Aerger in Melbourne

Die vierte Fahrt der „Fürth“ vom 23. Januar 1909 bis 18. Juni 1909 (DADG, Linie 3)

Diesmal war die „Fürth“ von der Reederei von Beginn an für diese Australienfahrt auf der Linie 3 vorgesehen, das heißt die angelaufenen australischen Häfen in Australien waren Melbourne, Sydney und Townsville. Zusätzlich war bei der „Fürth“ vermerkt: „läuft NEWCASTLE N. S. W. an“. (N. S. W. steht für New South Wales, zur Unterscheidung von Newcastle-on-Tyne im Norden Englands, wo wir die „Fürth“ überraschenderweise im Sommer 1913 auch noch antreffen werden).

German-Australian Steam Ship Co. advertisement

Anzeige der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft vom 1. Januar 1909 in der Zeitung „Hamburgischer Korrespondent und neue hamburgische Börsen-Halle“, S. 29

Auch in Australien war man über die Abfahrtszeiten der Schiffe der DADG stets gut informiert und die Zeitungen hielten die Leser über den Aufenthalt der Schiffe auf ihrem Weg nach „Down Under“ regelmäßig auf dem Laufenden. Das zeigen die zwei folgenden Meldungen des Sydney Morning Herald.

FURTH LEAVES HAMBURG.
According to a cablegram received yesterday by the German-Australian S.S. Company the steamer Furth was despatched from Hamburg on Saturday last for Melbourne, Sydney, and Townsville.
The Sydney Morning Herald, Do 28. Jan 1909

FURTH LEAVES ALGOA BAY.
A cablegram was received yesterday stating that theGerman-Australian liner Furth, which left Hamburg on January 22, bound for Melbourne, Sydney, Townsville, and Java ports, departed from Algoa Bay on Wednesday last.
The Sydney Morning Herald, Sa 27. Feb 1909

Anm: In der ersten Meldung stimmt das Datum: “on Saturday last” war Samstag, der 23. Januar 1909. An diesem Samstag ist das Schiff um 14:15 Uhr von Hamburg abgefahren. In der zweiten Meldung hat man sich beim Abfahrtsdatum um einen Tag vertan.

Die Ankunft in Melbourne am 16. März 1909 ist ebenfalls genau dokumentiert.

The German-Australian liner Furth, from Hamburg via Algoa Bay, arrived in Hobson’s Bay yesterday morning well up to time. Captain Saegert reported that his vessel had had a fineweather voyage. The Furth berthed in the Victoria Dock, where she is now discharging cargo.
The Age, Melbourne, Mi 17.Mrz 1909, S. 6, Shipping Intelligence.

Black and white image depicting sailing ships and steam ships at Victoria Dock, circa 1905

Segler und Dampfschiffe im Victoria Dock, Port Melbourne, ca. 1905. Quelle:
Museums Victoria Collections https://collections.museumvictoria.com.au/items/1763876
abgerufen am 13. März 2018

Der Hafenarzt

Allerdings gab es bei der Ankunft eine unnötige Verzögerung, die dem Kapitän Anlass gab, über seinen Agenten in Melbourne Beschwerde einzureichen. Der zuständige wachhabende Arzt des hafenärztlichen Dienstes ließ etwa eine Stunde auf sich warten, so dass das Schiff, der Zollbeamte und auch der Lotse eine Stunde Zeit verloren haben.

Hier zunächst ein paar Informationen zum hafenärztlichen Dienst:

„Fast jeder Hafen der Welt unterhält einen hafenärztlichen Dienst… Der hafenärztliche Dienst ist für die gesamte Hafengesundheit, Seuchenabwehr (Quarantäne), Hygieneüberwachung etc. verantwortlich. Nach dem internationalen Übereinkommen (WHO: International Health Regulations) obliegt ihm auch die Durchführung und Kontrolle der Rattenbekämpfung an Bord der Seeschiffe bzw. im Hafengebiet.“
(Verkehrsmedizin: Unter Einbeziehung aller Verkehrswissenschaften, H. J. Wagner, Springer-Verlag, 2013, 482 S., Zitat auf S. 249, http://books.google.fr)

Ferner muss man wissen, dass der hafenärztliche Dienst das Schiff freigeben muss, damit Personen an Bord dürfen. Fragen wir dazu jemand der sicht auskennt, den bekannten Hafenarzt Dr. Bernhard Nocht, den Gründer und ersten Leiter des Hamburger Instituts für Schiffs- und Tropenkrankheiten:

„Die Herkunft des Schiffes wird durch den Gesundheitspaß (Patent) festgestellt, den jedes ankommende Schiff vorweisen muß. Ist der Gesundheitspaß rein (net), d. h. kann das Schiff amtliche Bescheinigungen darüber beibringen, daß in den von ihm auf der Reise angelaufenen Häfen keine Seuche herrscht, so erhält das Schiff meist sofort „freie Praktika“. Ist der Gesundheitspaß unrein (brut), d. h. enthält er Angaben darüber, daß in den angelaufenen Häfen eine Epidemie herrschte oder auch nur vereinzelte Seuchenfälle vorgekommen waren, so wird das Schiff in Quarantäne gelegt.“
Vorlesungen für Schiffsärzte der Handelsmarine über Schiffshygiene, Schiffs- und Tropenkrankheiten, Bernhard Nocht 1906, Nachdruck der Originalausgabe, Books on Demand, 2013, 352 S., Zitat auf S. 246, http://books.google.fr

Anm: „Freie Praktika“ heißt, dass das Schiff freigegeben ist und die Verbindung mit dem Land möglich ist oder anders ausgedrückt, dass Personen das Schiff betreten und verlassen dürfen und Waren abgeladen oder geladen werden können.

Bernhard Nocht, Hafenarzt und Tropenmediziner

Sondermarke der Deutschen Bundespost zum 100. Jahrestag des Bernhard-Nocht-Institutes für Tropenmedizin (2000)

Wo bleibt Dr. Howard?

Und hier der Originalartikel zu der unnötigen Verspätung, die zum Ärger Anlass gab:

QUARANTINE INSPECTIONS.
ANOTHER COMPLAINT OF DELAY.

The captain of the German-Australianliner Furth has laid a complaint with his agents in regard to a detention of nearlyan hour inflicted on his vessel; by the non-appearance of Dr. Howard— the port health officer on duty this week— to inspect his crew on Tuesday morning. The Furth was signalled inward at Cape Otway at desk on Monday night, and the fact that she would be in the Bay early the next morning was therefore obvious to all. Customs Officer Martin and Pilot Smart were in readiness for her, well up to time, when she dropped anchor off the Gellibrand Pile Light at 6.50 a.m., but it was not until 7.45 a.m. that Dr. Howard boarded the Furth. During the interval the pilot, the steamer and the customs officials were delayed for 55 minutes,as they could not board the vessel until she was granted pratique. The captain was greatly annoyed, as he wished to land his cargo and sail again with despatch. The trouble appears to have been that, despite the Otway signal of the previous night, Dr.Howard was at his home in St. Kilda, a considerable distance from the Bay, when the Furth anchored. Had he been residing at Williamstown, as he was when appointed, an exasperating delay would have been avoided.
The Age, Melbourne, Do 18. Mrz 1909, S. 6.

Wie die Überschrift des Artikels nahelegt, war diese Verzögerung nicht die erste ihrer Art. Und tatsächlich finden wir Anfang März 1909 schon ähnliche Vorfälle mit sehr verärgerten Kapitänen, die sich ebenfalls beschwerten:

Und wieder Dr. Howard!

“QUARANTINE LAWS;
HOW VESSELS ARE DELAYED.

Recently „The Age“ published a leading article dealing with the absurdity of our present quarantine laws, and exposing the farce that is carried on from day to day on Hobson’s Bay, …»

Und weiter:

…In the meantime the steamers Skogstad and Eastern were lying at anchor uninspected, with two very angry captains on their bridges— one because 100 men were waiting in the Alfred Graving Dock to attend his vessel; and the other because the three hours and a half delay meant working his hatches all last night. Dr.Howard was severely criticised for not having a telephone message sent to the Board of Health for another officer to inspect the Skogstad and Eastern. The fact that this was not done not only interfered with the ships, but also with the customs officers, who were unable to board the vessels until they were declared healthy. The two captains are making a complaint on the subject to their respective agents.”
The Age, Melbourne,  Di 2. Mrz 1909  S. 4  QUARANTINE LAWS.

Bei den langen Fahrtzeiten von mehreren Monaten könnte man auf die Idee kommen, dass eine Verzögerung von einer oder drei ein halb Stunden nicht so ins Gewicht fiel – aber weit gefehlt! Die Kapitäne waren sehr darauf bedacht, den Aufenthalt in den Häfen so kurz wie möglich zu gestalten. Zeit ist Geld, damals wie heute.

Butter und Mehl für Java

In Melbourne hat die „Fürth“ Butter für Sourabaya sowie Butter, Mehl und allgemeine Fracht für Padang geladen:

EXPORTS. – March 17.
Furth for Java and Hamburg via ports
Sourabaja-78 cs butter Batavia-13 cs butter
Padang-400 qr-bags flour, quantity general merchandise.
The Argus, Melbourne, Do 18. Mar 1909, S. 4, SHIPPING INTELLIGENCE. HOBSON’S BAY.

flour was an important Australian export commodity for the South East Asian markets

Mehl war ein wichtiges australisches Exportprodukt für die Südost-asiatischen Märkte

Der zweite angelaufene Hafen in Australien war Sydney. Aus dieser Meldung geht hervor, dass mit der „Fürth“ eine große Menge Fracht für diesen Hafen erwartet wurde.

FURTH DUE TO-MORROW FROM HAMBURG.
The German Australian S.S. Company’s steamer Furth, which has a large quantity of general merchandise from Hamburg and Antwerp for this port, resumed her voyage from Melbourne yesterday, and is expected to reach Sydney tomorrow.
The Sydney Morning Herald, Do 18. Mar 1909

Gemischte Ladung

Über die aufgenommene Ladung in Sydney gibt es genauere Informationen:

FURTH, G.A. s.
For Hamburg, via Java.
Sailed March 25, 1909.
German-Aust. S.S. Co., agents.
Marseilles: 38 bgs ore.
Padang: 1400 qr-sksflour.
Samarang: 1 cs biscuits.
Transhipment. — Samarang: 2 bdls wire
Sourabaya: 31 pkgs hardware.
Havre: a quantity of ivory nuts.
Amsterdam: 1740 tons 10cwt. zinc concentrates.
Daily Commercial News and Shipping List, Sydney, Di 30. Mar 1909, S. 14

Das gleiche gilt für die Fracht die im dritten angesteuerten Hafen, Townsville in Queensland, geladen wurde:

Vessels— Cargo— Destination.
Queensland.

– FURTH, G.A. s.
For Hamburg, via Java.
Sailed from Townsville April 1, 1909.
S. Allen and Sons, agents.
Havre, 935 cs meats
Christiana (sic), 150 cs meats
Hamburg, 131 bgs lead ore
Daily Commercial News and Shipping List, Sydney, Di 6.Apr 1909, S. 14, The Week’sShipments.

Anm: Christiana im Text muss richtig Christiania bzw. Kristiania heißen, das heutige Oslo.

Am 18. Juni 1909 war die Fürth zurück in Hamburg. Für den Augenblick müssen wir auch bis hier warten, um die nächsten Informationen zu bekommen.

Umladungen

Das betrifft zum ersten eine Umladung, also Fracht, welche die Fürth aus Häfen, die sie selbst nicht angelaufen hatte, nach Hamburg gebracht hatte:

Umladung. Der Dampfer „Fürth“ van Java überbringt Ladung ex Dampfer „Teo Pao“ von Halmaheira und ex Dampfer „Camphius“ von Menado.
Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 21. Jun 1909, S. 21

Anm: Halmaheira (Halmahera) ist eine indonesische Insel, Menado (ebenfalls Indonesien) haben wir bei der dritten Fahrt der „Fürth“ schon als wichtigen Exporthafen für Kopra kennengelernt.

hawser - Trosse

Trosse (Bild Pixabay)

Diebe auf der „Fürth“

Zum zweiten gibt es eine Diebstahlmeldung. Von der „Fürth“ wurde im Hamburger Hafen eine Trosse, also ein großes Tau, gestohlen. Manilatrosse (früher auch Manillatrosse) heißt, dass dieses Tau aus Hanf war. Hier die ganze Meldung, um zu zeigen, dass Trossen und Taue damals offensichtlich eine beliebte Beute waren.

Diebstähle und Verhaftungen.
Längsseit des im Grenzkanal liegenden englischen Segelschiffes „Bracadele“ erschienen gestern
vormittag, während sich die ganze Besatzung zur Abmusterung an Land begeben hatte, zwei Männer in einer Barkasse, entwendeten ca 400 Pfund Tauwerk von dem Schiff und entkamen mit ihrem Raube. Der Name der Barkasse war mit schwarzer Farbe übermalt worden. Von dem Hamburger Dampfer „Fürth“ ist gestern eine 90 Fuß lange, 2 ½ zöllige, lange Manillatrosse gestohlen worden. —In Haft genommen wurde der Schiffer eines Leichters, der im Verdacht der Hehlerei steht. Ihm wurde gestern von einem Ewerführer aus einer Schute ein Faß mit Salz übergeben, daß er in seinem Fahrzeug verbarg, während der Ewerführer beim Sichten einer Hafenpolizeipatrouille verschwand.
Hamburger Anzeiger, 30. Jun 1909, S. 3

Zum Abschluss hier die detaillierte Fahrtroute der Fürth:

German-Australian Liner "Fürth", itinerary between January 23rd and June 18th 1909

Die detaillierte Fahrtroute der Fürth auf ihrer vierten Australienfahrt vom 23. Januar bis 18. Juni 1909 (DADG, Linie 3).

Anmerkung: Die Schiffsmeldungen bei der vierten Fahrt sind für die Häfen Sydney, Newcastle und Townsville zum ersten Mal unübersichtlich: Ankunft in Sydney eventuell früher (19./20.3.). Meldungen vom 22. März könnten sich auf Schiffsbewegungen zwischen Darling Harbour und der Wooloomooloo Bay in der Bucht von Sydney beziehen. Laut einer Meldung lädt die „Fürth“ am 24. März bereits in Newcastle, die Abfahrt der „Fürth“ aus Sydney wird von mehreren Medien aber auf den 25. März datiert. Unklar bleibt auch die Abfahrt aus Townsville (1. oder 2. 4.).