Kerman, exFürth, zwischen 1915-1920

Die „Kerman“, exFürth in der Flotte der British Tanker Company…

… und der deutsche Ursprung der Marke „British Petroleum“

Titelbild:
Die „Kerman“, exFürth in kriegsgrauem Anstrich mit der Schornsteinmarke der British Tanker Company, Foto ohne Ortsangabe und undatiert (1915-1920);
© alle Rechte bei: J. E. B. Belt, H. S. Appleyard (1996), A history of Frank C. Strick and his many shipping enterprises, World Ship Society, Kendal (UK).

Im Jahr 1915

Im Januar 1915 war die „Fürth“ an die Anglo-Persian Oil Company (APOC) verkauft worden. Gemanagt wurde das Dampfschiff von F. C. Strick und Co., eine Reederei, die Kapitän und Mannschaft stellte.

SIEHE Paukenschlag: Das Dampfschiff „Fürth“ wird verkauft und Die „Kerman“, exFürth bei Frank C. Strick und Co.

Letztlich aber hatte die Britische Regierung im Ersten Weltkrieg fast alle Handelsschiffe beschlagnahmt und bestimmte Frachten und Fahrtziele.

Auf ihrer ersten Fahrt von Anfang Februar 1915 bis Ende Juni war die „Kerman“, exFürth auf einer Fahrt in den Indischen Ozean. Von dieser Fahrt ist dokumentiert, dass Kriegsmaterial (Boote) nach Ägypten transportiert und auf der Rückfahrt Weizen von Karatschi nach Großbritannien geliefert wurde. Zu dieser Fahrt siehe: Aufbruch zur ersten Reise: Die „Kerman“, exFürth in Manchester und Die erste Reise der „Kerman“, exFürth: in Vigo und Karatschi

Gründung der British Tanker Company

Während die „Kerman“, exFürth auf dieser Reise unterwegs war, gab es bei der Anglo-Persian Oil Company eine Umstrukturierung.

Am 30. April 1915 wurde eine 100 %ige Tochtergesellschaft gegründet, die British Tanker Company. In diese Gesellschaft wurde die ganze Flotte der Anglo-Persian Oil Company überführt. Das Gründungskapital betrug 100.000 £.

British Tanker Company, house flag and funnel mark

Hausflagge der British Tanker Company, 1915; abgerufen über commons.wikimedia.org

Die Flotte der British Tanker Company, die zumindest zeitweise einmal die größte Tankerflotte der Welt werden sollte, bestand im April 1915 allerdings gerade einmal aus zwei Schiffen, die noch dazu keine Tankschiffe waren.

Diese zwei Schiffe waren die „Ferrara“ und die „Kerman“, exFürth. Beides waren Frachtschiffe, die Erdölprodukte in Kanistern (cased oil) transportierten.

Der Grund für die Neugründung der British Tanker Company lag jedoch nicht im Betrieb dieser beiden Schiffe „aus zweiter Hand“.

Vielmehr hatte die Anglo-Persian Oil Company im März 1915 sieben neue Tankschiffe bestellt und die British Tanker Company war im Vorgriff auf die bald sehr stark wachsende Tankerflotte gegründet worden.

Über den Neubau der sieben Schiffe berichtete beispielweise der Sheffield Independant:

In the shipbuilding trade, apart from Government work, which is still the feature, orders have been placed the Anglo-Persian Oil Company for seven steamers of from 5,000 to 10,000 tons, five of which are to be built by the Armstrong-Whitworth Company and two by Messrs. Swan, Hunter and Wigham Richardson, Ltd. Marine engineers are very busy. Ship repairing quiet. Coal freights continue to fall rapidly on full supply of tonnage, and are now several shillings ton below the figures ruling a fortnight ago.
Sheffield Independent, Mi 24. Mar 1915, S. 8

Armstrong-Whitworth bei Newcastle-upon-Tyne war nicht nur eine Werft für Kriegs- und Handelsschiffe, sondern das Unternehmen produzierte auch Waffen, Lokomotiven und Fahrzeuge, ab 1913 auch Flugzeuge.

Swan Hunter, ebenfalls bei Newcastle-upon-Tyne, war ein bekanntes Schiffbauunternehmen für Kriegs- und zivile Schiffe. Von 1903 -1906 wurde hier die „Mauretania“, damals das größte Schiff der Welt, erbaut. Das Unternehmen bestand bis 2006 fort.

Die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG), Hamburg, hatte bei beiden Werften ab 1888 einige ihrer Schiffe in Auftrag gegeben. Die Jahreszahl in Klammern ist das Jahr der Lieferung an die DADG: „Elberfeld“ (1889), „Barmen“ (1889), „Offenbach“ (1900), Ottensen (1904), „Oberhausen“ (1905), „Goslar“ (1906), „Worms“ (1907), „Annaberg“ (1909) und „Brisbane“ (1911).

Armstrong-Whitworth, vorher Armstrong-Mitchell

Anzeige von Armstrong-Whitworth in Brassey’s Naval Annual 1923; abgebildet ist HMAS Malaya; https://archive.org/details/brasseysnavala1923brasuoft/page/n9/mode/2up

Die Anfangsjahre der British Tanker Company

Das erste Schiff der Tanker-Neubauten wurde 1916 in Dienst gestellt, es erhielt den Namen „British Emperor“.

Ende des Jahres 1917 sollte die Flotte der British Tanker Company dann bereits aus 19 Schiffen bestehen und auch in den Folgejahren weiter stark anwachsen. Im November 1917 wurde das Kapital entsprechend auf 3 Mio.  erhöht.

Das größte Kuriosum der Flotte war weder der Frachter „Ferrara“ noch die „Kerman“, exFürth. Im Jahr 1917 kam das Segelschiff „Scandinavia“, ein Schoner, zur British Tanker Company.

Es sollte das einzige Segelschiff der sonst fast ausschließlich aus Tankschiffen bestehenden Flotte bleiben.

Die ersten Schiffe der British Tanker Company

Im Folgenden stelle ich drei der ersten Schiffe der British Tanker Company vor: die „Ferrara“, die „British Emperor“ und die „Scandinavia“.

SS Ferrara Anglo-Persian Oil Company, 1912-1915

SS „Ferrara“ im Trockendock; Quelle: BP 100 The First One Hundred Years in Pictures, J. Bamberg, V. Johnson, S. Shaw; Herausgeber: bp Gruppe (2009)

SS „Ferrara“

Das Dampfschiff „Ferrara“ (SS steht für steam ship) war das erste Schiff der Anglo-Persian Oil Company. Der bereits 1880 von Robert Steele & Co. in Greenock bei Glasgow gebaute Frachter wurde 1912 für £ 6.390 von Leith, Hull & Hamburg erworben.

Die Leith, Hull und Hamburg Steam Packet Co. betrieb einen Fracht- und Passagierservice zwischen England und Hamburg, aber auch nach Kopenhagen, Stettin, ins Baltikum und nach Russland.

Die „Ferrara“ war 280 Fuß (85 Meter) lang und hatte eine Tragfähigkeit von 1650 Tonnen.

Für die APOC transportierte die „Ferrara“ Benzol und Petroleum in Kanistern von Abadan in Häfen des Persischen Golfs, nach Britisch Indien und Ceylon.

Die „Ferrara“ wurde 1922 verkauft. Bereits ein Jahr später fing das Schiff in der Straße von Malakka Feuer und sank.

APOC funnel mark

Schornsteinmarke der SS „Ferrara“; Quelle: BP 100 The First One Hundred Years in Pictures, J. Bamberg, V. Johnson, S. Shaw; Herausgeber: bp Gruppe (2009)

Schornsteinmarke

Ein interessantes Detail auf dem Foto ist die Schornsteinmarke der „Ferrara“. Sie zeigt bereits die gleiche Grafik, wie die spätere Marke der British Tanker Company (siehe Hausflagge weiter oben im Text), ein rot-weiß-rotes Band, wobei sich auf den beiden Seiten des Schornsteins das weiße Band zu einem Kreis erweitert.

Anstelle der Buchstaben BTC ist das Logo ein Geologenhammer mit schwarzem Hammerkopf und schwarzem Stielende, der Stiel selbst ist hell. Links vom Stiel sind die ineinander geschlungenen Buchstaben O und C zu sehen (für Oil Company). Auf der linken, verdeckten Seite, müssten die Buchstaben A und P stehen (für Anglo Persian).

Bislang ist dieses Foto das einzige, auf dem ich die Schornsteinmarke der APOC vor Gründung der British Tanker Company finden konnte, die Marke muss zwischen 1912 und April 1915 auf der „Ferrara“ und zwischen Januar -April 1915 auch auf der „Kerman“, exFürth vorhanden gewesen sein.

British Emperor 1916 BTC

Der Tanker „British Emperor“, der erste Neubau der British Tanker Company, 1916, Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/File:British_Emperor_1916.jpg

British Emperor

Die „British Emperor“ war der erste Neubau der APOC beziehungsweise der British Tanker Company. Das 356 Fuß (108 Meter) lange Schiff hatte 5.000 Tonnen Tragfähigkeit, war bei Armstrong-Whitworth gebaut worden und machte im September 1916 seine Jungfernfahrt.

Der Namensvorsatz „British“ sollte für die Flotte typisch werden und hat bis auf den heutigen Tag Bestand. Das war natürlich ein Hinweis auf den Mehrheitseigner, den britischen Staat.

Die Dreifach-Expansionsdampfmaschine des Tankers konnte mit Öl oder Kohle betrieben werden. Die „British Emperor“ hatte sieben Backbord- und Steuerbord-Tanks, die durch eine lange, längsverlaufende Trennwand zweigeteilt wurden.

Das Design des Tankers und der Tanks ging auf den Ingenieur Joseph Isherwood zurück. Es heißt seitdem Isherwood-System. Es basiert auf einem Längsspantensystem, das dem Schiff mehr Stabilität verleiht, als konventionelle Querspanten. Das erste Handelsschiff dieser Bauform war der 1908 fertiggestellte Tanker „Paul Paix“.

Scandinavia (schooner) in Bristol

Die „Scandinavia“ in Bristol; im Hintergrund die Clifton Suspension Bridge, Fotograf und Aufnahmedatum unbekannt; © alle Rechte bei Stichting, Maritiem-Historische Databank, https://www.marhisdata.nl/schip?id=5742

„Scandinavia“

Das ungewöhnlichste Schiff der Tankerflotter der British Tanker Company war sicherlich der Schoner „Scandinavia“.

Die Geschichte, wie es dazu gekommen ist, ist außergewöhnlich und überraschend:

Das Segelschiff „Scandinavia“ war 1905 von Rijkee & Co. in Rotterdam für die Firma W. H. Müller & Co in Rotterdam, gebaut worden. Das Schiff hatte einen 50 Meter langen Rumpf aus Stahl, drei Masten und eine Tragfähigkeit von 540 Tonnen.

Wilhelm Heinrich Müller war Händler für Bergwerks- und Hüttenprodukte. Der gebürtige Osnabrücker gründete 1878 Fracht- und Speditionsunternehmen in Amsterdam und Rotterdam. In Amsterdam wurde die Firma später auch Agent der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft.

Ab 1895 führte die Fa. W.H. Müller unter dem Namen Batavier-Line auch einen täglichen Schiffsverkehr zwischen Rotterdam und London durch.

Mehr über W. H. Müller und das Unternehmen auf der Seite Deutsche Biographie: https://www.deutsche-biographie.de/sfz66838.html

Batavier Line, WM Müller

Batavier Line der W. H. Müller & Co. zwischen Rotterdam und London; Poster von Bart van der Leck; alle Rechte bei © Kröller Müller Museum, Otterlo, The Netherlands.

Im Jahr 1911 verkaufte W. H. Müller & Co. die „Scandinavia“ an The British Petroleum Company in London.

Die deutschen Wurzeln von British Petroleum

The British Petroleum Company in London war im Jahr 1911 die Tochtergesellschaft eines deutschen Unternehmens: es war die Vertriebsgesellschaft der Bremer Europäische Petroleum-Union GmbH, die 1906 aus der Deutsche Petroleum-Aktiengesellschaft (DPAG) hervorgegangen war.

Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges war The British Petroleum Company als deutsches Unternehmen jedoch beschlagnahmt worden.

Noch während des Krieges, im Jahr 1917, wurde das Eigentum der deutschen British Petroleum Company an die britische Anglo-Persian Oil Company überschrieben.

So kam die British Tanker Company 1917 zu einem Segelschiff und weiteren Tankschiffen.

Der Mutterkonzern, die Anglo-Persian Oil Company, ihrerseits kam unter anderem zu einem wertvollen Markennamen, unter dem fortan die eigenen Produkte vermarktet wurden. 1954 sollte British Petroleum sogar zum Firmennamen werden.

Die „Scandinavia“ war etwa fünf Jahre Teil der Flotte der British Tanker Company. Das Segelschiff lief am 20. Dezember 1922 bei einer Fahrt von London nach Manchester bei Portland auf Grund. Das Wrack wurde zum Abbruch verkauft.

The British Petroleum Co. Ltd.

Anzeige von The British Petroleum Co. Ltd. aus dem Jahr 1909; Quelle: Grace’s Guide; https://www.gracesguide.co.uk/File:Im190903EC-BritP.jpg

Der erste Tanker: die „Glückauf“

Der britische Ingenieur Joseph Isherwood revolutionierte zwar das Design von Tankschiffen (siehe oben), jedoch hatten sich zuvor bereits andere Gedanken gemacht, wie Erdölprodukte in Tanks und nicht in Fässern oder Kanistern transportiert werden konnten.

Das erste Seeschiff, bei dem Öl direkt in das Schiff gepumpt werden konnte, war der deutsche Tanker „Glückauf“.

Auftraggeber des Schiffes war der Spediteur und Reeder Wilhelm Anton Riedemann, ein Pionier der deutschen Ölindustrie. 1885 installierte er den ersten Öltank in Deutschland, ein Jahr später lief die „Glückauf“ bei Armstrong & Mitchell, der späteren Werft Armstrong-Whitworth (s. o.) vom Stapel.

Die „Glückauf“ wurde in England gebaut, da Riedemann in Deutschland keine Werft gefunden hatte, die einen kohlenbefeuerten Dampfer für den Transport brennbarer Flüssigkeiten bauen wollte. Das Risiko erschien ihnen zu groß.

Glückauf Tanker 1886

Der Tanker „Glückauf“, Baujahr 1886; https://commons.wikimedia.org, File:Tanker Glückauf.jpg

Die „Glückauf“ hatte eine Länge von 97 Metern und 3000 Tonnen Tragfähigkeit. Die Antriebsmaschinen lagen achtern, die Tanks lagen im Vor- und Mittelschiff.

Das Schiff war sieben Jahre zwischen Europa und Amerika in Verkehr, bevor es am 24. März 1893 in dichtem Nebel am Blue Point Beach auf Fire Island strandete. Fire Island ist eine langgestreckte, der Insel Long Island vorgelagerte Insel im Bundesstaat New York.

Auch wenn die „Glückauf“ nur eine kurze Karriere hatte, hat es bis heute als erstes Tankschiff in der Schiffshistorie seinen festen Platz.

Der Eigner Wiedemann gründete 1890 mit den Brüdern Franz Ernst und Carl Schütte sowie der amerikanischen Standard Oil Company die Deutsch-Amerikanische Petroleum Gesellschaft (DAPG) zur Vermarktung von amerikanischen Erdölprodukten. 1950 wurde aus dem Unternehmen die ESSO AG (ess-o = Standard Oil).

Über die Standard Oil hatte ich hier im Blog berichtet, da die Ölgesellschaft mit der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft einen Vertrag über die Lieferung von Petroleum aus den USA nach Niederländisch-Indien und Australien abgeschlossen hatte. Siehe dazu den Beitrag Im Auftrag Rockefellers

Anmerkung: Bei Armstrong-Mitchell war etwas früher als die „Glückauf“ der Bau des Tankers „Petrolea“ für den Schweden Ludvig Nobel begonnen worden. Die „Petrolea“ wurde jedoch später fertiggestellt als die „Glückauf“.

Glückauf 1886

Der Tanker „Glückauf“ nach der Strandung am 23. März 1893; https://commons.wikimedia.org, File:Glückauf.jpg

6 Gedanken zu „Die „Kerman“, exFürth in der Flotte der British Tanker Company…

  1. Pingback: „Bürgermeister von Melle“ | Das kurze, aber bewegte Leben des Frachtdampfers „Fürth“

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  6. raan13

    Vielen Dank für Ihre akribische Arbeit!
    Die deutschen Wurzeln von British Petroleum waren mir ebenso wenig bekannt, wie die Namensherkunft der ESSO AG. Erstaunlich wie doch in der Geschichte alles irgendwie zusammenhängt.

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