichkeiten, dass die Musterrolle für eine bestimmte Reise oder eine bestimmte Zeit gelten soll. Des Weiteren ist der Hafen der Ausreise vermerkt, für die Schiffe der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft war das Hamburg.

Weiter heißt es im vorgedruckten Text:

Vor dem unterzeichneten Seemannsamte sind erschienen der nachbenannte Schiffer auf großer Fahrt als Kapitän einerseits, und die unter Nr. 1 bis 41 nachbenannten Schiffsoffiziere und Schiffsleute andererseits und haben erklärt, daß diese sich zum Schiffsdienste nach Maßgabe der deutschen Seemannsordnung auf dem obengenannten Schiffe und, soweit nicht nachstehend anderes vermerkt, für die vorbezeichnete Zeit gegen die bei ihrem Namen angegebene Heuer sowie nach Empfang des unter der Heuer angegebenen Vorschusses und unter den umstehend aufgeführten weiteren Bedingungen verheuert haben.

Die Heuer ist, soweit dabei nicht anderes vermerkt steht, in Mark und für den Monat angegeben; die Zahlung beginnt mit dem Tage der Anmusterung, soweit ein früherer Tag des Dienstantritts vermerkt ist, mit diesem.

HAMBURG, den 12. Dezember 1913.

Das Seemannsamt

p.a. Unterschrift

Die zweite Seite der Musterrolle

Auf der zweiten Seite sind die Verpflegung der Mannschaft und die besonderen Vertragsbedingungen festgehalten.

Beides erfolgte mittels Vordrucken, ein Zeichen dafür, dass diese Vertragsbestandteile für alle Schiffe gleich waren, zumindest bis im Laufe der Zeit eine Änderung eintrat.

Zunächst geht es um die Beköstigung, über die ich bereits berichtet habe:
Dampfschiff „Fürth“: Bordverpflegung nach Musterrolle

Weiter heißt es im Vordruck:

Für Überstundenarbeit wird gezahlt:

siehe „Besondere Verabredungen“

Diese besonderen Verabredungen sind ebenso wie die Angaben zur Verpflegung auf einem eingeklebten, gedruckten Blatt wiedergegeben, dass unten links mit dem Stempel des Seemannsamtes versehen ist, damit ein nachträgliches Austauschen ausgeschlossen war.

Hier der Text des Formblattes über „Besondere Verabredungen“:

ship's articles Neumunster 1913/1914

Musterrolle des Dampfschiffes Neumünster, Seite 2, Ausschnitt, mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.03)

Anmerkungen:

Die Zahlung der Heuer nach Beendigung einer Reise war im § 45 der Seemannsordnung festgelegt.

„Die Heuer hat der Schiffsmann, sofern keine andere Vereinbarung getroffen ist, erst nach Beendigung der Reise oder des Dienstverhältnisses zu beanspruchen.“

Dort heißt es ebenfalls:

„Ist die Anheuerung auf Zeit erfolgt (§. 28), so kann der Schiffsmann bei Rückkehr in den Hafen der Ausreise die bis dahin verdiente Heuer beanspruchen.“

Die Auszahlung bei der Rückkehr sollte zur Reduzierung der allgegenwärtigen Desertionen beitragen. SIEHE dazu: Dampfschiff „Fürth“: Tagebuch-Spezial – Deserteure, Einschleicher und wechselndes Personal

Im gleichen Paragraphen waren auch Zeitpunkt und Höhe der Vorschüsse geregelt:

„Der Schiffsmann kann jedoch in einem Hafen, in welchem das Schiff ganz oder zum größeren Theil entlöscht wird, die Auszahlung der Hälfte der bis dahin verdienten Heuer (§ 80) verlangen, sofern bereits drei Monate seit der Anmusterung verflossen sind. In gleicher Weise ist der Schiffsmann bei Ablauf je weiterer drei Monate nach der früheren Auszahlung wiederum die Auszahlung der Hälfte der seit der letzten Auszahlung verdienten Heuer zu fordern berechtigt.“

Wilhelm Holst, Schiffskoch, Vorschüsse

Abrechnung der DADG für den Schiffskoch Holst vom 27. März 1917, Rückseite mit eingetragenen Vorschüssen, eigene Sammlung

Das in den „Besonderen Verabredungen“ beschriebene Verbot zur Mitnahme bestimmter Gegenstände bezieht sich ebenfalls auf die Seemannsordnung:

§ 87:

Der Schiffsmann darf ohne Erlaubniß des Kapitäns keine Güter an Bord bringen oder bringen lassen. Für die gegen dieses Verbot beförderten eigenen oder fremden Güter muß er die höchste am Abladungsorte zur Abladungszeit für solche Reisen und Güter bedungene Fracht erstatten, unbeschadet der Verpflichtung zum Ersatz eines erweislich höheren Schadens.
Der Kapitän ist auch befugt, solche Güter über Bord zu werfen, wenn ihr Verbleib an Bord Schiff oder Ladung oder die Gesundheit der an Bord befindlichen Personen gefährden oder das Einschreiten einer Behörde zur Folge haben kann.

Der Paragraph 88 präzisiert die Vorschriften für bestimmte Güter:

„Die Vorschriften des §. 87 finden auch Anwendung, wenn der Schiffsmann ohne Erlaubniß des Kapitäns Waffen oder Munition, Branntwein oder andere geistige Getränke oder mehr an Taback und Tabackswaaren, als er zu seinem Gebrauch auf der beabsichtigten Reise bedarf, an Bord bringt oder bringen läßt.
Die gegen dieses Verbot mitgenommenen Gegenstände verfallen dem Schiffe.“

Verstöße der Seeleute gegen diese beiden Paragraphen mussten im Logbuch vermerkt werden (§ 89 der Seemannsordnung).

Verseuchte Häfen: Zu den verbreiteten Infektionskrankheiten gehörten Malaria und Gelbfieber. Im Fahrtgebiet der DADG dürften sich die verseuchten Häfen in Niederländisch-Indien, auf Ceylon und in Indien befunden haben.

Der Kapitän als Vertragspartner

Weiter heißt es im Originaltext auf der zweiten Seite der Musterrolle:

ship's articles Neumunster 1913/1914

Musterrolle des Dampfschiffes Neumünster, Seite 2, Ausschnitt, mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.03)

Der Heuervertrag war zuerst von Kapitän P. Kiel aus Wonsbek unterschrieben worden mit der Angabe Peter Kiel, geb. 7./6 1882 zu Wonsbek.

Zwischen der dreizehnten Fahrt (Dezember 1913 bis Mai 1914) und der vierzehnten Fahrt (ab Juni 1914) des Dampfschiffes „Neumünster“ hatte es einen Kapitänswechsel gegeben, der neue Kapitän hieß C. Herrmann.

Der Ort Wonsbek heißt heute Vonsbaek und liegt in Dänemark bei Haderslev (Hadersleben). Bis 1920 gehörte der Ort zum Deutschen Reich.

Folgeseiten

Die folgenden Seiten der Musterrolle (Seiten 3-18) enthalten dann tabellarisch die angeheuerten Seeleute; die Innen- und Außenseite des hinteren Umschlages wurde für Sichtvermerke in den unterwegs angelaufenen Häfen genutzt.

ship's articles Neumunster 1913/1914

Musterrolle des Dampfschiffes Neumünster, Seite 12, Ausschnitt, mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.03)

Die dreizehnte Fahrt der „Neumünster“

Für die dreizehnte Fahrt der „Neumünster“ ab Dezember 1913 waren 41 Personen angemustert, ein Schiffsjunge kam eine Woche später in Antwerpen an Bord.

Von dieser Mannschaft blieben vier an Bord für die nächste Reise, 26 musterten ordnungsgemäß ab, 11 desertierten (10 in Australien, 1 Seemann schon bei der Ausreise in Rotterdam), der Matrose Kurt Haenschel, geboren am 9.2.1884 in Berlin, wurde am 25. Februar 1914 in Adelaide (Südaustralien) „krankheitshalber im Hospital zurückgelassen“.

Über diese dreizehnte Fahrt und ihre Besatzungsmitglieder berichte ich hier nicht weiter. Ich konzentriere mich auf die vierzehnte und letzte Australienfahrt. Die Mannschaftsmitglieder dieser letzten Reise wurden nach Kaperung des Schiffes vor Fremantle auf Rottnest Island (Westaustralien) interniert. Über dieses Lager und das Schicksal der deutschen Seeleute dort werde ich noch einen Artikel verfassen.

Auf zwei Einzelheiten der dreizehnten Fahrt will ich dennoch kurz eingehen, da ich sie für berichtenswert halte und sie in dieser Form auf der vierzehnten Reise nicht wieder vorkommen.

Falls Sie einen Ihrer Vorfahren auf dem Schiff „Neumünster“ auf der dreizehnten Fahrt vermuten, können Sie mich gerne kontaktieren, ich gehe die Mannschaftsliste gerne mit Ihnen durch.

Bedürftige Seeleute

Auf Seite 10 der Musterrolle befindet sich folgender Eintrag:

Ausserdem befinden sich an Bord als hilfsbedürftige Seeleute:

Kreglhe (?) Alfred, geboren am 5.6.1887 in Königsberg

Kuhn (Vorname?), geb. am 24.5.1883 in O’Klausdorf

Als Dienstantritt ist der 17.3. bzw. der 31.3.1914 eingetragen, das heißt, dass die Seeleute auf der Reise unterwegs „eingesammelt“ wurden. Am 17.3. war die „Neumünster“ in Soerabaya (Insel Java) und am 31.3. in Makassar (Insel Celebes). Beide Inseln gehörten zu Niederländisch-Indien. Offensichtlich waren die beiden Männer dort gestrandet.

Heuer haben die beiden nicht erhalten, aber Kost, Logis und eine Heimfahrt nach Hamburg. Beide Namen wurden vom Seemannsamt Hamburg nach der Abmusterung abgestempelt. Die Namen sind durchgestrichen, weil sie auf der vierzehnten Fahrt nicht mehr an Bord waren.

Nicht dass Sie denken, dass es eine noble Geste des Kapitäns Peter Kiel war, die beiden mitzunehmen. Laut dem Gesetz betreffend die Verpflichtung der Kauffahrteischiffe zur Mitnahme heimzuschaffender Seeleute vom 2. Juni 1902 musste er das tun:

Paragraph 1. Mitnahmepflicht
Jedes deutsche Kauffahrteischiff, welches von einem ausserdeutschen Hafen nach einem deutschen Hafen oder nach einem Hafen des Kanals, Grossbritanniens, des Sundes oder des Kattegats oder nach einem ausserdeutschen Hafen der Nordsee oder der Ostsee bestimmt ist, ist verpflichtet, deutsche Seeleute, welche ausserhalb des Reichsgebiets sich in hülfsbedüftigem Zustande befinden oder wegen einer nach den Reichsgesetzen strafbaren Handlung an die heimischen Behörden abgeliefert werden sollen, behufs ihrer Rückbeförderung nach Deutschland auf schriftliche Anweisung des Seemannsamts gegen eine Entschädigung (Paragraph 5) nach seinem Bestimmungshafen mitzunehmen. …

Für jeden Tag an Bord bekam der Kapitän eine Entschädigung von 3 Mark pro Seemann.

Aus: Die Seemannsordnung vom 2. Juni 1902 nebst den dazu ergangenen Nebengesetzen. Erläutert von E. Loewe, Berlin 1903 (Guttentag Gmbh); abgerufen über books.google.fr

ship's articles Neumunster 1913/1914

Musterrolle des Dampfschiffes Neumünster, Seite 10, Ausschnitt, mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.03)

Konsul Ludwig Ratazzi

Ein schönes Detail, so finde ich, ist die kunstvoll geschwungene Unterschrift von dem Kaiserlichen Konsul in Fremantle, Ludwig Ratazzi.

Zwei Seeleute, der Heizer Paul Müller (geboren in Stendal am 16.3.1887?) und der Leichtmatrose Walter Arnold (geboren in Liegnitz am (?, Datum unleserlich, 1896) wurden in Fremantle am 3. März 1914 „Nachgemustert zu den Bedingungen der Musterrolle für die Reise bis Amsterdam“.

Das Kaiserliche Konsulat in Fremantle kam hier seiner Aufgabe als Seemannsamt nach und die Nachmusterung der beiden Seeleute wurde wie folgt bestätigt:

ship's articles Neumunster 1913/1914

Musterrolle des Dampfschiffes Neumünster, Seite 10, Ausschnitt, mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.03)

Carl Peter Ludwig Ratazzi wurde am 21.09.1865 in Frankfurt/M. geboren und kam im Jahr 1900 nach Westaustralien. Zusammen mit Otto Lurman war er Vertreter für den Norddeutschen Lloyd, außerdem Konsul der Deutschen Reiches und Konsular-Agent für Italien.

Anders als die Gebrüder Strelitz (SIEHE: Die „Fürth“ und die Gebrüder Strelitz in Fremantle, Logbuch (17)) entkam Ratazzi, dessen Sohn in die Kaiserliche Armee eingetreten war und der außerdem (wie grundsätzlich jeder Deutsche nach Ausbruch des Krieges) der Spionage verdächtigt wurde, nicht der Einlieferung in ein australisches Lager. Bis zu diesem Zeitpunkt bewohnte er die stattliche Villa Maria, 115 Queen Victoria Street in Fremantle.

https://fremantlestuff.info/buildings/villamaria.html

Ein Foto von dem Herrn mit dem wohlklingenden Namen als Gefangenen mit der Nummer 4731 finden Sie hier: https://recordsearch.naa.gov.au/SearchNRetrieve/Interface/DetailsReports/PhotoDetail.aspx?Barcode=200963669.

Die vierzehnte Fahrt

Nach der dreizehnten Fahrt der „Neumünster“ hatte Kapitän Carl Herrmann das Schiff übernommen. Von der alten Besatzung blieben nur vier Männer an Bord, zwei Offiziere und zwei Maschinisten:

Johannes Korff, 2. Offizier, geboren in Rinkenis am 2.6.1885

Heinr. Bussert, 4. Offizier, geboren in Sievertshagen am 19.5.1889

Adolf Cortie, 1. Maschinist, geboren in Hamburg am 17.1.1878

Jul. Meentzen, 4. Maschinist, geboren in Sedan am 16.6.1883

Anmerkungen:

Rinkenis, heute Rinkenæs, liegt an der Flensburger Förde. Der Ort gehörte bis 1920 zum Deutschen Reich, danach und bis heute zu Dänemark.

Sedan liegt an der Maas in Nordfrankreich an der belgischen Grenze. Im Deutschen Kaiserreich war die Stadt durch die Schlacht von Sedan und den Sedantag bekannt.

Sievertshagen liegt südwestlich von Stralsund.

Zu dem an Bord gebliebenen 2. und 4. Offizier kamen neu hinzu:

Johannes Kiesow, 1. Offizier, geboren in Wolgast am 24.6.1883

und

Boy Hansen, 3. Offizier aus Keitum, geboren am 15.11.1886

ship's articles Neumunster 1913/14

Musterrolle des Dampfschiffes Neumünster, Seite 11, Ausschnitt, mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.03)

Die beiden Maschinisten komplettierten

Heinrich Kaerkes, 2. Maschinist, aus Neuwark, geboren am 31.3.1882

Gustav Martens, 3. Maschinist, aus Flensburg, geboren am 8.11.1885

Richard Hofmann, Maschinisten-Assistent, aus Flöhn, geb. am 28.9.1893

Berthold Karl Ernst Gruhl, Maschinisten-Assistent, aus Goslar, 24.5.1887 (Rufname unterstrichen)

Decksmannschaft

Die weiteren Männer an Bord, zunächst die Decksmannschaft, jeweils mit Geburtsort und -datum:

Johannes Münder, Zimmermann, Altona, 16.10.(?)1889

Friedr. Borek, 1. Bootsmann, Malchin, 24.2.1871

Friedr. Hamann, 2. Bootsmann, Leysnhuen 29.4.1871
Anmerkung: Hamann ist in der Musterrolle irrtümlich als „2. Leichtmatrose“ eingetragen (siehe Abbildung weiter oben im Text), was jedoch nicht stimmen kann (es gibt keinen zweiten Leichtmatrosen, außerdem ist seine Heuer dafür viel zu hoch, siehe unten)

Julius Piepkorn, Matrose, Laba (?), 8.2.1885

Erich Czech, Matrose, Berlin, 5.2.1883
Anmerkung: Czech hatte sich ab Hamburg verheuert, das Schiff allerdings verpasst. Er kam dann in Antwerpen an Bord (Quelle: Schiffstagebuch der „Neumünster“)

Wilhelm Sassen, Matrose, Geestemünde, 22.11.1888

Adolf Czyrnik, Matrose, Striegau, 17.6.1896

Heinrich Onkes, Matrose, Norderney, 6.8.1887

Carl Quiel, Matrose, Rostock, 7.12.1889

Paul Troitz (?), Leichtmatrose, Moseau (?), 27.12.1895

Stephan Bley, Leichtmatrose, Wehr, 2.5.1890

Albrecht Walter Reuß, Junge, Reval, 21.9.1896 (Rufname unterstrichen)

Baruf (?) Fritz Schumann, Junge, Hamburg, 10.12.1899 (Rufname unterstrichen)

Alois Plauder, Koch, Radkersburg, 21.5.1875
Anmerkung: damit war auch ein Österreicher an Bord

Hermann Laubsch, Bäcker + Kochmaat, Forst, 1.12.1879

Max Hagelberg, 2. Steward, Zerbst, 27.9.1889
Anmerkung: Hagelberg hat noch bei der Ausreise in Antwerpen wieder abgemustert (?.7.1914) und wurde durch einen neuen 2. Steward ersetzt

ship's articles, Neumunster 1914, Max Hagelberg

Musterrolle des Dampfschiffes Neumünster, Seite 13, Ausschnitt, mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.03)

Nachmusterungen in Antwerpen

Nachträglich nachgemustert zu den Bedingungen dieser Rolle:

Friedrich Schreiber, 1. Steward, wohnhaft in Gadersleben, geb. in Schlaustert (?), 24.4.1896

Nachgemustert wie vor:

Joseph Kirchhoff, 2. Steward, Ottbergen, 18.1.1896

Beide Anmusterungen wurden vom zuständigen Seemannsamt in Antwerpen, dem Kaiserlichen Generalkonsulat bestätigt. Unterzeichner ist J. A. Blaesing.

Heizer und Trimmer

(jeweils mit Geburtsort und -datum)

Arthur Wagner, Heizer, Breslau, 4.4.1886

Wendelin Haas, Heizer, Lackendorf, 10.10.1883

Adolf Becks, Heizer, Essen, 29.11.1875

Heinr. Hartz, Heizer, Altona, 13.4.1890

Ernst Menter, Heizer, Tangermünde, 26.6.1883

Otto Brons (?), Heizer, Gotha, 11.12.1883

Theodor Berges, Heizer, Nauen, 2.11.1876

Heinrich Vogler, Heizer, Osnabrück, 18.1.1879

Aug. Schwabe, Heizer, Hochstüblau, 31.3.1886

Otto Schweidereit, Heizer, Gelsenkirchen, 5.5.1887

Otto Schwartz, Trimmer, Pommerensdorf, 31.12.1889

Franz Gallinat, Trimmer, Graboroen (?) 28.9.1892

Heinrich Barenberg, Trimmer, Bismarck bei Gelsenkirchen 14.7.1890

Otto Winzler, Trimmer, Bismarck b. Gelsk., 28.2.1889

Anmerkungen:

Lackendorf gibt es deren mehrere, eins zum Beispiel bei Rottweil.

Hochstüblau heißt heute Zblewo, gehört seit 1920 zu Polen und liegt etwa 70 Kilometer südwestlich von Danzig.

Pommerensdorf ist heute ein Stadtteil von Stettin und heißt Pomorzany.

Bei Graboroen bin ich mir nicht sicher, es könnte sich um das heutige Dorf Grabowo bei Goldap im nördlichen Polen handeln.

Einschleicher an Bord:

Aus dem Schiffstagebuch der „Neumünster“ geht hervor hervor, dass sich noch zwei weitere Personen an Bord befanden. Diese hatte sich in Antwerpen an Bord geschlichen. Sie sind in der Musterrolle nicht verzeichnet.

Max Heigold, Schlachter, geb. 16.02.1886

Franz Benkert, Schmied, geb. 26.03.1884 in Hamme b. Borkum

(Angaben aus: Schiffstagebuch der „Neumünster“, Juni bis August 1914, © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.2)

Die Heuer

Die Musterrolle gibt uns auch Auskunft über die Bezahlung (Heuer) an Bord. Der entsprechende Betrag ist jeweils direkt bei den Seeleuten verzeichnet.

Hier gebe ich die Heuer der 41 Besatzungsmitglieder (ohne Kapitän) in einer Übersicht wieder:

Die Decksmannschaft (21 Personen)

Offiziere

  1. Offizier: 220 Mark
  2. Offizier: 170 Mark
  3. Offizier: 130 Mark
  4. Offizier: 120 Mark

Mannschaft

Zimmermann: 95 Mark
Erster Bootsmann: 90 Mark
Zweiter Bootsmann: 80 Mark
Sechs Matrosen à 73 Mark
Zwei Leichtmatrosen à 40 Mark
Zwei Jungen à 20 Mark

Koch: 120 Mark
Bäcker und Kochmaat: 55 Mark
Erster Steward 75 Mark
Zweiter Steward: 35 Mark

Die Maschinenmannschaft (20 Männer)

Ingenieure

  1. Maschinist: 375 Mark
  2. Maschinist: 270 Mark
  3. Maschinist: 200 Mark
  4. Maschinist: 150 Mark (seine Heuer betrug auf der dreizehnten Fahrt noch 125 M, sie wurde ab Juni 1914 auf 150 M erhöht)

Zwei Maschinisten-Assistenten: 75 Mark und 60 Mark

Anmerkung: der Unterschied bei den Maschinisten-Assistenten lässt sich dadurch erklären, dass einer „befahren“, also schon mindestens ein Jahr zur See fuhr, der andere dagegen noch „unbefahren“ war

Zehn Heizer: 83 Mark
Drei Trimmer à 73 Mark
Ein Trimmer: 55 Mark

Anmerkung: es war übliche Praxis, Trimmern ohne oder mit noch wenig Erfahrung („unbefahren“) weniger zu bezahlen, als „befahrenen“ Trimmern

Der Kapitän

Als einziger, dessen Gehalt nicht aus einer Musterrolle hervorgeht, bleibt uns der Kapitän, der ja als Arbeitgeber in der Musterrolle Vertragspartner aller Schiffsoffiziere und Schiffsleute ist.

Ich schätze seinen Verdienst auf mindestens 450 Mark Einstiegsgehalt (im Jahr seiner Beförderung vom Ersten Offizier). Mit zunehmender Dienstzeit konnte er sicher auf über 600 Mark pro Monat oder noch deutlich mehr angestiegen sein.

Falls Sie Kapitänsgehälter aus der deutschen Handelsmarine vor dem Ersten Weltkrieg kennen und eventuell auch wissen, welche zusätzlichen Bonuszahlungen damals üblich waren, freue ich mich auf Ihre Hinweise!

reichsmark1913

Bild: Pixabay

Die Musterrolle heute

Das Musterungsverfahren wurde erst 2013 abgeschafft. Die Musterrolle ist durch eine Besatzungsliste ersetzt worden und die Seemannsordnung heißt heute Seearbeitsgesetz.

Copyright-Hinweis

Auf der Musterrolle ist ein © Copyright, das nach dem Zeitpunkt des Todes des Verfassers für 70 Jahre fortbesteht. Für den Kapitän und die Offiziere der „Neumünster“ ist mir das Todesdatum nicht bekannt. Ich weise deshalb pflichtgemäß darauf hin, dass deshalb noch ein © Copyright auf der Musterrolle bestehen könnte.

Erstveröffentlichung dieses Beitrags am 4. Juli 2020 hier im Blog.

Sailing and Arrival code, German-Australian Line 1914

Die Telegrammcodes des Dampfschiffes „Fürth“

Von Adjugabam bis Sentienda

und was bedeutet:
UNHOPEFUL FURTH COMEOUTERS BUTSHAFT POPILIUS?

Nachweis Titelbild:
Sailing and Arrival Code, DADG, Titelseite (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.14

Heute stelle ich Ihnen wieder unveröffentlichte Originaldokumente vor.

Zunächst ein Codebuch, welches bei der Kaperung des Schiffes „Neumünster“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, im August 1914 von den australischen Behörden sichergestellt wurde. Siehe dazu auch: Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Neumünster“

Im Anschluss folgen zwei weitere Beispiele zum Thema Telegrafie, diesmal Telegramme aus The National Archives in Kew (London).

Fangen wir mit dem Codebuch an:

Das kleine Büchlein trägt auf der Außenseite den englischen Titel: Sailing and Arrival Code, außerdem gleich zweimal den Namen der Reederei „Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg“ (DADG) in der Kopf- und der Fußzeile und zusätzlich den Namen des Schiffes „Neumünster“, diesen nur in der Fußzeile.

Für mich sieht es so aus, dass der Fußzeileneindruck eingestempelt wurde, er steht leicht schräg. Mit dem gleichen Eindruck wurde der sonst blanke Innentitel (Seite 3) gestempelt.

sailing and arrival code, German Australian Line 1914

Sailing and Arrival Code, DADG, Ausschnitt Innentitel, mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.14

Der Innenteil

Der Innenteil besteht aus zweimal vier Doppelseiten, die ersten vier Doppelseiten sind mit „ARRIVALS“, die zweiten mit „SAILINGS“ betitelt.

Pro Doppelseite folgen dann die Namen von zwanzig Schiffen in alphabetischer Auflistung, insgesamt 60 Schiffe.

  1. „Adelaide“ bis „Forst“
  2. „Freiberg“ bis „Mannheim“
  3. „Melbourne“ bis „Worms“

Die vierte Seite ist offensichtlich für Neuzugänge reserviert und trägt keine Schiffsnamen, aber bereits vorbereitete Codes.

Pro Doppelseite gibt es acht Spalten, wovon die erste für die Schiffsnamen reserviert ist und die sieben weiteren für die Wochentage, beginnend mit Sonntag.

Für jeden Wochentag gibt es pro Schiff zwei Begriffe, der erste ist für 0-12 Uhr und der zweite von 12-24 Uhr. Dies ist in der Fußzeile erklärt:

The first word indicates arrival/sailing A. M., the second P. M.

Für eine Ankunft der „Fürth“ am Sonntagvormittag (0-12 Uhr) war das in der Telegraphie zu verwendende Wort „Adjugabam“, erreichte die Fürth einen Hafen am Sonntagnachmittag, war das Wort „Adjugantem“ zu verwenden und so fort.

arrival code, GAL, 1914

Sailing and Arrival Code, DADG, 2. Doppelseite, Ausschnitt; mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.14)

Alle Codewörter für die Ankunft der 60 Schiffe begannen mit einem „A“, wie „Arrival“.

Das gleiche Prinzip gilt für die folgenden vier Doppelseiten. Wieder gibt es für jedes Schiff und jeden Halbtag ein Codewort, das diesmal für das Ablegen, also „SAILING“ steht. Alle Codewörter beginnen diesmal mit einem „S“.

Der Codename für ein Ablegen der „Fürth“ am Sonntagvormittag lautete „Sentencio“, am Sonntagnachmittag „Senticeta“.

Außer den beschriebenen Texten erhält das Codewort-Verzeichnis keinerlei Erklärungen und sonstige Angaben.

arrival code, GAL, 1914

Sailing and Arrival Code, DADG, 1. Innenseite; mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.14)

Die Standardcodes für Telegrafie

Die Verwendung von Codebüchern war Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts eine gängige Praxis im Wirtschaftsverkehr.

Komplexe ökonomische Zusammenhänge konnten mittels Codes mit wenigen Worten übermittelt werden. Nachdem der Versand telegrafischer Nachrichten in Worten abgerechnet wurde und von einem Handels- oder Industrie-Unternehmen eine Vielzahl dieser Nachrichten abgesetzt wurden, ergaben sich auf diese Weise große Einsparpotentiale.

Im Folgenden ein paar Beispiele aus
The ABC Universal Commercial Electric Telegraphic Code Specially Adapted for the Use of Financiers, Merchants, Shipowners, Brokers, Agents, &c., Fourth Edition, 1881.
Quelle: Duke Digital Collections

Dieser Code wurde (unter anderen) auch von der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft verwendet:

Telegraphic codes, German Australian Line, 1914

Telegrammadresse und verwendete Codebücher; aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Ausgangspunkt für das (fiktive) Beispiel ist folgende Nachricht in Klartext, die Strandung des Schiffes „Enrique“:

ABC Universal Commercial Electric Telegraphic Code 1881

aus: The ABC Universal Commercial Electric Telegraphic Code Specially Adapted for the Use of Financiers, Merchants, Shipowners, Brokers, Agents, &c., Fourth Edition, 1881.

Unter dem Stichwort „stranded“ finden Sie im Codebuch mehrere Optionen (in der Abbildung wegen des Seitenumbruchs auf zwei verkürzt):

aus: The ABC Universal Commercial Electric Telegraphic Code Specially Adapted for the Use of Financiers, Merchants, Shipowners, Brokers, Agents, &c., Fourth Edition, 1881. Quelle: Duke Digital Collections

Angewendet auf die ganze Meldung ergibt das diesen Telegrammtext:

telegraphic code 1881

Nachdem in den Standardcodes für Telegrafie unternehmensspezifische Sachverhalte nicht enthalten sein konnten, entwickelten zahlreiche Unternehmen zusätzliche Code-Listen für ihren täglichen Gebrauch. So ist das vorliegende Codebuch der DADG zu verstehen.

Ein sehr ausführlicher und lesenswerter Beitrag zu dem Thema Telegrafie am Beispiel der Deutschen Bank wurde unter dem anschaulichen Titel „Das viktorianische Internet“ veröffentlicht:

Das viktorianische Internet, Ingrid Rold-Saez, Bank und Geschichte, Historische Rundschau, Informationsbrief No. 40, März 2019, Historische Gesellschaft der Deutschen Bank eV.; http://www.bankgeschichte.de/de/docs/Historische_Rundschau-14-RZ-website.pdf

Druckdatum

Offen ist, wann der „Sailing and Arrival Code“ erstellt wurde. Anders als andere Dokumente der Reederei trägt das Verzeichnis keinen Formularcode, der Aufschluss über das Erstellungsdatum gibt.

Letztmöglicher Drucktermin ist Juni 1914, die „Neumünster“ verließ Hamburg laut Logbuch am 27. Juni 1914.

Um das Druckdatum weiter einzugrenzen, schauen wir uns die Liste der sechzig Schiffe an, die verzeichnet sind. Als erstes fällt mir auf, dass eine andere Quelle (Harms, 1933) von 55 Schiffen der DADG bei Kriegsausbruch spricht; die Liste enthält 60 Schiffe.

Jüngstes Schiff in der Liste ist die „Ceylon“, die im Februar 1914 bestellt wurde; dieser Frachtdampfer kam vor dem ersten Weltkrieg nicht mehr in Fahrt, gleiches gilt für die Schiffe „Forst“, „Guben“, „Lennep“ und „Waldenburg“, die zwar alle bestellt und zum Teil in Bau, aber noch nicht an die Reederei abgeliefert worden waren.

Das letzte Schiff, das vor dem Ersten Weltkrieg von der DADG an eine andere Reederei verkauft wurde, war die bereits 1897 in Dienst gestellte „Meissen“ und zwar im Juli 1913 (Harms 1933, Schmelzkopf 1984). Dieses Schiff ist in der Liste nicht mehr verzeichnet.

Das Druckdatum des Codewortverzeichnisses sollte also etwa zwischen Juli 1913 und Mai 1914 liegen.

Staatsarchiv Hamburg

Wer den Sailing und Arrival Code der DADG einmal selbst einsehen möchte, muss übrigens nicht nach Perth in Westaustralien fliegen. Im Staatsarchiv Hamburg befindet sich ebenfalls ein Exemplar (Referenznummer: 621-1/95_2529 Sailing and Arrival Code der „Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft“, Hamburg, s. d. (sine dato).

Auch hier der Hinweis „Sine dato“, also Erstellungsdatum unbekannt. Interessanterweise ist das Verzeichnis im Firmenarchiv der HAPAG archiviert, ein Hinweis darauf, dass die großen deutschen Reedereien ihre Codeverzeichnisse gegenseitig ausgetauscht haben.

Sailing code, GAL 1914

Sailing and Arrival Code, DADG, 2. Doppelseite, Ausschnitt; mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.14)

Die Verschlüsselung von Nachrichten („Cipher“)

…von Unternehmen

An dieser Stelle greife ich die Nachricht von der Strandung des Schiffes „Enrique“ noch einmal auf. Diese Nachricht lässt sich auch verschlüsselt übermitteln. Diese könnte dann wie folgt lauten (Originalbeispiel aus dem ABC Standard-Codebuch von 1881):

telegraphie_enrique_stranded_cypher

Für die Verschlüsselung der Nachrichten kommen die neben dem Codewort angegebenen Codenummern ins Spiel. Für die Nachricht „Is stranded, but do not expect any damage” ist das die Nummer 13751.

telegraphie_example_streamlet-cypher

Zur Verschlüsselung der Nachricht definieren Sie zunächst eine zehnstellige Buchstabenfolge, in diesem Beispiel das Wort Cumberland.

telegraphie_cypher_example

Mit Kenntnis des Schlüssels Cumberland können Sie nun cmlec als 13751 entschlüsseln und die entsprechende Aussage im Codebuch finden.

Unternehmen verzichteten in vielen Fällen auf diese Verschlüsselung, weil die Übermittlung verschlüsselter Nachrichten teurer war, als die unverschlüsselter.

… in der Weltpolitik

War die Verschlüsselung von Telegramm in der Politik auch schon zu Friedenszeiten eine übliche Angelegenheit, unterlagen telegrafische übermittelte Nachrichten im Ersten Weltkrieg zusätzlich der Geheimhaltung. Heute ist ein Teil dieser Meldungen in Archiven erhalten.

Ein überliefertes Telegramm, dass der westaustralische Premier kurz vor der Kriegserklärung Großbritanniens an den australischen Premierminister nach Melbourne schickte, lautete beispielsweise:

“ENGLISHRY TIPSTOCK MY BUTTONING WILL APIASTER BE AT YOUR SALIGOTS…”

In Reinschrift übertragen lautete der Text:

„that in the event of the declaration of war my Cabinet will at once be at your service…”

Quelle: State Records Office of Western Australia, World War I in WA, Secret Coded Messages; sro.wa.gov.au

Am 5. August 1914 sendete der australische Premierminister dann folgenden Text nach Perth an den Gouverneur Westaustraliens:

TIPSIFIED GERMANY. GLYPHIC.

dies bedeutete:

„Was has broken out between Great Britain and Germany. Signed, the Governor General”

Quelle: State Records Office of Western Australia, World War I in WA, Secret Coded Messages; sro.wa.gov.au

… in Angelegenheiten des Dampfschiffes „Fürth“

Nicht nur in der großen Politik, auch im Kleinen wurden Nachrichten verschlüsselt, zum Beispiel wenn es um das Dampfschiff „Fürth“ ging.

Hier zwei Beispiele aus der Zeit zwischen der Kaperung der „Fürth“ vor Ceylon und der Abfahrt des Dampfschiffes nach London im Oktober 1914. Siehe dazu auch die folgenden Beiträge: Die Kaperung der „Fürth“Das Dampfschiff „Fürth“ wird kondemniert.

Am Samstag, den 3. Oktober 1914 sendete Gouverneur Chalmers aus Colombo folgenden Text über The Eastern Telegraph Company nach London:

„Rempotage sailclutch sabertooth cypher. Governor.”

Von einem Mitarbeiter im Colonial Office in London wurde der Text dann auf einer Schreibmaschine ins Reine getippt, die Reinschrift lautet wie folgt:

TELEGRAM The Governor of Ceylon to the Secretary of State for the Colonies.
(Received, Colonial Office 1-31 p.m. 3 October,1914)

Should be glad to receive early reply to my telegram of September 21st sent in cypher. CHALMERS

(National Archives, Kew, Aktennummer CO 323/625/6, Prize Ship “Furth”)

Diese kurze Reinschrift war eine einfache Arbeit für den Mitarbeiter im Colonial Office, er hatte aber auch komplexere Sachverhalte zu entschlüsseln. Hier wiederum ein Telegramm von Gouverneur Chalmers, diesmal vom 9. Oktober 1914:

XSA 18 COLOMBO 84 9 RX GOVT PASCOL =

CHAPELRIES LN =

UNHOPEFUL FURTH COMEOUTERS BUTSHAFT POPILIUS AND HANDFUL CROWN SACKDUSTER VESSEL LIBRILLIS WITH PAINTLESS ORIGINAL CARGO CONQUERING LEAD AND ZINC COLLEGIANS AND HAVE ALREADY LEASED REMAINING SPACE ARCHPASTOR LOCAL CARGO REPTILIAN CATARROSAS IMMANENT ANTORBITAL LOCAL INDUSTRIES REMAINDER OF CARGO HEARTDEEP WAREHOUSED HERE AND CLAIMS ARE UNDER INTOMBS SHIPPERS OF CARGO REQUIRE APEDROME VESSEL TOUCHPIECE INSURED AGAINST WAR RISK ECLUSA THEM TO INSURE CARGO ARBUSTIVE GENETTA DESIRED ASSURANCE REMPRUNTER ANNITOR ASSURANCE DELAYED FINANCIAL INCAUTO CROWN WILL ONLY BE INSURING HULL FOR ITSELF = GOVERNOR.

Immerhin kann man aus diesem Cable/Cablegram schließen, dass es um eine Schiffsladung und um deren Versicherung gegen Kriegsrisiko geht. Glücklicherweise ist neben dem Original-Telegramm auch diesmal die Reinschrift in den Akten:

TELEGRAM The Governor of Ceylon to the Secretary of State for the Colonies.
(Received, Colonial Office 2.23 p.m. 9th October,1914)

Your telegram 8th October Furth has been condemned by Prize Court and handed over to Crown; purpose to send vessel to London with part of original cargo consisting of lead and zinc concentrates and have already leased remaining space available for local cargo at request of Chamber of Commerce in order to assist local industries; remainder of cargo has been warehoused here and claims are under investigation; shippers of cargo require assurance that vessel will be insured against war risk in order to enable them to ensure cargo authority is requested to give desired assurance; telegraph reply as if assurance delayed financial liability will be incurred; Crown will only be insuring hull for itself. CHALMERS.

(National Archives, Kew, Aktennummer CO 323/625/20, Prize “Furth”)

 

Über die Problematik der Versicherungsfrage vor der Abfahrt der „Fürth“ von Colombo nach London (Tilbury) hatte ich im Blog berichtet, siehe dazu folgenden Artikel:  Dampfschiff „Fürth“: Die Abfahrt nach England verzögert sich

Falls Sie Gefallen an den phantasievollen Codenamen gefunden haben, habe ich Ihnen im Anhang alle Codenamen für die Ankünfte und Abfahrten der „Fürth“ zusammengestellt.

Falls Ihnen das nicht genug ist, finden Sie in der Liste noch 79 x 14 weitere schöne Namen zum Rezitieren oder auswendig lernen.

Oder sind Sie vielleicht auf der Suche nach einem ausgefallenen Vornamen? Wie wäre es mit Alamont oder Sinalissa?

Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt!

Anhang

Die vollständigen Telegrammcodes des Dampfschiffes „Fürth“

Von Adjugabam bis Adjugatos (ARRIVALS)

(Für Ankünfte von Sonntagvormittag bis Samstagnachmittag):

Adjugabam
Adjugantem
Adjugabare
Adjugarem
Adjugabis
Adjugaris
Adjugabo
Adjugas
Adjugamur
Adjugatae
Adjugandam
Agjugatior
Adjugandi
Adjugatos

Beim drittletzten Wort gehe ich davon aus, dass es sich um einen Druckfehler handelt. Agjugatior passt so gar nicht in die Reihe und heißt wohl richtig Adjugatior.

Irgendwie erinnert mich die Wortliste an eine lateinische Verbkonjugation, wobei ich zugebe, dass ich nie Lateinunterricht hatte. Oder auch an ein Gedicht eines Vertreters der Berliner Dadaisten-Szene in den zwanziger Jahren, wie zum Beispiel eines Raoul Hausmann.

Von Sentencio bis Sentienda (SAILINGS)

Für die Abfahrten klingt das dann so (wiederum von Sonntagvormittag bis Samstagnachmittag):

Sentencio
Senticeta
Sententia
Senticetum
Sentenza
Senticosa
Sentero
Senticosum
Sentia
Sentido
Sentiamo
Sentidora
Sentiatis
Sentienda

Sailing code, GAL 1914

Sailing and Arrival Code, DADG, 2. Doppelseite, Ausschnitt; mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.14)

Die Erstveröffentlichung dieses Beitrags erfolgte am 25. Juli 2020.

 

Suezkanal Messbrief Fürth

Der Suezkanal-Messbrief des Dampfschiffes „Fürth“

Originaldokumente aus Hamburg

Das Protokoll über die Suez-Vermessung

Den Schiffs-Messbrief der „Fürth“ habe ich im Blog bereits ausführlich vorgestellt. Siehe dazu: Die Vermessung der „Fürth“. Durch die nachträgliche Änderung des Vermessungsergebnisses ist er glücklicherweise erhalten geblieben.

Die für die Vermessung des Schiffes und die Ausstellung des Messbriefes zuständige Behörde war im Deutschen Kaiserreich das Kaiserliche Schiffs-Vermessungsamt in Berlin. Der Messbrief selbst wurde dann an die Schiffsregisterbehörde in Hamburg gesandt, die daraufhin das Schiffszertifikat ausstellte: Das Schiffszertifikat der „Fürth“

Eine Woche später, am 21. August 1907, sandte das Kaiserliche Schiffs-Vermessungsamt erneut einen Brief nach Hamburg.

Der Inhalt: Das Protokoll über die Suez-Vermessung des Dampfers „Fürth“ für die Fahrt durch den Suezkanal.

Kaiserliches Schiffsvermessungsamt Berlin, Dampfer Fürth

Schreiben des Kaiserlichen Schiffsvermessungsamtes vom 21. August 1907, © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Der Suezkanal (Sueskanal)

Der Suezkanal wurde am 17. November 1869 eröffnet und veränderte den weltweiten Schiffsverkehr bis zum heutigen Tag.

Die Nutzung des Kanals durch den internationalen Schiffsverkehr wurde dann im Jahr 1888 in der Konvention von Konstantinopel völkerrechtlich reglementiert. Bereits zuvor war ebenfalls in Konstantinopel eine internationale Kommission zusammengetreten, um die Gebühren für die Durchfahrt festzusetzen.

Nachdem alle Nationen gleich behandelt werden mussten, es aber durchaus Abweichungen in den Vermessungspraktiken der einzelnen Länder gab, wurde eine eigene Vermessungsgrundlage geschaffen, was bis heute Bestand hat. Das für den Suezkanal gültige Vermessungsergebnis wurde dann in einem „Schiffsmessbrief für die Kanalfahrt“ dokumentiert. International spricht man vom „Suez Canal Special Tonnage Certificate“.

Anmerkung: Heute ist die Rechtschreibung im Deutschen korrekterweise „Sueskanal“. Zur Zeit des Dampfschiffes „Fürth“ erfolgte die Schreibung in allen Dokumenten mit „z“, also Suezkanal. Hier im Blog folge ich dieser damals üblichen Schreibweise mit „z“, wie sie in den hier gezeigten Originaldokumenten verwendet wurde und wie sie heute nach wie vor im Englischen oder Französischen üblich ist.

Der Suez-Messbrief

Anders als beim Schiffsmessbrief, der von der Vermessungsbehörde in Berlin ausgestellt wurde, wurde der Suez-Messbrief der „Fürth“ von der „Deputation für Handel und Schiffahrt“ in Hamburg erstellt und am 24. August 1907 unterzeichnet. Die Behörde bescheinigte darin der Reederei die Vermessungsergebnisse „auf Grund stattgehabter Vermessung in Gemäßheit der von der internationalen Kommission zur Regelung der Abgaben auf dem Suezkanal angenommenen Regeln“.

Suez-Messbrief der Fürth

Schiffsmessbrief für die Kanalfahrt der „Fürth“, Version vom 24.08.1907, oberer Teil des Dokuments; © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Der Bruttoraumgehalt der „Fürth“ wird auf dem Suezkanalbrief mit 5445 Registertonnen angegeben. Davon abzugsfähig sind dann Räume für Mannschaft und Navigation sowie Maschinenräume. Zusätzlich werden 75 % des vermessenen Maschinenraums für die Kohlenbunker in Abzug gebracht. Dieser prozentuale Abschlag für die Treibstoffe („Treibkraftabzug“) wird in der Schiffsvermessung als sogenannte „Donauregel“ bezeichnet. Das Endergebnis der Vermessung war dann ein Nettoraumgehalt von 4087 Registertonnen.

Dieser erste Messbrief für die Kanalfahrt scheint also geradeso noch rechtzeitig fertig geworden zu sein, denn der Tag der Ausstellung (24.08.1907) ist identisch mit dem Abfahrtsdatum der „Fürth“ zu ihrer Jungfernfahrt: Eine Jungfernfahrt mit Verspätung.

Suez-Messbrief des Dampfschiffes Fürth

Schiffsmessbrief für die Kanalfahrt der „Fürth“, Version vom 24.08.1907, unterer Teil des Dokuments; © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Der zweite Suez-Messbrief

Da der deutsche Schiffs-Messbrief der „Fürth“ nachträglich berichtigt wurde (siehe: Die Vermessung der „Fürth“), gibt es auch vom Suez-Messbrief der „Fürth“ eine zweite, korrigierte Fassung.

Mit Schreiben vom 6. Februar 1908 an die Schiffsregisterbehörde sandte die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) den ersten Suez-Messbrief mit der Bitte um Berichtigung an die Behörde zurück:

„Ir. Nr. 165 VI
Im Besitze der geehrten gestrigen Mitteilung erlauben wir uns, der Behörde beiliegend den Suezkanal-Meßbrief für D. „Fürth“ zu behändigen und zugleich ergebenst zu bemerken, daß der deutsche Meßbrief bereits vom Kaiserlichen Schiffsvermessungsamt berichtigt worden ist.
Hochachtungsvoll und ergebenst
Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft
Harms“

Anm.: „behändigen“ war ein damals übliches Verb im Sinne von „übergeben“

Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft Hamburg

Schreiben der DADG vom 6.2.1908 © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Am 26. Januar 1908 war die „Fürth“ von der Jungfernfahrt nach Hamburg zurückgekommen und der Original-Messbrief konnte erst zu diesem Zeitpunkt an die Behörde geschickt werden. In einer Verfügung der Behörde vom 14. Februar 1908 an die Reederei heißt es dann unter Punkt 4: Berichtigung des Suezkanalmessbriefes

Auch diesmal war der Briefverkehr „just-in-time“, denn am 15. Februar 1908 sollte die „Fürth“ zu ihrer zweiten Australienfahrt aufbrechen und wie üblich auf der Heimreise durch den Suezkanal fahren: Eisbären für Adelaide.

Von dieser zweiten Version des Suezmessbriefes der „Fürth“ liegt kein Exemplar im Staatsarchiv Hamburg vor, so dass ich über die Änderung des Nettoraumgehaltes in dieser Messbriefversion keine Angaben machen kann. Die Geschichte ist damit jedoch noch nicht zu Ende.

Eine zweite Berichtigung im Jahr 1910

Ein weiteres Schreiben, das im Staatsarchiv Hamburg erhalten geblieben ist, ist datiert vom 7. November 1910, also über 2 ½ Jahre später. Erneut sandte das Kaiserliche Schiffsvermessungsamt in Berlin ein Protokoll über die Vermessung des Dampfers „Fürth“ zur Ausfertigung eines Messbriefes für die Fahrt durch den Suezkanal nach Hamburg an die Deputation für Handel, Schiffahrt und Gewerbe.

Nachdem ich keine Angabe über Änderungen der Vermessungsregeln aus dem Jahr 1910 finden konnte, gehe ich davon aus, dass die bestehende Reglementierung neu interpretiert und ausgelegt wurde. Jeder, der sich mit Schiffsvermessung beschäftigt, weiß von dieser Interpretationsfähigkeit zu berichten. Der Wikipedia-Artikel zum Thema bietet dazu einen interessanten Einstieg.

Der jüngste vorliegende Schiffsmessbrief für die Kanalfahrt ist datiert vom 9. November 1910 und weist jetzt einen Nettoraumgehalt von 3967 Registertonnen auf, also 120 Registertonnen weniger.

Das neue Ergebnis kam im Wesentlichen durch die Neuberechnung der Aufbauten zustande.

Es bleibt die Frage offen, ob die „Fürth“ diesen neuen Messbrief für die Kanalfahrt bereits in Hamburg an Bord hatte, denn das Schiff hatte den Hafen einen Tag vorher, am 8. November 1910, zur nächsten Australienfahrt verlassen (Pfeffer aus Tellicherry). Eventuell wurde er auf dem Landweg nach Rotterdam oder Antwerpen nachgesandt, doch das ist reine Spekulation.

Suezkanal Messbrief Fürth

Suezkanal-Messbrief der „Fürth“ mit geändertem Nettoraumgehalt, Version von 9. November 1910 © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Die Kanalgebühren für den Suezkanal

Eine Vorstellung über die Kanalgebühren gibt uns Otto Harms, der Direktor der DADG in seinem Buch über die Reederei (1933):

„Die Gesamtausgaben für diese Gebühren zum Satze von 6 ¼ Frs. beliefen sich im ersten Vierteljahr 1914 auf über 740000 Frs., wobei hervorzuheben ist, daß es sich mit Ausnahme der Linie 5 nur um heimkehrende Schiffe handelt, welche die Ausreisen um Südafrika gemacht hatten.“

Die 6 ¼ Franc beziehen sich auf die Nettoregistertonne pro Durchfahrt, so dass von Januar bis März 1914 Schiffe der DADG mit einem Raumgehalt von 118400 Nettoregistertonnen durch den Suezkanal fuhren. Bei überschlagsweise gerechneten 5400 Nettoregistertonnen pro Schiff ergäbe dies 22 Kanalfahrten alleine für die ersten drei Monate 1914.

Anm.: Die „Fürth“ zählte 1914 bereits zu den kleineren Schiffen, daher habe ich einen wesentlich höheren Durchschnittswert von 5400 Registertonnen für die Tonnage angesetzt.
Die Kanalgebühren waren 1890 noch 9,5 Frs. gewesen und wurden nach und nach gesenkt, nach Ansicht der Reeder aber (natürlich) immer noch viel zu hoch.

Eine stattliche Summe

Umgerechnet entsprachen die 740 000 Frs. vor dem Ersten Weltkrieg einer Summe von etwa 600 000 Mark (Wechselkurs 1 Franc = 0,81 Mark).

Für das Dampfschiff „Fürth“ (3967 Registertonnen) wurde also 1914 der Betrag von 24800 Franc für eine Durchfahrt fällig, also rund 20.000 Mark. Die „Fürth“ erreichte Suez am 18. März 1914 und durchfuhr anschließend den Kanal in Richtung Mittelmeer (SIEHE: Endlich nach Hause!).

Die stattlichen Kanalgebühren waren der Grund, dass die Reederei den Kanal fast ausschließlich für die Heimfahrten benutzte und die ausgehende Linienfahrt nach Australien und Ostasien über Südafrika durchführte.

Der Schwedenausweis

Der Suezkanal war nicht das einzige Fahrtgebiet, für das die „Fürth“ ein besonderes Dokument an Bord haben musste.

Für den Verkehr in den schwedischen Häfen war der Schwedenausweis notwendig. Dort, genauer gesagt in Gothenburg war die „Fürth“ auf ihrer neunten Fahrt (SIEHE: Die „Fürth“ in Skandinavien).

Der folgende Satz mag einen Eindruck davon geben, wie kleinlich die unterschiedlichen Vermessungsbestimmungen ausgestaltet wurden:

„Nach ihm [dem Schwedenausweis] sind alle freistehenden Niedergangshäuser, selbst wenn sie verschließbar sind, aber zu abzugsfähigen Räumen führen, von der Vermessung frei.“

Deshalb heißt es auch in der gleichen Quelle:

„Es ist dringend zu wünschen, daß die Schiffsvermessung durch internationale Vereinbarung so weit vereinfacht und vereinheitlicht wird, daß jedes Schiff nur einen Meßbrief zu führen braucht, der in allen Staaten und Kanälen anerkannt wird.“
Handbuch für die Schiffsführung, J. Müller, J. Krauß, M. Berger, 3. Ausg., Springer, 1938, abgerufen über books.google.fr am 10.07.2019

Der Suezkanal, als auch der Panamakanal haben bis heute (2019) ihre eigenen Vermessungsregeln und Messbriefe. Der Schwedenausweis wurde nach dem Zweiten Weltkrieg abgeschafft.

Hinweis: Erstveröffentlichung dieses Artikels am 20. Juli 2019.

Dampfschiff Neumünster 1907

Pläne zur Rekonstruktion des Dampfschiffes „Fürth“

Aus dem Schifffahrtsmuseum Flensburg

Titelbild: Zeichnung der „Neumünster“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg (Ref. BN_269). Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass sämtliche Bildrechte beim Schifffahrtsmuseum Flensburg liegen und jegliche Nutzung dieses Bildes der Genehmigung des Rechteinhabers bedarf.

DigiPEER

Vor einiger Zeit hatte ich den Generalplan des Schiffes „Lübeck“ vorgestellt, der im Rahmen des Projektes DigiPEER digitalisiert worden war. SIEHE Das Projekt DigiPEER

DigiPEER war ein Projekt, ich zitiere, zur „Digitalisierung wertvoller Pläne und technischer Zeichnungen zur Erfassung und Erschließung des Raums im 20. Jahrhundert“.

Die „Lübeck“ war dem Schiff „Fürth“ sehr ähnlich: sie war auf der gleichen Werft ebenfalls für die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) gebaut worden, sie hatte eine ähnliche Größe und zwischen dem Bau beider Schiffe lagen gerade einmal sieben Jahre.

Die Pläne der „Reichenbach“ und der „Neumünster“

Die beiden heute gezeigten Pläne sind von Schwesterschiffen der „Fürth“ und haben daher Gültigkeit für die gesamte „Hagen-Klasse“, also die Schiffe „Hagen“, „Reichenbach“, „Plauen“, „Neumünster“, „Fürth“, „Osnabrück“ und schließlich „Hanau“.

Erhalten haben sich beide Pläne im Archiv des Schifffahrtsmuseums Flensburg, welches sie als Leihgabe von der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft erhalten hat, der Werft, die in den Jahren 1906 und 1907 diese Schiffe für die DADG in Hamburg gebaut hatte.

Dampfschiff Reichenbach, 1907, Generalplan

Generalplan der „Reichenbach“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg (Ref. FSG_267). Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass sämtliche Bildrechte beim Schifffahrtsmuseum Flensburg liegen und jegliche Nutzung dieses Bildes der Genehmigung des Rechteinhabers bedarf.

Generalplan der „Reichenbach“

Eines der Dokumente ist der Generalplan des Schiffes S.D. „Reichenbach“. Das S.D. vor dem Namen steht für Schrauben-Dampfer.

Im oberen Teil des Planes sehen wir den Aufriss, also die seitliche Ansicht der „Reichenbach“. Darüber von links nach rechts eine Aufsicht auf das Bootsdeck, auf das Brückendeck und auf das kleine Peildeck.

Unter dem Aufriss sind zwei Aufsichten, die obere auf das Hauptdeck mit der davon abgesetzten Back (rechts im Bild )und die untere auf das Schottendeck mit dem offen liegenden Welldeck zwischen der Back und dem Hauptdeck.

Links auf dem Plan befindet sich eine Schnittzeichnung. Diese ist zweigeteilt und zeigt links einen Schnitt durch den Laderaum und rechts einen Schnitt durch den Kesselraum.

Darunter ist eine Aufsicht auf das Zwischendeck beim Maschinen- bzw. Kesselschacht und ganz unten eine Aufsicht auf das Tanktop (die Tankdecke des Doppelbodens).

Dampfschiff Neumünster 1907, DADG

Zeichnung der „Neumünster“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg (Ref. BN_269). Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass sämtliche Bildrechte beim Schifffahrtsmuseum Flensburg liegen und jegliche Nutzung dieses Bildes der Genehmigung des Rechteinhabers bedarf.

Zeichnung der „Neumünster“

Die gleichen Ansichten wie für den Schraubendampfer „Reichenbach“ zeigt eine farbig angelegte Zeichnung des Schiffes „Neumünster“. Hier ist das Schiff im Aufriss oberhalb der Wasserlinie farbig angelegt, ebenso die verschiedenen Aufsichten und der Schnitt.

Diese farbige Zeichnung war von der Werft vielleicht für eine Präsentation des Schiffes beim Kunden, also bei der DADG angefertigt worden. Wenn Sie so wollen, quasi ein handkolorierter Vorläufer eines PowerPoints. Bei einem Verkaufspreis von rund 1,2 Millionen Mark konnte man durchaus einen Zeichner diese aufwändige Arbeit machen lassen.

Anmerkung: Die Baupreise der Hagen-Klasse lagen pro Schiff zwischen 1,158 Millionen für das günstigste (und älteste) und 1,285 Millionen Mark für das teuerste (und jüngste) der Schiffe (Quelle: Harms, 1933)

Über den Schiffbau

Der Schiffbau wird von Physik und Material bestimmt, aber auch durch regulatorische Rahmenbedingungen (Gesetzgebung, Vermessungsregeln, Vorschriften der Klassifikationsgesellschaften).

Beim Entwurf eines Handelsschiffes ist es wesentlich, die Hauptabmessungen und Völligkeitsgrade so zu wählen, daß das Schiff einerseits für seine Fortbewegung günstigste Form, also einen möglichst geringen Widerstand hat, andererseits aber auch genügend Tragfähigkeit und einen ausreichend nutzbaren Raum besitzt. Je nach der zu entwerfenden Schiffsgattung wird man z. B. beim Schnelldampfer größeren Wert auf schlanke Schiffslinien legen, beim langsamen Frachtschiff dagegen auf völlige Form, die einen guten Laderaum ergibt.
Quelle: Klassischer Schiffbau der Vorkriegszeit, Heinrich Herner, Salzwasserverlag; leicht abgeänderter Nachdruck des Originals (1926); abgerufen über books.google.fr

Der Schnitt durch Lade-/Kesselraum der „Reichenbach“ zeigt sehr schön die „völlige“ Form der Frachtdampfer der Hagen-Klasse, also die Optimierung der Schiffsform im Hinblick auf den Laderaum.

Reichenbach 1907, Schnittzeichnung

Generalplan der „Reichenbach“, Ausschnitt, © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg (Ref. FSG_267)

Ein Kompromiss muss beim Schiffbau im Hinblick auf Stabilität und Gewicht gefunden werden:

Die wichtigste Aufgabe bei der Gestaltung der Schiffsverbände ist bei ausreichender Festigkeit einen möglichst leichten Schiffskörper zu erhalten. In den letzten Jahrzehnten sind in dieser Hinsicht sehr große Fortschritte gemacht worden, indem man die Bauteile in höchster Ausnutzung des Werkstoffes angeordnet hat.

Interessant ist, dass bereits bei Erscheinen des Buchs im Jahr 1926 die Überlegenheit der Schweißtechnik im Schiffbau bekannt war, diese sich aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg durchsetzen konnte:

Ein weiterer Weg zur Gewichtsersparnis ist die umfangreiche Verwendung der Schweißung im Schiffbau, da ein vollständig geschweißtes Schiff hauptsächlich durch Fortfall von Winkelflanschen und Nietköpfen 25-30% leichter wird als ein genietetes.

Über das Nieten im Schiffbau hatte ich an Hand eines Fotos der „Fürth“ auf der Helling in Flensburg berichtet. Auf dem Foto sind auch Werftarbeiter an drei Nietkochern zu sehen. SIEHE: Die „Fürth“ auf der Helling

Der Schiffbau wurde weiters von den Sicherheitsvorschriften der Klassifikationsgesellschaften bestimmt. Die Gesellschaft Lloyd’s Register hatte ich hier vorgestellt: SIEHE Die „Fürth“ in Lloyd’s Register. Das deutsche Pendant dazu war der Germanische Lloyd, der unter anderem detaillierte Vorschriften über Klassifikation und Bau von stählernen Seeschiffen vorgab.

Die Gesetzgebung stellte Mindestanforderungen an Sicherheit und Arbeitsbedingungen an Bord. Als Beispiel sei genannt die Bekanntmachung, betreffend die Logis-, Wasch- und Baderäume sowie die Aborte für die Schiffsmannschaft auf Kauffahrteischiffen.

Der Schiffbau hatte sich auch an den nationalen und internationalen Vermessungsregeln zu orientieren. Diese komplizierten Regelwerke führten zu bestimmten Schiffstypen, die bei der Vermessung günstiger abschnitten als andere und kleinere Raumgehalte möglich machten. Für die Reeder hatte dies Vorteile bei den Hafen- und Kanalgebühren (Suezkanal) oder auch bei den Versicherungspolicen. Zum Schiffsmessbrief der „Fürth“ und die mit der Vermessung verbundene Problematik siehe: Die Vermessung der „Fürth“

Welldecker

Schemazeichnung eines sogenannten Welldeckers; aus: Klassischer Schiffbau der Vorkriegszeit, Heinrich Herner, Salzwasserverlag; Nachdruck des Originals aus dem Jahr 1926; abgerufen über books.google.fr

Welldecker

Eine dieser vermessungstechnisch günstigen Schiffstypen war der sogenannte Welldecker, wie er auch in der Hagen-Klasse und somit bei der „Fürth“ umgesetzt wurde.

Der Name Welldecker leitet sich vom englischen Wort für Brunnen („well“) ab und weist auf das niedrigere Deck im Vorschiff hin, dass gegenüber dem Oberdeck abgesenkt war. Hier befand sich die Ladeluke 1.

Ein wesentlicher Grund für diese Bauform lag in der günstigen Vermessung:

Da der Welldecker wegen der großen Aufbaulänge sehr günstig vermessen werden kann, wendet man diesen Typ auch bei großen Schiffen für atlantische Fahrt an.
Quelle: Klassischer Schiffbau der Vorkriegszeit, Heinrich Herner, Salzwasserverlag; leicht abgeänderter Nachdruck des Originals (1926); abgerufen über books.google.fr

Von den Seeleuten wurde der abgesenkte Bereich mit der Ladeluke 1 auch als „Versaufloch“ bezeichnet. Bei schwerer See sammelte sich in diesem Bereich das Wasser, bevor es wieder ins Meer zurücklief.

Dieses „Versaufloch“ hat sich auf vielen Küstenmotorschiffen („KÜMOS“) bis etwa in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein erhalten, auf modernen Schiffen findet man es nicht mehr.

Die Reichenbach in Burnie

Auf diesem Bild ist das „Versaufloch“ rechts neben dem vorderen Mast gut zu erkennen; mit freundlicher Genehmigung des © Maritime Museum of Tasmania, Cyril Smith Collection vol. 11., https://ehive.com/collections/3906/objects/842355/reichenbach

Dampfschiff Reichenbach, 1907, Generalplan

Generalplan der „Reichenbach“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg (Ref. FSG_267).

Der Aufbau des Schiffes

Die „Fürth“ und ihre Schwesterschiffe hatten fünf Ladeluken. Zwischen Luke 1 und 2 sowie zwischen Luke 4 und 5 befanden sich die beiden Masten mit den Ladebäumen. Die Tragfähigkeit eines Ladebaums betrug 5 Tonnen, am vorderen Mast befand sich zusätzlich ein Schwergutladebaum für Lasten bis 15 Tonnen.

Auf dem Aufriss sieht man sehr schön auch die Besegelung mit vier Stützsegeln zur Abwetterung von Schwerwetter. Siehe dazu den Beitrag Tagebuch (11): Die „Fürth“ in den Roaring Forties und den fachkundigen Kommentar dazu.

Charakteristisch für den Schiffstyp war die Trennung von Brücken- und Maschinenhaus. Zwischen beiden lag eine weitere Ladeluke (Luke 3). Auf langen Fahrten ohne Landberührung diente der darunterliegende Laderaum 3 als Reservebunker für die Lagerung zusätzlicher Bunkerkohlen (1720 Tonnen), die nicht von den festen Bunkern (Kapazität 500 Tonnen) aufgenommen werden konnten.

Vor der Maschine konnte Fracht auf vier Ebenen untergebracht werden, in der Zeichnung von oben nach unten „Brücke“, „Zwischendeck“, „Unterdeck“ und „Raum“ bezeichnet. Alle Raumangaben sind in Kubikfuß (C.F.) notiert, alle Längenangaben in Fuß und Zoll.

Im hinteren Schiffsteil wurde der Raum über dem Doppelboden von der langen Welle zwischen Maschine und Ruder eingenommen, es gab ein Deck weniger. Die Decks sind auf der Zeichnung als „Poop“, „Zwischendeck“ und „Raum“ beschriftet.

Zusätzlichen Lagerraum bot die Vor- und die Achterpiek am Bug bzw. Heck des Schiffes. Diese Lagermöglichkeiten sind in der Zeichnung als „Stores“ benannt. In der Afterpiek lagen zusätzlich Öl-, Post- und Proviantraum (Anmerkung: der Ölraum ist auf dem Plan als Probekammer bezeichnet).

Im als Doppelboden konstruierten Schiffsboden sind Tanks für Frisch- und Ballastwasser eingebaut.

Die Mannschaftsräume befanden sich im Bug des Schiffes unter der Back, die Matrosen auf der Steuerbord- und die Heizer auf der Backbordseite. Zur Unterbringung der Mannschaft siehe: Dampfschiff „Fürth“: im Mannschaftslogis.

Kapitän, Offiziere und Stewards waren im Brückenhaus untergebracht. Die Kapitänskammer hatte ich bereits beschrieben. Dampfschiff „Fürth“: In der Kapitänskajüte. Vor der Kapitänskammer lag der Kartenraum und vor diesem der Steuerraum. Darunter lagen der Salon und eine Pantry sowie die Unterkünfte von Offizieren und Stewards und ein Sanitätsraum.

Anmerkung: Der mit Verwalter bezeichnete Raum dürfte von einem der Offiziere genutzt worden sein. Es sind nur drei Offizierskammern im Plan eingezeichnet, an Bord waren aber vier Offiziere (nach Harms 1933 ab dem Jahr 1904).

Generalplan Reichenbach 1907, Ausschnitt

Generalplan der „Reichenbach“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, Ausschnitt Peil- und Brückendeck, © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg (Ref. FSG_267).

Die Unterkünfte der Maschinisten und Köche lagen im Maschinenhaus. Dort befand sich auch Kombüse, Werkstatt, zwei Lampenräume, die Messe und Pantry der Maschinisten sowie Bäder und WCs. An den Seiten des Maschinenhauses befanden sich die Öffnungen für das Bunkern von Kohle.

Am unteren Bildrand ist die Gangway zum Betreten und Verlassen des Schiffes erkennbar.

Dampfschiff Reichenbach, Maschinenhaus, 1907

Generalplan der „Reichenbach“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, Ausschnitt Maschinenhaus, © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg (Ref. FSG_267).

Die vielen Halbkreise auf dem Hauptdeck zeigen die Lage der Lüfterköpfe an. Weiterhin sind an Deck die Dampfwinden zu erkennen (4 pro Mast plus zwei weitere seitlich an Luke 3); die beiden Ankerwinden auf der Back und eine Verholwinde auf dem Achterschiff.

Sicher kann man den Zeichnungen noch weitere Details entnehmen, ich will es allerdings bei den genannten Punkten belassen.

Modellbauer gesucht

Die Pläne der „Fürth“ beziehungsweise von zwei ihrer identischen Schwesterschiffe sind also noch vorhanden, jetzt fehlt nur noch ein erfahrener und begeisterter Modellbauer, der solch ein schönes Handelsschiff der Kaiserlich Deutschen Handelsmarine nachbauen möchte!

An dieser Stelle möchte ich auf ein wirklich phantastisches Modell hinweisen, dass von einem anderen (ehemaligen) Schiff der DADG existiert. Gefunden habe ich es auf der Webseite der Model Ship World: https://modelshipworld.com/topic/5427-steamship-heinrich-kayser-by-nils-langemann-scale-196-1898-as-she-appeared-in-1922-finished/ Staunen Sie selbst!

Es ist ein Modell im Maßstab 1:96 des Schiffes „Heinrich Kayser“, exElbing, einem Zweischornsteiner aus dem Jahr 1898. Zur Geschichte dieses 1922 im Nordatlantik verschollenen Schiffes erfahren Sie hier mehr: Dampfschiff „Fürth“ – Rückzahlung der Vorrechtsanleihe im Jahr 1917.

Die Geschichte der beiden in diesem Blogartikel gezeigten Schwesterschiffe finden Sie hier:

Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Neumünster“

Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Reichenbach“

Dieser Artikel erschien in erster Fassung am 20. September 2020.

 

Carl Ferdinand Schmidt, 1855-1928

Carl Ferdinand Schmidt

Titelbild: Carl Ferdinand Schmidt, Vorstandsmitglied der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft von 1889 – 1913, Ausschnitt aus einem Foto von Knackstedt und Näther, Hamburg, um 1902, Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Sibylle Kreisel, Immenstadt

Vorstand der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg

Heute bin ich der glücklichen Lage, der Reedereigeschichte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg (DADG) einen weiteren, schönen Mosaikstein hinzufügen zu können.

Auf dem Titelbild sehen wir Carl Ferdinand Schmidt, der von 1889 bis 1913 vierundzwanzig Jahre lang im Vorstand der Reederei tätig war.

Mein Dank geht an Frau Sibylle Kreisel in Immenstadt, die das Foto im Zuge ihrer Ahnenforschung gefunden und mir freundlicherweise zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt hat. Ich bedanke mich bei ihr ebenfalls für die wertvollen Informationen zu seinem Lebenslauf. Sibylle Kreisels Ehemann ist der Urenkel der Schwester Carl Ferdinand Schmidts, Aurora Thye.

Die frühen Jahre

Carl Ferdinand Schmidt wurde am 27. April 1855 als erster Sohn des Reeders Jep Henning Schmidt auf Römö (Rømø) in eine dänische Familie mit alter Seefahrertradition geboren.

Römö war zu diesem Zeitpunkt noch dänisch. 1867 wurde die Insel in Folge des Deutsch-Dänischen Krieges Teil der preußischen Provinz Schleswig Holsteins und 1871 eine Insel des Deutschen Reiches mit dem deutschen Namen Röm. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges fiel Römö im Zuge der Volksabstimmung 1920 mit Nordschleswig zurück an Dänemark.

Röm, Insel, Nordschleswig
Historische Karte der Insel Römö (oben rechts) von Franz Geerz 1888, mit Darstellung der Inseln zu der Zeit um 1643-1648; unten links: Sylt; unten rechts: die 2001 versunkene Hallig Jordsand; Quelle https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Historische_Karte_von_den_Nordfriesischen_Inseln_-_Franz_Geerz_1888-2_(cropped_R%C3%B8m%C3%B8_Listland_Jordsand).jpg

Carl Ferdinand Schmidt absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Kaufmann. Er wurde Kontorist seines Vaters in dessen Reedereibüro in Kopenhagen, am Nyhavn, wo die Segelschiffe lagen. Hier erlernte er das Metier der Handelsschifffahrt, was den Grundstein für seine spätere Karriere legen sollte. Erhaltene Unterlagen legen den Schluss nahe, dass er unter anderem die Bücher für seinen Vater geführt hat.

Kopenhagen, Nyhavn, um 1900
Der Nyhavn in Kopenhagen, historische Ansichtskarte, Fotograf und Datum unbekannt, in Privatbesitz, Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Sibylle Kreisel, Immenstadt

Kopenhagen, Nyhavn
Der Nyhavn in Kopenhagen heute; Aufnahme von Sibylle Kreisel, Immenstadt; Wiedergabe in Sepia

Jep Henning Schmidt hatte sich mit Leib und Seele für den Orangenexport von Messina/Sizilien in die Ostsee bis nach Sankt Petersburg engagiert und zehn eigene Segelschiffe laufen, die heute noch „Messinaboote“ genannt werden.

Im Jahr 1887 heiratete Carl Friedrich Schmidt in Hamburg Johanna Dorothea Christ. Aus der Heiratsurkunde geht hervor, dass die Trauung auf Grund einer lebensgefährlichen Erkrankung des Ehegatten in der Wohnung der Ehegattin im Kreuzweg 26 vollzogen wurde. Schmidts Adresse ist mit Steindamm 13, Hamburg angegeben.

Carl Ferdinand Schmidt, Johanna Dorothea Christ geschiedene Knabe 1887
Carl Ferdinand Schmidt, Eintrag im Heiratsregister der Stadt Hamburg (Auszug), oben links der Hinweis, dass die Zeremonie in der Wohnung Kreuzweg 26 vollzogen wurde; Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Sibylle Kreisel, Immenstadt

Schmidts Tätigkeit bei der DADG

Ansonsten müssen wir die Zeit zwischen der Tätigkeit Carl Friedrich Schmidts bei seinem Vater und dem Eintritt bei der DADG offenlassen, aber vermutlich hatte Schmidt sehr gute Referenzen, als er von dem Vorstandsvorsitzenden Otto Harms für den Vorstand der DADG in Hamburg ausgewählt wurde.

Schmidt trat im März 1889 in die Hamburger Reederei ein:

Am 1. März trat als zweites Vorstandsmitglied C. Ferd. Schmidt ein, ein sprachenkundiger, fleißiger und angenehmer Mitarbeiter. Gehalt 3600 M; …
Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Schröder und Jeve, Hamburg (1933).

Ein Jahresgehalt von 3600 Mark waren für die damalige Zeit ein komfortables Salär. Harms selbst bezog als Vorstandsvorsitzender mehr als Doppelte (7500 Mark).
(Angaben nach Harms 1933 für das Jahr 1889)

Die Verwaltung der Reederei „wurde sparsam gehalten“ (Harms 1933), was nichts anderes heißt, dass alle Büroarbeiten von den beiden Herren Harms und Schmidt zunächst selbst erledigt wurden. Lediglich für das, in den ersten fünf Geschäftsjahren betriebene Auswanderergeschäft, gab es eine zusätzliche Fachkraft (Jahresgehalt 2500 Mark). Außerdem wurde ein Kontorbote für einen Wochenlohn von 20 Mark beschäftigt.

Das wachsende Geschäft machte nach und nach die Einstellung weiterer Mitarbeiter erforderlich.

Am 1. Januar 1907 bestand die Belegschaft der Reederei aus den beiden Vorständen Harms und Schmidt, zwei Prokuristen (Oppermann und Chelius), 27 Handlungsgehilfen (Kommis) und fünf Boten, „zusammen 36 Personen, bei einer Flotte von 27 Dampfern“ (Harms 1933).

Harms und Schmidt leiteten die Geschicke der DADG bis ins Jahr 1911, erst dann wurde der Vorstand um weitere Mitglieder vergrößert.

Laeiszhof Hamburg, Büro Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft
Der Laeiszhof in Hamburg, hier hatte die DADG ab 26. April 1898 ihre Büroräume, ab Herbst 1911 den ganzen dritten Stock; Quelle: commons.wikimedia.org/wiki/File:Laeiszhof_(Hamburg-Altstadt).3.12405.ajb.jpg

Schmidts maßgeblicher Anteil am Erfolg der DADG

Carl Ferdinand Schmidt war 24 Jahre als Vorstand für die DADG tätig. Im Nachhinein war Harms voll des Lobes für ihn:

„Er war sehr wertvoll im inneren Betrieb, unbedingt zuverlässig und vertrauenswürdig und hat wiederholt während längerer Abwesenheit von Harms die Geschäfte zu voller Zufriedenheit geführt.“
Otto Harms (1933)

Nach außen trat Schmidt wenig in Erscheinung, die Außendarstellung übernahm Otto Harms vornehmlich selbst.

Als Beispiel dafür sei die Probefahrt des Dampfers „Hamm“ genannt, bei der Direktor Harms die erlesene Hamburger Gästeschaft persönlich begleitete. Carl Ferdinand Schmidt hingegen suchen wir auf der Gästeliste vergebens.
Siehe: Teilnehmer einer Probefahrt

Lediglich bei langen Abwesenheiten übernahm Schmidt die Rolle des Chefs. Das muss beispielsweise bei Harms‘ Australienreise im Jahr 1892 der Fall gewesen sein, die etwa ein halbes Jahr gedauert haben dürfte. Eine weitere Australienreise unternahm Harms um das Jahr 1902.

Wohnhaft war Carl Ferdinand Schmidt in der Bülaustraße 8 im zentralen Hamburger Stadtteil Sankt Georg, zumindest gilt das für das Jahr 1905:

Schmidt, Vorstand DADG, 1905
Adresseintrag von Carl Ferdinand Schmidt im Hamburger Adressbuch für das Jahr 1905; Quelle: https://agora.sub.uni-hamburg.de/subhh-adress/digbib/view?did=c1:454388&p=732

Spätere Jahre

Carl Ferdinand Schmidt verließ den Vorstand der DADG im März 1913.

„Der langjährige treue Mitarbeiter im Vorstand, C. Ferd. Schmidt, zog sich seiner Gesundheit wegen im März 1913 zurück. Das war zu beklagen, umsomehr als er in 1914 25 Jahre im Vorstand gewesen wäre.“
Harms (1933)

Über sein weiteres Leben wissen wir wenig: Im Jahr 1923 starb seine Ehefrau Johanna Dorothea im Alter von 69 Jahren. Die Adresse des Paares befand sich zu diesem Zeitpunkt in Hamburg, Hofweg 74. Die Ehe war kinderlos geblieben.

Carl Ferdinand Schmidt verstarb am 26. Mai 1928 im Alter von 73 Jahren in seiner Wohnung in der Hoheluftchaussee 12 in Hamburg.

Mit ihm endete das traditionelle familiäre Engagement in der Seeschifffahrt. Sein Bruder war königlicher Branddirektor in Kopenhagen. Dessen zwei Söhne wanderten zu Beginn des Ersten Weltkrieges in die USA aus, um dem Tod auf dem Schlachtfeld zu entgehen, und haben dort Posten in der Ölindustrie betrieben.

Deren Nachkommen und die Nachkommen der Schwester Aurora leben heute in den USA, in Dänemark und in Deutschland.

Romo Kirkeby Schmidt Thye
Familiengrab der Familie Schmidt auf Römö, hier sind unter anderem die Eltern Carl Ferdinand Schmidts sowie seine Schwester Aurora Thye (geborene Schmidt) begraben, Foto: Sibylle Kreisel