Die Sache mit der Kohle

Die dritte Fahrt der „Fürth“ nach Australien
vom 8. August 1908 bis 1. Januar 1909
(DADG, Linie 3)

Kohle war auf einem Dampfer wie der „Fürth“ als Bunkerkohle immer an Bord, da die Dreifach-Expansions-Dampfmaschine regelmäßig beschickt werden musste. Der bei dieser Fahrt erstmals angelaufene Hafen Newcastle N.S.W. (New South Wales) legt nahe, dass auch Kohle als Fracht transportiert wurde, aber fangen wir in Hamburg an.

Bei der Abfahrt im August 1908 war die „Fürth“ zunächst auf der Australien-Linie 2 mit Abfahrt am 1.8. eingeplant und für die Fahrt vom 8.8. auf der Linie 3 das Schiff „Goslar“. Beide Schiffe wurden dann jedoch von der Reederei getauscht.

Advertisement German Australian Steam Ship Co., Hansa, August 1908

Anzeige der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft in der Zeitschrift HANSA vom August 1908, S. 774.

Erster Hafen nach Hamburg war Antwerpen, um von dort zusätzliche Fracht aufzunehmen. Für deutsche Unternehmen im Westen (Ruhrgebiet) oder Südwesten lag Antwerpen als Verschiffungshafen günstiger als Hamburg.

Ankunft war der 10. August, die Abfahrt der 14. August 1908.

Eiife und Co. Antwerpen, Agent, Hansa-Haus

Die Abfahrt der „Fürth“ von Antwerpen, 14. Aug. 1908, Eiffe & Co. war der Agent der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft in Antwerpen. Anzeige in Hamburgischer Korrespondent und neue hamburgische Börsenhalle, 16. Jul 1908, S. 13

Schlechtes Wetter

Über diese dritte Fahrt liegen mir relativ wenige Informationen vor. Das Schiff war schon nicht mehr neu und über ungewöhnliche Passagiere ist mir ebenfalls nichts bekannt. Auf der Fahrt von Port Elizabeth (Südafrika) nach Australien wird über schlechtes Wetter berichtet:

At a little after 8 o’clock last night the German-Australian liner Furth, from Hamburg via Algoa Bay, was granted clearance, inward, off Williamstown. The voyage as far as the Cape was uneventful, but after leaving Algoa Bay a series of strong westerly gales, accompanied by heavy seas and intermittent rain, hull and snow, wore met until arrival off the Australian coast, when the weather moderated.
The Age, Melbourne, Fr 2 Okt 1908, S. 4, SHIPPING INTELLIGENCE

Anm.: In den damaligen Quellen wir oft von „Algoa Bay“ gesprochen. Dies ist mit Port Elizabeth, dem Hafen in der Algoa Bay, identisch.

Schlepper am Yarra River

Aus der gleichen Quelle wissen wir, dass die „Fürth“ in Melbourne die Dienste eines Schleppers in Anspruch genommen hat, um zum Kai in Melbourne zu gelangen. Dieser lag etwas flussaufwärts am Yarra River in Melbourne.

This morning the whole of the members of the River pilot service will be fully engaged. Pilot Y Liley will be busy, taking the Aramac up the river. At 5 a.m. Pilot Smart will navigate the Nimaru down the stream to Altona Bay, where she is to load explosives. Pilot M’Ferran will pilot the German-Australian liner Furth up the river; and Pilot Fearon will follow him with the Changshu. After anchoring the Nimaru, Pilot Smart will conduct the Ayrshire to a river wharf.

Seife und Mehl für Südostasien

Die in Melbourne aufgenommene Fracht ist detailliert dokumentiert:

EXPORTS – Oct.6

Furth, for Hamburg via ports.-For Macassar 300 ½ bxs soap, 29 tons 150 bags flour, and a quantity of merchandise. For Gorontalo – A quantity of merchandise. For Sourabaya – 102 cs butter, 4 cs preserved meats, and a quantity of merchandise. For Batavia – 4 cs wine, 30 cs preserved meats, 12 cs butter and a quantity of merchandise. For Padang – 200 bags flour. For Antwerp-10 tons tin scrap.

Anm.: Die Fracht für Gorontalo dürfte in Niederländisch-Indien umgeladen worden sein, es liegt mir kein Hinweis vor, dass die „Fürth“ diesen Hafen angelaufen hätte; Makassar, Soerabaya, Batavia und Padang sind dagegen belegt.

 

Kohle aus Newcastle

Der nächste Hafen, für den mir Informationen zur Ladung vorliegen, ist Newcastle (NSW). Es ist aber kein Geheimnis, was Schiffe, die Newcastle anlaufen, dort laden. Newcastle stand damals schon für Kohle und ist auch heute noch die Nummer 1 der australischen Kohlehäfen. 2016 wurden hier unvorstellbare 161 Millionen Tonnen Kohle umgeschlagen, im Dezember 2016 allein 15,9 Millionen Tonnen, der bislang stärkste Monat in der Geschichte des Hafens von Newcastle.
Quelle: Australian Financial Review, 17. Jan 2017: „Coal shipments from Port of Newcastle at record“, http://www.afr.com.

Die Kohle aus Newcastle geht heute überwiegend nach Japan, Südkorea, China und Taiwan.

Loading Coal, Newcastle NSW

Hafen Newcastle, Bildunterschrift: Loading Coal, das Datum ist leider unbekannt; © Royal Australian Historical Society Image Library , File 020/020814

Einmal volltanken bitte!

Aber zurück zu unserem Frachtdampfer “Fürth”. Die aufgenommene Kohlenmenge war nach Zollangaben 1500 Tonnen:

NEWCASTLE.
CUSTOMS CLEARANCES.
The following vessels cleared at the Custom house yesterday: — …
Furth, str., for Java ports via Townsville, with 1500 tons coal;
The Daily Telegraph, Sydney, Do 15 Okt 1908, S. 8, NEWCASTLE.

Das klingt erst mal recht viel, aber war das nun Fracht oder Bunkerkohle, also eigener Kraftstoff? Um die Menge besser einschätzen zu können, hier eine Quelle zum Kohlenverbrauch damaliger Dampfschiffe:

Der Kohlenverbrauch von Dampfschiffen

„Kohlenverbrauch.
Eine überragende Stelle im Betriebe der Dampfschiffahrt nimmt der Brennstoffverbrauch ein. Der Kohlenvorrat, den ein Dampfer mit sich führen muß, berechnet sich nach der Zahl der Pferdekräfte der Maschine, dem Verbrauche für eine Pferdekraftstunde, nach der Fahrtgeschwindigkeit und der Meilenzahl der zurückzulegenden Strecke, mit Zuschlag von 10% Reserve für Zufälle. Beispielsweise braucht ein Dampfer mit 2200 PSi. für die Fahrt von Hamburg nach Melbourne, 12 445 Meilen, bei 0,7 kg Kohlenverbrauch für die Pferdekraftstunde und einer Geschwindigkeit von 11½ Knoten 1800 t Kohle.“
Die Verkehrsmittel in Volks- und Staatswirtschaft, Bd. 2, Land- und Wasserstrassen, Post, Telegraph, Telephon, Dr. Emil Sax, 1920, 533 S. Verlag Julius von Springer, Berlin (books.google.fr, abgerufen am 14.03.2018)

Praktischerweise kommt die Berechnung des Volkswirtes unserer Frage sehr nahe, denn die „Fürth“ hatte genau die im Beispiel zitierten 2200 PSi (siehe Stapellauf), fuhr (grob) die angegebene Stecke und auch die Fahrtgeschwindigkeit von 12 Knoten stimmt fast überein.

Nachgerechnet ergibt das bei einer Fahrt von Hamburg nach Newcastle (ca. 500 Seemeilen weiter als Melbourne) mit 12 Knoten eine Fahrzeit von 1080 Fahrstunden. Multipliziert mit den 2200 PSi der „Fürth“ und 0,7 kg Verbrauch pro Pferdekraftstunde erhalten wir so eine Gesamtmenge von rund 1660 t (ohne die von Herrn Prof. Sax einkalkulierte Reserve). Nachdem der Wind das Schiff kräftig durch den Indischen Ozean geschoben hat (s. o.), könnte die Menge von 1500 Tonnen Kohle durchaus dem Verbrauch des Schiffes auf dieser Fahrt entsprochen haben und der Menge entsprechen, die nötig war, um den „Tank“ (Bunker) wieder zu füllen.

Zement gegen Erze

Townsville im nördlichen Queensland war der nächste Hafen. Auch hier gibt es Informationen:

The Furth due this morning from Europe, lands 350 tons, made up of cement and general cargo, and takes away 100 tons ore.
Townsville Daily Bulletin, Mo 19 Okt 1908, S. 4 SHIPPING NEWS

Für den Rest der Fahrt liegen mir noch keine Informationen vor. Sobald ich neue Details finde, werde ich sie in den Schiffsmeldungen veröffentlichen.

Nebel in Hamburg

Für den Moment bleibt noch eine Meldung aus Hamburg für den Tag der Ankunft am Neujahrstag 1909:

Von der Schiffahrt.

Gestern abend stellte sich Nebel ein, der die ganze Nacht über anhielt und den Seeschiffsverkehr bis heute morgen um 10 Uhr vollständig lahm legte. Das letzte einkommende Schiff war der gestern abend kurz nach 8 Uhr von Australien hier eingetroffene Hamburger Dampfer „Fürth“. —
Hamburger Anzeiger, 3. Jan 1909, S. 2

Anm.: Die Ausgabe der Zeitung ist vom 3. Januar 1909. Bei „gestern abend“ muss es sich aber um den 1. Januar abends handeln, denn die Rückkehr der „Fürth“ ist nach mehreren anderen Quellen für den Abend des 1. Januar 1909 belegt.

Abmusterung

Nach dem Einlaufen bzw. vor dem Auslaufen der „Fürth“ und jedes anderen Schiffes gab es regelmäßig Zeitungsmeldungen zur Ab- oder Anmusterung in den Hamburger Zeitungen. Ein Beispiel dazu lautet:

Hafen und Schiffahrt.
An- und abmusternde Schiffe. Auf dem Seemannsamt kommen am Sonnabend, den 2. Januar, folgende Schiffe zur Anmusterung: Sachsenwald, Kaiserin Auguste Victoria, Bethania, Pennsylvania, Patagonia, Bolivia, Silesia, Oceana, Togo, Pallanza, Albans, Rugia, Spreewald, Sevilla, Edea, Sparta, Schwarzburg, Frankenwald und Irmfried um 9 Uhr, Phoebus um 10 Uhr, Santa Elena, Rio Pardo, Petropolis, Santa Fe, Cap Arcona und Rio Grande um 11 Uhr. Abmustern werden: Sevilla um 9 Uhr. Rio Grande um 10 Uhr, Ramses um 10 ½ Uhr, Eleonore Woermann um 10 ¾ Uhr, Fürth um 11 ½ Uhr und Bergedorf um 12 Uhr.
Neue Hamburger Zeitung, 01. Jan 1909, S. 3

Umladung

Meldungen über Umladungen waren ebenfalls regelmäßig Bestandteil der Hafenmeldungen. Hier erfahren wir, welches Schiff die Fracht eines anderen Schiffes zum Bestimmungsort gebracht hat:

Umladung
Der Dampfer Fürth, von Java usw. überbringt Ladung ex Dampfer „Sandakan“ von Menado; …
Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 04. Jan. 1909, S. 21

Anm.: Menado (oder Manado) liegt im Norden Indonesiens auf der Insel Sulawesi.

Wahrscheinlich Kopra

Über Menge und Art der Ladung erfahren wir in diesen Umladungsmeldungen leider nichts. Am wahrscheinlichsten dürfte es sich dabei um Kopra gehandelt haben. Eine Exportstatistik aus dem Jahr 1925 weist für Menado einen Kopra-Anteil von rund 86 % des Gesamtausfuhrwertes aus.
Quelle: Coolie Labour in Colonial Indonesia: A Study of Labour Relations in the Outer Islands, C. 1900-1940, V. J. H. Houben, J. Thomas Lindblad, Otto Harrassowitz Verlag, 1999 – 255 Seiten, S. 3, Table 2: Foreign exports of major export commodities from selected Outer Islands in 1925.

Vor der nächsten Fahrt nach Australien (Abfahrt am 23. Januar 1909) bleiben wieder etwa drei Wochen Liegezeit im Hamburger Hafen. Ab 1910 werden wir sehen, dass diese Ruhezeiten im Heimathafen dann deutlich verkürzt wurden.

Die detaillierte Fahrtroute der „Fürth“
vom 8. August 1908 bis zum 1. Januar 1909

German-Australian Liner "Fürth", itinerary between August _th, 1908 and January 1st, 1909

Die detaillierte Fahrtroute der Fürth auf ihrer dritten Australienfahrt vom 8. August 1908 bis 1. Januar 1909 (DADG, Linie 3).