Archiv für den Monat Juli 2023

Fürth auf der Helling

Das Dampfschiff „Fürth“ auf der Helling

Aus dem Archiv des Schifffahrtsmuseums Flensburg

Titelbild: Die „Fürth“ (Bau-Nr. 273) vor dem Stapellauf im Jahr 1907, Ausschnitt; © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass sämtliche Bildrechte beim Schifffahrtsmuseum Flensburg liegen und jegliche Nutzung dieses Bildes der Genehmigung des Rechteinhabers bedarf.

Stapelnummer der "Fürth"
Die „Fürth“ (Bau-Nr. 273) vor dem Stapellauf im Jahr 1907, Ausschnitt; © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg.

Ein zweites Bild des Schraubendampfers „Fürth“

Heute kann ich Ihnen eine echte Fotorarität vom Bau des Dampfschiffes „Fürth“ präsentieren: die „Fürth“ auf der Helling in Flensburg.

Gebaut wurde der Dampfer 1907 bei der Flensburger Schiff(s)bau-Gesellschaft (FSG). Historische Aufnahmen der Werft befinden sich mittlerweile im Schifffahrtsmuseum Flensburg und aus dessen Fotoarchiv, das über 28.000 Aufnahmen umfasst, stammt das hier vorgestellte Bild.

Besonders schön ist, dass die Aufnahme sehr detailreich ist und wir außer der „Fürth“ im Bildvordergrund auch einen Eindruck von der Arbeit auf der Werft bekommen. Dazu weiter unten mehr. Die vollständige Abbildung ist ebenfalls weiter unten im Text zu finden.

Die zweite mir vorliegende Aufnahme der „Fürth“ finden Sie hier: Ein Foto der „Fürth“

Flensburger Schiffbau Gesellschaft
Anzeige der Flensburger Schiffsbau-Gesellschaft in der Zeitung Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle vom 22. Februar 1917; Quelle: europeana.eu

Aufnahmedatum

Der Bildtitel heißt „vor dem Stapellauf“. Dieser erfolgte am 20. Juli 1907. Der Bau hatte am 21. Januar des gleichen Jahres begonnen, an diesem Tag wurde „der Kiel gelegt“, wie es im Schiffbau heißt.

Über den Bau der „Fürth“ hatte ich hier bereits berichtet: Bau, Stapellauf und Probefahrt der „Fürth“

Die Aufnahme dürfte daher etwa Mitte Juli 1907 entstanden sein, vielleicht sogar am 20. Juli, dem Tag des Stapellaufes. An diesem Tag wurde das Schiff auch getauft und zu diesem Anlass, der mit einer kleinen Zeremonie begangen wurde, dürfte der Fotograf sowieso auf der Werft gewesen sein.

Die „Osnabrück“

Einen Eindruck von dem Baufortschritt bekommt man, wenn man das Schiffs links neben der „Fürth“ betrachtet. Die Stapelnummer ist (bei Vergrößerung der Abbildung) unten vor dem Schiffsrumpf erkennbar, es ist die 274. Diese Nummer trug das Schiff „Osnabrück“, ein Schwesterschiff der „Fürth“, welches nur einen Monat nach der „Fürth“ und zwar am 21. August 1907 vom Stapel laufen sollte. Mitte Juni 1907 hatte die „Fürth“ also vermutlich noch genau so ausgesehen. Ein beachtlicher Baufortschritt innerhalb eines Monats also.

Über das Schwesterschiff „Osnabrück“ siehe: Schwesterschiffe der „Fürth“: der Frachtdampfer „Osnabrück“

"Fürth" auf der Helling, Flensburg 1907
Die „Fürth“ (Bau-Nr. 273) vor dem Stapellauf im Jahr 1907; © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg.

Die Helling

Die Helling oder auch der Helgen genannt, ist ein zum Wasser hin leicht abfallender Bauplatz eines Schiffes. Von dort rutscht es am Tag des Stapellaufes ins Wasser und wird dann zu Ende gebaut.

Die Hellinge waren in den norddeutschen Hafenstädten ein gewohnter Anblick. Auf der Internetseite der Stiftung Historische Museen Hamburg heißt es dazu:

Die riesigen Helgengerüste auf den Werften waren Sinnbild der Leistungsfähigkeit und echte Wahrzeichen in der Stadtsilhouette.

Die Quelle beschreibt auch den Ablauf der Arbeiten:

Die Arbeiten auf der Helling begannen mit dem Auslegen der Pallen, auf denen das Schiff abgestützt wurde, und der Vorbereitung der Schlitten und der Bahn für den späteren Stapellauf. Der Schiffbauer auf dem Helgen arbeitet deshalb immer mit dem Lot und dem sogenannten Fallbrett.

Quelle: https://shmh.de/de/hamburgwissen/dossiers/hamburger-schiffbau

Der Stapellauf

Zwei Aufnahmen des Stapellaufs selbst sind von dem Schiff „Anneliese“ überliefert, das auf der Werft von Henry Koch in Lübeck erbaut wurde:

Die „Anneliese“ gleitet ins Wasser:

Stapellauf "Anneliese"
Stapellauf der Anneliese in Lübeck am 4. April 1908 auf der Schiffwerft von Henry Koch; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:HL_Damals_%E2%80%93_Anneliese_%E2%80%93_Schiffswerft_von_Henry_Koch_%E2%80%93_2.jpg

Die „Anneliese“ nach dem Stapellauf im Hafenbecken:

Stapellauf Anneliese
Stapellauf der „Anneliese“ in Lübeck am 4. April 1908 auf der Schiffwerft von Henry Koch; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:HL_Damals_%E2%80%93_Anneliese_%E2%80%93_Schiffswerft_von_Henry_Koch_%E2%80%93_1.jpg

Der Schiffsrumpf

Am Rumpf der „Fürth“ stechen sofort die beiden großen Öffnungen rechts und links vom Bug ins Auge, die Ankerklüsen. Durch diese werden später die Ankerketten für den Steuerbord- und den Backbordanker laufen.

Schön zu sehen sind außerdem die Bullaugen der Mannschaftsunterkünfte, die sich unter der Back im Bug befunden haben.

Das Schiff hat bereits einen Anstrich erhalten, das Unterwasserschiff in Schwarz und der obere Rumpf vermutlich in grauer Farbe. Auch der Schriftzug „Fürth“ ist bereits vorhanden. Ein Indiz, dass die Aufnahme sehr kurz vor dem Stapellauf gemacht wurde.

Nietkocher 1907, Flensburg
Die „Fürth“ (Bau-Nr. 273) vor dem Stapellauf im Jahr 1907, Ausschnitt; © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg.

Das Niet

Im Vordergrund der Fotografie sehen wir Werftarbeiter an drei Nietkochern.

Zu der Zeit unseres Dampfschiffes „Fürth“ wurden die Stahlplatten eines Schiffsrumpfes genietet. Die heute übliche Schweißtechnik hat sich erst in den fünfziger Jahren durchgesetzt.

Man kann sich leicht vorstellen, dass viele zehntausende Niete notwendig waren, um ein mittleres oder großes Schiff zusammenzuhalten.

Wie das Nieten funktioniert, erklärt uns die Stiftung Historische Museen Hamburg:

Es gab das Nieten von Hand sowie wie pneumatisches Nieten. Ab 10mm Durchmesser wurde das Niet auf dem Nietenkocher erwärmt. Der Nietwärmer nahm den weiß glühenden Niet mit der Zange aus der Esse und steckte es schnell in das Nietloch. Der Vorhalter drückte mit dem Vorhalter das Niet gegen die Platte und hielt bis zur Beendigung dagegen. Der mit dem Niethammer arbeitende Nieter drückte mit einigen Schlägen zuerst die Platten zusammen, um dann den Nietschaft zu stauchen und den Schließkopf zu bilden. Alle wasserdichten Teile wurden von Hand oder mit Pressluftwerkzeugen verstemmt und durch kräftiges Abspritzen mit einem Wasserstrahl auf Dichtigkeit geprüft.

Die Nieter arbeiteten in sogenannten Nieterkolonnen:

Das Nieten war Aufgabe der Nieterkolonnen. Sie bestanden aus dem Nieter, dem Vorhalter und dem Nietwärmer, der auch die Niete zureichte. Bei größeren Entfernungen zum Nietofen wurde noch ein Zureicher eingesetzt.

Beide Zitate aus: https://shmh.de/de/hamburgwissen/dossiers/hamburger-schiffbau

Um das Nieten etwas lebhafter zu veranschaulichen, hier noch ein Auszug aus einem Erfahrungsbericht:

Ein erfahrener älterer Schiffbauer hatte die Aufgabe die Niete weißglühend zu kochen. Wenn der Mann am Nietofen erstmal den glühenden Niet mit einer langen Zange vom Feuer genommen hat, musste alles Weitere sehr, sehr schnell gehen, damit der Niet auch heiß zum Nietloch kam. Für den Transport zur Nietstelle setzte man sehr gerne super schnelle Azubis ein.

Der Schiffbauer nahm mit seiner Zange den Niet vom Feuer und warf ihn in die offene Ladeluke. Unten im Schiff wartete schon ein Lehrling mit einem kleinen Metalleimer und fing den glühenden Niet auf und rannte so schnell wie es möglich war durch das Schiff. Meist war der Weg sehr lang und ging auch noch durch Räume, die durch Schotten getrennt waren. Dann wartet hinter dem Schott ein zweiter Azubi und übernahm ganz schnell den Niet und flitzte rasend schnell zur Nietstelle. Dort angekommen übernahm der Dübbermann den Niet und steckte ihn ohne zu zögern in die Nietbohrung. Wenn alles gut gegangen war begann auf der Außenseite des Schiffes der Nieter mit seiner Arbeit. Er bearbeitete den heißen Niet bis ein richtiger Kopf geformt war. Sein Presslufthammer hämmerte in ohrenbetäubenden Lärm auf die Metallteile, Stundenlang, sage ich Euch. Hörschutz wie man es heute kennt, gab es einfach nicht. Der Döbbermann hielt während dessen seinen Döpper gegen den Niet, damit er während des Nietens nicht rausflutschen konnte.

Quelle: http://cuxpedia.de/index.php?title=Beckmannwerft_(Geschichten)

Anmerkungen:

Der Döpper (oder auch „Dolly“) hatte etwa ein Gewicht von etwa 20 Kilogramm. Der Döppermann wurde auch „Gegenhalter“ genannt.

Das Bild zeigt auch das Nichtvorhandensein persönlicher Schutzausrüstung, wie sie heute selbstverständlich wäre.

Metalleimer (Fangeimer) zum Auffangen der glühenden Niete sehen wir auf diesem Bildausschnitt:

Nieter, Flensburg 1907
Die „Fürth“ (Bau-Nr. 273) vor dem Stapellauf im Jahr 1907, Ausschnitt; © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg.
Nietreihen am Ruderblatt der SS Great Britain (Bristol); eigene Aufnahme, Februar 2019

Dieser Blogartikel erschien in einer ersten Fassung am 12. September 2020.

menu, hotel des indes, 1910

Opulentes Abendessen in Batavia

Titelabbildung: Menu des Hotels „Des Indes“ in Batavia vom 19. März 1910; Quelle: The New York Library, Digital Collections; http://digitlcollections.nypl.org/; public domain

Ein Menu im Hôtel Des Indes (1910)

Auf unserer Reise nach Batavia sind wir in unserem Hotel, dem Hôtel Des Indes, angekommen und haben nach einem anstrengenden Tag richtig Appetit.

Den Aperitif hatten wir auf der großen überdachten Terrasse eingenommen und nun begeben wir uns in den großen Speisesaal.

Die oben abgebildete Menükarte ist vom Samstag, den 19. März 1910.

Im März 1910 könnten auch Kapitän Saegert vom Frachtdampfer „Fürth“ mit ein paar Offizierskollegen das Hotelrestaurant aufgesucht haben. Der Frachtdampfer befand sich zu dieser Zeit in Java.

Er war am 8. März aus Südaustralien kommend in Batavia angekommen. Die wichtigste Fracht für Java war Mehl, das in Adelaide geladen worden war. Bis zum 10. März wurde ein Teil der Ladung in Batavia gelöscht, bevor die „Fürth“ weitere Häfen auf Java anlief.

In der Folge umrundete die „Fürth“ die Insel Java im Uhrzeigersinn. Nach dem Anlaufen von Semarang, Soerabaya, Banjoewangi und von Tjilatjap, dem einzigen Tiefseehafen an der Südküste, kehrte die „Fürth“ anschließend nach Batavia zurück, von wo aus sie am 23. März nach Singapur aufbrach.

Das Menü vom 19. März 1910 dürfte Kapitän Saegert vermutlich verpasst haben.

Die Menüfolge

Die Küche des Hôtel Des Indes war offenbar stark geprägt von Auguste Escoffier, der 1903 seinen Guide Culinaire herausgegeben hatte. Spätestens dieses Kochbuch machte den französischen Koch in aller Welt berühmt und das Buch wurde in viele Sprachen übersetzt. Viele Speisen auf der Menükarte finden wir in seinem Werk wieder. Den Link zu der digitalisierten deutschen Ausgabe von 1910 finden Sie am Ende des Blogartikels.

Hors d’œuvres varié

Unser Menü beginnt mit einer Auswahl an Appetitanregern oder Vorgerichten, wie es Escoffier ausdrückt.

Canapés, Cremes, Duchesse-Krapfen, verschiedene Gemüse, Meeresfrüchte, Salate, salzige Törtchen: eine Auswahl davon könnte unser Menü eröffnet haben. In der französischen Menüabfolge sind die Hors d’œuvres, die vor der Suppe serviert werden, kalt.

hors d'oeuvres 1923
Hors d‘oeuvres, in Mrs. Beeton’s Cookery Book, 1923; Quelle: Cold Entrée: Chicken Médaillons, Cold Border of Salmon, Beef Galantine, Zephires of Duck, Mutton Cutlets in Aspic, Chartreuse of Pheasant, Timbale of Turbot, and Chicken Darioles from Mrs. Beeton’s Book of Household Management; Rawpixel Ltd., Lizenz CC BY 4.0

Consommé Montmorency

Eine leichtgebundene Geflügelkraftbrühe mit Spargel setzt unser Menü fort. Escoffier nennt die darin befindliche Einlage: „Kleine raupenförmige Klößchen, Spargelspitzen (Hauptbestandteil). Pochierter Reis. Kerbelblätter.“

Filet de Soles à l’Amiral

Der Admiral als einer der höchsten Dienstgrade in der Marine ist Hinweis darauf, dass das jetzt servierte Seezungenfilet reich garniert daherkommt.

Die Seezunge nach Admiralsart verlangt als Garnitur Champignons, Krebsschwänze, Trüffel(scheiben), Muscheln und Austern à la Villeroy (zu Villeroy kommen wir noch). Dazu macht Escoffier eine „gebundene Weißweinsauce, die man mit dem eingekochten Fischfond und 50 Gr. Krebsbutter mischt.“

Filet de Boeuf Garni à la Châtelaine

Nun der Fleischgang: ein Rinderfilet, das nach Art der Schlossherrin (châtelaine) garniert ist. Dazu gehören – nomen est omen – Schlosskartoffeln (pommes noisettes) sowie Artischocken, Maronenpüree mit Zwiebeln, geschmorter Salat und Kalbsfonds.

Escalopes de ris de veau à la Villeroy

Ich persönlich esse sehr gerne Kalbsbries. Leider werden diese schmackhaften Innereien immer teurer gehandelt.

Namensgeber der Zubereitungsart „à la Villeroy“ ist der französische Marschall François de Neuville de Villeroy (1644-1730). Eine weiße Grundsauce (sauce allemande) wird mit Trüffel- und Schinkenessenz verfeinert. Die Kalbsbries-Scheiben werden dann in die (recht dicke) Soße eingetaucht, paniert und anschließend frittiert.

Escoffier merkt an: „Der einzige Gebrauch dieser Sauce ist, gewisse Bestandteile einzuhüllen, um dieselben nachher „à l’anglaise“ zu panieren. Durch diese Art der Zubereitung nehmen die betreffenden Gerichte immer die Benennung „à la Villeroy“ an.“

Sorbets Sicilienne

Zeit zum Durchatmen! Bevor es weiter geht, gibt es eine kleine Erfrischung. Nach Escoffier sind Sorbets gleichzeitig appetitreizend und förderlich für die Verdauung.

Im Deutschen verwendet man für Sorbet auch den Namen Scherbett, der auf das türkische şerbet (kühler Trank) zurückgeht.

Der Zusatz sizilianisch (sicilienne) legt für unser Menü Sorbets/Scherbetts aus Zitrusfrüchten und/oder Melone nahe.

chaud froid 1923
Beispiele für Chaudfroid-Gerichte (Pute, Lachs, Schinken) in Mrs. Beeton’s Cookery Book, 1923; Quelle: https://commons.wikimedi.org/wiki/File:Chudfroid_Dished_Turkey_en_Chudfroid,_Chudfroid_of_Slmon,_nd_Chudfroid_of_Hm_from_Mrs._Beeton%27s_Book_of_Household_Mngement._Digitlly_enhnced_from_our_own_1923_edition._(50440535911).jpg, Lizenz CC BY 2.0, Rawpixel Ltd.

Chaud-Froid de Volaille „en Bellevue“

Bei einem Chaud-Froid wird grundsätzlich heiß zubereitet und kalt serviert (chaud-froid = heiß-kalt). In unserem Fall wird Geflügel (volaille) verarbeitet, das dann mit einer gelatinehaltigen gebundenen Soße oder Gelatine überzogen wird. Alternativ gibt es Chaud-Froid auch mit Fleisch oder Fisch. Zum Schluss wird das Chaud-Froid kunstvoll dekoriert, wie oben auf den Bildern zu sehen ist. Diese künstlerische Präsentation der Speise bezeichnet man als „en Bellevue“. Einfacher ausgedrückt: ein rausgeputztes Hühnchen in Gelee.

Gâteau Fantaisie

Auch beim Erstellen des Kuchens (gâteau)/der Torte wird sich die Hotelküche mächtig ins Zeug gelegt haben, um das Ergebnis möglichst repräsentabel zu gestalten.

Ein paar Beispiele phantasievoller Kuchen aus einem Buch von 1923 sind unten abgebildet.

fancy cakes 1923
Beispiele für Fantasietorten in Mrs. Beeton’s Cookery Book, 1923; Quelle: Fancy Cakes: Cakes and Gâteaux showing various styles of Icing and Decoration from Mrs. Beeton‘s Book of Household Management. Digitally enhanced from our own 1923 edition; Rawpixel Ltd., Lizenz CC BY 4.0

Glace Nesselrode

Karl Robert Graf von Nesselrode war ein deutscher Adliger und Diplomat, der während des Wiener Kongresses die russische Delegation leitete. Auf seine kulinarische Vorliebe für die Esskastanie dürfte das Dessert zurückgehen, welches jetzt 95 Jahre nach dem Wiener Kongress im Hôtel des Indes in Batavia serviert wurde.

In Meyers Konversationslexikon wird es als eine Eiscreme aus Rahm, Eidotter, Zucker, Maronenpüree, Zitronat und Rosinen beschrieben.
Meyers Konversationslexikon, 4. Auflge 1885-1892; https://www.retrobibliothek.de/retrobib/seite.html?id=111819

Bei Rezepten, die ich im Internet recherchiert habe, gehört aber immer auch Maraschino, ein Kirschlikör, in ein Glace Nesselrode.

Gerne wurde dieses Dessert aufmerksamkeitsträchtig von Hotelbediensteten in Form einer großen Eisbombe in den Speisesaal gebracht.

Bei Escoffier ist die Bombe Nesselrode schlichter: „Außen Vanille-Eis, innen Schlagsahne, der man feines Kastanienpüree unterzogen hat.“

Fruits – Dessert – Café

Sind Sie auch so satt wie ich? Unser Menü neigt sich dem Ende und klingt mit Früchten, Desserts und Café aus.

Nach Torte und Eiskrem wird sich das Dessert in Grenzen halten, vielleicht ein paar Kekse, Konfekt oder kandierte Früchte.

Das Obst war sicher eine interessante Wahl, die Auswahl javanischer Früchte sicher riesig und deren Geschmack köstlich.

dessert fruit 1923
Dessertfrüchte und ihre Präsentation in Mrs. Beeton’s Cookery Book, 1923; Dessert Fruit: Apricots, White Cherries, Black Cherries, White, Black and Red Currants, Melon, Strawberries, Raspberries, Black Diamond Plums, Greengages, and Victoria Plums from Mrs. Beeton’s Book of Household Management, Rawpixel Ltd., Lizenz CC BY 4.0

Getränke

Was leider zu unserm Menü nicht erhalten ist, ist die Getränkekarte. Aber nachdem wir schon beim Aperitif gesehen haben, dass die Hotelbar keine Wünsche offenließ (SIEHE: Im Hotel „Des Indes“), können wir davon ausgehen, dass es im Restaurant genauso war.

Bemerkenswert finde ich die Idee des Hotels, den Gästen eisgekühltes Wasser zu servieren, das aus den Bergen (Buitenzorg) nach Batavia transportiert, dann abgekocht, gekühlt und anschließend eiskalt serviert wurde. Zum Wohl!

medan deli, nederlands indië, 1914
Die Weinlisten der Importeure ließen in Niederlänisch-Indien keine Wünsche offen; Anzeige von Medan-Deli in De Sumatra Post, 4. Feb. 1914; http://www.delpher.nl

Weitere Blogartikel zum Thema Essen und Verpflegung

Über die Verpflegung von Ehrengästen bei einer Probefahrt des Schiffes „Hamm“ der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft berichtet dieser Artikel:

Wenn Ihnen der Sinn nach einfacher Küche steht, geht’s hier entlang:

Wie die Kombüse auf einem Frachtdampfer eingerichtet war, sehen Sie hier:

Wie die Seeleute verpflegt wurden, erfahren Sie in diesen beiden Artikeln:

Der Kochkunstführer von August Escoffier (Ausgabe 1910)

Den Kochkunstführer von A. Escoffier in der Ausgabe von 1910 finden Sie in der digitalen Sammlung der Sächsischen Landesbibliothek — Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB):

http://digital.slub-dresden.de/id392948516

Hotel des Indes, Batavia, about 1905

Im Hotel „Des Indes“

Titelbild: Das „Hôtel Des Indes“ in Weltevreden (Batavia), Aufnahme von 1902-1905; Quelle: Collectie Stichting Nationaal Museum van Wereldculturen über commons.wikimedia.org; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Collectie_NMvWereldculturen,_TM-30011729,_Foto-_Overzicht_van_Hotel_des_Indes,_1902-1905.jpg, CC BY 4.0

Fortsetzung unserer Reise nach Batavia

Im vergangenen Blogartikel haben wir eine Reise nach Batavia unternommen, uns in der Stadt umgesehen und uns über die Exportprodukte der Stadt informiert: Reise nach Batavia

Nach so einem anstrengenden Programm ist es an der Zeit, unser Hotel aufzusuchen und uns auszuruhen.

Wo könnten wir dies besser tun, als im berühmten „Hôtel Des Indes“ in Batavia.

Für gutsituierte europäische Reisende gehörte das „Des Indes“ in Batavia zu den ersten Adressen in Südostasien, ähnlich wie das Raffles in Singapur oder das Grand Oriental Hotel in Colombo.

Ich persönlich bin kein anspruchsvoller Reisender und hätte auch mit einer kleinen einfachen Pension in Batavia vorliebgenommen, aber da ich diese Auswahl nicht mit Fotomaterial illustrieren kann, nächtigen wir auf unserer virtuellen Reise eben auf großem Fuß im bekannten „Hôtel Des Indes“.

Unser Reiseführer (Meyers Weltreisen 1912) bestätigt uns in unserer Wahl:

Hôtel des Indes (Pl. 2, B4), Molenvliet; 150 Z., gut, gelobt, Pens. von 6 Fl. an. (Meyers Reiseführer, 1912; https://www.gutenberg.org/files/50669/50669-h/50669-h.htm)

Anmerkungen: Mit 150 Zimmern hatte das Hotel eine stattliche Größe. Laut Eigenwerbung von 1926 war es das „größte Hotel des Fernen Ostens“.
Quelle: Hotelbroschüre Hotel Des Indes, ca. 1926, delpher.nl

Der Wechselkurs des Niederländischer Gulden lag bei etwa 1,69 M. 6 Fl. waren also gut zehn Mark. Das beinhaltete Zimmer und Verpflegung.

Aus einer Broschüre aus dem Jahr 1926 gehen folgende Preise hervor: Einzelzimmer 10 – 25 FL, die zweite Person plus 9 FL (Tagespreis mit Pension). Da Reisen früher langsamer vonstattenging, hatte das Hotel auch Monatsraten. So war ein Zimmer mit der Tagesrate von 10 FL für 270 FL pro Monat zu bekommen.

Hotel des Indes, room, Batavia, 1920th
Hôtel des Indes, Batavia, Zweibettzimmer, 1924-1932; Quelle: Collectie Stichting Nationaal Museum van Wereldculturen, Inventarnummer RV-A440-ee-79; public domain.

Hotelgeschichte

Das Hotel „Des Indes“ war 1829 von dem Franzosen Antoine Surleon Chaulan als „Hotel de Provence“ gegründet worden, bevor es 1851 in „Hotel Rotterdam“ umbenannt wurde und bereits fünf Jahre später den Namen „Des Indes“ erhielt.

Der britische Naturforscher Alfred Russel Wallace beschrieb das Hotel 1869:

Das Hôtel des Indes war sehr komfortabel, jeder Gast hat einen Aufenthaltsraum und ein Schlafzimmer, die sich auf eine Veranda öffnen, auf der seinen Morgenkaffee und seinen Nachmittagstee einnehmen kann. In der Mitte des großen Hofes gibt es ein Gebäude mit mehreren Marmorbädern, die immer zur Verfügung stehen; außerdem gibt es ein exzellentes Table d’hôte-Frühstück um zehn und Dinner um sechs, die für einen moderaten Betrag angeboten werden.
in: A. R. Wallace, The Malay Archipelago, eigene Übersetzung aus dem Englischen

Am 13. Dezember 1899 schrieb Carl Stangens Reisebureau an die Hoteldirektion:

Hierdurch theile ich Ihnen ergebenst mit, dass sich die Mitglieder der Carl Stangen’schen Reise um die Erde in Ihren Hotel äusserst wohl gefühlt haben und mit allem gebotenen in jeder Beziehung zufrieden waren.

Carl Stangen Reisebureau, Berlin
Das prächtige Titelbild des Reisekatalogs von Carl Stangen, 1895; https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Carl_Stangen_1895_VD.jpg

Anmerkung: Carl Stangen führte das erste deutsche Reisebüro in Berlin mit internationalen Zielen. Es wurde 1905 von der HAPAG übernommen und ist damit der Ursprung der heutigen Hapag-Lloyd-Reisebüros.

Desweiteren schrieben Ernst von Hesse-Wartegg und Frau, geb. Minnie Hauk, am 17. März 1900:

Gestützt auf meine Erfahrungen während eines längeren Aufenthalts im Hotel des Indes, Batavia, gebe ich hiermit gern meiner Überzeugung Ausdruck, dass sich dieses Hotel in Bezug auf Zuvorkommenheit und Dienstwilligkeit der Direction, sowie in Bezug auf Küche und Wohnbequemlichkeiten gegenüber die grosse Mehrzahl der Hotels in Niederländisch Indien in besonderer Weise auszeichnet.

Beide Testimonials sind einer Werbeanzeige des Hotels „Des Indes“ im Reisgids voor Nederlandsch-Indië aus dem Jahr 1902 entnommen. Quelle: delpher.nl

1930 wurde das Hotel „Des Indes“ komplett umgebaut und erweitert. Nach der indonesischen Unabhängigkeit bestand es unter dem neuen Namen Duta Indonesia noch bis 1971 fort. Dann musste es der Stadterneuerung Jakartas Platz machen und wurde abgerissen.

Batavia, Hotel Des Indes
Direktor Gantvoort vom Hotel Des Indes (im Bild rechts) erwartet uns schon!, Aufnahme 1910, Quelle: commons.wikimedia.org, COLLECTIE_TROPENMUSEUM_Batavia_directeur_Gantvoort_van_Hotel_des_Indes_met_(mogelijk)_twee_van_zijn_medewerkers_TMnr_60009065.jpg

Ankunft im Hotel

Ankommende Schiffspassagiere und/oder deren Gepäck wurden mit eigenen Wagen am Hafen in Tandjong Priok abgeholt.

Dazu verfügte das Hotel über eigene Fahrzeuge: wie auf der Abbildung unten zu sehen, waren dies geschlossene Kutschen oder offene Pferdewagen für das Gepäck. Spätestens ab 1907 hatte das Hotel auch eigene Motorwagen zum Transport der Gäste.

Von den mächtigen Banyan-Feigen, die vor dem Hotel standen, sind auf der Abbildung unten nur ein paar Zweige zu sehen.

Die großen Bäume sorgten auch im Hotelgarten für reichlich Schatten.

Hotel des Indes, Batavia, 1910
Hotel des Indes, Batavia, 1910; Quelle: Collectie Stichting Nationaal Museum van Wereldculturen über commons.wikimedia.org; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:COLLECTIE_TROPENMUSEUM_Hotel_des_Indes_in_Batavia_TMnr_60009042.jpg; Lizenz CC BY-SA 3.0

Check-In und Service im Hotel

Hinter der Empfangstheke des Hotels posieren zahlreiche Mitarbeiter für den Fotografen. Auch Direktor Gandvoort, ab 1903 Hotelmanager, lässt es sich nicht nehmen, auf der Aufnahme präsent zu sein. Er steht in der hinteren Ecke des Raumes und hat alle Mitarbeiter im Blick.

Hotel des Indes Batavia 1910
Personal im Hotel des Indes, Batavia 1910, im Hintergrund rechts Direktor Gandvoort, Quelle: Collectie Stichting Nationaal Museum van Wereldculturen über commons.wikimedia.org; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:COLLECTIE_TROPENMUSEUM_Kantoorpersoneel_van_Hotel_des_Indes_Batavia_rechts_op_de_achtergrond_de_heer_Gantvoort_directeur_TMnr_60009046.jpg, Lizenz CC BY-SA 3.0

Neben den geschäftigen Herren hinter der Theke ist weiteres Hotelpersonal zu unseren Diensten:

Hotel des Indes, Batavia, staff, 1910
Vier Angestellte des Hotel des Indes, Batavia 1910; Quelle: Collectie Stichting Nationaal Museum van Wereldculturen über commons.wikimedia.org; https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4c/COLLECTIE_TROPENMUSEUM_Vier_personeelsleden_of_gasten_van_Hotel_des_Indes_Batavia_TMnr_60009052.jpg, Lizenz CC BY-SA 3.0

Die Zimmer des Hotels waren über das große Hotelgelände im Bungalowstil verteilt. Die gehobene Kategorie hatte eigene Bäder.

Statt Klimaanlagen, die es damals natürlich noch nicht gab, konnte man sich elektrische Ventilatoren gegen eine tägliche Gebühr ausleihen.

Zum Service des Hôtel Des Indes gehörte auch ein hausinternes Reisebüro, das Gästen bei allen Fragen zur Weiterreise behilflich sein konnte.

Eine Dampfwäscherei, die nach Hotelangeben unter Anleitung europäischer Mitarbeiter betrieben wurde, sorgte für saubere Hotelwäsche und bot auch den Gästen einen 24-Stunden-Service.

Spätestens ab 1914 hatte das Hotel für seine Gäste eine Autovermietung.

Hotel des Indes Batavia 1910
Überdachte Terrasse im Hotel des Indes, Batavia, 1910; Quelle: Collectie Stichting Nationaal Museum van Wereldculturen über commons.wikimedia.org; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:COLLECTIE_TROPENMUSEUM_Voorgalerij_Hotel_des_Indes_Batavia_TMnr_60009044.jpg, Lizenz CC BY-SA 3.0

Zeit für einen Drink

Nach dem Check-In entspannen wir uns bei einem erfrischenden Drink oder einem Aperitiv. Welcher Ort wäre dazu besser geeignet, als die große überdachte Terrasse des Hotels.

Vielleicht ein Glas Champagner? Die Marke Irroy aus Reims wurde von Harmsen Verwey & Co. nach Niederländisch-Indien importiert und dürfte auf der Karte des Hotel „Des Indes“ gestanden haben. Ebenso die Marke Mumm.

Sehr populär waren damals gespritete Weine, wie Port oder Sherry. Importeur ebenfalls Harmsen Verwey & Co.

Exklusiv im Hôtel Des Indes waren Bordeauxweine der Kellerei A. de Luze & Fils in Batavia zu bekommen. Weine aus Australien und Südafrika dürften ebenfalls auf der Karte gewesen sein, wie vielleicht auch ein deutsches Moselblümchen. Diese Angaben stützen sich auf Zeitungsanzeigen von Importeuren in Niederländisch-Indien aus den 1910er Jahren.

Oder Lust auf ein Bier? Im Hotelprospekt aus dem Jahr 1926 machte der Importeur W. Biedermann & Co. Werbung für Pilsener Bier der Klosterbrauerei Neuburg an der Donau. Eine andere Anzeige wirbt für Becks vom Fass (Beck’s Vatbier).

Lieber alkoholfrei? Eisgekühltes Wasser stand den Gästen frei zur Verfügung. Das Wasser wurde für diesen Zweck aus den Quellen von Buitenzorg bezogen, abgekocht, dann wieder abgekühlt und eisgekühlt den Gästen serviert. Damit hatte man eine elegante Lösung für das Trinkwasser- bzw. Eiswürfelproblem gefunden.

hotel des Indes Batavia 1910
Speisesaal im Hauptgebäude des Hôtel des Indes, Batavia, 1910; Quelle: Collectie Stichting Nationaal Museum van Wereldculturen über commons.wikimedia.org; COLLECTIE TROPENMUSEUM De eetzaal in het hoofdgebouw van Hotel des Indes in Weltevreden Batavia TMnr 10021912.jpg; Lizenz CC BY-SA 3.0

Das Dinner wartet

Der Speisesaal für bis zu 500 Personen ist fertig eingedeckt, das Dinner kann um 18 Uhr beginnen! Der zentrale Deckenventilator wird für eine angenehme Belüftung sorgen.

Sie schätzen eine privatere Atmosphäre beim Dinner? Kein Problem, auf dem Grundstück gab es einen Pavillon mit privaten Speisesälen. Hier konnten auch Essen, Bälle, Feste, Empfänge oder Besprechungen organisiert werden.

Das Menu

Es ist an der Zeit, einen Blick in die Menükarte für den Abend zu werfen.

Das tun wir dann im nächsten Blogartikel!

Entdecken Sie elegante Speisen, die damals in Mode waren, heute aber weitgehend in Vergessenheit geraten sind!

Der Meisterkoch Auguste Escoffier (1846-1935) wird uns einige Gerichte der wohlklingenden Speisekarte des Hotels erklären.

In der Küche des Hotels war sicher ein Exemplar seines Guide Culinaire vorhanden. Das 1903 erschienene Kochbuch machte Escoffier in aller Welt berühmt und viele Speisen auf der Menükarte finden wir in seinem Werk.

Die Karte ist übrigens auf Französisch, wie das in internationalen Restaurants der gehobenen Klasse seinerzeit üblich war. Aber keine Angst, Sie bekommen selbstverständlich alles übersetzt.

Zu Tisch! – à table !