Archiv für den Monat Dezember 2021

Angra do Heroismo, Azores, 1918

„Wart ihr auch alle brav …?“

Ich wünsche Ihnen ein friedliches Weihnachtsfest!

Titelbild: Bescherung der Kinder, Weihnachten 1918 im Lager von Angra do Heroismo, Insel Terceira, Azoren, 1916-1919, © Rotes Kreuz Portugal; Quelle : Archives Audiovisuelles du Comité Internationale de la Croix Rouge, https://avarchives.icrc.org/, Référence V-P-HIST-03056-33

Die Abbildung zeigt die Bescherung der deutschen Kinder an Weihnachten 1918 im Lager von Angra do Heroismo auf den Azoren.

In dem Lager wurden ab 1916 bis 1919 bis zu 700 Deutsche gefangen gehalten. In der Mehrzahl waren das Seeleute von deutschen Handelsschiffen, aber auch einige Familien mit ihren Kindern. SIEHE: Unfreiwilliges Treffen auf den Azoren

Portugal war im Ersten Weltkrieg zuerst neutral geblieben, beschlagnahmte dann aber auf britischen Druck am 23. Februar 1916 die in portugiesischen Häfen liegenden deutschen Handelsschiffe.

Es soll sich um 72 Schiffe gehandelt haben (ich habe mir nicht die Mühe gemacht, diese Zahl zu überprüfen), viele davon lagen in portugiesischen Überseebesitzungen wie Portugiesisch-Indien oder Portugiesisch-West- und -Ostafrika. SIEHE : Gefangen in Portugiesisch-Ostafrika (1916)

Die völkerrechtswidrige Enteignung der Schiffe beantwortete das Deutsche Kaiserreich am 9. März 1916 mit der Kriegserklärung an Portugal. Siehe dazu auch den Blogartikel: Das Dampfschiff „Fürth“ in Lissabon

Nach diesem Zeitpunkt wurden Deutsche aber auch Staatangehörige Österreich-Ungarn als Zivilgefangene in Lagern interniert. Einige der Camps wurden während des Krieges wieder geschlossen und die Inhaftierten auf die Azoren nach Angra do Heroismo oder auf das portugiesische Festland gebracht (Lager Peniche und Caldas da Rainha).

Es dauerte bis in das letzte Quartal 1919, bis der Rücktransport der Deutschen mit Schiffen nach Deutschland organisiert werden konnte. Über die Schwierigkeiten deutscher Rückkehrer nach der Ankunft berichtet dieser Blogartikel. SIEHE: Rückkehr in ein fremdes Deutschland

Genießen Sie die Festtage und bleiben Sie gesund! Ganz ausdrücklich schließe ich hier meine portugiesischen Freunde mit ein.

Angra do Heroismo, 1918, German internment camp

Zur Weihnachtsfeier gehörte sicher auch eine Darbietung dieser jungen Künstlerin; Lager von Angra do Heroismo, Insel Terceira, Azoren, 1916-1919, © Rotes Kreuz Portugal; Quelle : Archives Audiovisuelles du Comité Internationale de la Croix Rouge, https://avarchives.icrc.org/, Référence V-P-HIST-03056-30

PS:

Die Geschichte der Inhaftierung Deutscher in Portugal während des Ersten Weltkriegs ist allgemein wenig bekannt. Das dürfte auch an den wenigen Bild- und Textdokumenten liegen, die aus dieser Zeit existieren. Falls Sie Kenntnis über Aufzeichnungen oder Bildmaterial aus den portugiesischen Lagern zwischen 1916 und 1919 haben, würde ich mich über Ihre Nachricht freuen!

Zu den Veröffentlichungsbedingungen der Bilder siehe: https://avarchives.icrc.org

sale sultania 1934

Das Ende des Dampfschiffes „Fürth“

Die „Sultania“, exKerman, exFürth wird abgebrochen

Titel: Dampfschiff „Fürth“: Zeitungsartikel über den Verkauf zum Abbruch
Daily Commercial News and Shipping List, Sydney, 12. Februar 1934, S. 4; Quelle: National Library of Australia, trove.nla.gov.au

Folgen der Weltwirtschaftskrise

Nach Informationen des globalen Marktplatzes der Schifffahrtsbranche, The Baltic Exchange, wurden im Zuge der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er/Beginn der 1930er Jahre 3,5 Millionen Bruttoregistertonnen (BRT) Schiffsvolumen aufgelegt.

The depression of the 1930s resulted in 3.5 million gross tonnage being laid up.
Quelle: balticexchange.com; history 1920-1939

Allein für das Jahr 1933 spricht HANSA, Deutsche Nautische Zeitschrift, von 1,8 Millionen Tonnen, die aus dem Verkehr gezogen wurden:

„Im Laufe des Jahres 1933 sind von der Welttonnage über 1,8 Mill. T abgewrackt, von denen allein 240 000 T. zum Abwracken nach Japan gegangen sind.
HANSA, Deutsche Nautische Zeitschrift, 1934 (71. Jahrgang), S. 109

Neben Japan gab es auch in Europa viele Abwrackwerften, allen voran in Großbritannien oder Italien.

Die Zahlen für ausgewählte Länder:

USA

Den drastischen Rückgang an Schiffsraum verdeutlicht auch eine Meldung in The New York Times vom 31. Dezember 1933 (Section S, p. 10; nytimes.com). Danach war ein Drittel der Kapazitäten der US-amerikanischen Handelsmarine aufgelegt worden:

33% OF OUR SHIPS REPORTED LAID UP
Survey of Merchant Fleet Reveals Sharp Curtailment, Committees Declare

More than one-third of the seagoing tonnage of the American merchant marine is laid up, according to information submitted by committees of ship operators to the National Industry Recovery Administration.

Bush Docks 1914, Brooklyn, New York

Bush Terminal, Brooklyn, um 1914, Library of Congress; über Wikipedia (https://en.wikipedia.org/wiki/File:Bush_Terminal_Brooklyn_historic.jpg)

Großbritannien

Auf den Britischen Inseln war die Lage ähnlich dramatisch, auch wenn sich die Lage 1933 wieder leicht erholte:

Zu Beginn des Jahres 1934 waren 1,24 Mio. Nettoregistertonnen (NRT) oder 32 % aufgelegt, ein Jahr zuvor noch 1,97 Mio. Tonnen bzw. 37 %.

In Schiffen ausgedrückt werden 482 Einheiten aufgeführt, davon 253, die bereits seit einem Jahr oder länger nicht mehr genutzt wurden.

Quelle: Commerce Reports Weekly, Bureau of Foreign and Domestic Commerce, US Department of Commerce, Jan. 6, 1934 über books.google.fr

Greenland Dock, London

Das Greenland Dock in London, 1927, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Greenland_dock_1927.jpg

Britisch Indien

In Britisch Indien lähmte ebenfalls ein drastischer Einbruch der Im- und Exporte den Schiffsverkehr um etwa 55 %. Auch auf den Eisenbahnverkehr und die Landwirtschaft hatte die Great Depression extreme Auswirkungen.

Die Krise führte zu zahlreichen Aufständen gegen die britische Kolonialherrschaft (siehe unten). Weltweite Aufmerksamkeit fand der Salzmarsch unter Führung Mahatma Gandhis im Jahr 1930, der letztlich zur Unabhängigkeit Indiens im Jahr 1947 führen sollte.

Über den Überlebenskampf indischer Reedereien gegen die allmächtigen Kolonialherren hatte ich hier berichtet: Die „Sultania“, exFürth wird nach Rangun verkauft

Bombay harbour 1890

Bombay, Hafen bei der Ankunft eines Postschiffes, Photochromdruck, um 1890; Library of Congress, https://www.loc.gov/item/2017658173/

Regionale Ereignisse erschweren die Situation zusätzlich

Aufstände

Die Weltwirtschaftskrise war für viele Reedereien eine Katastrophe.

Für den Eigner des Dampfschiffes „Sultania“, exFürth, die Bengal Burma Steam Navigation Co., kamen zusätzlich lokale Ereignisse in dem Fahrgebiet der Gesellschaft zwischen Kalkutta und Rangun hinzu, die zu einem noch stärkeren Umsatzeinbruch geführt haben dürften.

In der Hauptstadt Burmas, Rangun kam es im Mai und Juni 1930 zu gewaltsamen Konflikten zwischen indischen und burmesischen Arbeitern (Rangoon Riots). Dem war ein lange schwelender ethnischer Konflikt zwischen Burmesen und indischen Arbeitern, die in großer Zahl ins Land gekommen waren, vorausgegangen.

Noch im gleichen Jahr, im Dezember 1930, begann der Saya-San-Aufstand burmesischer Bauern gegen die Kolonialmacht. Der starke Verfall der Preise für das Hauptanbauprodukt Reis hatte viele der verarmten Landwirte mobilisiert. Der Aufstand sollte fast zwei Jahre dauern und endete mit der Verhaftung der Aufständischen und der Exekution Saya Sans und anderer Anführer.

Erdbeben

Neben der Weltwirtschaftskrise und ethnischen Konflikten wurde die Region auch von Naturkatastrophen heimgesucht. Zwischen Januar 1929 und Januar 1931 kam es in der Region Bengalen und Burma zu mehreren Erdbeben.

Die zwei bedeutendsten waren das Bago-Erdbeben am 5. Mai 1930 und das Pyu-Erdbeben vom 4. Dezember 1930. Beide führten zu zahlreichen Zerstörungen.

Aufgelegt

Vor diesem Hintergrund ist es leicht verständlich, dass die Reederei die „Sultania“ im Dezember 1931 in Kalkutta aufgelegt hat:

SCINDIA LINES.
Reported Transfer Of Tonnage.
…intends to share in the passenger-carrying traffic in the Bay of Bengal, where the company is now virtually in control of the Bengal-Burma Steam Navigation Co., Ltd., which owns the steamers Englestan and Sultania. The latter, however, has been laid up at Calcutta since December, 1931.
The Strait Times, Singapore, 19. Oktober 1933, S. 3; Quelle: eresources.nlb.gov.sg

Abgebrochen

Interessanterweise sind es australische Medien, die sich des ehemaligen Schiffes „Fürth“ der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg erinnern und über den Abbruch berichten.

Die einzige Meldung, die ich über den Abbruch der „Fürth“ finden konnte, stammt aus der führenden australischen Tageszeitung für Wirtschaft und Schifffahrt Daily Commercial News and Shipping List, Sydney vom 12. Februar 1934 (siehe Titelbild).

Leider werden weder Verkaufspreis noch Abbruchwerft genannt. Laut dem Schifffahrtshistoriker Schmelzkopf fand die Verschrottung der „Fürth“ noch im Jahr 1933 in Bombay statt.
Quelle: R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984

In Lloyd’s Register endet die Karriere der „Fürth“ mit dem Eintrag in der Ausgabe 1933-34 mit dem Stempeleintrag „Broken up“.

Sultania broken up 1933 1934

Lloyd’s Register, Ausgabe 1933-34; persönliche Einsichtnahme am Firmensitz in 71, Fenchurch Street, London im September 2019

Nachtrag: Die Schwesterschiffe der „Fürth“

Von den sechs Schwesterschiffen der „Fürth“, die vor dem Ersten Weltkrieg für die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft in Fahrt waren, wurden auch die „Hagen“, die „Neumünster“, die „Osnabrück“ und die „Hanau“ in den Jahren 1932 – 1937 abgewrackt.

Die „Reichenbach“ war bereits im „Ersten Weltkrieg“ von einem deutschen U-Boot versenkt worden.

Lediglich das Dampfschiff „Plauen“ überlebte die 1930er Jahre. Die portugiesische „Ganda“, ex CityofMilan, exPlauen wurde am 20. Juni 1941 vom deutschen U-Boot U 123 vor der marokkanischen Küste versenkt.

Frachtdampfer "Bielefeld", DADG (1898-1914)

Instagram der Kaiserzeit: Ansichtskarten

„Sie spüren keine Erschöpfung, keinen Hunger, keinen Durst, sie hören nichts, sie sehen nichts, sie fühlen nichts; sie schreiben Ansichtskarten.“

Titelbild: Hamburg, Hafen mit Dock und Dampfschiff „Bielefeld“, Ansichtskarte (Verlag Gebr. Moehlke) ungelaufen und undatiert (zwischen 1898 und 1914), eigene Sammlung

Über Ansichtskarten

Aus heutiger Sicht kann man Ansichtskarten als die führende Social-Media-Plattform der Zeit um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert bezeichnen, das Instagram der Kaiserzeit, wenn Sie so wollen.

Millionenfach wurden Ansichtskarten mit kurzen Grüßen und einfachen Botschaften verschickt. Heute würde man dies vielleicht analoges Foto-Sharing nennen.

Auch das Sammeln der Karten war ein beliebter Zeitvertreib, der sich oft zum „Sammelsport“ auswuchs. Das klingt einfacher, als es war:

Eine wirklich ernsthaft angelegte Ansichtskarten-Sammlung darf kein einziges Exemplar enthalten, das nicht den Poststempel der Stadt oder Gegend, die sie vorstellt, trägt. Es ist also nicht viel erreicht, wenn man sich von der Verlagsfirma die schönsten und neuesten Karten kauft. Mann muss sie erst dorthin befördern, woher sie kommen sollen, und das Mittel finden, sie von dort frankirt zurückzubefördern zu lassen, denn unfrankirt nimmt die Post sie nicht an.
Kleine Mittheilungen. Die Ansichtskarte. Hamburger Nachrichten, 9. Aug. 1899

Manche Verlage haben dafür Mitarbeiter auf Weltreisen geschickt und nach Abschluss eines Karten-Abonnements erhielt der Subskribent dann frankierte Karten aus aller Herren Länder zugesandt.

Ansichtskarten-Weltreise

Anzeige der Verlagsanstalt Holub, Leipziger Tageblatt und Anzeiger, Frühausgabe, 14. Dez. 1898; Quelle: https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/351005/11

Weniger weit führte die Reise des Dr. Trömel, der sich durch die Pflicht, Karten zu schreiben, gehörig unter Druck gesetzt fühlte. Der Journalist und Schriftsteller Eugen Isolani lässt ihn sagen:

„Die dummen Ansichtskarten haben mir meine ganze sommerliche Rheinreise verdorben! Zwanzig Damen meiner Bekanntschaft sammeln Ansichtskarten, jeder mußte ich vor meiner Abreise hoch und heilig versprechen, von jedem Aussichtspunkt meiner Rheinfahrt eine Karte zu senden. Hätte ich nun einen Aussichtspunkt ausgelassen, so wäre ich von allen gemordet worden, oder hätte ich von irgendwo einigen Damen Karten gesandt und den anderen nicht, so hätten diese das Ermordungsgeschäft allein vollzogen. Viel geht ja auf solch‘ eine Karte nicht drauf, aber geistreich will man doch auch sein, und das ist in kurzen Wochen um so schwerer. Ich sage Ihnen, meine Herren, ich habe die Hälfte meiner Rheinreise mit dem Schreiben von Ansichtskarten verbraucht.“
Auszug aus: Durch die Ansichtspostkarte. Eine Geschichte aus der Funkelnagelneuzeit von Eugen Isolani, in Neue Hamburger Zeitung, 14. Okt. 1897; Quelle: europeana.eu

Über die große Menge an Karten heißt es an anderer Stelle ganz offiziell:

Eine Ansichtskarten-Statistik hat das Reichspostamt veranstaltet. Das Ergebnis übersteigt … alle Erwartungen. Obgleich die Hauptreisezeit zur Zeit der Zählung bereits vorüber war, sind in den sieben Tagen vom 9. August, 12 Uhr mittags bis 16. August, 12 Uhr mittags, im Reichspostgebiet nicht weniger als 10 128 569 Ansichtskarten aufgegeben worden, mithin im Durchschnitt täglich 1 446 930 Stück. …
Der Portbetrag für die siebentägige Gesamtmenge der Ansichtskarten stellt sich auf 483 075,32 M., für einen Tag auf 69 010,76 M. …
Könnte man die von 9. bis 16. August im Reichs-Postgebiet aufgegebenen mehr als zehn Millionen Ansichtskarten aufeinanderthürmen (etwa wie man durchlochte Blätter auf einem Eisenstab aufreiht), so würde man eine Kartensäule von 3376 Meter erhalten oder 45mal die Höhe bis über die Kaiserkrone auf dem Reichstaggebäude. …
Quelle: Volkszeitung, Berlin, 2. Dez. 1900, Kleine Chronik, S. 3; Quelle: europeana.eu

 

Das Suchtpotential der Karten war hoch und wenn sich heute Menschen darüber beschweren, dass andere ihre Zeit ständig am Smartphone verbringen, klang das 1899 nicht viel anders:

… Ihre farbenschillernde Fluth wälzt sich täglich und stündlich durch die ganze, civilisirte Welt. Bald wird sie in stillen, verlassenen Erdenwinkeln als erstes Zeichen der Civilisation überhaupt gelten. Jeden Schritt aus dem Bannkreise unserer Umgebung müssen wir mit einer Ansichtskarte bezahlen, jeden Athemzug frischer Bergluft, jeden Anblick einer Landschaft müssen wir – wie um die Götter zu versöhnen – durch eine Anzahl von Ansichtskarten uns erkaufen. Man schüttelt den Kopf, wenn man sieht, wie die Leute, kaum aus dem Coupé gestiegen, sich auf die Ansichtskarten stürzen. Sie spüren keine Erschöpfung, keinen Hunger, keinen Durst, sie hören nichts, sie sehen nichts, sie fühlen nichts; sie schreiben Ansichtskarten. ….
Kleine Mittheilungen. Die Ansichtskarte. Hamburger Nachrichten, 9. Aug. 1899

Anmerkung: mit farbenschillernd spielt der Autor auf den in den 1890er Jahren verbreiteten Photochromdruck an, einem mechanischen Flachdruckverfahren zur Nachstellung naturnaher Farben.

Eine schöne Übersicht über die Reproduktionstechniken historischer Postkarten finden Sie auf der Seite der Postkartensammlung vom GrazMuseum: https://gams.uni-graz.at/archive/objects/context:gm/methods/sdef:Context/get?mode=technik

Über den verbreiteten Lichtdruck hatte ich hier berichtet: Der Strandhöft im Jahr 1905

Admiral, DAOL

Ansichtskarte des Reichspostdampfers „Admiral“ der DOAL (Deutsche Ost-Afrika-Linie), https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Reichspostdampfer_admiral_deutsche_ost-afrika-linie_a.jpg

Passagier- und Frachtdampfer

Ein beliebtes Ansichtskartenmotiv waren natürlich auch Dampfschiffe, die die Verbindung zwischen Städten, Ländern und Kontinenten sicherstellten. Kabinenpassagiere waren dankbare Abnehmer der Karten, denn auf den Passagen war Zeit und Muse vorhanden, um mit den Liebsten in Kontakt zu bleiben.

Was für die Passagierdampfer galt, war allerdings keine Selbstverständlichkeit für reine Frachtschiffe. Hier wird die Suche schon mühseliger.

Auf der Suche nach Schiffen der Kaiserlichen Handelsmarine wird man zum Beispiel beim Norddeutschen Lloyd Bremen fündig, der selbst Postkartenhefte mit seinen Schiffen herausgab. Darunter waren neben den bekannten Passagierdampfern auch Frachtschiffe der Reederei. Dazu gehört die hier im Blog vorgestellte Karte des Frachtdampfers „Lothringen“, auf dem der Offizier Friedrich Meier gedient hatte, der uns hier im Blog ausführlich von seiner Gefangenschaft in Australien während des Ersten Weltkrieges erzählt hatte. SIEHE: Der Schiffsoffizier Friedrich Meier – ein Nachtrag zu den Tagebucheinträgen

Die Ansichtskartenverlage hingegen hatten wenig Interesse, Karten von Frachtschiffen, wie denen der Deutsche-Australischen-Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) anzufertigen. Wer hätte sie denn auch kaufen sollen?

Man muss daher darauf hoffen, dass sich das ein oder andere DADG-Schiff zufällig in ein Ansichtskartenmotiv „gemogelt“ hat.

Ein ideales Motiv dafür ist die sogenannte Hafenpartie, Aufnahmen, die die Betriebsamkeit in den Häfen zeigen. Nachdem Hamburg der Heimathafen der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft war, beginnen wir die Suche dort.

Allerdings lag der gewöhnliche Anlegeplatz der DADG in Hamburg am Australiakai im Indiahafen, wohin sich eher selten ein Fotograf verirrt hatte.

Da kommt es gelegen, dass ein DADG-Dampfer bei Blohm & Voss am Dock, direkt gegenüber von den Landungsbrücken, lag, als ein Fotograf Aufnahmen für neue Karten machte.

Frachtdampfer

Hamburg, Hafen mit Dock und Dampfschiff „Bielefeld“, Ansichtskarte (Verlag Gebr. Moehlke) ungelaufen und undatiert (zwischen 1898 und 1914), eigene Sammlung

Hafen mit Dock

Auf der abgebildeten Karte blickt man vom Steinwärder in Richtung Hamburg Mitte. Im Vordergrund ist ein Schwimmdock von Blohm & Voss, in dem sich ein relativ kleines Schiff befindet.

Links am Dock hat das Schiff „Bielefeld“, ein DADG-Dampfer festgemacht. Das Schiff war sicherlich ebenfalls für einen Aufenthalt im Dock vorgesehen. Die Schiffe mussten regelmäßig gereinigt und mit einem neuen Anstrich versehen werde, um Bewuchs zu entfernen, neuen zu verhindern und die stählerne Hülle der Schiffe zu schützen.

Einen typischen Aufenthalt im Dock habe ich hier im Blog für das Dampfschiff „Fürth“ beschrieben. Er ist dem Schiffstagebuch der „Fürth“ entnommen und schildert den Ablauf sehr detailliert. SIEHE Tagebuch (2): Die „Fürth“ im Trockendock

Hier Werbung für die Marke des Anstrichs, der dabei verwendet wurde:

Antifouling, Rathjen, Hamburg 1912

Anzeige für „Rathjen’s Composition“ in der Zeitschrift HANSA, Deutsche Nautische Zeitschrift, Februar 1912; Quelle: digishelf.de

Dampfschiff „Bielefeld“

Die „Bielefeld“ war ein Schiff der sog. „Meißen-Klasse“, benannt nach dem ersten in dieser Kleinserie gebauten Schiff. Das besondere Merkmal der Serie waren die beiden, eng aneinander liegenden Schornsteine, was ihr auch den Namen „Zweischornsteiner“ einbrachte.

Wie es dazu kam, erklärt Otto Harms in seinem Buch über die DADG (1933):

„Bei diesem Schiff „Meißen“, war es unmöglich, die Kessel in einer Reihe unterzubringen, wie bei dem Elf-Knoten-Schiff und es entstand die Frage, ob man bei den einendigen Kesseln, welche sich bewährt hatten, bleiben, oder aber Doppelender nehmen sollte. Auch bei Einendern wäre es möglich gewesen, mit einem Heizraum und einem Schornstein auszukommen. Wegen der Fahrt durch die Tropen erschien aber die Hauptaufgabe, luftige Heizräume zu schaffen, und so entschieden sich die Sachverständigen für Einender mit zwei Heizräumen und je zwei Kesseln, beide von vorne zu heizen. Das war auch für die Anordnung der Bunker vorteilhaft und so entstanden die zwei dünnen Schornsteine, welche damals die neuen Austral-Dampfer besonders kenntlich machten.“
Quelle: Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Schröder & Jeve, Hamburg (1933).

Insgesamt zwölf Schiffe liefen nach diesem Baumuster bei der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft vom Stapel: „Meißen“, „Elbing“, „Bielefeld“, „Varzin“, „Harburg“, „Itzehoe“, „Magdeburg“, „Kiel“, „Duisburg“, „Laeisz“, „Apolda“, „Rostock“ (in der Reihenfolge ihrer Inbetriebnahme).

Sie waren nicht alle baugleich, es gab drei Bauformen mit leicht unterschiedlicher Größe (Quelle: Harms, 1933).

Von diesen zwölf Dampfern blieben vier bis in das Jahr 1914 für die DADG in Fahrt: „Elbing“, „Bielefeld“, „Varzin“ und „Harburg“. Vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges waren dies die ältesten Schiffe der Reederei.

Der Stapellauf der „Bielefeld“ erfolgte am 16. Juli 1898, gut einen Monat später kam sie für die DADG in Fahrt.

Am 30. Juli 1914 war das Schiff Kopenhagen angelaufen. Da der Kaiser-Wilhelm-Kanal, der heutige Nord-Ostsee-Kanal, gesperrt war, wurde die Ladung für Hamburg in Travemünde gelöscht.

Anschließend beorderte die Kaiserliche Marine die „Bielefeld“ nach Hamburg und ließ sie zum Sperrbrecher umbauen.

Nach dem ersten Weltkrieg musste das Schiff an Großbritannien abgeliefert werden, bevor es 1920 nach Japan verkauft und in „Kobun Maru“ umbenannt wurde.

Am 29.12. sank der Frachter auf einer Fahrt von Japan nach Singapur östlich von Schanghai. Die Mannschaft konnte das sinkende Schiff verlassen.

Quelle: Angaben über die spätere Geschichte der „Bielefeld“ nach Schmelzkopf (1984); siehe auch: https://www.wrecksite.eu/wreck.aspx?210467

Meine Ansichtskarte des Hamburger Hafens mit dem Schiff „Bielefeld“ hätte allerdings den damaligen Ansprüchen an eine wirklich ernsthaft angelegte Ansichtskarten-Sammlung nicht genügt:

Die Karte ist ungelaufen, also weder beschrieben, noch frankiert und damit nach damaligen Maßstäben eigentlich gar nichts wert. Ich hebe sie trotzdem auf.

Bielefeld, Dampfschiff, DADG Hamburg

Frachtdampfer „Bielefeld“, Quelle: R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984

Charakteristisches Merkmal: der Doppelschornstein mit der schwarz-weiß-roten Schornsteinmarke. Das Rot ist natürlich nur zu erahnen, es erscheint auf dem Foto dunkelgrau.

crew list Furth 1911 in Sydney

Dampfschiff „Fürth“: Die Mannschaft am 6. Juli 1911

Momentaufnahme in Sydney

Titelbild: Mannschaftsliste Dampfschiff „Fürth“, 6. Juli 1911, © State Records Authority of New South Wales, Shipping Master’s Office; Quelle: http://marinersandships.com.au/

Heute kann ich Ihnen nach langer Zeit mal wieder eine neue Mannschaftsliste des Dampfschiffes „Fürth“ präsentieren. Sie ist aus dem Jahr 1911.

Zu verdanken ist das Mary-Anne Warner und ihren freiwilligen, ehrenamtlichen Helfern und Helferinnen in Sydney, die Mannschaftslisten einlaufender Schiffe in Sydney von 1845 – 1922 einscannen und dazu noch eine Transkriptionsliste erstellen (siehe Abbildung am Ende des Beitrags) und diese im Internet allgemein verfügbar machen. Das Projekt ist schon sehr weit fortgeschritten und bis 1910 und auch für das Jahr 1922 schon abgeschlossen. Die Jahren 1911 bis 1921 sind noch nicht vollständig, werden aber weiter regelmäßig ergänzt.

Ohne dieses Projekt wären viele der hier im Blog veröffentlichten Artikel schlicht und einfach nicht möglich gewesen. Die Listen geben nicht nur Auskunft über die Mannschaften, sondern auch über die Ankunft der Schiffe im Allgemeinen, zumindest für den Hafen Sydney. An dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank für diese fantastische Arbeit.

Die Original-Mannschaftslisten befinden sich bei der State Records Authority of New South Wales, sie mussten von den ankommenden Schiffen bei der Hafenbehörde (Shipping Master’s Office) abgegeben werden.

Darling Harbour, Pyrmont, about 1900

Darling Harbour, Sydney, im Vordergrund Hafenanlagen von Pyrmont, rechts die Pyrmont Bridge, um 1900; Quelle: Powerhouse Museum from Sydney über https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Darling_Harbour,_1900.jpg

Ortsangaben

Die hier vorgestellte Liste ist aus einem bestimmten Grund besonders interessant. Sie enthält nämlich in der Spalte der Einträge des Geburtslandes bzw. der Geburtsstadt nicht nur den, in der damaligen Zeit üblichen Eintrag „Germany“. Der Ersteller der Liste hat sich vielmehr die Mühe gemacht, für jedes Mannschaftsmitglied auch die Geburtsstadt anzugeben.

Das war nur noch selten der Fall und für das Dampfschiff „Fürth“ ist es nur die Liste der Jungfernfahrt, die bislang diese Angaben enthalten hat. Alle späteren Listen enthalten nur noch die Nationalitäten, nicht aber die Geburts- bzw. Wohnorte.

Für die Ersteller der Listen war das natürlich eine willkommene Vereinfachung, aber aus heutiger Sicht ist die Angabe des Ortes eine wunderbare Gelegenheit, mehr über die Herkunft und Identität der Seeleute zu erfahren.

Die Liste selbst ist bunt durcheinander gewürfelt, eine Ordnung ist nicht zu erkennen. Im Folgenden ordne ich die Einträge der Übersichtlichkeit halber in Deck- und Maschinenmannschaft, wobei ich jeweils mit den Offizieren beginne.

Woolloomooloo Bay, Sydney 1910

Woolloomooloo Bay, Sydney, Postkarte, teilweise koloriert, gelaufen 1910; Quelle: National Museum of Australia, Ref.: 1986.0117.6471

Von Frederikstadt über Geelong

In der Titelzeile ist der Heimathafen des Schiffes (Hamburg) und der Name des Kapitäns, C B. Saegert angegeben. Saegert war von August 1907 bis Ende August 1912 verantwortlicher Schiffsführer der „Fürth“.

Die Tonnage der „Fürth“ ist ebenfalls im Eintrag vermerkt: 4229/2640 Tonnen (brutto und netto).

Als Abfahrtshafen ist Frederikstadt via Geelong eingetragen.

Es war die neunte Australienfahrt der „Fürth“ und die einzige, auf der das Schiff auf der Skandinavien -Linie der Reederei eingesetzt war. In Gothenburg/Schweden, Christiania (Oslo) oder Frederikstadt/Norwegen wurden große Holzmengen aufgenommen und nach Australien verschifft. Das war zum einen Bauholz und zum anderen Rohstoff für Papiermühlen (wood pulp). SIEHE Die „Fürth“ in Skandinavien  UND Die Barwon-Papiermühle in Fyansford, Geelong

Danish steamer Cambodia in Geelong

Norwegian Steamer Cambodia at Yarra Street Pier, c. 1905, unloads Baltic Timber at Yarra Street Pier. Quelle: Geelong Heritage Centre Main Photographic Collection

Mannschaftsstärke

Die Zahl der regelmäßigen Besatzung, einschließlich des Schiffsführers, sowie des ärztlichen, Maschinen-, Verwaltungs- und Dienstpersonals betrug für das Schiff „Fürth“ vierzig Personen. Diese Angabe ist in der Anzeige der Reederei betreffend Eintragung eines Schiffes in das Register für Schiffe gemacht worden. SIEHE: Der Bielbrief der „Fürth“ und die Eintragung ins Schiffsregister

Die Liste umfasst jedoch nur 36 Mannschaftsmitglieder plus Kapitän Saegert. Es ist daher sicher, dass dem Kapitän in den zuvor angelegten australischen Häfen Fremantle, Melbourne oder Geelong ein paar Seeleute abhandengekommen sind (siehe unten). Vor allem Melbourne und Geelong mit 10 und 11 Tagen Liegezeit boten reichlich Gelegenheit dazu.

Desertion war eine übliche Praxis und ein Prozentsatz von 15-25 % desertierenden Seeleuten nichts Ungewöhnliches. SIEHE: Dampfschiff „Fürth“: Tagebuch-Spezial – Deserteure, Einschleicher und wechselndes Personal

Passagiere waren keine an Bord, der Eintrag lautet daher „NIL“.

Kapitän und Decksoffiziere

Angaben zum Kapitän gibt es in den Mannschaftslisten in der Regel nicht, er war ja nicht Teil der Mannschaft, sondern deren Arbeitgeber. SIEHE: Die Musterrolle (Originaldokument aus den Jahren 1913/1914)

Ausnahmen bestätigen die Regel und aus einer Liste vom 21. März 1909 wissen wir, dass er zu diesem Zeitpunkt 56 Jahre alt war und dann am 6. Juli 1911 folglich 58 oder 59 gewesen sein muss. In der oben erwähnten Anzeige aus dem August 1907 war sein Wohnort mit Rostock angegeben worden.

Master C. B. Saegert, 56 years old, March 21, 1909

Kapitän C. B. Saegert, Unterschrift mit Altersangabe auf der Meldeliste für die Hafenpolizei in Syndey am 21. März 1909

Kapitän C. B. Saegert, Rostock

Ausschnitt aus Seite 4 der Anzeige für die Eintragung der „Fürth“ ins Schiffsregister; © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Zu den Offizieren:

I. Offizier K. Alfred Steinorth, 35, Sund Wiese

Steinorth war langjähriger Offizier auf der „Fürth“.

Seit spätestens März 1909 war er zweiter Offizier und ab Dezember 1910 erster Offiizer. Er blieb es mindestens bis Januar 1914, bis er dann seinem Kapitän als erster Offizier auf das Schiff „Ulm“ folgte. SIEHE: Die „Ulm“ in Ambon (Teil 1 von 2) und Die „Ulm“ in Ambon (Teil 2 von 2)

Der ungewöhnliche Eintrag des Geburtsortes „Sund Wiese“ führt uns auf die Insel Zingst, wo ein Teil der Insel östlich des Ortes Zingst als Sundische Wiese bezeichnet wird. Dort gab es einige Gehöfte mit insgesamt 140 Einwohnern. Auch der Name Steinorth war dort verbreitet.

Sobald ich mehr über den Offizier Alfred K. Steinorth herausgefunden habe, werde ich darüber im Blog berichten.

Sundwiese, Zingst

Sundische Wiese, Meyers Orts- und Verkehrslexikon des Deutschen Reichs 1912; Quelle: Meyers Gazetteer, https://www.meyersgaz.org/place/20916031

Zweiter Offizier war L. Karl Albrech, 27, aus Wardow im Landkreis Rostock, dritter Offizier C. Alfred Hockenholz, 32 aus Gardelegen im Altmarkkreis Salzwedel (Sachsen-Anhalt) und vierter Offizier Eduard Ihlefeld, 28 aus Grevesmühlen, Landkreis Nordwestmecklenburg.

Ihlefeld hatte auch die vorherige Fahrt der „Fürth“ schon als vierter Offizier mitgemacht. SIEHE: Die Mannschaft der Fuerth

In dieser Liste aus dem Jahr 1910 gibt es auch einen K. L. H. Albrecht als zweiten Offizier, so dass ich davon ausgehe, dass wir es hier mit der gleichen Person zu tun haben. Ebenso der dritte Offizier, der in der Mannschaftsliste vom Dezember 1910 als C. A. Hackenholz eingetragen ist.

Sie sehen also, dass die Schreibweise von Namen (und Orten) in den Mannschaftslisten mit Vorsicht zu genießen ist. Das sollte man im Hinterkopf haben, wenn man sich auf die genealogische Suche macht.

Decksmannschaft

Erster Bootsmann der „Fürth“ war Friedrich Tomrop, 56, aus Windau. Er war damit der älteste an Bord. Die Stadt Windau im Kurland heißt heute Ventspils und gehört zu Lettland. Zweiter Bootsmann war der 30-jährige Willy Triest aus Berlin.

Heinrich Enoch, 24, aus Ellerbeck (Landkreis Osnabrück) war der Schiffszimmermann.

Unter den Vollmatrosen finden wir Eduard Netz (25) aus Rotzog, heute Rosocha, in Westpommern (im heutigen Polen), Otto Mertens (29) und Willy Jepsen (20), beide aus Hamburg, H. Ziemendorf (25) aus Wittenberge sowie den Deutschen Alexander Utechin (23, ohne Ortsangabe) und den Niederländer Floringh (49). Bei Floringh ist als Ort Smihle angegeben, eventuell ist das die Stadt Smilde.

Als Leichtmatrosen/Jungmänner waren Ernst Deiss, 17 aus Iserlohn und Dietrich Hagenah, 16 aus Stade an Bord und als Schiffsjunge („Moses“) Friedrich Kruse, 15 aus Kiel.

Auch bei den Matrosen ist die Schreibweise nicht immer gesichert. In der Liste der achten Reise (Dezember 1910) gibt es eindeutig auch W. Jepsen, Utechin finden wir als Utechen und Hagenah als Hagenach.

Koch war Th. Wilhelm Flüchter, 46 aus Ennigerloh im Kreis Warendorf (Münsterland), sein Assistent Otto Wursbech, 27 aus Stangerode (heute Teil der Stadt Arnstein, Landkreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt).

Flüchter war auch schon bei der vergangenen Fahrt an Bord, Kapitän Saegert wird wohl zufrieden mit ihm gewesen sein. Einen guten Koch zu finden, war nicht einfach. SIEHE: Dampfschiff „Fürth“: Bordverpflegung nach Musterrolle

Der Service oblag Karl Inka (1. Steward, 19) aus Eckartsberga (Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt) und Johannes Fechter, (2. Steward, 20) aus Amstetten. Die deutsche Gemeinde Amstetten liegt im Alb-Donau-Kreis in Baden-Württemberg. Ich würde allerdings auch das niederösterreichische Amstetten nicht ausschließen wollen. Auch die Länderangaben sind nicht immer korrekt.

boiler telegraph

Kesseltelegraf auf der Brücke – Bild symbolisch (Quelle: Pixabay)

Maschinenmannschaft

Als Chefingenieur war Phil. Josef Hess, 42 aus Rastatt (Baden-Württemberg) an Bord.

Es ist sicher keine Überraschung festzustellen, dass die meisten Mannschaftsmitglieder aus der Nordhälfte Deutschlands kamen. Hess bildete mit wenigen anderen eine Ausnahme.

Zweiter Ingenieur war Carl Gustav Wilke, 30, aus Hamburg, dritter Ingenieur Jonny Kesten, 24, aus Hemelingen, heute ein Stadtteil von Bremen. Als vierter Ingenieur war Jürgen Hensen, 25, aus Nordburg, Landkreis Celle an Bord.

Komplettiert wurden die Maschinisten durch die beiden Assistenten Johs. (Johannes?) Hoeck, 24, aus Flensburg und G. Barkow, 21. In der Liste steht Coxeburg, das allerdings nicht existiert. Eventuell ist Coburg gemeint?

Heizer auf der „Fürth“ waren am 6. Juli 1911 Julius Lust (30) aus Wernerheide (ev. in Bochum?), Albert Juch (30) aus Hermannsacker (Landkreis Nordhausen, Thüringen), Hans Harms (33) aus Hamburg und Johann Przywarka (25) aus Groß-Borek (Oberschlesien, heute Borki Wielki). Ferner August J. Queisser (30) aus Blumberg im Schwarzwald-Baar-Kreis, J. Carl Adelmann aus Rastatt und H. Gustav Seidel (37) aus Penig im Landkreis Mittelsachsen.

Für den Kohlennachschub sorgten die Kohlenzieher (Trimmer) R. Curt Richter (22) aus Cölln bei Meißen, Leopold Schlecher (25) aus München und Wilhelm Müller (32) aus Essen.

Zusammen macht das 10 Heizer und Trimmer. Hier war die „Fürth“ definitiv unterbesetzt. Normalerweise sollten das mindestens vierzehn Personen sein. Kapitän Saegert musste also in Sydney nachmustern.

Numerous vessels moored at Woolloomooloo wharf, including MANNHEIM to the left. Mai 1914

Dampfschiffe im Hafen von Wooloomooloo, Mai 1914, links im Bild die „Mannheim“, Deutsch-Australische Dampfschiff-Gesellschaft; Australian National Maritime Museum on The Commons, Object no. 00017565

Erkennen oder vermuten Sie einen Ihrer Vorfahren in der Mannschaftsliste? Alle Informationen, die Hinweise zu den auf dem Schiff gefahrenen Männern geben, sind herzlich willkommen.

Vielleicht geben noch vorhandene Aufzeichnungen oder Fotos noch weitere Details aus dem Alltag auf See bei der Kaiserlichen Handelsmarine im Allgemeinen oder sogar dem Schiff „Fürth“ im Speziellen preis.

Ich gebe die Hoffnung nach weiterem Material noch nicht auf, schließlich war auch der Fund des Schiffstagebuchs der „Fürth“ in Liverpool eine nicht vorhersehbare Entdeckung! SIEHE: Ein Logbuch der „Fürth” in Liverpool

crew list Fuerth, Sydney, July 6th, 1911

Mannschaftsliste Dampfschiff „Fürth“, 6. Juli 1911, Transkription der Originalliste des State Records Authority of New South Wales, Shipping Master’s Office; Quelle: http://marinersandships.com.au/