Archiv für den Monat Oktober 2019

Tilbury Docks, London, William Lionel Wyllie

Kapitän R. J. Thomson überführt das Dampfschiff „Fürth“ von Ceylon nach England

23. Oktober 1914: Abfahrt aus Colombo

Der Frachtdampfer “Fürth” war am 5. Oktober 1914 vom Prisengericht in Ceylon als rechtmäßige Prise bestätigt worden. SIEHE: Das Dampfschiff „Fürth“ wird kondemniert. Danach hätte das Schiff nach England überführt werden können, aber versicherungstechnische Fragen verzögerten das Ablegen um zweieinhalb Wochen. SIEHE: Dampfschiff „Fürth“: Die Abfahrt nach England verzögert sich

Das Abfahrtsdatum aus Colombo ist aus erster Hand bekannt. Die Quelle ist ein Telegramm des Gouverneurs von Ceylon, Robert Chalmers an den Secretary of State for the Colonies, also den Minister für Kolonialangelegenheiten, zu dieser Zeit Lord Harcourt.

Prize ship “Furth“ left here October 23rd for London please make arrangements for taking over ship on behalf of Crown on arrival.
CHALMERS.

Quelle: Telegramm von Gouverneur Chalmers vom 26. Oktober 1914, Britisches Nationalarchiv, Referenznummer CO 323/625/9

Erze und Waren aus Ceylon

An Bord der „Fürth“ waren bei der Abfahrt eine Ladung Erze aus Australien als Teil der ursprünglichen Fracht und etwa 5000 Tonnen ceylonesische Produkte.

Die Erzmengen sind wie folgt dokumentiert (hier auf ganze Tonnen gerundet, die Originalangaben sind auf das Pfund genau):

255 Tonnen Zinkkonzentrate
265 Tonnen Bleikonzentrate
2.000 Säcke Bleikonzentrate
200 Säcke Wolframerz
1.010 Tonnen Zinkkonzentrate

the steamer Furth often transported ores from Australia to Europe

Die „Fürth“ transportierte regelmäßig Erze von Australien nach Europa (Bild Pixabay)

Über die Natur der ceylonesischen Produkte geht aus den Archivunterlagen nichts hervor.

Mit der Übergabe der Waren bei Ankunft in London wurde die Firma Thomas und James Harrison in London betraut:

„The ship is consigned to Messrs: Thomas and James Harrison, Billiter Street …”  

Zu T & J Harrison mehr in einem der nächsten Blogartikel. Das Unternehmen hatte sich um die ordnungsgemäße Auslieferung der ceylonesischen Produkte und einem Teil der Erze zu kümmern. Ein anderer Teil der Erze dagegen mussten zunächst im Namen des Prisengerichtes in Colombo eingelagert werden, bis eine Entscheidung über ihre Auslieferung getroffen wurde.

Colombo Harbour 1915

Colombo Harbour 1915, Quelle: State Library Victoria, Referenz: Image H83.103/163

Direkte Fahrt

Erwartungsgemäß gibt es auf der Reise der „Fürth“ von Colombo nach England nicht viele Zwischenstationen, da das Schiff und die gesamte Ladung für London bestimmt waren.

Dokumentiert ist die Ankunft in Suez vor der Einfahrt in den Kanal unter anderem in der schottischen Tageszeitung Dundee People’s Journal:

Furth s.s., at Suez from Sydney, Nov 7.

Dundee People’s Journal, Sa 14. Nov 1914, S. 10, SHIPPING INTELLIGENCE
Quelle: British Newspaper Archive

Die Angabe “aus Sydney” ist natürlich prinzipiell richtig, allerdings hatte die „Fürth“ Sydney bereits am 18. Juli 1914 verlassen.

Suez canal, about 1880

Auf die Passage des Suezkanals wartende Schiffe um 1880, Quelle: commons.wikimedia.org; PortSaid Canal 1880.jpg

Falmouth und London

Bevor die „Fürth“ in London ankam, legte sie noch in Falmouth (Cornwall) an:

FALMOUTH, November 23. – Arrived, Furth, from Colombo for London; ….
The Scotsman, Di 24. Nov 1914, S. 10, SHIPPING INTELLIGENCE
Quelle: British Newspaper Archive

Das Eintreffen in London ist für den 26. November 1914 dokumentiert, zum Beispiel in der Tageszeitung The Scotsman, Edinburgh:

LONDON,
26. … Furth, from Colombo; …

The Scotsman, Fr 27.
Nov 1914, S. 2, SHIPPING INTELLIGENCE
Quelle: British Newspaper Archive

Die Mannschaft von Kapitän R. J Thomson

Dass die Firma T & J Harrison mit der Abwicklung der Ladung bei ihrer Ankunft in London (s. o.) beauftragt wurde, war nahe liegend, denn auch die Mannschaft der „Fürth“ auf dieser Reise sollte von diesem Schifffahrtsunternehmen gestellt werden.

Die Crew war ursprünglich mit dem Schiff „Diplomat“ unterwegs, dass jedoch von dem Kleinen Kreuzer „SMS Emden“ am 13. September 1914 versenkt wurde. Ein Großteil der Mannschaft der „Diplomat“ unter Führung von Kapitän R. J. Thomson erreichte dann über Kalkutta Colombo und übernahm das Dampfschiff „Fürth“ für die Fahrt nach London:

“The SS Fürth was captured by the Royal Navy and subsequently manned by Harrison Line’s officers and crew from the Diplomat. The Diplomat was captured on 13 September 1914 by the German commerce raider, Emden in the Bay of Bengal, and after the crew were transferred to the prison ship Kabinga, the Diplomat was sunk. Upon release in Calcutta, Captain Thomson and most of the crew went to Colombo (16 September 1914) and took over the captured SS Fürth and sailed to London.”

Quelle: National Museums Liverpool, Maritime Archives & Library, T & J Harrison Ltd, Ref.code B/HAR, Acc. No.: MMM.2005.59, abgerufen unter discovery.nationalarchives.gov.uk/ am 9. Oktober 2019.

Die Größe des 1912 gebauten Schiffes „Diplomat“ ist mit 7615 Bruttoregistertonnen (BRT) angegeben (Quellen: theshipslist.com und wrecksite.eu). Die „Diplomat“ war für ihre Zeit also ein großes Frachtschiff, vergleichbar mit der „Australia“ der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (7480 BRT), siehe: Bordkonzert in Port Pirie. Zum Vergleich dazu das Dampfschiff „Fürth“, das 4229 BRT hatte.

Ein Bild des Schiffes „Diplomat“, Baujahr 1912, scheint nicht zu existieren. Selbst die Webseite des Caledonian Maritime Research Trust (clydeships.co.uk), eine Datenbank aller in Schottland gebauten Schiffe, kann zu diesem Schiff keine Abbildung anbieten. Über die SMS „Emden“ und die Versenkung der „Diplomat“ mache ich demnächst noch einen eigenen Artikel.

Weitere Quellen bestätigen Kapitän R. J. Thomson

Im Britischen Nationalarchiv gibt es zwei Dokumente, die ebenfalls Kapitän R. J. Thomson als Kapitän der „Fürth“ im Oktober/November 1914 dokumentieren: Das erste ist ein Antrag auf die Zahlung eines Bonus für den Kapitän, datiert vom 6. April 1915:

Ceylon. Prize steamer Furth: question of payment of a bonus to the ship’s commander.
Original Correspondence From: Crown Agents, Folio(s): 434-437 (Ref. CO 323/665/63).

Das zweite Dokument ist die Zurückweisung dieses Antrags vom zuständigen Gouverneur (Mai 1915):

Ceylon. SS Furth: decision by the Governor not to support the proposed payment of a bonus to Captain R J Thomson for his appointment as master of the ship; includes a copy of a letter from Mr F Bowes, Principal Collector of Customs.
Original Correspondence From: Governor Chalmers, Despatch No 345 (Ref. CO 323/654/69).

Anm: Diese Dokumente habe ich den National Archives in Kew nicht eingesehen, eventuell geben die Originale mehr Auskunft über die Person des Kapitäns R. J Thomson.

Ein geradezu sensationelles Originaldokument

Hier im Blog geht es demnächst weiter mit einer Vorstellung der Reederei T & J Harrison. In den Archivunterlagen des Unternehmens befindet sich ein echter schiffshistorischer Schatz für die Rekonstruktion des Dampfschiffes „Fürth“ im Jahr 1914.

Ankunft in London

Später dann die Ankunft der „Fürth“ in London, genauer gesagt in den Tilbury Docks. Bei dieser Gelegenheit werden wir auch den Londoner Agenten der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft kennen lernen.

Bildnachweis Titelbild:
Tilbury Docks, London, Anf. 20. Jh., Aquarell von dem Marinemaler William Lionel Wyllie,
Quelle: commons.wikimedia.org/wiki/File:Tilbury_RMG_PW0845.jpg
Steamship Irak, Mandasor, Belgia, Huntstrick

Das Dampfschiff „Belgia“ der HAPAG: eine der ersten Prisen in Großbritannien

Newport (Wales) am 5. August 1914

Viele Schiffe der Handelsmarine des Deutschen Kaiserreiches befanden sich bei Kriegsausbruch in feindlichen Gewässern. Siehe dazu auch: Die deutsche Handelsmarine beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges.

Zu einer gewissen Bekanntheit hat es das Schiff „Belgia“ gebracht, das als eine der ersten Prisen in Großbritannien gilt. Grund für die Bekanntheit ist, dass das Schiff nicht vom Militär beschlagnahmt wurde, sondern von einer kleinen Polizeieinheit. Außerdem hatte das Schiff auch noch exotische Tiere an Bord.

Die Vorgeschichte des Schiffes „Belgia“

Das Dampfschiff „Belgia“ war ein wenig bekanntes Schiff der größten deutschen Reederei, der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (HAPAG). Genauer gesagt war es bereits das dritte Schiff mit diesem Namen, welches für die HAPAG in Fahrt war (Quelle: theshipslist.com).

Gebaut wurde die „Belgia“ von der 1880 gegründeten Werft Workman, Clark and Co. Ltd. in Belfast (Yard no. 193). Der Stapellauf erfolgte am 30. Oktober 1902 und die Fertigstellung im Dezember des gleichen Jahres.

Der erste Name des Schiffes war „Irak“. Geordert wurde es von der Irak Steam Ship Co. Ltd. in Liverpool für die es bis ins 1911 unterwegs war. 1911 wurde es an die T. and J. Brocklebank Ltd., Sitz ebenfalls Liverpool verkauft und in „Mandasor“ umbenannt.

1913 erfolgt dann der Verkauf an die HAPAG mit der Umbenennung in „Belgia“.

Belgia, HAPAG, Newport

Postkarte des HAPAG-Schiffes „Belgia“, 1914, © Newport Past, http://www.newportpast.com/gallery/postcards/events/belgia.htm

Der 3. August 1914

Die „Belgia“ war auf ihrem Weg von Boston nach Hamburg um 21 Uhr auf Höhe der englischen Scilly Inseln angekommen, als der Kapitän die Nachricht erhielt, dass Deutschland Frankreich den Krieg erklärt hatte.

Aus Furcht, von französischen Schiffen aufgegriffen zu werden, steuerte er sicherheitshalber den Bristol Channel an, wo er einen Lotsen aus Newport an Bord nahm. Am Nachmittag des 4. August 1914 gegen 17 Uhr erreichte er die Mündung des Flusses Usk bei Newport, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Krieg zwischen Großbritannien und Deutschland noch nicht erklärt war.

Der Kapitän wollte eventuell noch Kohlen für die Weiterfahrt nach Hamburg aufnehmen und ersuchte Zugang zum Hafen in Newport (Alexandra Dock), der ihm jedoch verwehrt wurde, weshalb das Schiff in der Flussmündung verblieb.

Schwebefähre Newport (Wales)

Die Newport Transporter Bridge ist die größte noch existierende Schwebefähre und Wahrzeichen der Stadt Newport; historische Aufnahme, © World Association of Transporter Bridges, https://www.puentestransbordadores.com/en/newport/

Der 5. August 1914

Am nächsten Morgen, dem 5. August 1914 befanden sich Großbritannien und Deutschland jedoch bereits im Kriegszustand und der Kapitän der „Belgia“ bekam Besuch von einem Schlepper: an Bord der Hafenmeister mit 13 Polizisten unter der Leitung von Chief Constable Gower. Sie erklärten dem deutschen Kapitän die Beschlagnahmung des Schiffes und stießen dabei auf keinerlei Widerstand. Laut Quellen waren die Polizisten mit Gewehren bewaffnet, die sie sich eigens für diese Aktion geliehen hatten.

Anschließend wurde das Schiff in das Alexandra Dock nach Newport gebracht.

Die Fracht des Schiffes war eine große Ladung Mehl, deren Wert mit 100.000 Pfund, nach anderen Quellen auch mit 200.000 Pfund angegeben wurde. Außerdem an Bord: über 70 Reservisten auf dem Weg nach Hamburg, die in Newport inhaftiert wurden.

Alligatoren an Bord

Große Aufmerksamkeit erregten eine Reihe von Zootieren, die sich an Bord befanden und für den Zoo Hagenbeck in Hamburg bestimmt waren, darunter Alligatoren, Waschbären, Ochsenfrösche, Klapperschlagen, Chamäleons und exotische Vögel.

Der Zoo Hagenbeck betrieb einen regen weltweiten Handel mit exotischen Tieren. Zweimal hatte auch das Dampfschiff „Fürth“ Tiere im Auftrag des Hamburger Zoos nach Australien transportiert: einen Eisbären und ein Nilpferd. SIEHE: Eisbären für Adelaide und Ein Nilpferd und viel Wolle

Die Tiere von der „Belgia“ wurden in England verkauft.

Begia, German prisoners, Newport (Wales)

Die Reservisten, die mit der „Belgia“ nach Hamburg reisen wollten, wurden in Newport festgenommen, Postkarte, 1914, © Newport Past, http://www.newportpast.com/gallery/postcards/events/p0317.htm

Die weitere Geschichte der „Belgia“

Nach der Beschlagnahmung in Großbritannien wurde die „Belgia“ 1915 an den englischen Reeder Frank C. Strick and Co. verkauft, der das Schiff in „Huntstrick“ umbenannte.

Auf einer Reise von London nach Thessaloniki wurde die „Huntstrick“ am 8. Juni 1917 etwa 80 Meilen westnordwestlich von Kap Spartel (Marokko) am Eingang der Straße von Gibraltar von dem U-Boot U39 der Kaiserlichen Marine unter der Führung von Kapitänleutnant Walter Forstmann torpediert und versenkt. Der Kapitän der „Huntstrick“ und 14 Mann Besatzung verloren ihr Leben.

Technische Daten zum Schiff

Die „Huntstrick“, exIrak, exMandasor, exBelgia hatte 8151 Bruttoregistertonnen und die Maße 152,7 m x 18,1 Meter x 10 Meter. 2 Dampfturbinen erzeugten 831 Pferdestärken (NHP) und zwei Schrauben sorgten für eine Geschwindigkeit von 12 Knoten.

Angaben zum Schiff nach den beiden Quellen:

A history of Frank C. Strick and his many shipping enterprises (1996), J. E. B. Belt und H. S. Appleyard, World Ship Society, Kendal.

http://www.shipwreck.eu

Angaben zu der Festsetzung der „Belgia“ nach verschiedenen Quellen:

Verschiedene Zeitungsartikel im Britischen Newspaper Archive, zum Beispiel in „The Scotsman“ vom Donnerstag, den 6. August 1914

einem Artikel der BBC: https://www.bbc.co.uk/programmes/p020flsk

und einem Artikel im Newsletter of the Friends of the Newport Ship: https://www.newportship.org/wp-content/uploads/2018/02/SOS_14.pdf

Bildnachweis Titelbild:

© A history of Frank C. Strick and his many shipping enterprises (1996), J. E. B. Belt und H. S. Appleyard, World Ship Society, Kendal,
Bildlegende: HUNTSTRICK as IRAK, Quelle: W.S.P.L.

colombo harbour, panorama from GOH, 1907, colored postcard

Dampfschiff „Fürth“: Die Abfahrt nach England verzögert sich

Versicherung von Schiff und Fracht

Zusage aus London steht aus

Am 5. Oktober 1914 wurde das „Dampfschiff „Fürth“ vom Prisengericht in Colombo als rechtmäßige Prise erklärt und ging damit in das Eigentum der britischen Krone über. SIEHE: Das Dampfschiff „Fürth“ wird kondemniert

Der Abfahrt des Schiffes nach Großbritannien stand also eigentlich nichts mehr im Wege… eigentlich.

Truppen oder Fracht?

Zunächst war beabsichtigt worden, mit der „Fürth“ Truppen nach England zu transportieren.

Auf Ceylon gab es nämlich militärische Reserveeinheiten, die Ceylon Defence Force (CDF). Viele Freiwillige dieser Einheiten reisten nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges nach England und schlossen sich der British Army an.

Der Plan, das Dampfschiff „Fürth“ für den Transport von Truppen zu nutzen und das Schiff im Konvoi mit anderen Schiffen segeln zu lassen, wurde jedoch wieder fallen gelassen.

colombo harbour, penfield 1907

Pier in Colombo, Abbildung aus dem Buch „Wanderings East of Suez in Ceylon, India, China and Japan“ von F. C. Penfield, 1907, Quelle: commons.wikimedia.org/wiki/File:Wanderings_east_of_Suez_in_Ceylon,_India,_China_and_Japan_(1907)_(14579820968).jpg

Stattdessen sollte das Schiff für den Transport von Waren verwendet werden. Die Waren wiederum sollten aber gegen Kriegsrisiko versichert werden, was jedoch nur möglich war, wenn auch das Schiff selbst gegen Kriegsrisiko versichert war.

Um diese Versicherung hatte sich aber keiner gekümmert, da ja zunächst der Transport von Truppen und nicht der von Waren vorgesehen war.

Dazu heißt es im Original:

„the reason why nothing has been done as regards the insurance of the “Furth” is that it was intended to send the Ceylon contingent by her, and the question of insurance was held up until a decision had been taken as to the transport of the contingent and the possible provision of a convoy. As she is not to be used for the contingent we must proceed with the question of insurance.”

Quelle: Britisches Nationalarchiv, Referenznummer CO 323/625/9; handschriftliche Notiz, die im Ministerium des Secretary of State for the Colonies zur Vorbereitung einer Antwort auf ein Telegramm des Gouverneurs von Ceylon, Robert Chalmers, vom 18. September 1914 verfasst wurde.

Gouverneur Chalmers hatte jedoch Anfang Oktober 1914 noch immer keine Antwort auf die Frage nach der Versicherung der „Fürth“ erhalten, weshalb er am 3. Oktober 1914 noch einmal in London beim Secretary of State for the Colonies nachhakte:

„Should be glad to receive early reply to my telegram of September 21st sent in cypher.“

Gouverneur Chalmers war offensichtlich ungeduldig, er wollte das Schiff möglichst schnell nach London senden.

So folgt bereits am 5. Oktober ein nächstes Telegramm von Gouverneur Chalmers nach London. Es lautete:

“October 5th. Referring to my telegram of September 21st and also to my telegrams of the 3rd October, S.S. “Furth” is being used for cargo and not for contingent. Shipment has been delayed on account uncertainty in regard to insurance. Shall be glad to receive earliest reply by telegram.
CHALMERS”

Colombo harbour 1915

Hafen von Colombo, 1915. Quelle: State Library Victoria, Referenz: H83.103/171

Überfüllter Hafen

Die Situation in Colombo zu diesem Zeitpunkt dürfte schwierig gewesen sein: Die beschlagnahmten Schiffe beanspruchten Platz im Hafen, die abgeladenen Waren der Schiffe mussten in den Lagerhäusern am Hafen eingelagert werden, bis Verschiffer ihre Ansprüche geltend gemacht hatten und vom Gericht darüber entschieden worden ist. Lagerplatz, der den normalen Warenfluss entscheidend behindert haben dürfte. Außerdem stauten sich sicherlich einheimische Waren im Hafen, die für den Export bestimmt waren und nicht abtransportiert wurden, wie dies vorgesehen war.

Das Deutsche Reich als Absatzmarkt war weggefallen und auch auf Ceylon selbst war vieles im Umbruch. Zum Beispiel kam das große Unternehmen Freudenberg in Zwangsverwaltung. Siehe: Freudenberg & Co. in Colombo

Entscheidungsfindung in London und Colombo

In London unterdessen sah man sich beim Secretary of State for the Colonies gezwungen, in der Angelegenheit auch das Schatzamt (Her Majesty‘s Treasury) und die Admiralität zu konsultieren.

In Colombo schaltete sich die Industrie und Handelskammer ein, die darauf hinwies, dass der Abtransport von Waren für Ceylon von enormer Wichtigkeit sei und dass 5000 Tonnen Waren, die mit dem Schiff „Fürth“ nach London gehen sollten, helfen würden, die Verstopfung des Hafens Colombo zu mindern.

Gleichzeitig wies die Kammer jedoch nochmals darauf hin, dass der Schiffskörper selbst versichert sein müsse, denn ohne eine solche Versicherung sei es den Verschiffern unmöglich, ihre Waren gegen Kriegsrisiko zu versichern.

„Chamber of Commerce express gratitude for relief or trade congestion by “Furth” which has 5,000 tons of Ceylon cargo booked for London and mostly already on board ready to sail in a few days. Chamber of Commerce urges imperative agree war risk on hull coming under Government scheme otherwise shippers cannot insure cargo against war risks in usual way. Government only formally insuring their own prize. Chamber of Commerce joins in begging favour of earliest sanction as it is of utmost importance to Ceylon.”
CHALMERS

Quelle: Telegramm von Gouverneur Chalmers vom 10. Oktober 1914, Britisches Nationalarchiv, Referenznummer CO 323/625/9

Colombo Ceylon 1907

Colombo 1907: Queen Street, mit Leuchtturm, Quelle: New York Public Library’s Digital Library, digital ID e75f4360-c5d2-012f-ef16-58d385a7bc34

Abfahrt nach London

Letztlich übernahm der Board of Trade die Versicherung für diesen Fall, auch ohne, dass das Schiff selbst gegen Kriegsrisiko versichert war (war risks scheme).

Schließlich konnte das Dampfschiff „Fürth“ die Reise nach England am Freitag, dem 23. Oktober 1914 antreten:

„Prize ship “Furth“ left here October 23rd for London please make arrangements for takting over ship on behalf of Crown on arrival.
CHALMERS.

Quelle: Telegramm von Gouverneur Chalmers vom 26. Oktober 1914, Britisches Nationalarchiv, Referenznummer CO 323/625/9

Mehr über die Fahrt des Dampfschiffes „Fürth“ nach London demnächst hier im Blog!

Quellennachweis Titelbild:
Colombo, Blick vom Grand Oriental Hotel auf den Hafen, Hafenbehörde rechts in der Bildmitte, kolorierte Postkarte 1907, Quelle: commons.wikimedia.org/wiki/File:Colombo_Harbour_%26_shipping_(NYPL_Hades-2359785-4044550).jpg

Das Dampfschiff "Apolda", beschlagnahmt beim Einlaufen in Kapstadt im August 1914, © Reinhart Schmelzkopf: Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888-1926

Die deutsche Handelsmarine beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges

Hohe Verluste und blockierte Schiffe

Linienverkehr der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft zusammengebrochen

Die weltweit agierende deutsche Handelsflotte wurde beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges schwer getroffen und der internationale Handel brach für das Deutsche Reich quasi über Nacht zusammen.

Die britische Admiralität veröffentlichte dazu die folgenden Zahlen mit Stand 23. September 1914, also sieben Wochen nach dem Ausbruch des Krieges zwischen dem Vereinigten Königreich und dem Deutschen Kaiserreich.

Das Dampfschiff "Altona", beschlagnahmt beim Einlaufen in Port Philip-Bay (Australien) im August 1914 ,© Reinhart Schmelzkopf: Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888-1926

Das Dampfschiff „Altona“, beschlagnahmt beim Einlaufen in Port Philip-Bay (Australien) im August 1914 ,© Reinhart Schmelzkopf: Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888-1926

Britische Verluste

Zunächst die britischen Verluste:

12 versenkte Handelsschiffe, davon allein sechs durch den Kleinen Kreuzer „SMS Emden“ der Kaiserlichen Marine

15 durch Minen verlorene britische und neutrale Handelsschiffe (69 Tote und Vermisste)

26 versenkte Fischereischiffe

74 festgehaltene und gekaperte Handelsschiffe mit einer Tonnage von insgesamt 170.000 Tonnen

12 gekaperte und versenkte Handelsschiffe mit einer Tonnage von 59.000 Tonnen

Insgesamt beliefen sich die britischen Verluste nach Angaben der Admiralität auf 139 Schiffe mit einer Tonnage von 229.000 Tonnen.

Deutsche Verluste

Dagegen werden die Verluste der deutschen Handelsmarine wie folgt bilanziert:

102 in britischen Häfen zurückgehaltene deutsche Schiffe (200,000 Tonnen). Unter diese Kategorie fällt auch das Dampfschiff „Fürth“ in Ceylon, einem Teil des British Empire.

88 gekaperte Schiffe seit Kriegsbeginn mit 333,000 Tonnen

14 festgehaltene Schiffe in der Suezkanalzone (72.000 Tonnen)

15 festgehaltene Schiffe in Häfen der Vereinigten Staaten (247.000 Tonnen)

und 168 von den Alliierten festgehaltene oder gekaperte Schiffe (283.000 Tonnen)

Das ergibt eine Summe von 387 Schiffen mit einer Tonnage von 1.140,000 Tonnen.

Die Zahlen der britischen Admiralität sind zitiert nach einem Artikel in der Tageszeitung Aberdeen Press and Journal von Dienstag, dem 29. September 1914 (http://www.britishnewspaperarchive.co.uk).

Starkes Ungleichgewicht

Während die deutsche Handelsmarine tief getroffen war, waren britische Verluste zwar vorhanden, bezogen auf die Handelsflotte insgesamt, war der Verlust ein wesentlich kleinerer Prozentsatz. Die Größe der britischen Übersee-Handelsflotte wird in einem Artikel der Zeitung Derry Journal vom Mittwoch, den 23. September 1914 mit über 4000 Schiffen angegeben (http://www.britishnewspaperarchive.co.uk).

Die Zahl von über 4000 Schiffen ist durchaus plausibel, da die englische Handelsflotte von 1901 bis 1913, in zwölf Jahren also, um 3160 Dampfer mit 3.782.669 Nettoregistertonnen zugenommen hatte. Quelle: Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, 1933, Hamburg.

Als Vergleich beziffert Harms „nach amtlichen Zahlen“ den Zuwachs der deutschen Handelsflotte im Zeitraum 1901 bis 1914 auf 780 Dampfer mit 1.484.437 Nettoregistertonnen. England war also klarer Spitzenreiter im Überseehandel.

Das Dampfschiff "Düsseldorf", bei Kriegsausbruch in Barcelona, blieb dort während des Krieges und diente der Aufnahme deutscher Flüchtlinge aus Frankreich; © Reinhart Schmelzkopf: Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888-1926

Das Dampfschiff „Düsseldorf“, bei Kriegsausbruch in Barcelona, blieb dort während des Krieges und diente der Aufnahme deutscher Flüchtlinge aus Frankreich; © Reinhart Schmelzkopf: Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888-1926

Ein Gesamtwert von 13 Millionen Pfund

Die Financial Times hatte bereits Anfang September in einem Artikel den finanziellen Wert dieser Verluste errechnet. Nachdem mir der Originalartikel nicht vorliegt, zitiere ich hier nach gleichlautenden Meldungen im Auckland Star und im Examiner (Launceston, Australien), beide vom 3. September 1914.
Quellen: https://paperspast.natlib.govt.nz und https://trove.nla.gov.au.

Laut der Financial Times belief sich der Wert der zu diesem Zeitpunkt in Großbritannien aufgelegten deutschen Schiffe auf 13 Millionen Pfund, wobei ihre Ladung einberechnet wurde. Ein beachtlicher Teil von der Summe sei davon als Prämie an die Seeleute auszuzahlen („bounty“) und der Rest flösse in die Staatskasse, um die Kriegskosten auszugleichen.

Gleichzeitig wurde in dem Artikel der Wert der Schiffe und ihrer Ladung, die in neutralen Häfen zurückgehalten wurden auf 47 Millionen Pfund beziffert.

Geografischer Nachteil

Auch geografisch befand sich das Deutsche Kaiserreich im Nachteil. Während die deutschen Häfen und der Hauptzugang des Deutschen Reiches zu den Weltmärkten durch den Ärmelkanal von den Alliierten leicht kontrolliert und blockiert werden konnten, stellten die deutschen U-Boote und Seeminen hauptsächlich für die Nordseehäfen Englands eine Bedrohung dar. Die Versorgung vom Ausland wurde daher von den Briten an die Westküste verlagert, wie folgender Auszug aus einem Artikel der Zeitung Newcastle Journal vom 4. September 1914 zeigt:

“The danger to navigation from floating mines on the East Coast is responsible for diverting a good deal of traffic from Northern Europe to the English West Coast. This appears to especially the case with the Danish and Norwegian provision trade, which hitherto has been conducted mainly by way of the Tyne. It is just announced that a steamer with a full cargo of Danish produce has for the first time arrived in Queen’s Dock, Liverpool, the cargo consisting of 6,500 casks of butter, 350 to 400 tons of eggs and bacon, 300 tons butter, and other produce in barrels. The fleet of steamers with which this vessel associated consists of eight, which will now be increased. She is a mail boat, and brought over all the mails from Denmark, Norway, and Sweden. It added that the bulk the produce was about the same as that which usually comes from Denmark, but it has been diverted to Liverpool owing to the difficulties attending navigation to the Tyne and Leith, and it essential that the produce should arrive in time for the market. There is just a possibility that efforts will be made to establish a permanent line between Denmark and the Mersey port, and if that is accomplished might mean the diversion of a certain amount of entrepot trade from the North-East Coast.”

Die Lieferungen aus Nordeuropa wurden also von Newcastle-on-Tyne nach Liverpool umgeleitet. Die Briten waren in diesem Fall mit ihrer Insellage eindeutig im Vorteil.

Wirtschaftlicher Vorteil

Auch wirtschaftlich sahen die Briten große Chancen auf sich zukommen, da die Deutschen quasi vom Weltmarkt abgeschnitten waren und die anderen europäischen Nationen wesentlich stärker in den Krieg eingebunden waren, als die Briten:

Der britische Schatzkanzler, zu diesem Zeitpunkt David Lloyd George, 1. Earl Lloyd-George of Dwyfor, wird in demselben Artikel des Newcastle Journal wie folgt zitiert:

„I am confident that with patience and with the steps we have taken British trade will not merely freely, but will be booming in very short time, because we are the only manufacturing country now in Europe. We have only America to deal with as a great manufacturing country. Other manufacturing countries are occupied with this great war. The Germans as competitors have practically disappeared from the markets of the world. There is no reason why our manufactures should not go to every part of the world. The routes are free to them, and once they establish exchanges and are able to adapt themselves to the changed conditions trade will go on.”

Das Dampfschiff "Oberhausen", bei Kriegsausbruch in Tasmanien und dort beschlagnahmt; © Reinhart Schmelzkopf: Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888-1926

Das Dampfschiff „Oberhausen“, bei Kriegsausbruch in Tasmanien und dort beschlagnahmt; © Reinhart Schmelzkopf: Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888-1926

Die Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft

Die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) gehörte in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zu den am stärksten wachsenden deutschen Reedereien. Siehe dazu auch den Artikel 25 Jahre Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft.

Die Auswirkungen des Kriegsausbruches waren für die Reederei verheerend. Otto Harms resümiert in seinem bereits zitierten Buch: „Diese Aufzeichnungen schließen mit dem Krieg ab. Sie sind niedergeschrieben, um an einem Beispiel in handgreiflicher Form zu zeigen, was der Krieg zerstört hat, wie ein blühendes Unternehmen vernichtet worden ist.“

Auch der Schifffahrtshistoriker Reinhart Schmelzkopf schreibt: „Außer der D.D.G. Hansa wurde keine andere deutsche Reederei so stark von den Kriegsereignissen getroffen.“ Reinhart Schmelzkopf: Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888-1926, Cuxhaven 1984.

Von den 55 Dampfern der DADG befanden sich bei Kriegsausbruch lediglich 9 in deutschen Häfen. 14 Schiffe waren in Häfen des Commonwealth oder wurden dorthin verbracht (wie die Dampfschiffe „Fürth“ und „Australia“ nach Colombo, siehe: Die Kaperung der „Fürth“. Jeweils drei Schiffe wurden im Suezkanal und in Antwerpen festgehalten und 26 befanden sich in neutralen Häfen. Quelle: Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffsgesellschaft, 1933, Hamburg.

Schiffe ohne Nutzen

Die meisten der Schiffe, die neutrale Häfen erreicht hatten, lagen in Niederländisch-Indien. Dort waren sie allerdings für die Reederei ohne Nutzen, da sie bei Verlassen der Inselgruppe Gefahr liefen, ebenfalls gekapert zu werden. Andererseits musste Geld überwiesen werden, um die Besatzungen zu entlohnen und die Schiffe fahrbereit zu halten.

Ich werde auf die Lage dieser Schiffe in Niederländisch-Indien an dem Beispiel der „Ulm“ unter der Leitung von Kapitän C. B. Saegert, dem früheren Kapitän des Dampfschiffes „Fürth“, zurückkommen. Dieser hatte mit der „Ulm“ den Hafen von Newcastle N.S.W. in Australien gerade noch rechtzeitig verlassen können. Siehe: Die „Fürth“ beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges

Bildnachweis zum Titelbild: Das Dampfschiff „Apolda“, beschlagnahmt beim Einlaufen in Kapstadt im August 1914, © Reinhart Schmelzkopf: Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888-1926, S. 45