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sale sultania 1934

Das Ende des Dampfschiffes „Fürth“

Die „Sultania“, exKerman, exFürth wird abgebrochen

Titel: Dampfschiff „Fürth“: Zeitungsartikel über den Verkauf zum Abbruch
Daily Commercial News and Shipping List, Sydney, 12. Februar 1934, S. 4; Quelle: National Library of Australia, trove.nla.gov.au

Folgen der Weltwirtschaftskrise

Nach Informationen des globalen Marktplatzes der Schifffahrtsbranche, The Baltic Exchange, wurden im Zuge der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er/Beginn der 1930er Jahre 3,5 Millionen Bruttoregistertonnen (BRT) Schiffsvolumen aufgelegt.

The depression of the 1930s resulted in 3.5 million gross tonnage being laid up.
Quelle: balticexchange.com; history 1920-1939

Allein für das Jahr 1933 spricht HANSA, Deutsche Nautische Zeitschrift, von 1,8 Millionen Tonnen, die aus dem Verkehr gezogen wurden:

„Im Laufe des Jahres 1933 sind von der Welttonnage über 1,8 Mill. T abgewrackt, von denen allein 240 000 T. zum Abwracken nach Japan gegangen sind.
HANSA, Deutsche Nautische Zeitschrift, 1934 (71. Jahrgang), S. 109

Neben Japan gab es auch in Europa viele Abwrackwerften, allen voran in Großbritannien oder Italien.

Die Zahlen für ausgewählte Länder:

USA

Den drastischen Rückgang an Schiffsraum verdeutlicht auch eine Meldung in The New York Times vom 31. Dezember 1933 (Section S, p. 10; nytimes.com). Danach war ein Drittel der Kapazitäten der US-amerikanischen Handelsmarine aufgelegt worden:

33% OF OUR SHIPS REPORTED LAID UP
Survey of Merchant Fleet Reveals Sharp Curtailment, Committees Declare

More than one-third of the seagoing tonnage of the American merchant marine is laid up, according to information submitted by committees of ship operators to the National Industry Recovery Administration.

Bush Docks 1914, Brooklyn, New York

Bush Terminal, Brooklyn, um 1914, Library of Congress; über Wikipedia (https://en.wikipedia.org/wiki/File:Bush_Terminal_Brooklyn_historic.jpg)

Großbritannien

Auf den Britischen Inseln war die Lage ähnlich dramatisch, auch wenn sich die Lage 1933 wieder leicht erholte:

Zu Beginn des Jahres 1934 waren 1,24 Mio. Nettoregistertonnen (NRT) oder 32 % aufgelegt, ein Jahr zuvor noch 1,97 Mio. Tonnen bzw. 37 %.

In Schiffen ausgedrückt werden 482 Einheiten aufgeführt, davon 253, die bereits seit einem Jahr oder länger nicht mehr genutzt wurden.

Quelle: Commerce Reports Weekly, Bureau of Foreign and Domestic Commerce, US Department of Commerce, Jan. 6, 1934 über books.google.fr

Greenland Dock, London

Das Greenland Dock in London, 1927, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Greenland_dock_1927.jpg

Britisch Indien

In Britisch Indien lähmte ebenfalls ein drastischer Einbruch der Im- und Exporte den Schiffsverkehr um etwa 55 %. Auch auf den Eisenbahnverkehr und die Landwirtschaft hatte die Great Depression extreme Auswirkungen.

Die Krise führte zu zahlreichen Aufständen gegen die britische Kolonialherrschaft (siehe unten). Weltweite Aufmerksamkeit fand der Salzmarsch unter Führung Mahatma Gandhis im Jahr 1930, der letztlich zur Unabhängigkeit Indiens im Jahr 1947 führen sollte.

Über den Überlebenskampf indischer Reedereien gegen die allmächtigen Kolonialherren hatte ich hier berichtet: Die „Sultania“, exFürth wird nach Rangun verkauft

Bombay harbour 1890

Bombay, Hafen bei der Ankunft eines Postschiffes, Photochromdruck, um 1890; Library of Congress, https://www.loc.gov/item/2017658173/

Regionale Ereignisse erschweren die Situation zusätzlich

Aufstände

Die Weltwirtschaftskrise war für viele Reedereien eine Katastrophe.

Für den Eigner des Dampfschiffes „Sultania“, exFürth, die Bengal Burma Steam Navigation Co., kamen zusätzlich lokale Ereignisse in dem Fahrgebiet der Gesellschaft zwischen Kalkutta und Rangun hinzu, die zu einem noch stärkeren Umsatzeinbruch geführt haben dürften.

In der Hauptstadt Burmas, Rangun kam es im Mai und Juni 1930 zu gewaltsamen Konflikten zwischen indischen und burmesischen Arbeitern (Rangoon Riots). Dem war ein lange schwelender ethnischer Konflikt zwischen Burmesen und indischen Arbeitern, die in großer Zahl ins Land gekommen waren, vorausgegangen.

Noch im gleichen Jahr, im Dezember 1930, begann der Saya-San-Aufstand burmesischer Bauern gegen die Kolonialmacht. Der starke Verfall der Preise für das Hauptanbauprodukt Reis hatte viele der verarmten Landwirte mobilisiert. Der Aufstand sollte fast zwei Jahre dauern und endete mit der Verhaftung der Aufständischen und der Exekution Saya Sans und anderer Anführer.

Erdbeben

Neben der Weltwirtschaftskrise und ethnischen Konflikten wurde die Region auch von Naturkatastrophen heimgesucht. Zwischen Januar 1929 und Januar 1931 kam es in der Region Bengalen und Burma zu mehreren Erdbeben.

Die zwei bedeutendsten waren das Bago-Erdbeben am 5. Mai 1930 und das Pyu-Erdbeben vom 4. Dezember 1930. Beide führten zu zahlreichen Zerstörungen.

Aufgelegt

Vor diesem Hintergrund ist es leicht verständlich, dass die Reederei die „Sultania“ im Dezember 1931 in Kalkutta aufgelegt hat:

SCINDIA LINES.
Reported Transfer Of Tonnage.
…intends to share in the passenger-carrying traffic in the Bay of Bengal, where the company is now virtually in control of the Bengal-Burma Steam Navigation Co., Ltd., which owns the steamers Englestan and Sultania. The latter, however, has been laid up at Calcutta since December, 1931.
The Strait Times, Singapore, 19. Oktober 1933, S. 3; Quelle: eresources.nlb.gov.sg

Abgebrochen

Interessanterweise sind es australische Medien, die sich des ehemaligen Schiffes „Fürth“ der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg erinnern und über den Abbruch berichten.

Die einzige Meldung, die ich über den Abbruch der „Fürth“ finden konnte, stammt aus der führenden australischen Tageszeitung für Wirtschaft und Schifffahrt Daily Commercial News and Shipping List, Sydney vom 12. Februar 1934 (siehe Titelbild).

Leider werden weder Verkaufspreis noch Abbruchwerft genannt. Laut dem Schifffahrtshistoriker Schmelzkopf fand die Verschrottung der „Fürth“ noch im Jahr 1933 in Bombay statt.
Quelle: R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984

In Lloyd’s Register endet die Karriere der „Fürth“ mit dem Eintrag in der Ausgabe 1933-34 mit dem Stempeleintrag „Broken up“.

Sultania broken up 1933 1934

Lloyd’s Register, Ausgabe 1933-34; persönliche Einsichtnahme am Firmensitz in 71, Fenchurch Street, London im September 2019

Nachtrag: Die Schwesterschiffe der „Fürth“

Von den sechs Schwesterschiffen der „Fürth“, die vor dem Ersten Weltkrieg für die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft in Fahrt waren, wurden auch die „Hagen“, die „Neumünster“, die „Osnabrück“ und die „Hanau“ in den Jahren 1932 – 1937 abgewrackt.

Die „Reichenbach“ war bereits im „Ersten Weltkrieg“ von einem deutschen U-Boot versenkt worden.

Lediglich das Dampfschiff „Plauen“ überlebte die 1930er Jahre. Die portugiesische „Ganda“, ex CityofMilan, exPlauen wurde am 20. Juni 1941 vom deutschen U-Boot U 123 vor der marokkanischen Küste versenkt.

Share Bengal Burma Steam Navigation Co. 1931

Die „Sultania“, exFürth wird nach Rangun verkauft

Ein kurzer Einsatz bei der Bengal Burma Steam Navigation Company

Titelbild: Aktie der Bengal Burma Steam Navigation Co.; mit freundlicher Genehmigung von © Scripoworld – Webseite für historische Wertpapiere; https://www.scripoworld.com/records/burma/bengal-burma-steam-navigation-company-limited/

Verkauf und Preis

Im Mai/Juni 1930 verkaufte der Eigentümer der „Sultania“, die Persian Gulf Steam Navigation Company in Bombay das ehemalige Dampfschiff „Fürth“ an die Bengal Burma Steam Navigation Co. in Rangun.

Geschäftsführer der burmesischen Gesellschaft war Abdul Bari Chowdhury, ein bedeutender indischer Geschäftsmann in Rangun. Der Firmensitz befand sich in Rangun in der bekannten Strand Road, in der sich auch das beste Hotel am Platz, das Grandhotel The Strand, befand, das es übrigens heute noch – oder besser gesagt wieder – gibt.

Anmerkung: Die Transkription des Namens Chowdhury ist unterschiedlich. Der Nachname wird auch Chowdry oder Choudhury geschrieben, der erste Vorname auch Abdool.

steam ship Sultania 1930

Eigentumsübertrag der „Sultania“, exFürth, Lloyd’s Register, Ausgabe 1929-30; persönliche Einsichtnahme am Firmensitz in 71, Fenchurch Street, London im September 2019

Erstaunlicherweise ist für diesen Eigentumsübergang der Verkaufspreis dokumentiert. Gefunden habe ich ihn in der niederländischen Tageszeitung De Maasbode in einem Artikel vom 5. Juli 1930 (Quelle: http://www.delpher.nl).

Darin zitiert De Maasbode einen Bericht aus dem britischen Fachblatt für die Seefahrt, Fair Play, in dem Schiffsverkäufe in den Monaten Mai und Juni 1930 beziffert wurden.

Unter den angegeben Schiffen ist auch die „Sultania“, deren Verkaufspreis mit £ 22.000 angegeben wird.

sale of Sultania 1930

De Maasbode, 5. Juli 1930, Quelle: http://www.delpher.nl

Angegeben ist die Tragfähigkeit (6880 Tonnen), das Baujahr (1907) und der Verkaufspreis. In der letzten Spalte sind als Vergleichswert der Schiffsverkäufe die erzielten Gulden pro Tonne angegeben. Danach wurden für die dreiundzwanzig Jahre alte „Sultania“, exFürth noch 38 Gulden pro Tonne bezahlt.

Zum Vergleich: Der Baupreis der „Fürth“ hatte 1907 etwa 1,3 Mio. Mark betragen, was zum damaligen Wechselkurs etwa £ 65.000 Pfund waren.

Die vom Alter her ähnliche „Morea“ erzielte einen deutlich besseren Preis (50 Gulden pro Tonne), sie war allerdings auch ein Passagierdampfer (gebaut für die Peninsular & Oriental Line).

Rangoon harbour 1930

Hafen Rangun, 1930, am Kai ein Dampfer der British India Steam Navigation Company; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Rangoon_Harbour_1930.jpg

Die Bengal Burma Steam Navigation Co.

Die Bengal Burma Steam Navigation Co. war erst 1925 in Rangun gegründet worden. Die Gesellschaft betrieb einen Linienverkehr zwischen Chittagong und Rangun über die Häfen Akyab, Kyavpyu und Andrew Bay entlang der Küste des Golfs von Bengalen.

Eine zweite Linie wurde von Chittagong nach Cox’s Bazar betrieben, einer Stadt, die etwa 150 Kilometer südlich von Chittagong am Golf von Bengalen liegt. Die beiden Schiffe „Mallard“ und „Nilla“ legten zwischendurch in vierzehn weiteren Häfen an.

Den abgebildeten Fahrplan kann ich mit freundlicher Genehmigung von Jimmy Jose, Mitglied des Indian Railways Fan Club, hier zeigen. Die Aufnahme wurde dem Indian Bradshaw, einem Kursbuch für Verkehrsverbindungen, Ausgabe 1934, entnommen.

Da es die Ausgabe von 1934 ist, ist die „Sultania“ leider nicht mehr aufgeführt, da sie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Fahrt war.

Bengal Burma Steam Navigation Co. timetable 1934

Fahrplan der Bengal Burma Steam Navigation Co. Ltd. von 1934 aus Indian Bradshaw, mit freundlicher Genehmigung des Rechteinhabers; © Jimmy Jose, IRFCA (Indian Railways Fan Club). Quelle: https://www.irfca.org/gallery/Heritage/timetables/Bradshaw_1934/1934+Bradshaw_+page+308b.jpg.html

Bereits im Jahr 1932 wurde die Bengal Burma Steam Navigation Co. von den größeren Scindia Lines (s. u.) übernommen, behielt aber ihre Eigenständigkeit bei.

1951 wurde die Reederei aufgelöst und bestehende Schiffe an die Muttergesellschaft Scindia Lines übertragen.

Eine kleine Reederei

Groß kann die Bengal Burma Steam Navigation Co. während ihres Bestehens nicht gewesen sein. Aus einem Bericht von The Strait Times, Singapur, vom 19. Oktober 1933 bestand die Flotte lediglich aus zwei Schiffen, der „Englestan“ und der „Sultania“.

Noch im Jahr 1933 kaufte die Bengal Burma Steam Navigation Co./Scindia Lines die Schiffe „Jalagopal“ und „Burmestan“, die im oben abgebildeten Fahrplan aufgeführt sind, von der British India Steam Navigation Co., kurz BI.

Die „Jalagopal“ war die exEdavana, Baujahr 1911 mit 5284 BRT und die „Burmestan“ hieß bei BI noch „Chakdara“, gebaut 1914 mit 3035 BRT.

Die Schiffe „Mallard“ und „Nilla“, die auf der Linie Chittagong Cox’s Bazar eingesetzt wurden, waren sicher deutlich kleinere Schiffe. Über diese beide habe ich keine weiteren Informationen.

Aktie (siehe Titelbild)

Eine Aktie der Bengal Burma Steam Navigation Co. aus dem Jahr 1931 ist im Titelbild dieses Artikels abgebildet. An dieser Stelle danke ich dem Betreiber von Scripoworld, dieses seltene Wertpapier hier zeigen zu können. Demnach war das Aktienkapital in Höhe von Rs. 25,00,000 in 1,00,000 Aktien zu je 25 Rs. aufgeteilt.

Die indische Rupie war die Währung in Britisch Indien als auch in Burma, das zu diesem Zeitpunkt noch Teil Britisch Indiens war. Erst mit dem Government of Burma Act 1935 wurde das Land zum 1. April 1937 von Britisch Indien getrennt.

Die indische Rupie war ab 1998 an das Britische Pfund gebunden. Zunächst entsprachen 15 Rupien einem Pfund. Zwischen den beiden Weltkriegen waren dann 13 1/3 Rupien ein Britisches Pfund.

Das Motto der Bengal Burma Steam Navigation Co. war „Unity is Strenght“, es ist im Stempel des Unternehmens wiedergegeben.

stamp bengal burma steam navigation

Firmenstempel der Bengal Burma Steam Navigation Co.; Quelle: © https://www.scripoworld.com/records/burma/bengal-burma-steam-navigation-company-limited/

Die Hausflagge war weiß mit je einem schmalen blauen horizontalen Band oben und unten. In dem weißen Feld befand sich ein liegender Halbmond und darüber ein Stern, beide in Rot. Dieses Motiv fand sich auch auf dem Schornstein wieder.

Die Hausflagge der Scindia Lines war übrigens blau, mit einem weißen Kreis in der Mitte, in dem sich eine rote Swastika (Hakenkreuz) befand. Die Swastika ist ein altindisches Glückssymbol, erst später wurde dieses Symbol von den Nationalsozialisten für ihre Zwecke missbraucht.

company flag Bengal Burma Steam Navigation Co.

Hausflagge der Bengal Burma Steam Navigation Co.; Quelle: © https://www.scripoworld.com/records/burma/bengal-burma-steam-navigation-company-limited/

Preiskriege

Die Bengal Burma Steam Navigation Co. und Scindia Steam Navigation Co. waren indische Reedereien unter indischer Führung. Wie andere indisch geführte Schifffahrtsunternehmen sahen sich beide Preiskriegen durch die von den britischen Kolonialherren geführte, marktbeherrschende British India Steam Navigation Co. (BI) ausgesetzt.

Wann immer eine kleine indische Reederei sich mit einer Verbindung im Küstenverkehr versuchte, wurde sie von BI dermaßen unter Druck gesetzt, dass ein wirtschaftlicher Betrieb unmöglich wurde.

In einem offenen Brief wandten sich daher im November 1932 die indischen Reeder unter der Führung des Eigners der Scindia Lines, Mr. Walchand Hierarchand, an den Generalgouverneur und Vizekönig von Indien, um politische Unterstützung zu bekommen. Ihre Sorge war, dass die Dominanz von BI einen Aufbau einer eigenen indischen Handelsmarine unmöglich machen und die wenigen bestehenden Gesellschaft in den Ruin treiben würde.

rangoon 1910 barr street jetty

Rangoon, Barr Street Jetty, vor 1910; aus: Twentieth century impressions of Burma, A. Wright, London (1910); Ithaca, New York: Cornell Univeristy Library; http://seasiavisions.library.cornell.edu/

Über 70 % Preisnachlass

Als Beispiel wurden Dumpingpreise von BI auf der Strecke Chittagong – Rangun gegen die Bengal Burma Steam Navigation Co. aufgeführt:

The Bengal Burma Steam Navigation Co., Ltd., has been carrying on the passenger traffic on the Burma-Chittagong run since 1928 but as soon as it entered this trade, the British India Steam Navigation Co., Ltd., declared a rate war by bringing down the passenger fare from Rs. 14 to Rs. 4 and offered inducements in a variety of other ways unknown to normal shipping business. The result has been that the Bengal Company has been very hard hit and its financial resources have been greatly crippled.
Quelle: The Singapore Free Press and Mercantile Advertiser, 22. November 1932, S. 13; National Library Board Singapore, eresources.nlb.gov.sg

Andere indische Reedereien kämpften mit ähnlichen Dumpingpreisen für Fracht und Passagiere durch die BI an anderen indischen Küstenabschnitten.

Eine zur Klärung und Verständigung beider Seiten angesetzte Konferenz zur angemessenen Beteiligung indischer Schifffahrtsunternehmen am Küsten- und Überseehandel war im Jahr 1930 gescheitert.

Rangoon 1930

Sule Pagoda Wharf, vor 1910; aus: Twentieth century impressions of Burma, A. Wright, London (1910); Ithaca, New York: Cornell University Library; http://seasiavisions.library.cornell.edu/

Swadeshi Steam Navigation Company

Über zwanzig Jahre zuvor war das Verhalten der BI gegenüber indischen Reedereien noch viel brutaler gewesen.

Einer der ersten Inder, die es gewagt hatten, gegen das Monopol der BI anzutreten, war V.O. Chidambaram Pillai. Im Jahr 1906 begann er im Zug der indischen Unabhängigkeitsbewegung mit einer Schifffahrtslinie zwischen Tuticorin in Südindien und Colombo auf Ceylon.

Die Briten sahen dies als Aufstand gegen ihre Kolonialregierung. Als Chidambaram Pillai im Jahr 1908 dann auch noch Minenarbeiter zum Streik aufrief, steckten ihn die Kolonialherren mit dem ungeheuerlichen Strafmaß von 40 Jahren ins Gefängnis. Die Reederei selbst musste 1911 wieder schließen.

Chidambaram Pillai wurde zwar 1912 wieder aus der Haft entlassen, verlor aber seine Anwaltslizenz (die erst viel später wieder zurückerhielt) und durfte nicht mehr in seinen Heimatdistrikt zurückkehren.

Heute wird er in Indien als einer der frühen Kämpfer für die indische Unabhängigkeit geehrt.

Scindia Lines

Die Scindia Lines, vollständig Scindia Steam Navigation Company, war 1919 gegründet worden und wurde 1932 Mehrheitseigner der Bengal Burma Steam Navigation Co.

Die Gründung der Gesellschaft stand ebenso wie die der Swadeshi Steam Navigation Company, in engem Zusammenhang mit frühen indischen Unabhängigkeitsbestrebungen von der Kolonialmacht Großbritannien.

Gründer der Scindia Lines waren Walchand Hierarchand und Narottam Morarjee, zwei branchenfremde Geschäftsleute.

Am 5. April 1919 begab sich ihr erstes Schiff „Loyalty“ auf eine Fahrt von Bombay nach London. Die Engländer taten alles dafür, dass das Schiff keine Passagiere und Fracht für die Rückfahrt erhielt. Mit nur wenigen Passagieren und 1500 Tonnen Roheisen konnte sich die „Loyalty“ erst am 1. November 1919 auf die Rückreise begeben. Die Fahrt bescherte den Eignern folglich einen erheblichen Verlust.

Die Gesellschaft schaffte es dennoch in der Folge, die englische Kolonialzeit zu überleben und blühte dann mit der Indischen Unabhängigkeit im Jahr 1947 auf.

Die Reederei unterhielt Verbindungen nach Europa, in die USA, nach Singapur, den Persischen Golf, Ost- und Westafrika sowie nach Australien und Neuseeland (Quelle: theshipslist.com).

1997 wurde das letzte Schiff verkauft und die Geschäftstätigkeit in der Schifffahrt eingestellt.

Die „Sultania“ bei der Bengal Burma Steam Navigation Co. bzw. bei Scindia Lines

Die „Sultania“ war nur etwa 18 Monate für die Bengal Burma Steam Navigation Co. in Fahrt. Bereits im Dezember 1931 wurde das Schiff in Kalkutta aufgelegt:

SCINDIA LINES.
Reported Transfer Of Tonnage.
…intends to share in the passenger-carrying traffic in the Bay of Bengal, where the company is now virtually in control of the Bengal-Burma Steam Navigation Co., Ltd., which owns the steamers Englestan and Sultania. The latter, however, has been laid up at Calcutta since December, 1931.

The Strait Times, Singapore, 19. Oktober 1933, S. 3

Der technische Zustand des Schiffes dürfte kein Grund für das Auflegen gewesen sein, denn noch im August 1931 war eine letzte Revision des Schiffes von Lloyds in Bombay durchgeführt worden (Quelle: Eintrag in Lloyd’s Register, Ausgabe 1931-32).

Über das Ende des Dampfschiffes „Sultania“, exKerman, exFürth und den weltwirtschaftlichen Zusammenhang, die Weltwirtschaftskrise, berichtet demnächst ein weiterer Blogartikel.

Zur Sprache kommen werden auch regionale Ereignisse, die einen wirtschaftlichen Schiffsverkehr zusätzlich erschwerten oder unmöglich machten: Die Aufstände in Burma (Rangoon Riots) im Jahr 1930 sowie eine Serie von Erdbeben, die die Region in den Jahren 1929 – 1931 erschütterten.

Rangoon rice bowl 1910

Rangun, um 1910, Schauerleute vor einem Berg Reis, stereographische Karte; Library of Congress, https://www.loc.gov/item/2019631536/

Nachtrag: Reis

Reis war in den 1930er Jahren das wichtigste Exportprodukt Burmas; das Land wurde als Reisschüssel Südostasiens bezeichnet. Im Handel mit Indien machte Reis wertmäßig über 50 % der Exporte aus, gefolgt von Petroleum und anderen Erdölprodukten (20-25 %) sowie von Hölzern (7-10 %).

Anmerkung: Die Erdölgewinnung geschah unter anderem durch die Burmah Oil Company, die später an der Gründung der Anglo-Persian Oil Company maßgeblich beteiligt war. SIEHE: Die Ursprünge der bp Gruppe (British Petroleum)

Andersherum gesehen, bezog Indien etwa 90 % seiner Reisimporte aus Burma, dem zu dieser Zeit wichtigstem Reis exportierendem Land der Erde. Burma hatte in den 1930er Jahren einen Anteil von etwa zwei Fünftel an der globalen Exportmenge von Reis.
Quelle: The Political and Economic Conditions of Indians in Burma, 1900-1941; N. R. Chakravarti, London (1969); ProQuest ref. no. 10557503

Auf dem Rückweg von Kalkutta nach Rangun wurde häufig Bunkerkohle transportiert

Richard Crow, der zuvor seine Ausbildung bei BI auf dem Schulschiff „Australia“ absolviert hatte berichtet über die Kohle- und Reisefrachten von und nach Rangun:

“the cargo ships … spent much of their time humping coal from Calcutta to Rangoon, which was a bunkering port for the coal burners of those days, then after discharge and cleaning up, a full cargo of rice to Ceylon and the west coasts, Malabar and Kathiawar, of India before returning to Calcutta to repeat the same humdrum cycle”
Quelle: https://www.benjidog.co.uk/recollections/Richard%20Crow6.html

Sultania, Hamburg 1925

Dampfschiff „Fürth“: Rückkehr nach Hamburg im Jahr 1925

Titelbild: Anzeige des Deutschen Seefrachtenkontors in den Hamburger Nachrichten vom 21. Oktober 1925; Quelle: Europeana Collections, europeana.eu

Nach elf Jahren

Am Abend des 25. April 1914 verließ der Frachtdampfer „Fürth“, ein Schiff der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft den Hamburger Hafen.

Weniger als vier Monate später war der Erste Weltkrieg ausgebrochen und das Dampfschiff vor Ceylon von der Royal Navy gekapert worden und durch die Entscheidung des Prisengerichts Colombo an die Britische Krone übereignet worden.

Seitdem war aus der „Fürth“ die „Kerman“ und später die „Sultania“ geworden und der Heimathafen war jetzt nicht mehr Hamburg, auch nicht mehr London, sondern Bombay.

Kaispeicher A, Hamburg

Hamburger Hafen, Kaispeicher A (Kaiserspeicher) mit Zeitball, 1910, Ölgemälde von John Gleich; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:John_Gleich_-_Hamburger_Hafen.jpg

Anmerkung: Zur Funktion des Zeitballs siehe: Tagebuch der „Fürth“ (3): Bunkern und Laden im Hamburger Hafen

Umso überraschender ist es, dass das Schiff, das nach dem Jahr 1920 den Indischen Ozean vermutlich nicht mehr verlassen hatte, im Herbst 1925 zu einer Fahrt nach Europa aufbrach und dabei auch im Hamburger Hafen anlegte.

Über London, Cardiff und Port Sudan sollte die „Sultania“, exFürth anschließend nach Bombay zurückkehren.

Hamburger Hafen 1910

Hamburger Hafen, 1910; Ölgemälde von Friedrich Kallmorgen; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hamburger_Hafen_1910_by_Friedrich_Kallmorgen.jpg

Reise nach Genua, Rotterdam und Hamburg

Im Frühjahr/Sommer 1925 war die „Sultania“ zunächst wieder für den Transport indischer Pilger nach Mekka eingesetzt worden.
Quelle: The Singapore Free Press and Mercantile Advertiser, 3. Juni 1925, S. 14; Digitales Zeitungsarchiv Singapur, eresources.nlb.gov.sg

Am 5. September 1925 verließ die „Sultania“ dann Bombay und lief zunächst nach Aden und anschließend durch den Suezkanal nach Genua, wo das Schiff am 3. Oktober anlegte.

Die Abfahrt von Genua ist für den 6. Oktober dokumentiert, nächster Hafen war Rotterdam mit Ankunft am 19. Oktober.

Hier wurden 16035 Sack Kopra und 7 Ballen Wolle gelöscht. Laut dieser Meldung kam die Ladung aus Colombo.

Ashby, master 1925

Frachtliste der Sultania, Scheepvaart, 22. Okt. 1925, delpher.nl

Der Makler N.V. Cargadoors- & Scheepvaartkantoor ‚Levant‘ forderte die Ladungsempfänger über eine Zeitungsanzeige auf, die Waren abzuholen.

Sultania 1925

Anzeige in Scheepvaart vom 19. Oktober 1925; Quelle: delpher.nl

Am 23. Oktober 1925 erreicht die „Sultania“ um 17.05 Cuxhaven, ehe das Schiff noch am gleichen Abend im Hamburger Hafen festmacht, genauer gesagt im Segelschiff-Hafen.

Schuppen 52, Hamburger Hafen, 1911

Schuppen 52 am Australiakai im India-Hafen in der Bildmitte, rechts davon der Hansa-Hafen und der Segelschiff-Hafen, Ausschnitt aus Richters Großer Plan von Hamburg, Altona-Ottensen und Wandsbek. Herausgegeben von der Verlagsanstalt und Druckerei GmbH, Hamburg, 1911. Quelle: http://www.christian-terstegge.de; dort finden Sie noch viele weitere schöne Pläne und Fotos aus der Geschichte Hamburgs

Eine große Menge Fracht für Hamburg kann es nicht gewesen sein, denn bereits zwei Tage später, am 25. Oktober 1925 verließ die „Sultania“ Hamburg in Richtung London.

Eine weitere Information, die aus den Anzeigen hervorgeht, ist der Name des Kapitäns: Ashby. Leider konnte ich aufgrund dieser knappen Angabe keinen Kapitän Ashby sicher zuordnen.

Hafen Hamburg 1939

Motiv aus dem Hamburger Hafen, 1939, Ölgemälde von Theodor Hummel; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Theodor_Hummel_Hamburger_Hafen.jpg

Die “Fürth” war also inkognito nach Hamburg zurückgekommen. Ob jemand im Hamburger Hafen das Schiff wiedererkannt hat, muss dahingestellt bleiben.

Nicht immer war ein aufmerksamer Beobachter vor Ort wie zum Beispiel im Sommer 1926 der Journalist der Zeitung The Daily News (Perth), der die ehemalige „Hanau“ im Hafen von Fremantle wiedererkannt hatte, aus der das Trampschiff „Ribera“ geworden war. SIEHE: Schwesterschiffe der „Fürth“: die „Hanau“

Hamburger Hafen, 1936

Hamburger Hafen, vor 1936, Ölgemälde von Hans Hartig; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hans_Hartig_Hamburger_Hafen.jpg

London und Cardiff

Die Ankunft in London ist anschließend für den 28. Oktober dokumentiert, wo die „Sultania“ etwa fünf Tage Liegezeit hatte, bevor sie am 6. November den Lizard Point passierte und am 7. November Cardiff erreichte.

Nach einer Woche, am 14. November 1925 verließ die „Sultania“ den Hafen Cardiff mit 5.500 Tonnen Treibstoffen (fuel) für Port Sudan.
Quelle: Western Mail, 16. Nov. 1925, Cardiff – Sailings (The British Newspaper Archive).

Bei den Treibstoffen dürfte es um Mineralölprodukte, wie Petroleum gehandelt haben (cased oil). Kohle scheidet aus, da sonst „coal“ angegeben wäre, wie bei den meisten anderen Schiffen in der gleichen Meldung.

Port Sudan 1910

Port Sudan, Laden und Bar der „Lorenzato Brothers“, zweier griechischer Brüder; Postkarte, gelaufen 1910; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:PortSudan_LorenzatoBrothers_1910s.jpg

Port Sudan

Der Zielhafen Port Sudan (heute Bur Sudan) liegt knapp 700 Kilometer von der Hauptstadt Khartum entfernt. Seit 1906 war die Hafenstadt mit einer Bahnlinie nach Khartum angeschlossen. Auch die Verladeeinrichtungen am Hafen waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts modernisiert worden.

Mit der Abfahrt aus Cardiff am 14. November 1925 verschwindet die „Sultania“ endgültig vom Radar der Schiffsmeldungen in europäischen Medien.

Über das wenige was aus den letzten Jahren über das Schiff bekannt ist, demnächst mehr hier im Blog.

Alfred Renz, Hafen Hamburg

Hamburger Hafen, Ölgemälde von Alfred Renz, vor 1930; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Alfred_Renz_Hamburger_Hafen.jpg

Hafen Hamburg

Barke im Hamburger Hafen, vor 1939, Ölgemälde von Heinrich Steinhagen; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Heinrich_Steinhagen_-_Barke_im_Hamburger_Hafen.Jpeg

Mauritius map 1901

Die “Sultania”, exFürth in Mauritius

Titelbild: Karte von Mauritius mit der Hauptstadt Port Louis, 1901; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Map_of_Mauritius.jpg

Zucker für Britisch-Indien

Seit 1920 war das Dampfschiff „Fürth“ ein Schiff der kleinen Reederei Persian Gulf Steam Navigation Company mit Sitz in Bombay, die das Schiff in „Sultania“ umbenannt hatte. Siehe: Der zweite Verkauf des Dampfschiffes „Fürth“ und Die „Sultania“, exFürth in den Jahren 1920 bis 1923

Das Schiff sollte bis in das Jahr 1930 im Eigentum dieser Reederei bleiben.

Über die Fahrten der „Sultania“, exFürth in dieser Zeit ist wenig überliefert.

Mit Sicherheit war die „Sultania“, exFürth für den Transport indischer Mekkapilger eingesetzt. Sie pendelte in der Haddschsaison zwischen Häfen Indiens und Jeddah, dem heutigen Dschidda, in Saudi-Arabien. SIEHE: Haddsch: Die „Sultania“, exFürth als Pilgerschiff

Aus dem Herbst 1924 ist eine Fahrt nach Mauritius dokumentiert. Das Dampfschiff verließ Bombay am 24. Oktober 1924 mit Ziel Mauritius.

BOMBAY, Oct. 24. – Sailed, Sultania, for Mauritius
The Scotsman, 27.
Okt. 1924, https://www.britishnewspaperarchive.co.uk/

Für die Hinfahrt ist die Fracht nicht bekannt, wohl aber für die Rückreise von Mauritius. Wenig überraschend handelte es sich dabei um Zucker.

THE FREIGHT MARKET.

Fixtures:

Sultania, 5000-6000 tons, Mauritius to Bombay-Karachi, Oct.-Nov., 14s 6d one port, 15s both ports discharge, option Calcutta 15s, sugar; …
Aberdeen Press and Journal, 16. Oktober 1924, https://www.britishnewspaperarchive.co.uk/

Port Louis, Mauritius

Mauritius durchlief eine wechselvolle Kolonialgeschichte. Auf Portugiesen folgten Niederländer, auf diese Franzosen und ab 1810 Briten. Ab dem Jahr 1814 wurde die von den Franzosen Île de France getaufte Insel von den Briten wieder Mauritius genannt.

Auf die französische Kolonialzeit geht auch der Name Port Louis zurück, den Port North-West zu Ehren Ludwig XV. erhielt. Der Hafen war als Haupthafen der Insel ausgewählt worden, weil die natürliche Bucht und die Bergkette Moka Range einen relativ guten Schutz vor den Zyklonen boten, die in der Sommersaison von November bis Mai die Insel bedrohen.

Der Hafen von Port Louis entwickelte sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem der geschäftigsten Häfen des Indischen Ozeans. 1858 wurde hier ein Rekord von 852 ankommenden Schiffen verzeichnet.

Nach der Eröffnung des Suez-Kanals im Jahr 1869 und später durch den Übergang von der Segel- zur Dampfschifffahrt die ging die Bedeutung von Port Louis jedoch stark zurück. So legten im Jahr 1918 nach einem stetigen Rückgang nur noch 136 Schiffe im Hafen an.

Allein von 1910 bis 1919 war die im Hafen umgeschlagene Tonnage über 30 % gefallen: von 986000 Tonnen auf nur 684000 Tonnen.

Der gefallene Warenumschlag verzögerte auch die Modernisierung der Hafenanlagen: Erst in den 1920er Jahren wurde der Hafen für Dampfschiffe ausgebaggert, die Hafeneinfahrt erweitert und neue Kais angelegt.

Loch Vennachar, Port Louis

Der Dreimaster „Loch Vennachar“ bei der Ankunft in Port Louis. Quelle: State Library Victoria, Ref. bs001524; https://trove.nla.gov.au/

Im Gegensatz zu der Bildunterschrift dürfte die Aufnahme aus dem Jahr 1892 sein, als die „Loch Vennachar“ in einen Zyklon gekommen war und mit gebrochenen Masten Port Louis erreichte.
„Loch Vennachar“ sank im September 1905 mit der gesamten Besatzung vor Kangaroo Island (Australien). Das Wrack konnte 1976 lokalisiert werden.

Zucker auf Mauritius

Die Zuckerrohrpflanze wurde 1639 von einem niederländischen Siedler von Java nach Mauritius gebracht. Zunächst diente das Zuckerrohr zur Herstellung von Arrak. Die erste Produktion von Zucker ist dann für das Jahr 1696 dokumentiert.

In den folgenden Jahrhunderten sollte Zucker zum Hauptprodukt der Insel werden. 1834 bestanden 85 % des Exportvolumens Mauritius‘ aus Zucker. Im Jahr 1855 produzierte die relativ kleine Insel sieben Prozent der Weltzuckerproduktion.

1862 wurden 150.000 Tonnen Zucker auf einer Anbaufläche von 52.000 Hektar produziert.

In den 1920er Jahren, als die „Sultania“, exFürth Zucker in Port Louis an Bord nahm, lag die Jahresproduktion dann etwa bei 230.000 Tonnen.

Allerdings gab es auch immer wieder Rückschläge. So zerstörten in einigen Jahren Zyklone oder Schädlinge einen großen Teil der Ernte.

Port Louis cathedral 1912

Der Dom Saint-Louis in Port-Louis/Mauritius, Postkarte, 1912 ; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mauritius_Saint_Louis_Cathedral.jpg

Eine erste kleinere Kirche an der Stelle des späteren Doms war 1722 errichtet worden, aber durch Zyklone zweimal zerstört worden.

Die Abbildung geht auf einen Bau aus den Jahren 1778-1782 zurück. Beschädigungen durch Zyklone und bei der Machtübernahme der Briten im Jahr 1810 machten umfassende Renovierungsarbeiten in den Jahren 1814/1815 erforderlich. Im Jahr 1847 wurde die Kirche zum Dom erhoben.

1928 musste der abgebildete Dom Saint-Louis aufgrund zahlreicher Zyklonschäden durch einen Neubau ersetzt werden, der 1933 an gleicher Stelle geweiht wurde.

Ernte und Verarbeitung

Die Erntesaison für Zucker beginnt in Mauritius im Juni und geht bis in den Dezember. In frühen Kolonialzeiten mussten Sklaven die schwere Arbeit auf den Feldern verrichten. Als die Briten 1834 die Sklaverei abschafften, übernahmen indische Immigranten die Ernte. Diese lebten in Vertragsknechtschaft (Indentur), die bis in das Jahr 1910 bestand.

Über 450.000 Inder sollten zwischen 1835 und 1910 nach Mauritius kommen; knapp 160.000 von ihnen kehrten nach Indien zurück. Mitte des 19. Jahrhunderts arbeiteten über 90 Prozent der Bevölkerung Mauritius in der Zuckergewinnung.

Nach der Ernte von Hand wurde das Zuckerrohr mit Ochsenkarren oder im Dampfzeitalter auch mit Traktoren oder Feldbahnen zu den Fabriken gebracht.

Sugar cane history

Traktor einer Zuckerplantage in Port Louis, Aufnahme von 1901; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Sugar_Estate_Tractor_1901.jpg

1858 gab es auf Mauritius 259 Zuckerfabriken. Die Familienbetriebe wurden nach und nach zu Unternehmen zusammengeschlossen, was zu einer Verringerung der Anzahl auf 137 Fabriken im Jahr 1888 und 79 Fabriken im Jahr 1903 führte. Heute (Stand 2018) gibt es lediglich noch vier Zuckerfabriken auf der Insel.

Von den alten Produktionsstätten sind heute noch einige Kamine erhalten, die als Landmarken über die Insel verteilt zu sehen sind. Eine schöne Bildersammlung dieser alten Industriedenkmäler finden Sie hier: http://vintagemauritius.org/discover/old-chimneys-of-mauritius/

Im Jahr 1968 wurde Mauritius unabhängig und in den 1970er Jahren die Textilindustrie stark ausgebaut. Textilien lösten daraufhin Zucker als wichtigstes Exportgut ab. Allerdings kommen auch heute noch etwa 19 % der Deviseneinnahmen des Landes aus Zucker, der Anteil an der Weltzuckerproduktion liegt bei etwa einem Prozent.

Municipal Theater, Port Louis, Mauritius, about 1900

Theater in Port-Louis, Mauritius, Postkarte, ca. 1900-1910 ; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Port_Louis_Mauritius_Theatre.jpg

Das städtische Theater von Port Louis ist eines der ältesten Theater der südlichen Hemisphäre. Es wurde am 11. Juni 1822 eröffnet. In späteren Jahren wurde es lange vernachlässigt und die Bausubstanz verfiel zusehends. Heute (2021) wird es renoviert und der ursprüngliche Zustand des Theaters, der zahlreichen Veränderungen unterlag, soll wieder hergestellt werden (http://www.morphosarchitects.com/port-louis-municipal-theatre.php).

Die in diesem Artikel verwendeten Informationen und Zahlen sind der Internetseite vintagemauritius.com entnommen. Dort oder bei oder bei Facebook https://www.facebook.com/vintagemauritius/ finden Sie viele historische Aufnahmen und Artikel über die Geschichte der Insel.

Dodo

Dodo und roter Papagei, Ölgemälde von William Hodges (1744-1797), National Library of Australia, Rex Nan Kivell Collection NK5827; https://nla.gov.au/nla.obj-134114016/view

Der Dodo war eine endemische Vogelart, die nur auf Mauritius vorkam. Der flugunfähige Vogel starb wahrscheinlich Ende des 17. Jahrhunderts weniger als einhundert Jahre nach seiner Entdeckung aus. Seeleute hatten ihn und seine Gelege als Proviant von der Insel mitgenommen. Auch Ratten und verwilderte Haustiere dürften dem Dodo den Garaus gemacht haben. Seitdem ist er mausetot oder wie man im Englischen sagt: as dead as a dodo.

Haddsch, Pilger, 1916

Haddsch – Die „Sultania“, exFürth als Pilgerschiff

Titelbild:
Lager der Pilger in der Ebene vor ʻArafât (Jabal/Saudi-Arabien),
Quelle: Bilder aus Palästina, Nord Arabien und dem Sinai. Berlin : Dietrich Riemer, 1916; Library of Congress, https://www.loc.gov/item/90707092/

Von Bombay nach Jeddah

Eine Haupteinnahmequelle der Persian Gulf Steam Navigation Company, in deren Eigentum sich die „Sultania“, exKerman, exFürth seit 1920 befand, war der Transport von Haddsch-Pilgern von Indien nach Mekka.

Der Zielhafen für die jährliche Pilgerfahrt war Jeddah (heute Dschidda), das etwa 80 Kilometer westlich von Mekka am Roten Meer liegt.

Jeddah 1916, Saudi-Arabien

Westtor von Jeddah, aus: Bilder aus Palästina, Nord Arabien und dem Sinai, Berlin, Dietrich Riemer, 1916; Quelle: Library of Congress, Washington DC, https://www.loc.gov/item/2002714729/

Haddsch-Pilger aus Indien

Die Anzahl der ausländischen Pilger, die zum Haddsch anreisen, wird für das Jahr 1920 mit 58.584 angegeben. Zum Vergleich dazu: 2012 wird die Zahl auf über 1,7 Millionen beziffert.
Quelle: https://web.archive.org/web/20121102022130/http://www.thenews.com.pk/Todays-News-2-139473-Number-of-foreign-Hajis-grows-by-2824-percent-in-92-years

Der Großteil der ausländischen Pilger kam gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus Britisch-Indien. Die Anzahl der Reisenden unterlag jedoch großen Schwankungen. So reisten 1906 ab Bombay 30.465 Pilger, 1919 dagegen waren es nur 11.700.

Nicht alle Pilger waren mit einem Hin- und Rückreiseticket ausgestattet und so strandeten immer wieder Menschen in Jeddah, die kein Geld mehr für die Rückfahrt hatten.

Um den Pilgerstrom besser zu organisieren, war 1886 das bekannte Unternehmen Thomas Cook and Son von der Regierung als offizielles Pilgerbüro ernannt worden. Der Vertrag wurde jedoch bereits 1893 wieder aufgelöst.

Quelle: U. Ryad (Ed.), The Hajj and Europe in the Age of Empire, Leiden (2017); https://library.oapen.org/bitstream/handle/20.500.12657/31295/631961.pdf?sequence=1&isAllowed=y

Die Bedingungen auf den Schiffen waren für die Passagiere oft sehr ungenügend. Der Pilgrim Ship Act aus dem Jahr 1895 begrenzte die Zahl der Passagiere pro Schiff, um Cholera-Ausbrüche an Bord zu verhindern und die allgemeinen Bedingungen für die Passagiere an Bord zu verbessern.

Ebenfalls für die Verbesserung der Pilgerreisen wurde 1927 ein zehnköpfiges Haddsch-Komitee ins Leben gerufen.

Mekka 1916

Mekka Ansicht der heiligen Moschee vom Ostminaret. Im Vordergrund das Zemzemhaus, dahinter die Kaʻba. Quelle: Bilder aus Palästina, Nord Arabien und dem Sinai. Berlin : Dietrich Riemer, 1916; Library of Congress, https://www.loc.gov/item/2002714731/

Turner Morrison

Wichtigste Reederei, die auf den Transport von Pilgern nach Jeddah spezialisiert war, war die Bombay and Persia Steam Navigation Co., Bombay des Unternehmens Turner Morrison & Co. Ltd., die spätere Mogul Line. 1927 hatte sie einen Marktanteil von über 55 %, in den späten 30er Jahren über 70 %.
Quelle: https://www.arabnews.com/node/306675

Das Unternehmen Turner Morrison war am 4. Juli 1913 in Kalkutta gegründet worden und hatte die bereits 1877 entstandene Bombay and Persia Steam Navigation Co. übernommen. Es war mit dem Liverpooler Handelshaus Turner & Co. verbunden.

1939 folgte die Umbenennung in Mogul Line. 1986 ging sie in der Shipping Corporation of India (SCI) auf. Das Unternehmen Turner Morrison besteht bis heute (2021), die eingetragene Geschäftstätigkeit ist Großhandel.

Die „Sultania“ im Einsatz beim Haddsch

Im Frühjahr 1924 ist der Einsatz der „Sultania“, exFürth von Bombay und Karachi nach Jeddah dokumentiert.

Das Schiff verließ den Hafen von Bombay am 16. Mai und anschließend den Hafen von Karatschi am 21. Mai 1924 in Richtung Jeddah. Für die gleichen Tage gibt die Zeitungsmeldung die Abfahrt die Abfahrten für den Dampfer „Shuja“ bekannt.

Die 1916 gebaute „Shuja“ war ein Schiff der oben genannten Bombay & Persia Steam Navigation Co. Ltd.

BOMBAY, May 16. – Sailed, Sultania, for Jeddah; Shuja, for Jeddah.
The Scotsman, 19. Mai 1924; The British Newspaper Archive

KARACHI, May 21. – Sailed, Sultania, for Jeddah; Shuja, for Jeddah

Feuer an Bord

Auf der Rückfahrt kam es zu einem Zwischenfall: nach dem Verlassen von Aden entzündete sich Bunkerkohle an Bord und die „Sultania“ musste nach Aden zurücklaufen. Der Brand konnte jedoch gelöscht werden und verursachte nur geringe Schäden.

SULTANIA (Aden, June 11). – The British steamer Sultania put back with bunker coal on fire. Fire under control. Expected to sail to-morrow.
Shields Daily News, 12. Juni 1924

June 14 – The fire in bunker coal of the British steamer Sultania, before reported, has been extinguished, the damage being trifling. The vessel left June 13 for Bombay.
Dundee Courier, 16. Juni 1924

Anmerkung: trifling = unbedeutend

Später im Jahr, Anfang August erfolgte eine erneute Abfahrt von Karachi nach Jeddah, eventuell um noch in Saudi-Arabien befindliche Pilger wieder nach Indien zurückzubringen.

KARACHI, Aug. 2. – Sailed, Gorjistan, for Jeddah; Sultania, for Jeddah
The Scotsman, 4. Aug. 1924

Mekka 1916

Mekka Bâb ʻAlī, Tor der heiligen Moschee an der Ostecke; durch das mittlere Portal wird das Zemzemhaus sichtbar, Quelle: Bilder aus Palästina, Nord Arabien und dem Sinai. Berlin : Dietrich Riemer, 1916; Library of Congress, https://www.loc.gov/item/2002714730/

1925 – 1929

Für die Folgejahre bleiben die Quellen zu den Fahrten der „Sultania“ zum Haddsch rar:

Für die Saison 1925 gibt es nur eine kurze Meldung in der Zeitung The Singapore Free Press and Mercantile Advertiser vom 3. Juni.
Quelle: Digitales Zeitungsarchiv Singapur, eresources.nlb.gov.sg

1926 dokumentiert eine Nachricht in Englishman’s Overland Mail vom 3. Juni 1926, einer Zeitung, die in Kalkutta herausgegeben wurde, den Transport von 600 Pilgern von Bombay nach Jeddah an Bord der „Sultania“. Darin wird die Gesamtzahl der indischen Mekkapilger für das Jahr 1926 mit rund 13.000 angegeben.

HAJ PILGRIMS
Two Big Shiploads From Bombay

Bombay, May 26.

Messrs. Turner Morrison & Co.’s steamer the Khesru, and the Shustri Co.’s Sultania sailed this evening with 500 and 600 Haj pilgrims respectively for Jeddah. These were mostly from Bengal, Bokhara and Upper India.
The total for this year with to-day’s sailings amounts to 13,152 pilgrims.

Englishman’s Overland Mail, 3. Juni 1926; The British Newspaper Archive

Eine letzte Meldung, die ich recherchieren konnte, stammt aus dem Jahr 1929. Daraus geht hervor, dass Shustary, dem Eigner der Persian Gulf Steam Navigation Company und damit der „Sultania“, exFürth, nur noch über ein Schiff verfügte.

… By 1929 it [Turner Morrison] had eight pilgrim steamers, which it diverted to cargo off-season. Its competitors in the pilgrim business were Shustary and Co, with only one ship and the Namazee line with two.

Quelle: Passport, ticket, and india-rubber stamp ‘The problem of the pauper pilgrim’ in colonial India c. 1882–1925 Radhika Singha
in: The Limits of British Colonial Control in South Asia: Spaces of Disorder in the Indian Ocean Region, ed: Ashwini Tambe, Harald Fischer Tiné, Routledge, 19.08.2008 – 232 Seiten

1930 sollte das Schiff “Sultania”, exFürth erneut verkauft werden. Es blieb jedoch in Britisch Indien. Wer der Käufer war und welcher Preis beim Verkauf erzielt wurde, darüber berichtet demnächst ein anderer Blogartikel.

Haddsch 1916

Zug der Pilger durch das Tal Muna nach der Ebene ʻArafât. Der ummauerte Pfeiler ist der sog. Zweite Teufel (gamrat el wusṭā); Quelle: Bilder aus Palästina, Nord Arabien und dem Sinai. Berlin : Dietrich Riemer, 1916; Library of Congress, https://www.loc.gov/item/96513617/

Haddschpilger auf Schiffen der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft

Interessant und sicher ganz unerwartet ist, dass auch die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG), Hamburg zumindest einmal Pilger von Indien nach Jeddah befördert hatte.

Allerdings war dieses Geschäft eher aus der Not heraus entstanden und nicht gewollt:

In den 1890er Jahren hatte die Reederei nämlich noch Probleme, für ihre Schiffe außerhalb der australischen Wollsaison, genug Fracht für die Rückreise nach Europa zu bekommen.

Harms (1933) schreibt über die Zeit Mitte der 1890er Jahre:

Das Geschäft war aber so schlecht, dass für einen der Dampfer Pilger nach Jeddah genommen wurden, drei wurden nach Bombay geleitet und zwei mit erheblichem Leerraum zurückgenommen, weil das Anlaufen von Bombay sich nicht lohnte.

Bombay lag auf der Rückreise von Niederländisch-Indien oder Australien nicht auf dem direkten Weg und bedeutete für die Reederei einen Umweg und daher auch einen Zeitverlust.

Die Situation besserte sich auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht wirklich:

…hatten wir doch im Sommer 1901 drei Dampfer hintereinander nach Bombay senden müssen.

Erst mit Anlaufen der Malabarküste und der erfolgreichen Kooperation mit der Schweizer Firma Gebr. Volkart änderte sich die Lage:

Um diesen unbequemen Umweg zu vermeiden, wurde die Verbindung mit der Malabar-Küste aufgenommen. Die sehr rührige Firma Gebr. Volkart in Winterthur hat es verstanden, ein lebhaftes Geschäft mit dem Kontinent aufzubauen.

Anmerkung: Mit Kontinent ist Europa gemeint.

Im Stadtarchiv Winterthur befindet sich dazu die Original-Vertretungsvollmacht der DADG für die Gebr. Volkart in Cochin und ihre Filialen an der indischen Malabarküste.

Die Vollmacht und die sehr erfolgreiche Zusammenarbeit der beiden Unternehmen habe ich hier vorgestellt: Das Dampfschiff „Fürth“ an der indischen Malabarküste

Haddsch 1889 Mekka

Pilgerlager auf der westlichen Seite des Berges `Arafah, aus: Bilder aus Mekka, C. Snouck Hurgronje, Leiden 1889; Quelle: Library of Congress, Washington DC, https://www.loc.gov/item/2013646232/

Bombay (Mumbai) 1922

Die „Sultania“, exFürth in den Jahren 1920 bis 1923

Persian Gulf Steam Navigation Company, Bombay

Titelbild: Bombay, 1922, Straßenszene; Bain News Service; Library of Congress, https://www.loc.gov/resource/ggbain.00362/

 Im Juni/Juli 1920 war das Dampfschiff „Kerman“, exFürth erneut verkauft worden. Der Verkäufer war die Anglo-Persian Oil-Company, Käufer des Frachtdampfers war die Persian Gulf Steam Navigation Company in Bombay (heute: Mumbai), die das Schiff fortan „Sultania“ nannte. SIEHE: Der zweite Verkauf des Dampfschiffes „Fürth“

Überführung nach Britisch Indien

Die erste Fahrt der „Sultania“ verlief von Glasgow über Birkenhead nach Bombay. Diese Überführungsfahrt der exFürth fand unter der Regie der Clan Line statt, die Cayzer, Irvine & Co. gehörte. Diese Reederei hatte die „Kerman“, exFürth bereits im Jahr 1919 auf einer Fahrt zwischen Großbritannien und Chittagong in Britisch Indien gemanagt.
SIEHE: Die „Kerman“, ex Fürth bei Cayzer, Irvine und Co. (Clan Line)

In einer Anzeige des Clan Line vom 17. Juli 1920 ist die Abfahrt der „Sultania“ auf der Linie BOMBAY AND PERSIAN GULF für den Vortag (16. Juli) angekündigt.

Laut Schiffsmeldungen (The Scotsman, 4. August 1920, Shipping Intelligence) erfolgte die Abfahrt aus Glasgow jedoch erst am 28. Juli. Nachdem das Schiff anschließend keine weitere Linie bedienen, sondern in Britisch Indien verbleiben sollte, konnte man sich diese Verzögerung leisten. Daher dürfte es wichtiger gewesen sein, genügend Fracht an Bord zu haben, als pünktlich abzufahren.

Die Ankunft in Bombay ist dann für den 11. September 1920 dokumentiert.
Quelle: Sheffield Daily Telegraph, 15. Sept. 1920

Sultania, exKerman, exFürth

Die „Sultania“ in der Mercantile Navy List von 1921 (Quelle: Memorial University of Newfoundland, collections.mun.ca)

Als neuer Eigentümer der exFürth ist eingetragen:
The Persian Gulf Steam Navigation Co., Lim., 19, Rampart Row, Fort, Bombay, India. Manager der Gesellschaft: Mahomed J. Shushtary, same address.

In der Fußzeile der Mercantile Navy List sind die beiden vorangegangenen Namen des Frachtdampfers angegeben: Formerly the „Kerman“. Foreign name „Furth“.

In Bombay

Die verfügbaren Informationen über The Persian Gulf Steam Navigation Company sind spärlich.

Der Eigentümer, Shushtary, war Muslim und hatte nur ein paar wenige Schiffe in Fahrt (laut einem Eintrag bei Lloyds Register im Jahr 1918 waren es drei).

Im Jahr 1915 berichtete die Malaya Tribune über die zweite Generalversammlung des Unternehmens in Bombay. Bei einem jährlichen Turnus wäre die Gesellschaft demnach 1913 gegründet worden.

Der Artikel weist für das Jahr 1914 einen Umsatz von gut 7,1 Mio. Rupien und einen Gewinn von rund 50.000 Rupien aus, von dem die Hälfte als Rücklage eingestellt und sechs Prozent als Dividende ausbezahlt wurden.

Der Umsatz sei mit nur einem Schiff erzielt worden. Anderen Quellen zufolge müsste es sich dabei um das Schiff „Sardar“ gehandelt haben (siehe unten).

Quelle: Malaya Tribune, 7. August 1915. National Library Board Singapore, eresoucres.nlb.gov.sg.

In einer Anzeige im Bombay Chronicle vom 16. Februar 1917 wirbt die Reederei mit regelmäßigen Abfahrten in den Persischen Golf, bei denen Passagiere erster und zweiter Klasse befördert wurden, aber auch Deckpassagiere.

Als Makler ist in der Anzeige Haji Sultanali Shushtary & Co. in der Esplanade Road 121 in Bombay angegeben.
Quelle: https://archive.org/stream/dli.granth.3548/3548_djvu.txt

Anmerkung: Die Esplanade Road ist im heutigen Mumbai die Mahatma Ghandi Road.

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Bombay, Esplanade, 1905; Stereographie; Library of Congress, https://www.loc.gov/item/2020681392/

Die beworbene Schiffsverbindung war jedoch offenbarbar nicht wirklich regelmäßig.

In einer Quelle über die Transportsituation im Iran im Jahr 1921 wird die Verbindung als unregelmäßig bezeichnet und nur einige wenige Schiffe der Reederei hätten im Jahr 1918/1919 in Häfen des Persischen Golfs angelegt:

Persian Gulf Steam Navigation Co. Ltd. (Irregular service.) A few boats called at the Persian ports of the Persian Gulf during the year 1918 to 1919.

Quelle: https://www.ebooksread.com/authors-eng/spain-conference-on-freedom-of-communications-and-transi/general-transport-situation-in-1921-statements-submitted-by-the-states-which-to-ala/page-27-general-transport-situation-in-1921-statements-submitted-by-the-states-which-to-ala.shtml

Weitere Reedereien im Verkehr zwischen Indien und dem Persischen Golf

Wichtigste Reederei und eindeutiger „Platzhirsch“ für Verbindungen zwischen Indien und dem Persischen Golf war die große British India Steam Navigation Co. Ltd. (BI). Diese Reederei hatte den Linienverkehr zwischen beiden Regionen bereits 1862 mit der Eröffnung des Postverkehrs nach Bushire und Basra begründet.
SIEHE: Die „Kerman“, exFürth im Persischen Golf

Die Reederei war seit 1914 Teil der noch größeren Peninsular & Oriental Steam Navigation Company, kurz P & O, behielt jedoch ihre Eigenständigkeit.

Die BI verfügte über eine große Flotte, die im Jahr 1920 die stattliche Zahl von 161 Schiffen erreichte.

The number of ships in the B.I. fleet reached its peak of 161 in 1920, and, also in that year, B.I. extended its London-Zanzibar service to Beira.
http://www.rakaia.co.uk/assets/british-india-history.pdf

Über die BI folgt nächste Woche ein eigener Artikel, da einige Schiffe der „Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft“ im und nach dem Ersten Weltkrieg von dieser Reederei übernommen wurden, unter anderem das hier im Blog ausführlich vorgestellte Dampfschiff „Australia“. SIEHE: Bordkonzert in Port Pirie

Gegenüber diesem stark marktdominierenden Unternehmen, gab es weitere kleinere Reedereien, die auf die Verbindung zwischen Britisch Indien und dem Persischen Golf spezialisiert waren: die Bombay and Persia Steam Navigation Co. Ltd. und die Arab Steamers Ltd., beide mit Sitz in Bombay.

Neben dem Passagier- und Frachtservice zwischen beiden Regionen, war das Hauptgeschäft dieser Reedereien der Transport von indischen Mekka-Pilgern nach Jeddah (heute Dschidda).

Der Hafen Jeddah in Saudi-Arabien war jedes Jahr der Zielhafen für den Haddsch, der wichtigsten Pilgerfahrt für Muslime.

Bombay harbour 1890

Bombay, Hafen bei der Ankunft eines Postschiffes, Photochromdruck, um 1890; Library of Congress, https://www.loc.gov/item/2017658173/

Bombay and Persia Steam Navigation Company

Die Bombay and Persia Steam Navigation Co. wurde 1877 von vier muslimischen Händlern in Bombay gegründet. Während des Haddsch wurde eine Verbindung von Bombay über Karatschi nach Jeddah angeboten, außerhalb der Haddsch-Saison fuhren die Schiffe in Häfen des Persischen Golfs und des Roten Meeres. Außerdem bestand eine Verbindung von Kalkutta nach Japan. 1913 kam die Reederei unter britische Führung und 1939 wurde sie in Mogul Line umbenannt.
Quellen: The Ships List; Royal Museums Greenwich

Um 1920 dürfte die Gesellschaft weniger als zehn Schiffe in Fahrt gehabt haben (siehe: The Ships List, http://www.theshipslist.com/ships/lines/mogul.shtml).

Bombay harbour 1903

Bombay, Hafen, 1903; Stereographie; Library of Congress, https://www.loc.gov/item/2020681343/

Arab Steamers Ltd.

Auch die Arab Steamers Ltd. war ein Unternehmen aus Bombay. Gegründet wurde die Reederei am 2. Mai 1911.

Bereits im Jahr 1914 wurde die Aktienmehrheit von der British India Steam Navigation Company und der Asiatic Steam Navigation Company übernommen. 1922 erfolgte der Zusammenschluss mit der Bombay and Persia Steam Navigation Co.

Bombay 1907

Bombay, Geschäftsstraße, 1907; Library of Congress, https://www.loc.gov/item/2020681377/

Schiffe der Persian Gulf Steam Navigation Company

Außer der „Sultania“ hatte Shushtary im Jahr 1920 noch die „Zayani“, die „Shustar“ und eventuell die „Iran“ in Fahrt.

Die „Zayani“ war ursprünglich ein niederländisches Schiff, die „Bali“ der N.V. Stoomvaart Maatschappij „Nederland“ in Amsterdam.

Am 22. Juni 1914 wurde die „Bali“ an die Persian Gulf Steam Navigation Co. Ltd. in Bombay verkauft. Das Frachtschiff hatte eine Ladekapazität von 4950 Tonnen bei 3389 BRT. Es war 1899 von Carmichael, Mclean & Co in Greenock am Clyde (Schottland) gebaut worden.

Die „Zayani“ war bis 1929 in Fahrt als sie am 13. Juni 1929 mit Brandschaden in Bombay einlief. Im September 1929 wurde sie zum Abbruch nach Italien verkauft, dort jedoch nie abgeliefert. Schließlich wurde das Schiff in Bombay verkauft und abgebrochen.
Quelle: Stichting Maritiem-Historische Databank; https://www.marhisdata.nl/schip?id=764

Ebenfalls 1920 in Fahrt für das Unternehmen war die „Shustar“.

Die „Shustar“ war 1917 von der Persian Gulf Steam Navigation Co. Ltd. gekauft worden. Das Schiff hatte vorher bereits drei Eigner und Namen: „Cape Otway“, „Pilburra“ und „Sunstream“. Die meiste Zeit war sie in australischen Küstengewässern unterwegs gewesen. Die „Shustar“ hatte 2.664 BRT bei einer Länge von 96 Metern. 1924 wurde die „Shustar“ an das Königreich Hedschas verkauft, das 1932 Teil Saudi-Arabien wurde.
Quelle: http://www.flotilla-australia.com/ausn.htm

Über die bei Lloyds Register (1918) verzeichnete „Iran“ konnte ich bislang leider keine Angaben finden.

Ein anderes Schiff der Persian Gulf Steam Navigation Company war das Fracht- und Passagierschiff „Sardar“. Es hieß ursprünglich „Prins Willem IV“ und war ein Schiff der niederländischen Reederei N.V. Koninkijke West-Indische Maildienst. Es wurde 1894 von Richardson Duck & Co. in Stockton-on-Tees an der englischen Ostküste fertiggestellt. Das Schiff hatte 2047 BRT und war für 74 Passagiere ausgelegt.

Im Jahr 1913 war es für £ 12.000 an die Persian Gulf Steam Navigation Co. Ltd. verkauft worden.

Allerdings lief die „Sardar“ bereits am 3. November 1916 auf der Fahrt von Bombay nach Jeddah mit einer Ladung Stückgut im Hafen von Merka (Italienisch-Somaliland) auf Grund und war verloren.

Bombay map

Stadtplan von Bombay, 1914, aus: Baedeker, Karl: Indien. Handbuch für Reisende. Verlag Karl Baedeker, Leipzig, 1914, p. 120 f; über commons.wikimedia.org, file: Bombay (Baedeker, 1914).jpg

Funkstille

Nach der Ankunft der „Sultania“, exFürth in Bombay am 11. September 1920 bleibt das Schiff vom Radar der internationalen Schiffsmeldungen bis in den Mai 1924 verschwunden.

Was in dieser Zeit passiert ist, muss ich derzeit offenlassen. Lloyds Register weist eine Überprüfung des Schiffes im Januar 1923 im Hafen von Bombay aus. Ebenfalls Überprüfungen der Maschine im März 1923 und im Mai 1924.

Das Schiff dürfte also in diesen Jahren in Fahrt gewesen sein, eventuell von der indischen Westküste zu kleineren Häfen des Persischen Golfs.

Bombay, Fort, 1914, map

Fort Bombay, Kartenvergrößerung aus: Stadtplan von Bombay, 1914, Baedeker, Karl: Indien. Handbuch für Reisende. Verlag Karl Baedeker, Leipzig, 1914; commons.wikimedia.org, file: Bombay (Baedeker, 1914).jpg

Die Esplanade verläuft in der linken Bildhälfte von N nach S; Rampart Row biegt von ihr in NW/SE-Richtung ab (untere Bildhälfte).

Demnächst im Blog …

…berichte ich über den Haddsch und die Pilgerfahrt indischer Muslime nach Mekka. Überraschend ist die Tatsache, dass auch die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, mindestens einmal in ihrer Geschichte Mekkapilger von Bombay nach Jeddah transportiert hatte.

Außerdem lief die „Sultania“ nach der Pilgersaison im Jahr 1924 nach Mauritius. Geladen wurde dort – natürlich – Zucker, der nach Britisch Indien verschifft wurde.

Sultania, Kapitän Waterlow

Der zweite Verkauf des Dampfschiffes „Fürth“

Aus der „Kerman“ wird das Schiff „Sultania“

Titelbild:
Registereintrag der „Sultania“, Lloyd’s Register 1920-21, Ergänzungsband (supplement); persönliche Einsichtnahme am Firmensitz in 71, Fenchurch Street, London im September 2019

1907 – 1920

Von August 1907 bis August 1914 war das Dampfschiff „Fürth“ ein Frachtdampfer der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg.

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde das Schiff von der British Navy gekapert und nach der Entscheidung des Prisengerichts Colombo ging die „Fürth“ in das Eigentum der Britischen Krone über.

Diese wiederum verkaufte die „Fürth“ im Januar 1915 an die Anglo-Persian Oil-Company (APOC, die spätere BP), die die Bereederung (das Management) des Schiffes verschiedenen Reedereien überließ.

Darunter waren sehr renommierte Namen, wie Strick Line, Cayzer, Irvine & Co. (Clan Line) und sogar die berühmte Cunard Line.

5 Jahre bei der Anglo-Persian Oil-Company (APOC)

Im Jahr 1916 hatte die APOC das erste Tankschiff in Betrieb genommen und im Jahr 1920 bereits eine Flotte von etwa 35 Schiffen, die von einer Tochtergesellschaft, der British Tanker Company, gemanagt wurden.

Einige der Schiffe waren während des Ersten Weltkrieges von der enteigneten deutschen British Petroleum Company, einer Tochtergesellschaft der Europäische Petroleum-Union (Bremen) übernommen worden, wie zum Beispiel die „Scandinavia“. SIEHE: Die „Kerman“, exFürth in der Flotte der British Tanker Company…

Der überwiegende Teil waren jedoch Tankschiffe, die von britischen Werften neu gebaut worden waren.

Dass die „Kerman“, exFürth als eines der wenigen Nicht-Tankschiffe bis 1920 in der Flotte der APOC blieb, ist der Tatsache zu verdanken, dass die Britische Regierung beim Verkauf der Prisen, den neuen Eigentümern eine Haltefrist von fünf Jahren auferlegte. Erst dann konnten die Schiffe weiterveräußert werden.

Persian Gulf Steam Navigation Company, Bombay

Neuer Eigentümer wurde im Sommer 1920 die Persian Gulf Steam Navigation Company in Bombay.

Das war nicht ungewöhnlich, denn zahlreiche Reedereien außerhalb Europas kauften regelmäßige gebrauchte Schiffe europäischer Schifffahrtsunternehmen, für die die alten Schiffe unrentabel geworden waren.

Die Persian Gulf Steam Navigation Company nannte das Dampfschiff „Kerman“, exFürth fortan „Sultania“.

Namensgeber dürfte die iranische Stadt Soltaniyeh gewesen sein, latinisiert Soltania oder Sultania geschrieben.

Kerman, exFürth, now named Sultania

Registereintrag der „Kerman“, Now named „Sultania“ in Lloyd’s Register 1920-21, Teil 1; persönliche Einsichtnahme am Firmensitz in 71, Fenchurch Street, London im September 2019

Dampfschiff Fürth

Registereintrag der „Kerman“, Now named „Sultania“ in Lloyd’s Register 1920-21, Teil 2; persönliche Einsichtnahme am Firmensitz in 71, Fenchurch Street, London im September 2019

Anmerkungen zum Registereintrag der „Kerman“
Now named „Sultania“:

Wenn man sich durch die von Lloyd’s Register verwendeten Abkürzungen durchgearbeitet hat, geben die Einträge in zahlreiche Details preis:

Die „Kerman“, exFürth war mittlerweile mit Telegraphie ausgestattet worden. Der Eintrag „Wireless“ belegt das; er erschien erstmals in der Ausgabe 1919-20 von Lloyd’s Register.

In der unteren Abbildung ist der neue Eigentümer eingetragen: Persian Gulf Stm.Nav.Co.Ld.

Die letzte Revision des Schiffes durch Lloyd’s Register ist mit 6,20 eingetragen (Stempeleintrag im oberen Bild unten rechts), im Nachtrag zu Lloyd’s Register (siehe Abbildung unten) dann 7,20.

Eventuell hat im Juli 1920 nach dem Verkauf eine erneute Revision des Schiffes stattgefunden, vielleicht auch eine Überholung. Durchgeführt wurde die Revision im Juni in Glasgow (Gls), im Juli dagegen in Newcastle (Nwc).

Sultania, Kapitän Waterlow

Registereintrag der „Sultania“, Lloyd’s Register 1920-21, Ergänzungsband (supplement); persönliche Einsichtnahme am Firmensitz in 71, Fenchurch Street, London im September 2019

Als Registerhafen der „Sultania“ wird weiterhin London geführt, erst ab der Ausgabe 1922-23 von Lloyd’s Register ist der Eintrag auf Bombay geändert worden.

Die offizielle Registernummer des Schiffes 136777 blieb bei der Namensänderung erhalten; auch das Unterscheidungssignal JHTK blieb gleich, denn Bombay lag in Britisch Indien und damit im Commonwealth.

In der unteren Abbildung zeigt der Eintrag ssBkn.No.3-11,18 die lange Liegezeit der „Kerman“ in Birkenhead (Bkn) von März bis November 1918 nach dem Torpedotreffer im Februar 1918 (3-11,18). SIEHE: Die „Kerman“, exFürth wird torpediert und Die „Kerman“, ex Fürth bei Cayzer, Irvine und Co. (Clan Line)

Steam Ship Fürth

Die „Sultania“, exKerman, exFürth in Port Said im September 1925. Das Copyright © liegt beim National Maritime Museum, Greenwich, London.

Über die Fahrten der „Sultania“ und den neuen Eigentümer demnächst mehr hier im Blog.

Kapitän Waterlow

Als Kapitän der „Sultania“ wird weiterhin AHM Waterlow geführt. Ich hatte ihn ausführlich vorgestellt: AHM Waterlow, der Kapitän der „Kerman“, exFürth

Waterlow hatte die „Kerman“ bereits unter etwas mysteriösen Umständen während der ersten Fahrt im Jahr 1915 übernommen und bis 1920 als verantwortlicher Schiffsführer geleitet.

Eventuell hat Cayzer, Irvine & Co. ihn gebeten, auch noch die Überführung des Schiffes nach Bombay durchzuführen. Spätestens danach dürfte er durch einen neuen Kapitän ersetzt worden sein.

Über den weiteren Lebenslauf AHM Waterlows ist nur wenig bekannt. Ab 1921 lebte Waterlow in einem Vorort von Montreal in Kanada.

Montreal, Canada 1910

New Windsor Hotel, Montreal, Kanada; Postkarte, 1910; Quelle: Library of Congress, https://www.loc.gov/item/rbcmiller002884/

Ab 1923 finden wir ihn in einem Adressverzeichnis von St. Lambert:

Waterlow A H M (capt) 41 Alexandra av

Quelle: Lovell’s Montreal Directory 1923-1924; Places in the neighborhood of Montreal outside city limits, St. Lambert, Bibliotèque et Archives nationales du Québec; numerique.banq.qc.ca

Im Januar 1923 reiste er mit dem Schiff „President van Buren“ von New York nach Plymouth. Dort kam er am 4. Februar 1923 an. Interessant ist die von ihm angegebene Adresse in England:

Japp Hatch, 1 St Mary Axe, London

Japp, Hatch & Co. mit Sitz in Liverpool und London war Reeder, Schiffsmakler und Kohlenexporteur (Brokers for Building, Sale, Purchase & Chartering of Steamers, also Coal Exporters). Die Geschäftsführer waren Frank V. Japp, Thomas Hatch, Oliver Hatch und W. Neilson Bicket.

Frank V. Japp wiederum war einer der Vorstände der Frank C. Strick Ltd., dem Unternehmen, für das Waterlow seit etwa 1907 als Offizier und Kapitän gearbeitet hatte.

Gut möglich, dass Waterlow für Japp, Hatch & Co und vielleicht auch für Frank C. Strick als Agent oder in anderer Funktion in Kanada arbeitete. Einen Beleg dafür konnte ich nicht finden.

Bis 1930 unternahm Waterlow weitere Reisen zwischen Nordamerika und England, zuletzt von Liverpool nach St. John, dort ankommend am 2. März als Passagier 3. Klasse mit der Angabe, in Kanada bleiben zu wollen (intending to stay in Canada, address St. Lambert PQ).

Alfred Hubert Morgan Waterlow (geb. am 2.9.1883 in Paris) starb im Alter von 60 Jahren in Montreal/Kanada.

Quellen:
Angaben zu AHM Waterlow nach: jaggers-heritage.com ergänzt durch eigene Recherchen. Adressen und Geschäftsführer von Japp, Hatch & Co. stammen von einem Briefbogen aus dem Firmenarchiv des Unternehmens Worms & Cie (wormsetcie.com). Die Vorstände von Frank C. Strick sind entnommen aus: Report on Cooperation in American Export Trade (in two parts), 1916, Federal Trade Commission (Washington, Government Printing Office), abgerufen über books.google.fr

Explosion of the steamer Sultana, April 27, 1865

Gedenken an eine vergessene Katastrophe

Ungewöhnlicher Besuch

Am 27. April konnte ich eine ungewöhnlich hohe Aktivität auf meinem Blog feststellen. Kurioserweise kam aber fast der gesamte „Traffic“ aus den USA. Was mich im Zusammenhang mit der „Fürth“ gewundert hat, denn bislang habe ich noch nichts über die „Fürth“ in Amerika im Blog geschrieben. Schließlich arbeite ich die Geschichte der „Fürth“ chronologisch ab.

Ich will nicht zu viel verraten, denn wir müssen noch ein wenig warten, bis wir die „Fürth“ in New York antreffen werden (Juli/August 1913).

Andererseits war die Anzahl der Seitenaufrufe durch die Besucher der Webseite an diesem Tag sehr niedrig, die Besucher waren also irrtümlich auf die Seite gekommen. Warum?

Die SSHSA

Eine Mitteilung der SSHSA brachte dann die Erklärung dieses Phänomens.

Die SSHSA ist die Steamship Historical Society of America: www.sshsa.org, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Erinnerung an die Dampfschiff-Ära wachzuhalten („recording, preserving and disseminating the history of engine-powered vessels“). Allen (Dampf-)Schiffsfans sei die Seite der Gesellschaft zum Stöbern empfohlen.

Die Katastrophe

Helena, Arkansas. April 26,1865. Ill-fated Sultana

Die völlig überfüllte „Sultana“ am Anleger in Helena, Arkansas am 26. April 1865.
Quelle: Library of Congress, Washington DC (https://lccn.loc.gov.2013647457)

Am 27. April jährte sich die wahrscheinlich größte Schiffskatastrophe der Vereinigten Staaten zum 153sten Mal. Am 27. April 1865 explodierten die Kessel dieses Mississippi-Schaufelraddampfers, als er völlig überladen mit heimkehrenden Soldaten aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg nach Norden unterwegs war.

Die genaue Zahl der Todesopfer ist unbekannt, die Angabe „weit über 1,000“ ist wohl die seriöseste, sie wird aber auch oft mit „über 1.700“ oder „über 1.800“ angegeben.

Erinnerung

Das Unglück hat in den USA als Symbol der Sezessionskriege einen hohen Stellenwert. Die Vereinigung Sultana Descendant’s Association gibt auf ihrer Webseite sultanarembered.com eine Vielzahl von Informationen über die Katastrophe und erinnert jedes Jahr an den Jahrestag des Unglücks.

Explosion of the steamer Sultana, April 27, 1865

Explosion des Dampfschiffes „Sultana“ am 27. April 1865. Quelle: Library of Congress, Washington DC (https://lccn.loc.gov/2002699583)

Ein Buchstabe macht den Unterschied

Der Name des Schiffes war also „Sultana“ und damit kommen wir zum eingangs erwähnten ungewöhnlichen Besuch auf meinem Blog. Die „Fürth“ hieß ja ab 1915 „Kerman“ und dann ab dem Jahr 1920 „Sultania“. Wir sind also nur einen einzigen Buchstaben von dem amerikanischen Unglücksschiff entfernt, was die hohe Frequenz zum Jahrestag des Untergangs der „Sultana“ erklärt, denn nicht jeder wird die Schreibweise des Schiffes genau kennen.

Gerne schließe ich mich dem Gedenken an die Opfer der „Sultana“ zum 153sten Jahrestag an.

fireman or stoker

The Steamship “Fürth” Blog – Summary in English

The Ship’s History from 1907 to 1933

This blog documents the “life” of the steamship “Fürth”*, built in Germany in 1907 and then scrapped in 1933. This cargo vessel was given the name of my home town Fürth (Bavaria, Germany) and that is why I am researching it.

German-Australian Liner

At first, the steamer was in the service of the German Australian Steam Ship Co. (G.A.S.S. Co), Hamburg, until 1914 and docked at harbours in Europe, the Cape Colony, Australia, South East Asia, British-India and Northern Africa. This is the reason why many sources exist in English and I’m hoping to get information from the Internet community to broaden my knowledge about the history of this vessel. In August 1914 the “Fürth” shared the destiny of many German ships seized by the Royal Navy; captured in the Indian Ocean she was brought as a prize to England the same year, leaving cargo and crew in Ceylon.

The „Kerman“

From 1915 onwards, the ship’s history became 100 % British and was one of the first vessels in the British Tanker Corporation (later BP), where she was renamed “Kerman”. In this time the vessel was managed by the Strick Line. The “Kerman”, ex-“Fürth”, travelled from London to Persia, British-India and other destinations.

The „Sultania“

But the ex-“Fürth” went through more changes: In 1920 she was sold to British-India, was renamed “Sultania”, and was used as a liner in the Persian Gulf. I found evidence that in 1925 she came back to Europe (Hamburg and London). The last owner of the (floating) vessel was a steamship company in Rangoon (Burma) before it was broken up in 1933.

boiler detail

International Trade

During her life this cargo vessel transported very different freight. This gives an insight into international trade in the beginning of the 20th century between Europe, Australia, the Netherlands East Indies and British India. Accidents, incidents and offences will also be included to illustrate life in this period, too.

Contributions welcome

The blog started in March 2018 with some information but will continue to grow. Further information will follow as soon I have gathered more historical evidence and have had the time to put it online. The project of this blog is purely private and non-commercial driven by interest in history, trade, geography, politics, society, travel and much more. All contributions are welcome and will help to get a better picture of the history of the steamer “Fürth” and her crew.

Most of the content will be in German as the city of Fürth (Northern Bavaria) is a German town; however, all quotations of non-German sources, mainly English, will be kept in the original language. Even if you don’t speak German, don’t hesitate to contact me. I’d be happy to get in touch with you.

* In English sources you’ll find in most cases the spelling “Furth”, sometimes “Fürth” or “Fuerth”.

rigging

 

Das Titelfoto des Blogs

Das Titelfoto des Blogs zeigt die Sultania in Port Said im September 1925. Das ©opyright liegt beim National Maritime Museum, Greenwich, London.

Die Angaben des Museums zum Bild sind spärlich:

“General cargo vessel ‚Sultania‘ (Br, 1907), anchored and moored at Port Said”
(http://prints.rmg.co.uk/art/689816/general-cargo-vessel-sultania-br-1907-anchored-and-moored-at)

Der Fotograf ist unbekannt, das Bild ist datiert mit September 1925.

Auch wenn es zugegebenermaßen kein „schönes“ Bild ist, fasst es doch die Geschichte der „Fürth“ sehr gut zusammen und zeigt das Schiff, als es nach langer Zeit das erste Mal nach Hamburg, also in seinen ursprünglichen Heimathafen zurückkehren sollte, wenn auch „inkognito“.

Port Said

Außerdem ist Port Said in Ägypten einer der ganz wenigen Häfen, in dem das Schiff mit allen drei Schiffsnamen angelegt hat, zum ersten Mal als „Fürth“ im Dezember 1907 auf der Heimreise von Sydney nach Hamburg. Die Deutsche Kohlen Depot GmbH unterhielt hier eine Niederlassung und die Schiffe der Deutsch-Australischen Dampfschiff-Gesellschaft konnten in Port Said Kohle bunkern (zur Deutsche Kohlen Depot GmbH zu einem späteren Zeitpunkt noch mehr). Später kehrte das Schiff auch als „Kerman“ zum Beispiel im September 1915 auf dem Weg von Liverpool nach Kalkutta nach Port Said zurück.

Hinweise

Können wir aber sicher sein, dass es sich bei der „Sultania“ wirklich um die „Fürth“ handelt? Ja, denn:

– Das Schiff hatte über die gesamte Lebensdauer die gleiche Identifikationsnummer, nämlich 136777, diese blieb von 1907 bis 1933 immer gleich, egal wie das Schiff hieß.

Korrektur vom 28. Juli 2020: Die offizielle Nummer 136777 erhielt die exFürth erst beim Eintrag in das Appropriation Book am 4. Februar 1915 im neuen Heimathafen London unter dem neuen Namen „Kerman“. Die Identifikationsnummer 136777 bestand also richtigerweise von 1915 – 1933.

– In den Registern der Britischen Handelsmarine, in denen das Schiff geführt wird, ist immer erwähnt, wie ein Schiff vorher hieß. Beim Eintrag der „Sultania“ ist stets der Vermerk angegeben:

Formely the „Kerman“. Foreign name „Furth“.
zum Beispiel in:
Mercantile Navy List, 1931, pp. 338-535, Memorial University of Newfoundland,
(http://collections.mun.ca/cdm/compoundobject/collection/mha_merchant/id/29638/rec/51)

– Das gleich gilt auch für die Schiffsregister von Lloyd’s:

Lloyd's register 1930, Sultania, exKerman, exFürth

Erster Teil des Eintrags der „Sultania“ im Lloyd’s Register von 1930. Unter der laufenden Registernummer sieht man die Identifikationsnummer 136777 und die Zusätze exKerman, exFürth.

– Das angegebene Baujahr 1907 ist ebenfalls ein Hinweis. Es findet sich mit dem Produktionsort Flensburg ebenfalls stets in den Schiffsregistern.

– Im September 1925 war die „Sultania“ auf einer Fahrt von Bombay nach London mit Zwischenstopp in Hamburg, wo sie am 23. Oktober 1925 abends im Hafen ankam. Ein Aufenthalt im Hafen von Port Said ist Ende September 1925 somit auch plausibel.

Weitere Hinweise?

An alle Seebären da draußen: Gibt es auf dem Foto Details, die diese Aussagen stützen? Wer kennt die Deckaufbauten der „Fürth“ oder deren Schwesterschiffe? Welche Veränderungen wurden eventuell von den späteren Eigentümern vorgenommen? Gerne stelle ich dazu auch Ausschnittsvergrößerungen zur Verfügung.

Für alle Hinweise (auch auf weitere Fotos oder Zeichnungen der „Fürth“ oder deren Schwesterschiffe) an dieser Stelle schon im Voraus herzlichen Dank!