Archiv für den Monat Dezember 2020

Furth sold, Kerman

Paukenschlag: Das Dampfschiff „Fürth“ wird verkauft

Neuer Eigentümer, neuer Name

Die Vorgeschichte: Die „Fürth“, eine rechtmäßige Prise

Am 10. August 1914 war das Dampfschiff „Fürth“ nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor Ceylon, dem heutigen Sri Lanka, von der Britischen Marine gekapert worden. Am Tag darauf wurde die „Fürth“ von HMS „Espiègle“ in den Hafen von Colombo begleitet. SIEHE: Die Kaperung der „Fürth“

Das Prisengericht Colombo erkannte am 5. Oktober 1914 die „Fürth“ als rechtmäßige Prise an. SIEHE: Das Dampfschiff „Fürth“ wird kondemniert

Im Anschluss war das Dampfschiff auf Anweisung der Britischen Admiralität nach London überführt worden. Beauftragt worden war damit die Reederei James und Thomas Harrison in Liverpool. SIEHE: Kapitän R. J. Thomson überführt das Dampfschiff „Fürth“ von Ceylon nach England

Am 26. November 1914 erreichte die „Fürth“ unter Leitung von Kapitän R. J. Thomson die Tilbury Docks in London und wurde dort bis 30. November entladen. An diesem Tag enden zumindest die Logbucheinträge von Kapitän R. J. Thomson und seinem ersten Offizier S. S. Trickey.

Eine Rekonstruktion dieser Fahrt habe ich anhand der Logbucheinträge inklusive der Kanalfahrt durch den Suezkanal dargestellt: Dampfschiff „Fürth“: durch den Suezkanal und Dampfschiff „Fürth“: Fahrt durchs Mittelmeer und den Atlantik nach London

Fuerth sold, Kerman
The Advertiser, Adelaide vom 26. März 1915; abgerufen auf trove.nla.gov.au

Der Verkauf

Die Britische Regierung verkaufte die „Fürth“ an die Anglo-Persian Oil Company. Die Ölgesellschaft taufte das Schiff „Kerman“.

Die Anglo-Persian Oil Company wurde später zur Anglo-Iranian Oil Company. Sie kennen alle dieses Unternehmen unter dem Namen British Petroleum, der seit 1954 verwendet wurde. Heute nennt sich das Unternehmen offiziell bp Group oder auf Deutsch bp Gruppe.

In Kürze werde ich hier auf die Vorgeschichte und die Anfänge der Gesellschaft und ihre ersten Schiffe noch genauer eingehen.

Fuerth sold, Kerman
Daily Commercial News and Shipping List, Sydney vom 25. März 2020; abgerufen auf trove.nla.gov.au; G.A. steht für German-Australian (Liner)

Das Verkaufsdatum

Der Verkauf des Schiffes „Fürth“ an die Anglo-Persian Oil Company ist eindeutig dokumentiert. Verschiedene australische Tageszeitungen haben darüber berichtet, wie die abgebildeten Artikel hier im Beitrag belegen.

Interessant finde ich übrigens, dass ich Zeitungsartikel über den Verkauf der „Fürth“ nur in einigen Zeitungen Australiens gefunden habe, nicht jedoch in Deutschland oder Großbritannien.

Worüber ich bislang keine Angaben machen kann, ist das Verkaufsdatum. Allerdings ist eine Eingrenzung auf einen Zeitraum von knapp zwei Monaten möglich:

Der Verkauf muss in einem Zeitraum von Dezember 1914 bis Ende Januar 1915 stattgefunden haben.

Anfang Dezember 1914 war über das Schicksal der „Fürth“ noch nicht entschieden. Entweder sollte das Schiff von der Admiralität selbst als Frachtschiff genutzt oder aber verkauft werden.

In einem Telegramm der Admiralität vom 1. Dezember 1914 an den Gouverneur Ceylons heißt es:

„Admiralty will take over and dispose of “Furth”. I assume no order has been made by Colombo Court which will prevent ship being re-chartered or sold by Admiralty and proceeds paid into Prize Fund”
Quelle: Telegrammentwurf vom 1.
Dezember 1914, British Archives, Kew, CO 323/625/70

Zwei andere Dokumente vom 2. bzw. 4. Februar 1915 tragen bereits den Namen „Kerman“, den neuen Namen der „Fürth“.

Die Anheuerung der Mannschaft für die erste Fahrt der „Kerman“, exFürth erfolgte am 2. Februar und die Vergabe der offiziellen britischen Registernummer 136777 erfolgte am 4. Februar 1915.

Auf die Mannschaftsliste komme ich in einem anderen Artikel zurück.

Die Quelle für die offizielle Registernummer ist das Crew List Index Project (CLIPcrewlist.org.uk). Auf dieser Seite können Sie das Dokument abrufen, zeigen kann ich es hier aus Copyright-Gründen leider nicht.

Eine Literaturquelle, die den Verkauf der „Fürth“ zitiert, bleibt mit der Angabe „1915“ sehr vage und ohne Quellenangabe. Folgt man den Autoren, wäre der Verkauf mit Ergänzung obenstehender Informationen im Januar 1915 erfolgt.

Quelle: A history of Frank C. Strick and his many shipping enterprises, J. E. B. Belt, H. S. Appleyard, World Ship Society, 134 S., Kendal (1996).

In der Folge verwende ich der Einfachheit halber die Angabe „Januar 1915“, auch wenn ich den Dezember 1914 nicht ausschließen kann. Falls ich noch in den Besitz genauerer Angaben komme, werde ich hier im Blog darüber berichten.

Ein Archiv, in dem das Datum zu finden sein könnte, ist das Firmenarchiv der British Petroleum (bp Group), das von der Universität Warwick verwaltet wird. Es umfasst stolze 2700 laufende Meter: https://blogs.warwick.ac.uk/bparchive/about/

Schriftliche Anfragen im Archiv in Warwick und bei der bp Group selbst blieben bislang leider unbeantwortet.

Furth sold, Kerman
Daily Telegraph, Sydney, 25. März 1915; abgerufen auf trove.nla.gov.au

Das Appropriation Book und die offizielle Registernummer 136777

Die Registrierung britischer Schiffe wurde im Jahr 1855 neu organisiert. Jedes Schiff erhielt in der Folge eine Registernummer, die es unverwechselbar machte, auch wenn mehrere Schiffe mit dem gleichen Namen existierten. Wie eine Fahrgestellnummer beim Kraftfahrzeug wurde diese Nummer im Schiff eingraviert oder auf einer Plakette aufgeschweißt.

Die Nummern wurden zentral vergeben. Jeder der über 100 Registerhäfen in Großbritannien und seinen Kolonien erhielt einen Nummernsatz. Die Hafenverwaltungen teilten dann die Nummern den Schiffen zu.

Jeder Registerhafen schrieb Registernummern und Schiffsnamen in Appropriation Books, einen Begriff, den man vielleicht mit Zuteilungsregister übersetzen könnte.

Alle Häfen sandten wiederum ihre Einträge an das Board of Trade, der zentralen Behörde für Industrie und Handel, wo die Einträge in ein Zentralregister (engl. ledger) zusammengefasst wurden. Heute werden diese Zentralregister im Registry of Shipping and Seamen in Cardiff (Wales) aufbewahrt.

Quelle: http://www.mariners-list.com/site_pages.php?section=Ship+Registers&category=Appropriation+Books+

Die offizielle Registernummer ist auch in den Registern der Klassifikationsgesellschaften zu finden.

Die „Kerman“, exFürth, erhielt in London (Tilbury Docks) die Nummer 136777.

Lloyd's Register 1914-1915, Fürth
Registereintrag der „Fürth“ in Lloyd’s Register 1914 – 1915; persönliche Einsichtnahme am Firmensitz in 71, Fenchurch Street, London im September 2019

Die „Kerman“, exFürth in Lloyd’s Register 1914 – 1915

In Lloyd’s Register, Ausgabe 1914 – 1915 ist die „Fürth“ noch unter der laufenden Nummer 789 zu finden.

Allerdings trägt der Eintrag den nachträglich ergänzten Zusatz

Now named “Kerman,“ See. No. 35 in Supplement

Außerdem ist Kapitän der „Fürth“, W. Richter, durchgestrichen.

Zu den beiden Zahlen hinter seinem Namen: die erste 12 steht für das Jahr, in dem er sein Kapitänspatent erhalten hat, also 1912. Die zweite zwölf steht für das Jahr, indem er das Schiff, also die „Fürth“, übernommen hat. Die „Fürth“ war demnach höchstwahrscheinlich sein erstes Schiff als Kapitän.

Anmerkung: Höchstwahrscheinlich deshalb, weil er die „Fürth“ im September 1912 übernommen hatte und nicht bekannt ist, in welchem Monat er das Kapitänspatent erhalten hatte. Er könnte also in der ersten Jahreshälfte theoretisch ein anderes Schiff geführt haben.

Weiterhin durchgestrichen sind das Unterscheidungssignal, das jetzt mit dem Neueintrag in Großbritannien geändert werden musste und die Überprüfung durch Lloyd’s aus dem April 1914. Ein Surveyor von Lloyd’s hatte das Schiff im Januar 1915 erneut überprüft und die Klasse 100 A1 bestätigt.

Zum Unterscheidungssignal siehe Das Unterscheidungssignal der „Fürth“ und zur regelmäßigen Überprüfung der Schiffe durch Lloyd’s Register siehe Ein Revisionsbericht von Lloyds aus dem Jahr 1912

Über Lloyd’s Register finden Sie hier mehr Informationen: Die „Fürth“ in Lloyd’s Register

Kerman, exFürth, Lloyd's Register 1914-1915
Registereintrag der „Kerman“ im Supplementband von Lloyd’s Register 1914 – 1915; persönliche Einsichtnahme am Firmensitz in 71, Fenchurch Street, London im September 2019.

Der Ergänzungsband (supplement)

Der Eintrag der „Kerman“ im Ergänzungsband liefert weitere interessante Informationen:

Das neue Unterscheidungssignal ist JHTK.

Nach der neuen (britischen) Vermessung hatte die „Kerman“, exFürth jetzt 4397 Bruttoregistertonnen (statt 4229) und 2758 Nettobruttoregistertonnen (statt 2640). Der Eintrag für den Raum unter Deck (3946) wurde nicht geändert.

Zum Thema Vermessung und die unterschiedlichen Interpretationen siehe den Blogartikel: Die Vermessung der „Fürth“

Kapitän Duncanson

Als Kapitän eingetragen ist R. McG. Duncanson. Er hatte erst 1915 Kapitänspatent erhalten und die „Kerman“, exFürth hätte sein erstes Schiff als Kapitän werden sollen.

Robert McGregor Duncanson sollte jedoch nie verantwortlicher Schiffsführer auf der „Kerman“, exFürth werden. Er wurde von der Reederei Frank C. Strick auf ein anderes Schiff beordert.

Duncanson übernahm im Februar 1915 das Schiff „Huntstrick“, exBelgia.
Quelle: https://1915crewlists.rmg.co.uk/document/193485

Über das Schiff der Hamburg-Amerika Linie (HAPAG) hatte ich hier im Blog berichtet, es war eine der ersten Prisen auf der britischen Insel. SIEHE: Das Dampfschiff „Belgia“ der HAPAG: eine der ersten Prisen in Großbritannien

Diese Entscheidung sollte für Duncanson Folgen haben: Auf einer Reise von London nach Thessaloniki wurde die „Huntstrick“, exBelgia am 8. Juni 1917 etwa 80 Meilen westnordwestlich von Kap Spartel (Marokko) am Eingang der Straße von Gibraltar von dem U-Boot U39 der Kaiserlichen Marine unter der Führung von Kapitänleutnant Walter Forstmann torpediert und versenkt. Kapitän Duncanson und 14 Mann Besatzung verloren ihr Leben. Duncanson wurde 62 Jahre alt.

Kerman, exFürth, Lloyd's Register 1914-1915
Registereintrag der „Kerman“ im Supplementband von Lloyd’s Register 1914 – 1915 (Fortsetzung); persönliche Einsichtnahme am Firmensitz in 71, Fenchurch Street, London im September 2019.

Die Anglo-Persian Oil Company (APOC)

Auf der rechten Seite desselben Eintrages sieht man den neuen Eigentümer, die Anglo-Persian Oil Co. Ltd.

Die Länge des Schiffes hatte sich von 387‘8“ auf 389“ erhöht. Allerdings ist das Schiff nicht plötzlich länger geworden, die Briten haben die Länge schlicht anders berechnet.

Ganz rechts kam der Eintrag „moulded depth“ hinzu: 27“9‘.
Moulded Depth ist die Entfernung zwischen der Oberseite des Kiels bis zur Unterseite des Oberdecks auf der Seite des Schiffes.

Frank C. Strick & Co.

Die APOC als Eigentümer hat die Bereederung der „Kerman“, exFürth nicht selbst übernommen. Sie hat damit die Reederei Frank C. Strick beauftragt. Diese Reederei hatte bereits andere Schiffe zwischen Großbritannien und dem Nahen Osten für die APOC im Einsatz.

Auch den Reeder Frank C. Strick und seine verschiedenen Schifffahrtsunternehmen werde ich Kürze mit einem eigenen Artikel im Blog vorstellen.

Kerman, Iran
Das Masjid-Tor in Kerman, 1915, aus: „A History of Persia“ by Percy Molesworth Sykes; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kerman_Masjid_Gate.jpg

Provinz und Stadt Kerman

Benannt hat die Anglo-Persian Oil Company die „Fürth“ nach einer Stadt und gleichnamigen Provinz im Südosten des Iran: Kerman.

Iran grenzte zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Norden an das Russische Kaiserreich und im Osten an Afghanistan und Britisch Indien. Im Süden bilden der Persische Golf und das Arabische Meer (Golf von Oman) eine natürliche Grenze. Im Westen schließlich grenzte der Iran an das Osmanische Reich.

Anmerkung: Für den Iran war auf internationaler Ebene bis 1934 der Name Persien gebräuchlich, erst dann erfolgte die Bezeichnung Iran. Im Land selbst wurde der Name Iran bereits vorher verwendet.

Kerman, Iran, Persia
Karte von Persien mit der Lage von Kerman (unten rechts); zum Vergleich ebenfalls markiert: Teheran (oben Mitte), aus Encyclopedia Britannica 1911; abgerufen auf archive.org

Die Provinz Kerman

Zur Provinz Kerman heißt es in der Encyclopedia Britannica, Ausgabe 1911, dass es sich um eine gebirgige Region handelt mit Erhebungen mit bis über 4400 Metern. Viele Gebiete sind Wüsten, vor allem im Norden und Nordosten. Es gibt aber auch fruchtbares Hochland. Langanhaltender Schnee in den Hochlagen versorgt Quellen und Kanäle mit Wasser und macht Ackerbau möglich.

Wichtige Anbauprodukte waren Baumwolle, Gummi, Datteln und Wolle.

Die Einwohnerzahl der Provinz wird um 1900 mit 700.000 angegeben, davon ein Drittel Nomaden.

Hafenstadt der Provinz war Bandar Abbas (heute Provinz Hormozgan), das allerdings damals schon Bedeutung verloren hatte. Wichtiger war der weiter westlich gelegene Hafen Bushire (Buschehr, Bushehr).

„Bandar Abbas is the natural outport; but, since shipping has shown a preference for Bushire farther west, the trade of Kerman has greatly fallen off.”

Kerman, Iran, Persien, vor 1906
„Tuinen van Bagh-i-Zirisf, te Kirman“, ohne Datum, Quelle: Project Gutenberg Literary Archive Foundation: De Aarde en haar Volken, Jaargang 1906. HAARLEM, H. D. TJEENK WILLINK & ZOON; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tuinen_van_Bagh-i-Zirisf,_te_Kirman.jpg

Die Stadt Kerman

Die Stadt Kerman liegt auf etwa 1850 Metern Meereshöhe und hatte 1910 etwa 60.000 Einwohner.

Offensichtlich war Getreide war dort ein knappes Gut. Dazu heißt es anschaulich in der Encyclopedia Britannica von 1911:

„The neighbouring districts produce little grain and have to get their supplies for four or five months of the year from districts far away. A traveller has stated that is was easier to get a mann (6 ½ lb) of saffron at Kerman than a mann of barley for his horse, and in 1879 Sir A. Houtum-Schindler was ordered by the authorities to curtail his excursions in the province ‘because his horses and mules ate up all the stock’ “.

In der Stadt wurden Teppiche und Filze hergestellt. Die Encyclopedia Britannica schwärmt von der Qualität der Teppiche:

„…, and its carpets are almost unsurpassed for richness of texture and durability.”

Die Stadt verfügte über Post- und Telegrafenbüros, ein britisches und ein russisches Konsulat und eine Filiale der Imperial Bank of Persia.

Zitate aus Encyclopedia Britannica 1911, abgerufen über archive.org.

Anmerkung: Stadt und Provinz Kerman sind nicht zu verwechseln mit der Stadt und Provinz Kermanschah (an der Grenze zum Irak im Westen des Iran).

In zwei Wochen im Blog

Die Vorgeschichte und Anfänge der Anglo-Persian Oil Company. Wie die Gründung eines späteren Weltunternehmens fast scheiterte.

Nachweis Titelbild:
Artikel aus The Daily News, Perth (Westaustralien) vom 08. April 1915; abgerufen auf trove.nla.gov.au

Feurlöschübung, Prinzessin Victoria Luise 1901

Dampfschiff „Fürth“: Sicherheit an Bord

Über Sicherheitseinrichtungen und -maßnahmen

Titelbild: Feuerlöschmanöver an Bord des Dampfers „Prinzessin Victoria Luise“ der Hamburg-Amerika-Linie im Hafen von Bergen (Ausschnitt), aus: Sicherheits-Einrichtungen der Seeschiffe, Oswald Flamm, 1904, Berlin (Verlag Otto Salle); Quelle: Biblioteka Politechniczna Kraków, Quelle: https://repozytorium.biblos.pk.edu.pl/

Anmerkungen:

Der Passagierdampfer „Prinzessin Victoria Luise“ wurde von der HAPAG als Kreuzfahrtschiff im Jahr 1900 in Dienst gestellt. 1901 fanden die ersten Nordlandreisen statt. Das Schiff ging bereits 1906 auf Jamaika verloren.

Ich zweifle die Richtigkeit der Ortsangabe an und denke, dass es sich um den Hafen von Helsinki handelt. Die Silhouette der Kirche rechts im Bild sieht aus wie der Dom von Helsinki.

Oswald Flamm

In einigen vorangegangenen Blogartikeln waren Sicherheitsmaßnahmen und Sicherheitseinrichtungen an Bord der „Fürth“ bereits angeschnitten worden.

Dieser Beitrag fasst das Thema Sicherheit an Bord zusammen und gibt neue Einzelheiten, wie zum Beispiel zu den Rettungsbooten und deren Ausstattung. Außerdem habe ich zum Thema einige schöne Aufnahmen gefunden. Sie stammen aus einem Buch mit dem Titel Sicherheits-Einrichtungen der Seeschiffe (1904). Der Autor ist Oswald Flamm, Professor der Technischen Hochschule zu Charlottenburg.

Flamm (1861 – 1935) war ein führender deutscher Schiffbau-Ingenieur und bereits mit 33 Jahren Professor. Er war maßgeblich an der Gründung der Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau in Berlin beteiligt sowie Mitbegründer der Schiffbautechnischen Gesellschaft und des Flottenvereins.
(https://www.deutsche-biographie.de/gnd116588284.html#ndbcontent)

Oswald Flamm 1907

Portrait von Oswald Flamm, Aufnahme von Rudolf Dührkoop, 1907, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Rudolf_D%C3%BChrkoop_-_Oswald_Flamm_(1907)_(KTHzB).jpg

Die Boote

Der Frachtdampfer „Fürth“ verfügte über 5 Boote, die sich auf dem Bootsdeck über dem Maschinenhaus befanden.

Von den fünf Booten war eines ein sogenanntes Arbeitsboot und die vier anderen Rettungsboote. Alle Boote waren aus Holz.

Für die Abmessung der Boote greife ich den Generalplan des Schwesterschiffes „Reichenbach“ zurück, für ihre Ausstattung auf die Inventarliste des Schwesterschiffes „Neumünster“.

Siehe dazu die Artikel Pläne zur Rekonstruktion des Dampfschiffes „Fürth“ und Dampfschiff „Fürth“: In der Kapitänskajüte

Das Arbeitsboot

Sobald die „Fürth“ in einem Hafen auf Reede lag, also nicht an einem Kai, brauchte die Besatzung ein Boot, um an Land zu gelangen. Außerdem diente das Arbeitsboot für Arbeiten am äußeren Rumpf und für andere seemännische Arbeiten.

Es hatte Abmessungen von etwa 5,8 m x 1,8 m x 0,7 m (Länge x Breite x Höhe) und war damit kleiner und handlicher als die größeren Rettungsboote.

Es verfügte über sechs Riemen, ein Ruder, eine Pinne und einen Mast. Segel waren laut Inventarbuch nicht vorgesehen, an Bord des Arbeitsbootes der „Neumünster“ waren jedoch deren zwei im Istbestand.

An zusätzlichem Equipment waren ein Bootshaken, ein Ösfass, eine Fangleine und zwei Manntaue an Bord.

Anmerkung: Ein Manntau ist ein Tau, welches über Bord hängt und dazu benutzt wird, an Bord zu klettern. Ein Ösfass ist ein Eimer zum Schöpfen von Wasser. Er ist in der Regel auf einer Seite abgeplattet.

Zu Wasser gelassen konnte das Arbeitsboot über zwei Davits mit Taljen. Es befand sich auf dem Bootsdeck an Steuerbord zwischen zwei Rettungsbooten.

Davits, Rettungsboote 1904

Aufstellung der Boote mit gewöhnlichen Davits; aus: Sicherheits-Einrichtungen der Seeschiffe, Oswald Flamm, 1904, Berlin (Verlag Otto Salle); Quelle: Biblioteka Politechniczna Kraków, https://repozytorium.biblos.pk.edu.pl/

Die Rettungsboote

Die vier Rettungsboote hatten leicht voneinander abweichende Dimensionen. Ihre Länge betrug etwa sieben Meter. Die Breite war etwa 2,20 Meter, die Gesamthöhe betrug etwa 0,75 Meter.

Die Boote befanden sich auf dem Bootsdeck an Backbord (Boot I und Boot II) und an Steuerbord (Boot III und Boot IV).

Zu Wasser gelassen wurden die Rettungsboote mit 2 Davits, ein Manntau diente dazu, an Bord zu klettern.

Bootsdeck, Reichenbach 1907

Bootsdeck, Ausschnitt aus dem Generalplan der „Reichenbach“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg (Ref. FSG_267). Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass sämtliche Bildrechte beim Schifffahrtsmuseum Flensburg liegen und jegliche Nutzung dieses Bildes der Genehmigung des Rechteinhabers bedarf.

Jedes Boot verfügte über:

8 Riemen
9 Scepter oder Dollen (Rudergabel, Ruderlager)

1 Fangleine
1 Ruder
1 Pinne

1 Mast
1 Segel

2 Bootbeile
1 Bootcompass
1 Oeltank
1 Oelbeutel
2 Wasserfässer mit Pumpe
1 Brottank

1 Lampe
2 Bootshaken
1 Oesfass
1 Dragge
1 Treibanker
1 Segelbezug
1 Dokumentenkasten
2 Pflöcke für Wasserlöcher

Das Öl diente zur Beruhigung der See bei Schwerwetter (Siehe dazu den Blogbeitrag: Tagebuch (11): Die „Fürth“ in den Roaring Forties). Es musste verpflichtend in jedem Rettungsboot an Bord sein. Eine Dragge ist ein kleiner Anker.

Die Überholung der Boote hatte nach den Unfallverhütungsvorschriften der See-Berufsgenossenschaft einmal jährlich zu erfolgen. Aus eigenem Interesse haben die Kapitäne dies aber sicher bei jeder Fahrt mindestens einmal durchführen und dabei auch das Wasser in den Wasserfässern erneuern lassen, ebenso wir die Notration Brot im Brottank.

Im Logbuch der „Fürth“ aus dem Jahr 1914 ist die Überholung der Boote auf der letzten Fahrt zweimal verzeichnet (4. Juni und 25. Juli 1914). SIEHE: Das Schiffstagebuch der „Fürth“ – eine Einleitung

Cymric 1910 lifeboat

Rettungboote auf der „Cymric“, 1910, Bain News Service, Library of Congress, Washington DC; https://www.loc.gov/item/2014698987/

Anmerkung: Die “Cymric” war ein Passagierdampfer der britischen White Star Line.

Prinzessin Victoria Luise 1901

Rettungsbootmanöver, Dampfschiff „Prinzessin Victoria Luise“ der Hamburg-Amerika-Linie bei Gudvangen (Nærøyfjord, Norwegen); aus: Sicherheits-Einrichtungen der Seeschiffe, Oswald Flamm, 1904, Berlin (Verlag Otto Salle); Quelle: Biblioteka Politechniczna Kraków, https://repozytorium.biblos.pk.edu.pl/

Die Bootsrolle

Jeder Seemann hatte im Notfall seinen fest zugewiesenen Platz in einem der Boote. Diese Aufteilung der Besatzung auf die Rettungsboote wurde in der Bootsrolle bestimmt. Dieses Dokument musste an Bord bei Beginn einer Fahrt ausgehängt werden.

„Die gesamte Schiffsbesatzung ist nach einer Bootsrolle auf die Boote und Klappboote einzuteilen, und an jedem Boot müssen die Nummern der dafür bestimmten Leute angeschlagen sein. Offiziere und Unteroffiziere sind auf die Boote gleichmäßig zu verteilen.“ (§ 54 Einteilung der Besatzung, Auszug aus dem Gesetz über das Auswanderungswesen; Quelle: Hilfsbuch für den Schiffsbau: https://link.springer.com/content/pdf/bbm%3A978-3-642-50701-4%2F1.pdf)

Lifeboat

Männer in einem Rettungsboot unter Segel, Aufnahmedatum unbekannt (1900-1954), Fotograf: Allan C. Green, State Library Victoria, Ref. H91.325/1876

Übungen im Rudern

Zur Sicherheit an Bord gehörten regelmäßige Übungen im Rudern der Rettungsboote. Die Anweisung lautete, diese Übungen „bei passender Gelegenheit“ durchzuführen.

Auf der letzten Australienfahrt der „Fürth“ ließ Kapitän Richter ein Bootmanöver im Hafen von Adelaide durchführen. Im Logbuch verzeichnete er

Machten Bootsmanöver:

sämtliche Rettungsboote wurden ausgeschwungen, die B.B. Boote zu Wasser gelassen, bemannt u. die Mannschaft im Rudern unterrichtet. Alles in Ordnung.

Der Eintrag erfolgte in roter Farbe.

Bootsmanöver 24. Juli 1914

Logbuch der „Fürth“, nummerierte Seite 94 (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

Prinzessin Viktoria Luise 1901

Übungen im Bootsrudern, Dampfschiff „Prinzessin Victoria Luise“ der Hamburg-Amerika-Linie bei Gudvangen (Nærøyfjord, Norwegen); aus: Sicherheits-Einrichtungen der Seeschiffe, Oswald Flamm, 1904, Berlin (Verlag Otto Salle); Quelle: Biblioteka Politechniczna Kraków, https://repozytorium.biblos.pk.edu.pl/

Rettungsgeräte und Signalmittel

An Bord der „Fürth“ waren folgende Rettungsgeräte:

2 Signalbälle
45 Korkwesten
2 Rettungsringe mit Wasserlicht
4 Rettungsringe ohne Wasserlicht
1 Rauchhelm mit Zubehör
2 Längen Feuerschläuche à 20 Meter
1 Schlauchspritze (Messing)

Ein Rauchhelm war ein Vorläufer der Atemschutzmaske. Seeleute mussten den Träger des Rauchhelms mittels einer Pumpe mit Atemluft versorgen, die ihm über einen Schlauch zugeleitet wurde. Der Rauchhelm gehörte zur Pflichtausrüstung eines Dampfschiffes.

Es war eine Reederei interne Regelung, dass auf jeder Reise eine Übung mit dem Rauchhelm, ein Schottenmanöver und Feuerlärm durchgeführt werden mussten.

Beim Schottenmanöver wurde das Schließen der Schotten geübt; Trennwände, die im Fall eines Wassereintritts an einer Stelle, die übrigen Schiffsteile wasserdicht abschließen konnten und so die Schwimmfähigkeit garantierten. Auch im Brandfall verhinderte ein Schließen der Schotten eine Ausbreitung eines Feuers auf andere Bereiche des Schiffes.

Als Feuerlärm wurde eine Feuerschutzübung bezeichnet. Jeder Seemann hatte eine bestimmte Aufgabe. Diese wurde in der sogenannten Feuerrolle beschrieben. Die Feuerrolle gehörte zu den Pflichtaushängen an Bord.

Baltische Korkenfabrik

Anzeige von Eugen Pfotenhauer & Co., Kiel in HANSA, Deutsche nautische Zeitschrift, August 1912; Quelle: digishelf.de

An Signalmitteln waren in drei Feuerwerkskästen an Bord:

24 Kanonenschläge
24 Blaulichter
12 Rotlichter
24 Raketen

Kanonenschläge, Rotlichter und Raketen für den Notfall; Blaulichter (Blaufeuer) dienten nachts zur Anforderung von Lotsen und wurden im Abstand von 15 Minuten abgebrannt.

Berckholtz Kunstfeuerwerkerei 1912

Anzeige der Fa. Berckholtz in HANSA, Deutsche nautische Zeitschrift, Januar 1912; Quelle: digishelf.de

Auf dem Dampfschiff „Fürth“ ist der Notfall in den Jahren 1907 – 1914, als das Schiff für die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft in Hamburg in Fahrt war, zum Glück nie eingetreten. Zumindest ist mir keine Quelle bekannt, die darüber berichtet hätte.

Das von einer Fahrt der „Fürth“ erhaltene Logbuch weist darauf hin, dass die Sicherheits-Übungen von den Kapitänen regelmäßig durchgeführt wurden und dies zum Teil sogar über die gesetzlichen Vorschriften hinaus.

Logbuch Fürth 1914

Logbuchseite mit den Sicherheitsvorschriften und deren Durchführung; mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

Sangajolwerke Hamburg

Dampfschiff „Fürth“: Seemännische Arbeiten an Bord

Roststechen, Farbe ausbessern, kalfatern, Tauwerk bekleiden, Ladegeschirr überprüfen und anderes mehr

In den Logbucheinträgen des Dampfschiffes „Fürth“ waren Routinearbeiten an Bord verzeichnet, mit denen die Mannschaft auf den langen Fahrten durch den Atlantik und den Indischen Ozean beschäftigt war.

Heute möchte ich mich diesem Thema von anderer Seite annähern.

Ausgangspunkt sind in diesem Beitrag historische Anzeigen der Hersteller von Schiffsbedarf aus dem Jahr 1913 in der Deutschen nautischen Zeitschrift HANSA, der führenden Fachzeitschrift für die Seefahrt.

Es sind zum einen schöne Beispiele für Anzeigenwerbung für Geschäftskunden zu Beginn des 20. Jahrhunderts oder frühes B-to-B Marketing, um es moderner auszudrücken.

Zum anderen geben die Anzeige einen Einblick in das verwendete Material, wobei wir heute nicht mehr nachvollziehen können, welches Unternehmen Lieferant der Deutsch-Australischen-Dampfschiffs-Gesellschaft war, der Reederei, der das Dampfschiff „Fürth“ gehörte.

Inventarliste

Einen weiteren Hinweis auf die seemännischen Arbeiten an Bord gibt uns die Inventarliste eines Schwesterschiffes der „Fürth“, dem Frachtdampfer „Neumünster“. SIEHE: Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Neumünster“ und Dampfschiff „Fürth“: In der Kapitänskajüte

Aus der Liste erfahren wir, welche Ausstattung an Bord war. Zum Beispiel erhalten wir Informationen zu Ladegeschirr, Trossen, Persenningen und vielem mehr.

Welches Werkzeug an Bord war, um Arbeiten an Bord auszuführen, teilt uns ebenfalls die Inventarliste mit. Unter der Kategorie „Deck-, Boots- und Zimmermannsgut“ finden wir gebräuchliche Dinge, aber auch sehr spezifische Werkzeuge wie einen Kalfathammer oder eine Kleidkeule.

Inventarliste Dampfschiff Neumünster

Inventarbuch des Schiffes „Neumünster“, Ausschnitt Bootsgut, © mit freundlicher Genehmigung des State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.19

Zollformular

Eine weitere Quelle zu den seemännischen Arbeiten ist eine Einfuhrliste für den australischen Zoll, ebenfalls vom Schwesterschiff „Neumünster“. SIEHE : Dampfschiff „Fürth“: Weitere Einblicke in die Bordverpflegung

Neben Lebensmittel- und Getränkevorräten an Bord waren auch genaue Angaben zu Verbrauchsmitteln in die Liste eingetragen worden. Dazu gehören Lacke, Farben, Verdünner, Öle, Reinigungsmittel und andere mehr.

Flügger Hamburg

Anzeige in HANSA, Deutsche nautische Zeitschrift, Februar 1913; http://www.digishelf.de

Roststechen und Streichen

Zu den am häufigsten ausgeführten Arbeiten an Bord gehörte das Rostentfernen („Roststechen“) und das Streichen.

J. D. Flügger

Ein ursprünglich Hamburger Unternehmen, das seit 1783 Lacke und Farben für die Schifffahrt anbietet, ist die Firma Flügger.

Seit 1890 gibt es eine Filiale in Kopenhagen und nach dem Zweiten Weltkrieg (1948) wurde das Unternehmen dänisch.

Flügger A/S ist ein dänisches börsennotiertes Unternehmen mit weltweit mehr als 500 Filialen und einem breiten Sortiment an hochwertigen Farben und anderen Produkten zur Oberflächenbehandlung. Heute ist Flügger eine der ältesten und erfolgreichsten Franchise-Ketten im Bereich Malerfarben und Spachtelmasse.
Quelle: Unternehmens-Webseite; http://www.flugger.de

Aus Marketingsicht ist interessant, dass das Unternehmen bereits 1913 ein eigenes Logo hatte: Eine Libelle mit den Buchstaben JDF und dem Zusatz Eingetr. Schutzmarke.

von Höveling, Hamburg

Anzeige in HANSA, Deutsche nautische Zeitschrift, Januar 1913; http://www.digishelf.de

Emil G. v. Höveling

Ein anderes Unternehmen, bei dem die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft ihre Farben und Lacke bezogen haben könnte, ist die Firma von Höveling.

Diese Firma existiert seit 1879 und ist bis heute ebenfalls im Bereich Farben und Oberflächenbehandlung international tätig.

Mennige ist ein Pigment aus Blei- oder Eisenoxiden. Die Mennige wird mit Terpentin- oder Leinöl vermischt und als Rostschutzanstrich verwendet. Die in der Anzeige beworben Lackmennige war dagegen offenbar sofort streichfähig.

Bleimennige wird heute aufgrund der Giftigkeit immer seltener verwendet, in Deutschland ist der Einsatz inzwischen verboten. Aber auch „technologisch gibt es keinerlei Grund mehr für die weitere Verwendung von Bleiverbindungen in Lacken und Farben“. Zitat: Verband der Deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie, http://www.wirsindfarbe.de

Für die Zeit der Dampfschifffahrt können wir jedoch davon ausgehen, dass Mennige breit eingesetzt wurde.

Sangajolwerke Hamburg

Anzeige in HANSA, Deutsche nautische Zeitschrift, Dezember 1913; http://www.digishelf.de

Terpentinölersatz

Terpentinölersatz als Verdünner und Lösungsmittel für Ölfarben wurde von den Sangajolwerken in Hamburg hergestellt.

Terpentin wurde ursprünglich aus dem Harz von Nadelbäumen gewonnen. Das aus Mineralöl gewonnene Sangajol war ein Terpentinersatzstoff.

Die Sangajolwerke GmbH in Hamburg hatten Schwesterfabriken in Düsseldorf und Regensburg und Tanklager in „Dresden, Riesa, Magdeburg, Leipzig und allen deutschen Hauptplätzen“ (Sangajolwerbung).

Heute hat Terpentinersatz das pflanzliche Terpentin nahezu vollständig verdrängt.

Paul Klökner Hamburg

Anzeige in HANSA, Deutsche nautische Zeitschrift, Juli 1913; http://www.digishelf.de

Kalfatern

Bei Paul Klökner in Hamburg konnte man Werg kaufen. Werg ist ein Material, dass aus Fasern von Hanf, Leinen oder Jute besteht. Die Fasern wurden zu einem groben Garn gedreht und auf ein Knäuel gewickelt.

Das Geschäft von Paul Klökner befand ich an der Adresse Stubbenhuk 35 im Souterrain. Er verkaufte altes Tauwerk und Segeltuch sowie Werg. Sein Geschäft ist auf einem Foto aus dem Jahr 1911 im Hamburger Bildarchiv zu sehen: http://www.hamburg-bildarchiv.de/XAA3261.jpg.

Es dürfte Paul Klökner selbst sein, der auf den Stufen zu seinem Geschäft steht. Darüber: Gastwirthschaft und Frühstück-Local von Paul Zesen. Auch hier steht vermutlich die Inhaberfamilie vor dem Eingang. Im Ausschank war Bill-Bräu, eine Hamburger Brauerei, die von 1899 – 1975 existierte.

Zurück zum Werg: Im Schiffbau diente das Werg zur Abdichtung von Schiffen und Booten. Bei Holzschiffen wurde der ganze Schiffskörper mit Werg abgedichtet, bei stählernen Dampfschiffen wurden die Decksplanken kalfatert.

Beim Kalfatern wird das Werg mit Kalfateisen und Kalfathammer in die Zwischenräume der Planken eingearbeitet. Anschließend werden die Nähte mit Pech verschlossen. Dazu war ein Pechtopf mit Löffel an Bord. Daraus wurde das siedende Pech in die Nähte gegossen. Überstehendes Pech wurde mit Pechschrapern entfernt.

Zur Pechgewinnung wurde Baumharz von sogenannten Pechern in Kieferwäldern (sog. Pechwäldern) den Bäumen entnommen und in Fässern gesammelt. In Pechhütten wurde das Harz dann erhitzt und destilliert. Dabei trennte sich das Pech von den flüchtigen Bestandteilen (Pechöl) und Wasser.

„Das so gewonnene Pech hatte dunkle Farbe, zersprang in der Kälte wie Glas und diente zum Kalfatern des Schiffsrumpfes (Schiffspech), zum Steifen des Schuhmacherzwirns (Schusterpech), zum Auspichen der Bierfässer (Pichpech), zur Herstellung von wasserdichten Kitten, Terpentinöl, Kolophonium (Geigenharz), Heilsalbe, Wagenschmiere, Schuh- und Lederpasten.“
Quelle: Verschwundene Arbeit, Rudi Palla, Brandstätter Verlag, München und Wien, 2. Aufl. 2010.

Eine schöne und sehr viel ausführlichere Beschreibung des Kalfaterns finden Sie hier: https://www.dbsv.de/sites/default/files/bootswirtschaft/pdf/Kalfatern.pdf

Iburger Seilindustrie

Anzeige in HANSA, Deutsche nautische Zeitschrift, Juni 1913; http://www.digishelf.de

Arbeiten am und mit Tauwerk

Tauwerk bestand auf dem Dampfschiff „Fürth“ aus Naturfasern wie Hanf oder aus Stahldraht.

Tauwerk ist bei nahezu allen seemännischen Arbeiten im Einsatz: beim Festmachen oder dem Verholen des Schiffes im Hafen, beim Setzen der (Stütz-)Segel ebenso wie beim Be- und Entladen. Die Seeleute verwenden bei diesen Arbeiten eine Vielzahl von Seemannsknoten, wie den Palstek, den Webeleinstek oder den Stopperstek.

Als sogenanntes stehendes Gut waren Stahlseile auf der „Fürth“ zur Abspannung der zwei Masten zu finden. Diese Abspannung war fest, daher der Name stehendes Gut. Laufendes Gut waren zum Beispiel die Taue zum Bedienen der Stützsegel: Falle, Schote, Baumniederholer.

Nicht verwendetes Tauwerk wird aufgeschossen (in Buchten zusammengelegt).

Tauwerk wird zur besseren Haltbarkeit mit Labsal eingerieben, gelabsalbt. Das Labsal ist ein Anstrich aus Holzteer, Firnis und Terpentinöl.

Die Stahltrossen wurden regelmäßig von der Mannschaft geölt. Tauwerk wurde mit einem Fitt oder Marlspieker gespleißt, um es zu verbinden oder um einen Ring (Auge) zu bilden. Betakelt wird Tauwerk, damit der Tampen sich nicht aufdreht.

Anmerkung: Ein Tau nennt der Seemann Ende oder Leine. Anfang und Ende heißen Tampen. Aber auch kurze Stücke Tauwerk werden als Tamp(en) bezeichnet. Schwere Leinen sind Trossen, sehr dünne Bändselgut.
Quelle: Seemannschaft, Handbuch für den Yachtsport, Delius-Klasing, 24. Aufl. 1996, Bielefeld.

Bekleiden

Eine andere Arbeit zum Schutz des Tauwerks vor den Einflüssen der Witterung und vor Schamfilen (Scheuern) ist das Bekleiden (Bekleeden). Dabei wird eine Leine mit einem sogenannten Schiemannsgarn, einer dünnen Hanfleine umwickelt. Das dafür benutzte Werkzeug heißt Kleidkeule:

Kleidkeule, cylinderförmiger Schlägel, dessen Handgriff in einer der geraden Flächen fest ist u. dessen Kopf hohl ausgeschnitten ist, um das zur Bekleidung des Taues dienende Schiemannsgarn hinein zu legen u. durch Herumführen der Keule um das Tau auf dieses zu winden.
Pierers Universallexiko, 1860, https://digitale-bibliothek-mv.de/viewer/image/PPN786416440/566/

Eine Kleidkeule sieht einem Holzhammer ähnlich, im Englischen heißt dieses Werkzeug daher serving mallet.

Trossen an Bord

Eine Übersicht über die an Bord befindlichen Trossen gibt die Inventarliste:

Trossen und Zubehör, Dampfschiff Neumünster 1914

Inventarbuch des Schiffes „Neumünster“, Ausschnitt Trossen, © mit freundlicher Genehmigung des State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.19

Ein Manila-Vorläufer wurde zum Beispiel bei starkem Schwell mit den Vertäutrossen aus Stahl verbunden, da Manilahanf im Gegensatz zu den Stahltrossen dehnbar ist und Schiffsbewegungen abfedern kann.

Iberger Seil-Industrie

Ein Hersteller für Stahltrossen war die Iburger Seil-Industrie (siehe Anzeige oben).

In Iburg (Landkreis Osnabrück) hat die Seilindustrie eine lange Tradition. Ursprünglich wurde Seile aus Hanf gefertigt und ab dem 19. Jahrhundert auch aus Draht. Drahtseile lösten im Bergbau die bis dahin eingesetzten Förderketten ab. Für die Schifffahrt wurden verzinkte Stahlseile für das stehende und laufende Gut (siehe oben) hergestellt.

Hinrich Bötjer, Bremer

Anzeige in HANSA, Deutsche nautische Zeitschrift, Oktober 1913; http://www.digishelf.de

Bremer Seilwaren-Industrie

Ein anderer Lieferant, der sich als Ausrüster für Tauwerk anbot, war die Firma von Hinrich Böttjer, die Bremer Seilwaren-Industrie.

Dieses Unternehmen besteht bis heute als ein Unternehmen der Verpackungsindustrie fort (HBW-Pack).

August Brückmann, Hamburg

Anzeige in HANSA, Deutsche nautische Zeitschrift, Oktober 1913; http://www.digishelf.de

August Brückmann

In direkter Nachbarschaft zu Heinrich Klökner im Stubbenhuk 35 (siehe oben) war ein Lager der Tauwerkfabrik August Brückman. Hier gab es „Tauwerk von russ. Hanf, Manilahanf und deutschostafrikanischem Hanf, Kokosfaser, Stahl- und Eisendraht“.

Iven Söhne Hamburg

Anzeige in HANSA, Deutsche nautische Zeitschrift, Oktober 1913; http://www.digishelf.de

Reparaturen an Segeln, Markisen und Persenningen

P. H. Iven Söhne

Die Firma P. H. Iven Söhne war Hersteller von Segeln, Markisen, Flaggen, Persenni(n)gen und Decken. Als Dienstleistung bot das Unternehmen die Imprägnierung von Persenningen an.

All diese Dinge waren an Bord der „Fürth“ und an den anderen Schiffen der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft.

Segel

An Bord waren vier Segel, die als Stützsegel Verwendung fanden:

1 Stagfock mit Fall, Schoot und Niederholer
1 Schoonersegel mit Fall, Schoot und Niederholer
1 Grosssegel mit Fall, Schoot und Gaitau
1 Grosstagsegel mit Fall, Schoot und Niederholer
Quelle: Inventar-Buch des Schwesterschiffes „Neumünster“, State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1

Markisen, Flaggen und Persenninge

Markisen waren in Form von Sonnensegeln an Bord, die zur Abschattung des Decks in heißen Fahrgebieten dienten.

Jedes Schiff musste auch verschiedene Flaggen führen und die Persenninge waren Planen zur Abdeckung der Ladeluken. Auf großer Fahrt wie nach Australien, war eine dreifache Abdeckung der Ladeluken vorgeschrieben.

„Der Schwachpunkt auf diesen alten Schiffen war aber die Abdeckung der Ladeluken. Diese doch recht großen Öffnungen im Deck (ca. 9 x 12 m) waren durch stählerne Scheerstöcke in Compartments unterteilt und diese Compartments wurden mit hölzernen Lukendeckeln abgedeckt, die mit den Schmalseiten auf den Scheerstöcken lagen. Über diese Abdeckung wurden dann 3 wasserdichte Segeltuchpersennige gelegt, die rundherum mit stählernen Schalklatten und hölzernen Keilen festgekeilt (verschalkt) wurden. Querschiffs wurden dann über die Persenninge noch Verschlusslatten gelegt und fest mit dem Lukensüll verschraubt. Dies war eine altbewährte und sichere Methode, die Ladeluken seefest und wasserdicht zu verschließen.“
Quelle: Seegeschichten von Kapt. Erwin Schwarz; https://www.klinkrade.de/menschen/seegeschichten-von-kapt-erwin-schwarz/seegeschichten-2

Segelreparaturen an Bord waren notwendig, denn die Segel konnten bei Starkwind Schaden nehmen.

Im Logbuch der „Fürth“ heißt es zum Beispiel am 3. Juni 1914:

Großschoonersegel flog aus den Linken, wurde abgeschlagen zur Reparatur.
Quelle: Logbuch der „Fürth“, National Museum Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

Bootsmannsnaht

Die meist verwendete Methode zur provisorischen Segelreparatur war die Bootsmannsnaht, die mit einem Segelmacherhandschuh, Nadel und Garn durchgeführt wurde. Hiermit konnten und können die meisten Risse im Segel vernäht werden.

Flicken

Bei mehr dreidimensionalen Löchern sind Flicken notwendig, die idealerweise aus demselben Material wie das Segel selbst bestehen. Zur Reparatur wird zunächst ein kleiner Flicken um die Schadstelle mit einer Zick-Zack-Naht vernäht, dann noch ein größerer Flicken, ebenfalls mit Zick-Zack vernäht.

Segel, Markisen, Persenninge und Flaggen gab es ebenfalls bei der Segelmacherei Mackens und Edelmann in Hamburg, die bereits 1856 von H. Mackens und C. Edelmann gegründet worden war:

Mackens & Edelmann, Hamburg

Anzeige in HANSA, Deutsche nautische Zeitschrift, Oktober 1913; http://www.digishelf.de

Überholen des Ladegeschirrs

Als Schiffsausrüster für das Be- und Entladen der Schiffe machte die 1874 gegründete Leipziger Firma Meier und Weichelt Werbung in der Zeitschrift HANSA. Es war eine Eisen-, Stahl- und Tempergießerei sowie eine Eisenwarenfabrik.

Das Unternehmen bewarb in der Anzeige Ladeblöcke, Kloben und Rollen.

Diese sind Bestandteile von Flaschenzügen (Taljen) und damit Bestandteil des Ladegeschirrs.

In den Häfen war das einwandfreie Funktionieren des Ladegeschirrs unumgänglich, damit die Liegezeiten so kurz wie möglich gehalten werden konnten.

Das Überholen des Ladegeschirrs gehörte daher zu den Routinearbeiten an Bord:

Versehen das Ladegeschirr
aus: Logbuch der „Fürth vom 8. Mai 1914

Meier & Weichelt, Leipzig

Anzeige in HANSA, Deutsche nautische Zeitschrift, November 1913; http://www.digishelf.de

Die „Fürth“ hatte zwei Masten an denen jeweils 4 Ladebäume mit einer Tragkraft von 5 Tonnen befestigt waren. Am vorderen Mast gab es zusätzlich einen Schwergut-Ladebaum für Lasten bis 15 Tonnen.

Dazu kamen auf dem Frachtdampfer 5 kleinere Pfahlmasten, mit einem Ladebaum vorne, mit deren zwei mittschiffs und ebenfalls zwei hinten. Die mittleren Ladebäume hatten 5 Tonnen Tragkraft, die hinteren 2 Tonnen (vorne fehlt mir die Angabe).

Somit standen 13 Ladebäume zum Laden und Löschen von Fracht, Proviant usw. zur Verfügung.

Ein Erfahrungsbericht

Bis in die 50er/60er Jahre wurde auf Frachtgutschiffen mit Ladebäumen gearbeitet. Ein Seemann erinnert sich:

„Wurde mit „eigenem Geschirr“, also den Ladebäumen des Schiffes gelöscht oder geladen, mussten zwei Mann an jeder Seite an den Geien (eine Art Flaschenzüge) stehen und den Ladebaum in die Mitte der Luke schwingen. Der Mann an der Winde fierte (senkte) das Stahlseil wie bei einem Kran mit dem Haken in den Laderaum. War die Last dort angeschlagen, wurde sie nach oben gehievt, bis sie frei über der Luke hing. Nun wurde der Ladebaum durch die Geien per Hand durch zwei Leute nach außenbords geschwenkt bzw. gezogen, wobei die Gei innenbords langsam gefiert (in diesem Fall vorsichtig nachgegeben) werden musste. Schwebte die Last außenbords, wurde sie mit der Winde gefiert und von Hafenarbeitern an Land abgeschlagen. Der Baum wurde dann ohne Last mittels der Geien wieder innenbords geschwenkt. Der Vorgang wiederholt sich solange, bis das Schiff gelöscht war. Für die Leute an den Geien war es harte Knochenarbeit, und meistens mussten wir Junggrade die Geien bedienen.“

aus: Ein Leben auf See: Erinnerung an die Seefahrt der 1950er bis 90er Jahre, E. Feith; Hrsg. J. Ruszowski, Bd. 5 in der maritimen gelben Zeitzeugen-Buchreihe; Neobooks, Berlin; Ausschnitt abgerufen über books.google.fr

Nächste Woche im Blog

Sicherheit an Bord des Dampfschiffes „Fürth“:

Ein Artikel zu Sicherheitseinrichtungen und -maßnahmen mit schönen Aufnahmen aus dem 1904 erschienen Buch mit dem Titel Sicherheits-Einrichtungen der Seeschiffe des deutschen Schiffbau-Ingenieurs Oswald Flamm.

Lisbon, Lisboa, 1919

Das Dampfschiff „Fürth“ in Lissabon

Über Hafengebühren, das Unternehmen Marcus & Harting, portugiesische Exporte nach Australien sowie das verhängnisvolle Jahr 1916

Titelbild: Stadtansicht von Lissabon, 1919, Quelle: Library of Congress, Bain Collection, Quelle : https://www.loc.gov/item/2014680063/

Einleitung

Über die von der „Fürth“ und anderen Schiffen der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) regelmäßig angelaufenen europäischen Häfen Hamburg, Rotterdam, Amsterdam und Antwerpen habe ich hier im Blog des Öfteren berichtet.

Ein Hafen, von dem ich bislang sehr wenige Informationen hatte, ist Lissabon. Dieser Artikel bringt nun ein wenig Licht ins Dunkel.

Ganz dunkel wurde es für die in Portugal lebenden Deutschen im Jahr 1916. Nach der Kriegserklärung Deutschlands mussten Deutsche und deutschstämmige Portugiesen das Land umgehend verlassen.

Beginnen wir jedoch in den Jahren zuvor.

Von Lissabon nach Australien

Lissabon wurde auf der Ausreise nach Südafrika und Australien von den DADG-Linien 3 und 4 bedient:

Linie 3
Hamburg – Antwerpen – Lissabon nach Südafrika und Australien,
zurück über östliche Häfen

Linie 4
Hamburg – Antwerpen – Lissabon nach Südafrika und Australien, Queensland, Makassar und Java
zurück nach Marseille, Amsterdam und Hamburg

Quelle: Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Otto Harms (1933); Schröder & Jeve, Hamburg.

Für das Dampfschiff „Fürth“ sind zwischen 1907 und 1914 fünf kurze Aufenthalte in Lissabon dokumentiert. Über einen davon gibt das Logbuch der „Fürth“ nähere Auskunft. SIEHE: Tagebuch der „Fürth“ (7): von Antwerpen nach Lissabon und Von Lissabon nach Kapstadt: Das Logbuch der „Fürth“ (8)

Oldenburg-Portugiesische 1912

Die Oldenburg-Portugiesische Dampfschiffs-Reederei hatte einen regelmäßigen Linienverkehr von Hamburg nach Porto und Lissabon, Makler dieser Reederei war ebenfalls Marcus & Harting; Anzeige in HANSA 1912 (digishelf.de)

Hafengebühren

Eine Vorstellung über die Hafengebühren in Lissabon gibt der folgende Artikel aus der Zeitschrift HANSA im Jahr 1912:

Hafengebühren von Lissabon.

Ein Erlaß des Präsidenten der Republik Portugal verordnet zur Betriebsverwaltung des Hafens von Lissabon:

Anlegen der Schiffe an den Kai:

Artikel 1. Aus ausländischen und einheimischen Häfen kommende Dampfer und Segelschiffe bezahlen für das Anlegen an den Kaien: für jede Netto-Register Tonne 30 reis. Diese Gebühr gibt das Recht auf einen Liegetag zum Löschen oder Laden von 100 Tonnen für Segelschiffe und 200 Tonnen für Dampfer.

Artikel 2. Im Einklang mit der Bestimmung der Basis 1 des Gesetzes vom 11. März 1907 wird von jedem Schiff, das in den Hafen von Lissabon einläuft und in dem Becken zwischen dem Turm von Belem und einer Linie 3500m oberhalb der äußersten östlichen Ecke des Kais von Santa Apolonia ankert, mit Ausnahme der einheimischen Fischereifahrzeuge und der Küstenfahrzeuge erhoben: für jede Brutto-Register-Tonne 15 reis. Ein dieser Gebühr entsprechender Betrag wird bei der Bezahlung der Kaigebühr in Anrechnung gebracht, wenn die Schiffe an den Kaien liegen. Zusatzparagraph: Diese Gebühr unterliegt folgenden Ermäßigungen: a) von 60 % für portugiesische Schiffe, b) von 50 % für Schiffe ausländischer Gesellschaften, die einen regelmäßigen Dienst nach Lissabon unterhalten, c) von 40 % für Schiffe fremder Flaggen nach der dritten Reise im Jahre, d) von 75 % für die unter b) genannten Schiffe, wenn sie nicht länger als 24 Stunden im Hafen bleiben.

Hansa, Deutsche nautische Zeitschrift, Februar 1912, S. 134

 

Hafengebühren der „Fürth“:

Für die im Tagebuch der „Fürth“ dokumentierte Reise errechnen sich die Hafengebühren demnach folgendermaßen:

Das Schiff ankerte am 7. Mai 1914 sechs Stunden und fünfzehn Minuten im Hafen (also weniger als 24 Stunden), es lag nicht am Kai. Die Basis der Berechung sind daher 15 portugiesische Reis.

15 Reis mal 4229 BRT = 63 435 Reis; minus Ermäßigung von 75 %, da ein regelmäßiger Dienst nach Lissabon erfolgt und das Schiff weniger als weniger als 24 Stunden im Hafen war. Das ergibt eine Summe von 15 859 Reis.

1 Mark entsprach 0,220 Milreis, 1 Milreis = 1000 Reis

15,86 Milreis waren demnach 72,01 Mark, die an Hafengebühren in Lissabon fällig waren.

Marcus & Harting (I)

Der Makler der DADG und fast aller deutschen Reedereien in Lissabon war die Firma Marcus & Harting.

Inhaber des Unternehmens waren Otto Marcus (1856 – 1930) und sein Juniorpartner Friedrich Wilhelm Harting (1871 – 1941). Dem Unternehmen gehörten zwei Schleppschiffe im Hafen von Lissabon: Castor und Pollux.

„Essa agência representava a quase totalidade dos armadores alemães, cujos navios demandavam portos portugueses. Era proprietária de dois rebocadores a operar no porto de Lisboa com nomes Castor e Pollux.”

Für die Passagiere der deutschen Schiffe, die in Lissabon anlegten, hatte Otto Marcus 1914 einen Reiseführer für Lissabon und Umgebung geschrieben und unter dem Namen des Unternehmens Marcus & Harting veröffentlicht.

Lissabon und Umgebung, 156 S., Marcus und Harting (1914), gedruckt von Druckerei-Gesellschaft Hartung & Co., m.b.H., Hamburg.

Informationen und Zitat aus:
Empresários e Téchnicos Alemães Residentes em Lisboa e a Grande Guerra de 1914–1918, 2.o Colóquio sobre a Grande Guerra de 1914-1918, 11 de Novembro de 2016; Bernardo Jerosch Herold, Academia das Ciências de Lisboa; http://www.acad-ciencias.pt

Sonst ist – zumindest nach Online-Recherche – nicht viel über das Unternehmen in dieser Zeit bekannt. Zur späteren Geschichte siehe unten.

Frachten ab Lissabon

Über die nach Australien verschifften Güter gibt ein spezieller Frachttarif Auskunft, den die DADG in ihrem Jahrbuch speziell für den Hafen Lissabon erstellt hatte. Zum Jahrbuch siehe: Die Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft 1914

Darin sind sieben Positionen verzeichnet:

Mandeln, Kakao, Eier und Konserven in Kisten
Kartoffeln und Zwiebeln in Kisten
Kork (cork and corkwood)
Salz in Säcken
Sardinen in Kisten
Wein in Fässern
Wein in Kisten

freight tariff, Lisbon, Australia, 1914

Frachtraten für Lissabon nach Australien; aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

In der Tabelle erkennt man, dass einige Güter in Kubikmeter (cbm), andere dagegen pro Tonne (1000Kg) berechnet werden. Das war gängige Praxis.

Die Angabe der Frachttarife ist in Shilling. Ein Shilling hatte 12 Pennies. Die Angabe 27/6 sind also 27 Shilling und 6 Pennies.

Über Frachtraten und -tarife habe ich einen Blogartikel verfasst; siehe mehr zu diesem Thema unter:  Dampfschiff „Fürth“: Frachtraten nach Australien

Die Frachttarife für West- und Südaustralien waren ab Lissabon höher als diejenigen für die anderen australischen Häfen, da für Fremantle und Post Adelaide in Kapstadt eine Umladung in die Frachtdampfer der Linie 2 erfolgen musste.

Weitere Frachtraten zu anderen Destinationen, die über Umladungen zu erreichen waren, wurden ebenfalls angeboten. Für einige Destinationen waren zweimalige Umladungen erforderlich.

Die mit Abstand teuerste Frachtrate wurde für das abgelegene Burketown an der australischen Nordküste fällig. Für eine Tonne Sardinen belief sich die Fracht auf 35 Shilling bis Townsville und dann nochmal 80 Shilling bis Burketown. Der inneraustralische Tarif war in diesem Extremfall wesentlich teurer, als der Transport von Europa nach Australien. Allerdings hatte Burketown gerade einmal 265 Einwohner (1911); ich kann mir nicht vorstellen, dass jemals eine Tonne Sardinen dorthin verschifft wurde.

Portugiesische Exporte

Das wichtigste Exportprodukt Portugals war 1911/1912 Wein, gefolgt von Kork und Korkprodukten. Etwa die Hälfte des Weines war Portwein; dessen Hauptabnehmer England und Brasilien. Dann folgten Baumwolle und Baumwollgarne, Fischkonserven und Früchte.

Portugese exports 1910 and 1911

Portugiesische Exporte 1910/11 ; The Stateman’s Year-Book, Statistical and Historical Annual of the States of the World for the Year 1913; J. Scott Keltie, M. Epstein (ed.), London 1913; über books.google.fr

Sardinen und Kork

Portugiesische Sardinen erfreuten sich in Australien großer Beliebtheit. Sie waren eine beliebte Speise zur Fastenzeit („lenten season“).

Neben Portugal waren auch Frankreich, Norwegen und Spanien wichtige Lieferländer.

Import Sardines Australia 1911

Australischer Import von Sardinen aus Portugal; Quelle: Daily Commercial News and Shipping List, Sydney, 15. Nov 1911, S. 2 Import Entries

Ein konkretes Beispiel für die Verschiffung von Korkballen ist im Logbuch der „Fürth“ dokumentiert. Nach Freiwerden eines Raums, der für Bunkerkohlen genutzt worden war, wurden Korkballen auf der Fahrt im Atlantik umgelagert:

„Klarten Sparrdeck-Zwischendeck auf L. 3
und schiften Korkballen (Melbourne) von Luke 2 auf Luke 3.“
Quelle: Logbuch der „Fürth“, National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

Sardines

Sardinen; Bild 2427999 auf Pixabay; Wiedergabe in Sepia

Ein besonderer Kundenservice von Marcus & Harting in Lissabon war der Transport von Sardinen aus den Fischereihäfen in Südportugal nach Lissabon.

conveyance of sardines to Lisbon 1914

Sardinentransport nach Lissabon, aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

1916

Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges war Portugal zunächst neutral geblieben. Das änderte sich 1916.

Auf Veranlassung der britischen Regierung beschlagnahmte Portugal am 24. Februar 1916 alle in portugiesischen Häfen liegenden deutschen Schiffe. Das waren insgesamt 72 Schiffe (inklusive der Schiffe in portugiesischen Überseebesitzungen). Das Deutsche Reich erklärte daraufhin Portugal den Krieg.

Die Kriegserklärung vom 9. März 1916 im Wortlaut sowie eine Beschreibung der politischen Umstände im Vorfeld finden Sie im Blog Planet Portugal:

siehe: http://planetportugal.blogspot.com/2011/06/deutsche-kriegserklarung-portugal.html

Die in Portugal ansässigen Deutschen wurden ausgewiesen und flohen nach Spanien, denn der Seeweg war ihnen verwehrt.

Einige Deutsche organisierten in Madrid einen Central-Hilfsausschuß für die Deutschen aus Portugal, unter ihnen Otto Marcus von der Schiffsagentur Marcus & Harting.

Der Aufruf in der deutschen Zeitung in den USA bat um Spenden für die aus Portugal vertriebenen Deutschen, aber auch Österreicher und Ungarn, die gleichermaßen betroffen waren.

Deutsches Journal 1916

Deutsches Journal, New York (Ausschnitt des Artikels); Image 141 of World War history : daily records and comments as appeared in American and foreign newspapers, 1914-1926 ([New York]), October 16, 1916, (1916 October 16-22); Library of Congress, Washington DC. https://www.loc.gov/resource/2004540423/1916-10-16/ed-1/?sp=141&st=text&r=0.066,0.002,0.577,0.547,0

Der Hilfsausschuss setzte sich aus folgenden Personen zusammen:

Der Central-Hilfsausschuß für die Deutschen aus Portugal.
Konsul Dähnhardt, Pastor Garlipp, Johannes Wimmer, Martin
Weinstein, Otto Marcus, Max Wiedemann, Oswald Schmieden,
Eduard Lohmann, Eduard Katzenstein, Gerhard Burmester,
Hans Wimmer.

Die Transatlantic Trust Co., 67 —69 -William Str., New
York City, hat sich bereit erklärt, die Uebermittlung von Unter-
stützungsgeldern an den Central-Hilfsausschuß in Madrid zu be-
sorgen und garantiert deren Auszahlung an denselben.

(Auszug aus der gleichen Quelle).

Marcus & Harting (II)

In Madrid war die Firma Marcus & Harting in der calle Alarcón, 29 eingetragen. Sie stand jedoch auf der „Black List“ der amerikanischen Regierung, Geschäftsbeziehungen mit ihr fielen unter den „Trading with the Enemy Act“
(La Naçion, 24 Julio de 1918; hemerotecadigital.bne.es;
Supplement to Revised Enenemy Trading List, Official U.S. Bulletin; books.google.fr
).

Das galt auch schon für das Unternehmen Marcus & Harting in Lissabon, hier war es die Black List der britischen Regierung aus dem Jahr 1916.

Rückkehr nach Lissabon

Vermutlich in den 20er Jahren kehrte das Unternehmen Marcus & Harting nach Lissabon zurück.

Marcus & Harting, Lissabon, Lisboa

Anzeige Marcus & Harting 1941; Gazeta dos Caminhos de Ferro, No. 1278, Março 1941, Ano LIII; hemerotecadigital.cm-lisboa.pt

Viel später, im Jahr 1971, war Marcus & Harting mit einer Anzeige in der Festschrift zur Hundertjahrfeier des Deutschen Vereins in Lissabon vertreten. Die Geschäftstätigkeit wurde mit SCHIFFAHRT – LUFTFRACHT – REISEBÜRO beworben.
(Anzeige Marcus & Harting 1971, Festschrift zur Hundertjahrfeier des Deutschen Vereins in Lissabon, dvlpt.info).

Das Unternehmen bestand mit einer Tätigkeit als Reiseagentur bis in die 00er Jahre des 21. Jahrhunderts fort. Heute existiert das Unternehmen nicht mehr.

Dieses ehemals bekannte, am Rossio gelegene Reisebüro, dessen Mitinhaber Tilman Schickert zuletzt war, existiert nun auch nicht mehr.
Reiner Drees, Geschichten schaffen Erinnerung – Ein Nachruf auf Tilman Schickert in Portugal-Post Correio luso-hanseático No. 41, Fevereiro, Março e Abril de 2008; http://info.phg-hh.de/PP_PDF/PP41.PDF

Falls Sie ergänzende Informationen über Marcus & Harting, über die Lage der Deutschen im Jahr 1916 oder über andere Themen haben, die in Zusammenhang mit diesem Artikel stehen, freue ich mich über Ihre Nachricht.

sardines pixabay

Sardinen; Bild von Elle Katie auf Pixabay, Wiedergabe in Sepia