Ugly, but lovely – Das Zentrum der walisischen Hüttenindustrie
Titelbild:
Swansea, Blick von Osten auf King’s Dock und Prince-of-Wales-Dock, 1920er Jahre; das Price-of-Wales-Dock wurde 1881 fertiggestellt und 1889 erweitert. Das King‘s Dock wurde 1909 für den Verkehr freigegeben.; mit freundlicher Genehmigung des Rechteinhabers (SWANSEA AND PORT TALBOT DOCKS HISTORY), http://www.swanseadocks.co.uk/
Mai 1919
Das Dampfschiff „Kerman“, exFürth erreichte den Hafen Swansea am Sonntag, den 25. Mai 1919. Das Schiff brachte eine Ladung Öle und deren Verarbeitungsprodukte, wie „Erdöl-Gelee“, besser bekannt als Vaseline, aus New York. Empfänger war die britische Filiale der Chesebrough Manufacturing Company mit Sitz in London.
Siehe dazu den Beitrag: Ein Schiff voller Vaseline
Nach drei Wochen Ladezeit verließ die „Kerman“, exFürth Swansea am Montag, den 16. Juni 1919 mit 900 Tonnen allgemeiner Ladung mit Ziel Abadan im Persischen Golf.
Abadan war Standort der Raffinerie der Anglo-Persian Oil-Company und Endpunkt der Ölpipeline von Masjed Soleiman. Siehe dazu: Die Rolle Winston Churchills bei der Übernahme der Anglo-Persian Oil Company
Naheliegend ist daher, dass es sich bei der allgemeinen Fracht um Ausrüstungsgegenstände oder Verbrauchsgüter für die Raffinerie und Ölfelder der Anglo-Persian Oil-Company handelte. Schließlich war der Eigentümer der „Kerman“, exFürth im Zeitraum von 1915-1920 die Vorläufergesellschaft der späteren BP (British Petroleum) beziehungsweise ab April 1915 deren Tochtergesellschaft, die British Tanker Company.
Siehe dazu : Die „Kerman“, exFürth in der Flotte der British Tanker Company…
Im heutigen Artikel stelle ich Swansea und dessen Hafen vor. Schwerpunkt ist die Zeit gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Swansea, SS „Granfos“ am Kohlenkipper 12 im King’s Dock; mit freundlicher Genehmigung des Rechteinhabers (SWANSEA AND PORT TALBOT DOCKS HISTORY), http://www.swanseadocks.co.uk/
Dank
Ich bedanke mich bei den Betreibern der Internetseite über die Geschichte der Häfen von Swansea und Port Talbot (SWANSEA AND PORT TALBOT DOCKS HISTORY), http://www.swanseadocks.co.uk/ für ihre Genehmigung, ihre Bilder in meinem Blog verwenden zu dürfen.
Die Seite wird ehrenamtlich von ehemaligen Angestellten der Hafenanlagen betrieben. Schauen Sie doch einmal auf deren Seite vorbei!
http://www.swanseadocks.co.uk/docksnewsite/contents.html

Swansea, North Dock, kleiner Küstenfrachter beim Laden von Kohle, um 1890; mit freundlicher Genehmigung des Rechteinhabers (SWANSEA AND PORT TALBOT DOCKS HISTORY), http://www.swanseadocks.co.uk/
Swansea – Abriss der Geschichte
Die Entwicklung Swanseas als große Hafenstadt begann im frühen 18. Jahrhundert, als der Kohlenbergbau und die Eisenproduktion stark anwuchsen. Zu dieser Zeit begann auch die Verhüttung von Kupfer und die Herstellung von Weißblechen und Produkten daraus.
1791 wurde der Swansea Harbour Trust zur Unterhaltung und Erweiterung der Hafenanlagen gegründet. Erste Neubauten waren ein Leuchtturm und zwei Molen, die einen gezeitenunabhängigen Hafen an der Mündung des River Tawe bildeten. Der 18 Meilen lange Swanseakanal verband das Hinterland mit dem Hafen; weitere Kanäle sollten folgen.
Die Kupferverhüttung erreichte Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Höhepunkt. Fast alle britischen Kupferwerke waren um Swansea herum angesiedelt; die hier vorkommenden Anthrazitkohlen waren ideal für den Verhüttungsprozess.
Nach und nach wurden auch andere Erze wie Blei, Zink, Nickel und Silber in Swansea verhüttet und die Stadt wurde ein Zentrum der Hüttenindustrie und Metallverarbeitung.

Swansea, Prince-of-Wales-Dock, SS „Gyda“ lädt Kohle für Norwegen, um 1915; mit freundlicher Genehmigung des Rechteinhabers (SWANSEA AND PORT TALBOT DOCKS HISTORY), http://www.swanseadocks.co.uk/
Zwischen 1852 und 1920 entstanden mehrere große Hafenbecken (docks).
Im Jahr vor dem Ersten Weltkrieg wurden von Swansea fast 6 Mio. Tonnen Kohle, Steinkohlenkoks, Briketts sowie Weißblech exportiert. Dem standen nur etwa 1 Mio. Tonnen Importe gegenüber, vor allem Erze, Konzentrate, Metalle sowie Holz und Nahrungsmittel.
Der Gesamtumschlag belief sich 1913 auf 7,2 Mio. Tonnen (zum Vergleich: Hamburg hatte zu dieser Zeit etwa 12 Mio. Tonnen, London als größter Hafen Europas 17 Mio. Tonnen).

Swansea, Kohlenkipper im King’s Dock, um 1910; mit freundlicher Genehmigung des Rechteinhabers (SWANSEA AND PORT TALBOT DOCKS HISTORY), http://www.swanseadocks.co.uk/
Die Llandarcy Raffinerie
Bereits vor dem Ersten Weltkrieg hatte die British Navy begonnen, ihre Flotte von Kohle auf Öl umzustellen. Ich hatte ausführlich darüber berichtet. SIEHE dazu: Die Rolle Winston Churchills bei der Übernahme der Anglo-Persian Oil Company
Diese Entwicklung machte sich auch in Swansea bemerkbar. Wenige Meilen östlich wurde 1919 bis 1922 in Llandarcy die erste Raffinerie in Großbritannien gebaut.
Der Name Llandarcy geht auf William Knox D’Arcy zurück, den ich im Blog porträtiert habe. Er war die zentrale Persönlichkeit bei der Gründung der Anglo-Persian Oil Company im Jahr 1909 (später British Petroleum).
Der Transport des Öls nach und von Llandarcy erfolgte über den Hafen Swansea. Dort entstanden im Queen‘s Dock fünf Anleger für Tankschiffe, zusätzlich Pipelines und Tanklager.

Swansea, Übersicht über die Docks, das Stadtzentrum liegt links oberhalb des South dock (C); Quelle: commons.wikimedia.org
In den 1950er Jahren wurden in Swansea jährlich über 8 Millionen Tonnen umgeschlagen. Die Raffinerie bestand bis 1998.
Heute zeugt nur noch das Kings‘ Dock von der einst regen Tätigkeit im Hafen Swanseas. Die anderen Docks sind entweder zugeschüttet oder dienen der Freizeitgesellschaft als Jachthafen.

Swansea, Kohlenkipper auf der Nordseite des Prince-of-Wales-Docks, um 1900; mit freundlicher Genehmigung des Rechteinhabers (SWANSEA AND PORT TALBOT DOCKS HISTORY), http://www.swanseadocks.co.uk/
Die Stadt Swansea
Swansea war lange Zeit durch die Hüttenindustrie und die großen Hafenanlagen zum Kohlenexport geprägt, was der Stadt den Beinamen „ugly, lovely town“, hässliche, aber liebenswerte Stadt einbrachte.
Zu verdanken hat die Stadt ihren Spitznamen dem 1914 in Swansea geborenen walisischen Schriftsteller Dylan Thomas.
Mit etwa 250.000 Einwohnern ist Swansea heute die zweitgrößte Stadt in Wales nach der Hauptstadt Cardiff.

Swansea, High Street, 1915; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:High_Street_Swansea_the_palace.png
Nächste Woche im Blog
Das Dampfschiff „Kerman“, exFürth bei der berühmten Cunard Line.
Pingback: Weizen aus Südamerika – die letzte Fahrt der „Kerman“, exFürth | Das kurze, aber bewegte Leben des Frachtdampfers „Fürth“
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