Archiv für den Monat Dezember 2018

Wool bales being loaded [B 69729/15]

Wolle und Wollhandel in Australien um 1910

Wichtigstes Exportgut

Auf der elften und zwölften Fahrt der „Fürth“, die von Australien direkt nach zurück nach Europa gingen, hatten wir als Fracht Wolle. Außerdem war Wolle das wichtigste Exportprodukt Australiens überhaupt: Australische Exporte nach Deutschland.
Heute gebe ich daher einen kurzen Überblick über den australischen Wollhandel zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Wolle als Wirtschaftsfaktor

Zunächst ein paar Eckdaten:

Das Wollsaison in Australien beginnt grundsätzlich mit dem 1. Juli und endet mit dem 30. Juni. Das Wolljahr 1911-1912 ist folglich der Zeitraum von Juli 1911 bis Juni 1912. In dieser Zeit wurden von „Australasia“, also Australien und Neuseeland, 2,5 Millionen Wollballen exportiert, wobei davon auf Australien allein 80 % oder 2 Mio. Ballen entfielen.

Der Durchschnittspreis pro Ballen betrug in diesem Geschäftsjahr £ 11/5/5, das heißt 11 Pfund, 5 Shillings und 5 Pennies. Zur Erinnerung: 1 Pfund hatte 20 Shillings und 1 Shilling 12 Pennies. Die deutsche Mark entsprach zu dieser Zeit etwa einem Schilling.

Der Exportwert der Wolle belief sich in dem oben genannten Zeitraum auf insgesamt £ 30,9 Millionen Pfund.

Die Wolle wurde in Jute-Ballen exportiert, die im betrachteten Jahr ein durchschnittliches Gewicht von 331,21 lb., also rund 150 Kg hatten.

Lieferant der Wolle waren in Australien und Neuseeland zusammen ca. 117 Millionen Schafe, wobei die wichtigste Region der Südosten war, also New South Wales.

Angaben nach: THE WOOL SEASON., The Argus, Melbourne, Do. 4. Jul 1912, S. 7

 

Wool barges on the Murray River]

Lastkahn mit Wollballen auf dem Murray-River, südöstliches Australien, Aufnahmedatum unbekannt, ev. 1900-1910, Quelle: Libraries Australia, Referenz 50973283

Der Wollhandel

Am Anfang steht natürlich das Schaf, in Australien vorwiegend das Merinoschaf. Nach der Schur werden die Ballen eines Produzenten von Verkaufsagenten (“wool sales broker“) in Lagerhäusern (“wool receival warehouses“) zu Verkaufslosen ähnlicher Qualität zusammengefasst.

Aus allen Ballen eines Loses entnimmt der Agent Muster, die auf Merkmale getestet werden, die für die Verarbeitung wichtig sind (Faserdurchmsser, Gehalt an pflanzlichem Material, Reißfestigkeit von Wollbüscheln (“staple strenght“), Faserlänge der Wollbüschel (“staple lenght“), potentielle Ausbeute und Farbe. Ein detaillierter Testbericht verbleibt bei den Ballen.

Die Wolle wurde damals und auch noch heute überwiegend auf Auktionen (“open-cry auction system“) verkauft, heute sind das etwa 90% der australischen Wolle.

Bei einer Wollauktion werden die Testbericht zusammen mit Stichproben (“grab samples“) ausgelegt, so dass die Käufer vor dem Bieten die Wolle begutachten können. Die einzelnen Verkaufslose werden dann an den Meistbietenden versteigert.

Je nach Qualität können dabei einzelne Verkaufslose sehr unterschiedliche Preise erzielen, was auch einleuchtet: Ein Ballen, aus dem beispielsweise ein hochwertiger, maßgeschneiderter italienischer Herrenanzug entstehen soll, wird deutlich mehr kosten, als ein Ballen, aus dem ein grober Wollfaden gesponnen werden soll.

Heute werden diese Auktionen von der Australian Woll Exchange Ltd. (AWEX) in Sydney, Melbourne und Fremantle organisiert. Wer sich für diesen sehr spannenden Markt näher interessiert, dem sei zur Einführung ein (25-seitiges) PDF der AWEX empfohlen: http://www.awex.com.au/media/1693/wool-buying-in-australia-2014.pdf (in Englisch).

Loading bales of wool onto a ship, Queensland, about 1910

Verladung von Wollballen auf ein Schiff, Queensland, ca. 1910
Quelle: State Library of Queensland, Referenz: 147203

Transport von Wollballen

Für die anschließende Verschiffung der Ballen bedeutet der Verkauf auf Versteigerungen aber auch, dass jeder einzelne Ballen identifizierbar sein muss: „Bei Wolle muß jeder einzelne Ballen nach Marke und Gegenmarke und Nummer ausgesucht werden.“ (Zitat: Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, 1933)

Bei der elften Fahrt der „Fürth“ war das noch relativ einfach, es waren 950 Wollballen von sechs Wollhändlern für die Bestimmungsorte Hamburg, Blumenthal (bei Bremen) und Antwerpen an Bord.

Bei der zwölften Fahrt mussten dann schon über 13.500 Ballen von drei Verschiffungshäfen, einer deutlich größeren Zahl von Händlern auf mehrere Bestimmungshäfen einzeln zugeordnet werden. Eine „schöne“ Aufgabe für den, für die Ladung verantwortlichen, Schiffsoffizier.

Heute ist natürlich alles ganz anders. Die Wolle ist nicht mehr in Jute verpackt, sondern in Nylon, sie wird vor dem Transport zusätzlich verdichtet (“dumped“) und dann in Container verpackt (“containerised“), so dass pro Container etwa 100 bis 115 Ballen roher Schafwolle (“farm bales“) transportiert werden können. Diese rohe Schafwolle wird auch als auch Schweißwolle (“greasy wool“) bezeichnet. Sie macht den Hauptanteil des Wollexports aus. Daneben wird auch noch Wolle als Halbfertigprodukt verschifft (zum Beispiel als gewaschene Wolle, “scoured wool“).

wool sales broker Winchcombe Carson

Anzeige eines Wollhändlers (Wool Sales Broker), Quelle: The Sydney Stock and Station Journal, Fr. 4. Okt 1912, S. 12

Die Wollhändler

Die Größe und Bedeutung des Wollmarktes in Australien spiegeln sich in der Zahl der vor Ort tätigen Händler wider. So waren allein in Sydney für die Wollauktionen der Saison 1913-14 über 190 Wollhändler zugelassen, die für eine große Zahl an Unternehmen tätig waren.

Darunter finden wir zahlreiche deutsche Firmen, wie
Frederick Betz & Co.
Dewez, Leonhard und Co., Leipzig
Norddeutsche Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei, Delmenhorst
Ostermeyer, van Rompaey und Co., Leipzig
G. Hardt und Co., Berlin
Georg Schönbach und Co., Leipzig
Lohmann und Co., Bremen
Dohnert, Müller, Schmidt und Co., Leipzig
Kammgarnspinnerei Kaiserslautern
Sachs, Strauss und Co.
A. Weber und Co., Leipzig
Quelle: The Sydney Wool and Stock Journal, Fr. 29. Aug 1913, S. 12, Wool Buyers Operating in the Sydney Market (Auszug).

Unter diesen Firmen sind reine Wollhändler, aber auch große Verarbeiter, die ihre eigenen Einkäufer vor Ort hatten, wie zum Beispiel die Norddeutsche Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei, Delmenhorst, kurz „Nordwolle“ genannt, damals einer der größten Wolle verarbeitenden Betriebe Europas.

Stark vertreten waren natürlich auch die Engländer, vor allem aus der Stadt Bradfod, dem britischen Wollhandelszentrum. Dort befand sich die Wollbörse (“wool exchange“) und auch das damals für die Beurteilung der Wollqualität übliche System wurde hier entwickelt: Der Bradford Count oder auch English Worsted Yarn Count System genannt.

Mit einer Vielzahl von Händlern waren ebenfalls die Franzosen präsent, hier fallen drei Städte besonders ins Auge: Reims (damals noch « Rheims » geschrieben) und die beiden Zentren der französischen Textilindustrie in Nordfrankreich: Roubaix und Tourcoing.

ferrier's wool presses, advertising 1912

Anzeige für Wollpressen, Quelle: The Sydney Stock and Station Journal, Fr 8. Nov. 1912, S. 8

Masurel Fils

Einer der französischen Händler, der Wolle an Bord der „Fürth“ hatte, war das Traditionshaus Masurel Fils und zwar am 30. November 1912 ab Sydney: 503 Ballen für den Zielhafen Antwerpen und 135 Ballen für Hamburg.

Masurel Fils wurde 1846 in Roubaix gegründet und gehörte zu einem Industrieimperium der Familie Masurel, die neben dem Handel auch in der Wollverarbeitung (“topmaking“) und der Spinnerei tätig war.

So gründete einer der Gesellschafter von Masurel Fils, François Masurel-Pollet, mit seinem ältesten Sohn im Jahr 1877, die Spinnerei „François Masurel et fils“ in Tourcoing, die später in eine Aktiengesellschaft mit dem Namen „François Masurel Frères“ (F.M.F.) umgewandelt wurde, wobei die Anteile jedoch in der Familie blieben. Schon in den 90-er Jahren des 19. Jahrhunderts waren zu der Spinnerei auch eine Färberei und eine Strumpfwirkerei („bonneterie“) hinzugekommen. Vor dem Ersten Weltkrieg beschäftigte F.M.F. über 1.000 Mitarbeiter.
Quelle: Alain Lottin, Histoire de Tourcoing, 1986, abgerufen unter books.google.fr am 31.10.2018

François Masurel Frères, Tourcoing

Die Spinnerei von François Masurel Frères in Tourcoing, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Usine_Masurel.gif

Masurel Fils war als Wollhändler mit Sitz in Nordfrankreich in Australien, Neuseeland und Südafrika aktiv. Erst im Jahr 1975 wurde das Unternehmen von einem anderen großen Namen des Wollhandels übernommen, von Antoine Segard & Cie.

Heute firmiert das Unternehmen unter dem Namen SEGARD MASUREL (“wool since 1846“) und ist weltweit anerkannter Partner von Züchtern und der Textilindustrie.

Quelle: Unternehmenswebseite www.segardmasurel.com

sheep remedy 1912

Anzeige für ein Wurmmittel für Schafe, Quelle: The Sydney Stock and Station Journal, Di 26. Nov 1912, S. 5

Bildnachweis zum Beitragsbild:
Verladung von Wollballen auf ein Frachtschiff, um 1910,
Quelle: State Library of South Australia, Referenznr. B-69729/15

Frohe Weihnachten – Christmas Greetings

Allen Dampfschifffreunden ein fohes Weihnachtsfest 2018!

Die abgebildete Karte aus der Kollektion des Australischen Nationalmuseums wurde 1912 verschickt.

National Museum of Australia http://collectionsearch.nma.gov.au/object/127750

A postcard with a printed and embossed colour design featuring what appears to be a sundial, and a young girl and a kangaroo at a lakeside. Printed text reads „AUSTRALIANS.“ and „Greetings at Xmas“. Hand written text on the back begins „To / Jackie with fond. love / from. / Auntie Gail / Christmas 1912“

Ein besonderer Gruß geht an alle, die Weihnachten auf hoher See oder in einem fremden Hafen verbringen!

Wie das Dampfschiff „Fürth“ zu seinem Namen kam

Anstelle einer Weihnachtsgeschichte

Achtung: Fiktion!

Vorwort

Der Entwurf zu einem Artikel über die Namensgebung des Dampfschiffes „Fürth“ liegt schon lange in meinem Blog-Ordner. Allerdings ist die Faktenlage sehr dünn, genauer gesagt besteht sie aus einem einzigen Satz in einer Stadtchronik.

Damit lässt sich natürlich kein seriöser, historisch belegbarer Blogartikel schreiben, wie Sie das hier sonst gewohnt sind. So kam mir die Idee, aus der Namensgebung des Dampfschiffs „Fürth“ eine fiktive Geschichte zu machen. Kenner der namengebenden Stadt Fürth werden allerdings bemerken, dass diese frei erfundene Geschichte mit sehr vielen realen Begebenheiten aus der Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts durchsetzt ist.

Aber auch Dampfschifffreunde (jetzt kennen Sie wieder ein Wort mit drei f!) werden einige großartige und bekannte Schiffe der damaligen Zeit in der Geschichte wiederfinden.

Genug des Vorworts, begeben wir uns in den Sommer 1906:

Ullmann und Engelmann, catalogue 1902

Titelseite des Kataloges der Fa. Ullmann und Engelmann 1902; der vollständige Katalog auf https://optical-toys.com

Fürth i. B., den 30. Juli 1906

So ganz konnte und wollte sich Kommerzienrat Justus Ullmann noch nicht an den neuen Namenszusatz „in Bayern“ gewöhnen. Aber nach Beschluss der Ministerialverwaltung vom April sollte die Stadt Fürth nunmehr diese Ergänzung tragen, um Verwechslungen mit anderen Orten gleichen Namens auszuschließen.

Zwar hatte Kommerzienrat Ullmann vor einiger Zeit auch eine dringliche Sendung im Odenwald aufstöbern müssen, aber „sein“ Fürth war nun einmal die mit Abstand größte und bedeutendste Stadt im Kaiserreich mit diesem Namen. Sollten doch die kleineren Orte einen Zusatz erhalten, aber doch nicht „sein“ Fürth!

Im allgemeinen Verkehrsinteresse hieß es, sei der Zusatz zu verwenden und so fügte sich der Seniorchef der Spielwaren-Exportfirma Ullmann & Engelmann diesem Entschluss und begann fortan in seinem Bureau in der Friedrichstraße 15, seine Korrespondenz mit Fürth i. B., auch wenn es ihm innerlich widerstrebte.

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Auszug aus dem Katalog der Fa. Ullmann und Engelmann 1902; der vollständige Katalog auf https://optical-toys.com

Der Brief, den er seinem sprachkundigen und fleißigen Kommis diktieren wollte, war keiner der üblichen Korrespondenz, die er täglich mit Geschäftspartnern in vielen Ländern abwickelte. Deswegen musste er einen Augenblick reflektieren, wie er sein Ansinnen am besten formulieren könne. Er machte sich ebenfalls eine kurze Notiz, beim Nachdruck seiner Briefbögen bei Hermann Schröder in der Rosenstraße den Zusatz „i. B.“ gleich mit eindrucken zu lassen.

Kommerzienrat Ullmann war froh, dass er sich auf seine Mitarbeiter verlassen konnte. Für einen Augenblick schoss ihm eine Episode durch den Kopf, die sich in Fürth im Frühjahr zugetragen hatte. Ein Beamter der städtischen Wasserwerke hatte die erkleckliche Summe von über zwölftausend Mark veruntreut. Erst ein Revisor kam dem Manne auf die Schliche. Er erinnerte sich, die besagte Person im prächtigen Festsaal des Hotels „National“ gesehen zu haben, wo sie sich in großer Gesellschaft sehr spendabel zeigte und Kommerzienrat Ullmann hatte sich damals gefragt, wie gut man wohl bei der Stadt Fürth verdienen möge.

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Auszug aus dem Katalog der Fa. Ullmann und Engelmann 1902; der vollständige Katalog auf https://optical-toys.com

Er dachte wieder an seinen Brief. Der Adressat des Schreibens war Direktor Otto Harms in Hamburg, Vorstand der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft. Mit ihm war Kommerzienrat Ullmann seit vielen Jahren in freundschaftlicher Beziehung und regelmäßigem Kontakt, war die Reederei doch Transporteur für seine Lieferungen nach Australien und sorgte mit ihren zuverlässigen Schiffen dafür, dass seine Waren stets termingetreu ausgeliefert wurden.

Außerdem war Harms ihm bei der Suche nach Geschäftsräumen für seine Hamburger Filiale in der Bergstraße behilflich gewesen, zu dessen Eröffnung er sogar den kurzen Weg von seinem Kontor im Börsenhof herübergekommen war, um ihn persönlich kennenzulernen. Kommerzienrat Ullmann war von dem hanseatischen Kaufmann sofort eingenommen und besonders sympathisch machte ihn die Tatsache, dass er als einer der wenigen Norddeutschen den Namen seiner Heimatstadt kurz und präzise aussprach und kein langgezogenes „Füüürth“ ertönen ließ.

Der australische Markt machte zwar nur einen kleinen Teil seines florierenden Exportgeschäftes aus, erfreute sich jedoch seit Jahren eines kontinuierlichen Wachstums, so dass er in den vergangenen drei Jahren seine Lieferungen verdoppeln konnte. Die Zeichen standen gut, dass sich das Geschäft in den nächsten Jahren weiter positiv entwickeln würde. Außerdem erfüllte es ihn mit einem gewissen Stolz, wenn Kinder am anderen Ende der Welt Freude an seinen Spielzeugen hatten.

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Auszug aus dem Katalog der Fa. Ullmann und Engelmann 1902; der vollständige Katalog auf https://optical-toys.com

Heute wollte sich Kommerzienrat Ullmann jedoch mit einer Bitte an Herrn Direktor Harms wenden und so überlegte er eine ganze Weile, wie er denn seinen Brief beginnen könne. Trotz der guten Geschäftsentwicklung wurmte ihn es innerlich, wenn seine Katalogwaren auf Schiffen wie „Bielefeld“, „Itzehoe“ oder „Offenbach“ nach Australien gelangten.

Viele Städte hatten sich mittlerweile Dampfschiffe zu Botschaftern ihres Namens auserkoren und Kommerzienrat Ullmann fand, dass es Zeit wäre, seine Waren auch auf einem Schiff zu befördern, welches den Namen seiner aufstrebenden Heimatstadt „Fürth“ trug. Schließlich war es nicht nur er; viele Fabrikanten aus Fürth lieferten ebenso Waren in alle Welt und er dachte dabei an seine guten Bekannten Theodor Löwensohn, Oskar Kleefeld und Leopold Bendit.

Eigentlich hatte Kommerzienrat Ullmann den Brief schon früher absenden wollen, aber die vergangenen Monate waren zu ereignisreich. Andere Dinge waren auch schon viel zu lange liegengeblieben.

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Auszug aus dem Katalog der Fa. Ullmann und Engelmann 1902; der vollständige Katalog auf https://optical-toys.com

Im April verstarb unerwartet Heinrich Berolzheimer, der ihm ein väterlicher Freund gewesen war und dessen Ableben ihn sehr schmerzte. Im Mai standen die Hochzeiten bei den Sahlmanns und den Löwensohns in seinem Kalendarium und schließlich galt es ebenfalls noch im Mai, die Jahrhundertfeier in Fürth vorzubereiten. Fürth war jetzt bereits einhundert Jahre beim Freistaate Bayern!

Zu den Feierlichkeiten hatte sich Prinz Ludwig angekündigt und so war verständlicherweise die ganze Stadt in Aufruhr und in höchster Erregung. Natürlich beteiligten sich auch alle bedeutenden Unternehmungen an den Vorbereitungen, um ihre Stadt im besten Lichte erscheinen zu lassen.

In seinem Elternhaus wurde immer noch gerne an ein Ereignis aus dem Jahre 1866 gedacht, als damals König Ludwig II. am 4. Dezember ganz unverhofft und überraschend nach Fürth gekommen war. Die kleine Marie Nathan musste ihm zusammen mit ihrer Freundin den Weg weisen. Anschließend traf der König in der Hauptsynagoge Oberrabbiner Dr. Issak Loewi und zur größten Freude seiner Familie ließ er sich anschließend zu ihren Geschäftsräumen in die Friedrichstraße kutschieren. Er selbst war damals elf Jahre alt und erinnerte sich noch gut an die stattliche Erscheinung des bayerischen Herrschers, der in ihren Räumlichkeiten sichtlich Freude an der Auswahl seiner Einkäufe hatte.

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Auszug aus dem Katalog der Fa. Ullmann und Engelmann 1902; der vollständige Katalog auf https://optical-toys.com

In diesem Jahr, also genau vierzig Jahre später, war der Höhepunkt der Feierlichkeiten die Eröffnung des Berolzheimerianums am 26. Mai. Kommerzienrat Ullmann hätte sich nichts sehnlicher gewünscht, als dass der großherzige Stifter sein Volksbildungsheim noch selbst hätte einweihen können.

Als erstes galt es den Bahnhof zu schmücken, denn Prinz Ludwig sollte mit dem Schnellzug in Fürth eintreffen. Bei Sahlmanns herrschte die größte Aufregung: das Diner mit dem Prinzen sollte in ihrer Villa am Bahnhof stattfinden, wo er auch nächtigten würde. Für die jüdischen Bürger Fürths war es eine außerordentliche Genugtuung, dass der Wittelsbacher nicht im Hotel National logierte, sondern bei der Familie Sahlmann.

Seine Tätigkeit im Theatercomitée beanspruchte ebenfalls mehr Zeit, als Kommerzienrat Ullman voraussehen konnte. Endlich verfügte die Stadt seit nunmehr vier Jahren über eine repräsentative Spielstätte, die durch zahlreiche Spenden aus der Bevölkerung realisiert werden konnte. Auch er hatte sich seinerzeit mit einer stattlichen Summe beteiligt. Aber es hatte sich gelohnt. Die Einweihung dieses prachtvollen Theaters mit der Oper „Fidelio“ am 17. September 1902 war ein voller Erfolg gewesen und er war für einen Moment geneigt, in den Gefangenenchor des ersten Aufzuges einzustimmen, eine vortreffliche Szene!

Jetzt im Laufe des Monats Juli war es etwas ruhiger geworden, die Spendensammlung für den geplanten Bismarckturm auf der Hard kam gut voran und der nächste offizielle Termin in seinem Kalender war erst am ersten September, an dem er zur Eröffnung des neuen Pestalozzi-Schulhauses eingeladen war, einer Schule, die zurzeit etwas außerhalb der Stadt östlich der Erlanger Straße errichtet wurde.

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Auszug aus dem Katalog der Fa. Ullmann und Engelmann 1902; der vollständige Katalog auf https://optical-toys.com

Den letzten Anstoß, den seit langer Zeit geplanten Brief nun endlich nach Hamburg zu senden und den Vorstand Otto Harms um die Benennung eines Australdampfers nach der Stadt „Fürth“ zu bitten, gab dann eine Einladung vom gestrigen Tage.

Der Kanalschiffer Weyermann hatte zu einer sonntäglichen Bootspartie zwischen Doos und Kronach geladen. Sein Schiff „Cäsar“ wurde von Pferden gezogen und Kommerzienrat Ullmann war nach der Fahrt überzeugt, dass sich diese Geschäftsidee in Fürth prächtig entwickeln könne.

Auf dem Kanal wurde hitzig über Sport debattiert. Es ging um die Streitigkeiten zwischen dem TV 1860 und seiner Fußballabteilung, der Spielvereinigung. Zurzeit spielte diese auf einer Wiese am Stadtpark, was freilich keine dauerhafte Lösung sein konnte und die Zahlung einer Pacht für einen Platz an der Vacher Straße wurde den Fußballern von den Turnern, die in der Mehrheit waren, nicht zugebilligt. So wurde eine bevorstehende Trennung beider Vereine als Lösung der unbefriedigenden Situation heiß diskutiert.

Mit freudigen Hipphipphurra-Rufen wurde dann das Schiff Weyermanns nach kurzer Rede festlich eingeweiht und es herrschte eine aufgeräumte und gelöste Atmosphäre. Die Diskussion um die Spielvereinigung war abgeflacht und die „Cäsar“ erreichte Kronach.

Bei der anschließenden Herrenpartie im Gasthaus Weigel hatten sie sich köstlich amüsiert. Vor allem der Name des Schiffes „Cäsar“ gab zu allerlei Spott Anlass. Die Welt war längst im Dampfschiff-Zeitalter angekommen und Herr Weyermann nannte ein antriebsloses, von Treidelpferden gezogenes Holzboot nach dem großen römischen Staatsmann Gaius Julius Caesar! Welch eine Anmaßung!

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Auszug aus dem Katalog der Fa. Ullmann und Engelmann 1902; der vollständige Katalog auf https://optical-toys.com

Danach wurde lebhaft über Schifffahrt diskutiert. Das Blaue Band für die schnellste Atlantiküberquerung stand im Mittelpunkt. Die Runde schwärmte von Schiffen wie „Kronprinz Wilhelm“ oder „Kaiser Wilhelm II.“, beides vorzügliche deutsche Schiffe, die den englischen an Geschwindigkeit überlegen waren und mit denen eine Atlantiküberquerung mit über 23 Knoten in weniger als sechs Tagen bewerkstelligt werden konnte.

Theodor Löwensohn berichtete über die Anstrengungen der Engländer, den Deutschen das Blaue Band abzujagen und über die in Bau befindliche „Mauretania“, die im nächsten Jahr das größte Schiff der Welt werden würde und dessen Fertigstellung ungeduldig erwartet wurde. Die geplante Maschinenleistung von 78.000 PS würde die Atlantikquerung so schnell wie nie zuvor werden lassen! Er sah das Blaue Band für Deutschland in größter Gefahr.

Anschließend sinnierte Oscar Kleefeld, wie lange wohl ein Gespann von 78.000 Pferden wäre und wie viele Fässer Bier es ziehen könne. In solch ausgelassener Stimmung ging es dann am frühen Abend mit der Kutsche nach Fürth zurück.

Die Annehmlichkeiten der gestrigen Schifffahrt auf dem Ludwig-Donau-Main-Kanal und der Herrenpartie im Weigelschen Garten noch vor Augen, setzte Kommerzienrat Ullmann erneut zum Diktat an. Mittlerweile hatte er sich den kurzen Wortlaut des Briefes im Kopf genau zurechtgelegt.

Fürth i. B., den 30. Juli 1906

„Lieber Herr Direktor Harms,

Seit vielen Jahren sind wir nunmehr in freundschaftlichster Weise geschäftlich verbunden. Sie tragen mit ihren bestens ausgestatteten Schiffen und termintreuen Fahrten entscheidenden Antheil, dass sich unsere Geschäfte mit Australien in den letzten Jahren zu unserer besten Zufriedenheit entwickelt haben. Ich sage dies nicht nur als Vorstand der Firma Engelmann & Ullmann, sondern auch für den großen Kranze bedeutender Fürther Unternehmungen.

Zusammen sind wir zu der Auffassung gelangt, dass es an der Zeit wäre, ein Schiff nach unserer aufstrebenden Heimatstadt zu benennen, deren Firmen seit vielen Jahren Waren auf den Australdampfern Ihrer Gesellschaft in die ferne Welt befördern.

Meinen werten Kollegen und mir würde eine außerordentliche Befriedigung zutheil kommen, wenn mein Anliegen bei Ihnen auf offene Ohren stöße.

Ich bin, lieber Herr Direktor Harms,

ergebenst der Ihrige

Kommerzienrat Justus Ullmann“

Epilog

Das Dampfschiff „Fürth“ wurde von der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft im November 1906 bei der Flensburger-Schiffsbau-Gesellschaft bestellt und im August 1907 an die Reederei in Hamburg ausgeliefert. Das Dampfschiff begab sich am 24. August 1907 auf die Jungfernfahrt nach Australien, von der es nach fünf Monaten am 26. Januar 1908 zurückkehrte.

Kommerzienrat Justus Ullmann konnte diese Ereignisse nicht mehr miterleben. Er starb am 26. Januar 1907 im Alter von nur 51 Jahren und wurde auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in Fürth beigesetzt.

Die vorliegende Kurzgeschichte ist rein fiktiv, wir wissen aus einem Eintrag in der Käppner-Chronik vom 26. Februar 1908 nur folgendes:

„Die deutsch-australische Dampfschiffahrtsgesellschaft – Sitz in Hamburg – hat auf Anregung der hiesigen Firma Ullmann und Engelmann einem ihrer Frachtdampfer den Namen „Fürth“ gegeben.“

Nähere Einzelheiten dazu sind nicht bekannt.

ENDE

Die Abbildungen im Text stammen aus einer Preisliste der Fa. Ullmann & Engelmann, 1902.
Die komplette Preisliste und noch viel mehr sehr schöne Kataloge aus der damaligen Zeit finden Sie auf der wunderbaren Internetseite Optical Toys – A Virtual Musuem (www.optical-toys.com), der privaten Seite eines Sammlers von Spielzeugprojektoren.
Justus Ullmann, gestorben im Januar 1907

Todesanzeige Justus Ullmann, Berliner Zeitung, 29. Januar 1907

tombstone Justus Ullmann, cemetary in Fürth

Grab von Justus Ullmann, Neuer Jüdischer Friedhof Fürth, eigene Aufnahme 2018

Hippo 1921, Royal Melbourne Zoo

Tödliche Tennisbälle

Mordanschlag auf Rosamund!

Mrs. Hippo reist nach Melbourne

Auf der zwölften Fahrt der „Fürth“ von Europa nach Australien wurden Tiere vom Tierpark Hagenbeck in Hamburg an die Royal Melbourne Zoological Gardens geliefert. Unter ihnen befand sich ein Flusspferd, dass in Australien einige Aufmerksamkeit erregte, sollte es doch das erste überhaupt in einem australischen Zoo sein.

Hier noch einmal der Artikel zur Ankunft in voller Länge:

Landing a Hippopotamus.
Visitors to the Zoological Gardens will be interested in several new exhibits which arrived yesterday from Hamburg in the s.s. Fuerth. They comprise four monkeys, two agouti (something like guinea pig), two water hogs, and a hippopotamus. The animals were removed from the ship to the gardens this morning and the work of discharging them from the vessel was attended with no greater difficulty than if they had been so many cases of tea. The water hogs squealed a little, but pigs squeal in any circumstances, and it could hardly be wondered at that they should do so when swinging in mid-air on a thin length of wire rope. The hippopotamus in the cage he had occupied throughout the voyage was hoisted-state room and all-into the air by the donkey engine, and was swung over the side of the ship. A lorry was run alongside and the hippo which weighed a ton, was lowered gently to the vehicle. No invalid could have been less roughly carried from a ship, and before the river horse knew that he had been landed, he was on his way to the Zoo. The monkeys seemed to enjoy themselves. Two of the biggest looked ludicrous swing to the apparent effort to appear important in the eyes of the crowd of wharf laborers who gathered to gain a sight of them, but the two smaller animals gave themselves over to a good time ……(?) in about their cage to find their land legs.
The Herald, Melbourne, Mi. 13 Nov. 1912, S. 4

Anm.: letzte Zeilen im Original sehr unleserlich, deswegen  die Auslassung mit dem Fragezeichen im letzten Satz des Artikels

Von diesem ersten Flusspferd in einem australischen Zoo wurde sogar ein Foto veröffentlicht.

Rosamund - First hippopotamus in Melbourne Zoological Gardens

Original-Bildlegende: „Fine specimen of the hippopotamus at the Melbourne Zoological-gardens, the first one that the society has had.“ Quelle: The Australasian, Melbourne, Sa 23. Nov 1912, S. 66, The Hippopotamus

Wenig später wird das Flusspferd auch ein neues Gehege beziehen können, dass ein deutlich größeres und tieferes Wasserbecken hatte, als das alte.

…A new home, near the elephant home, is being prepared for the young hippopotamus. The tank will be much larger and deeper than the one which the “riverhorse“ at present enjoys….
The Herald, Melbourne, 23. Dez 1912, S. 8, AT THE ZOO

Flusspferd Nummer Zwei

Mehr Informationen über das Flusspferd erhalten wir dann gut ein halbes Jahr später, als der Zoo noch ein zweites anschaffte, welches diesmal mit der „Rostock“ von Hamburg nach Melbourne verschifft wurde, natürlich in der Hoffnung auf Nachwuchs.

NEW HIPPOPOTAMUS.
MEETS HIS FUTURE WIFE.
MIXED BATHING AT THE ZOO.
The picture which we reproduce elsewhere is a portrait of the new arrival at the Zoological Gardens, an African hippopotamus (H. amphibius). Once upon a time these animals might have been obtained in England – if there had been anybody to obtain them – but now Africa is their only habitat. This one was caught, when a mere baby, in a Central African river, shipped at Mombasa to Hamburg where he went into Hagenbeck’s collection. In Hamburg the price of such a pet is £500, but another hundred has been added for delivery, freight, attendance and insurance. This specimen is a male, about five years of age and thus only about have grown, a mere child of two tons or so in weight. He is of a conger eel colour spotted with minute black spots, shading into a violet pink tint on the under parts of the neck and belly, and the inside of the legs. The other specimen, a female, who has been in the gardens for about six months, is darker in colour and smoother in skin. This female is about a year younger than her new mate, and not quite so bulky. By and bye, if the climate suits them, they will measure from 12 to 14ft. in length, and weigh about four tons each. It is hoped that they will breed, as these animals have not infrequently done so in captivity.
The new arrival is apparently used to human beings. He came out in a huge box, on board of the Rostock, a box which resembles one of those in which motor-cars are shipped. This case was lowered yesterday from the side of the ship upon the lorry, and taken to the gardens, where it was opened, and the great animal lumbered out into the new hippo enclosure. The first thing which attracted his attention was the bath, and in went he, wallowing luxuriously after two months’ drought., his little piggy eyes as expressive of happiness as a hippopotamus’ eye can be expressive of anything. Then the female was let in, and for some time regarded her new mate with suspicion and alarm. She gazed into the tank, and he gazed out of it, his two little ears, his spout, and his eyes being the only things showing. Then she went in, and the two approached one another under water, coming up face to face, with open mouths, great caverns of pink flesh in which huge tusks exposed themselves. They were plainly a little suspicious, but meant no harm, and the exhibition of teeth was apparently only play. Finally, they stood together quietly, their heads above water, ludicrous caricatures of the horse, from which they take their name. They seem, indeed, placid, if stupid animals, and it looks as though they will get on well together. It is to be hoped they do, for they are the finest and most expensive exhibit in the gardens, costing together £1.100. With the exception of one owned by Messrs. Wirth, they are the only specimens in Australia.
The Argus, Melbourne, Do 19. Jun 1913, S. 12.

Damit waren also drei Flusspferde in Australien, die beiden im Zoo von Melbourne und Lizzie, das dem australischen Zirkusunternehmen Wirth gehörte und das später in den Zoo von Sydney kam.

Fotosession

Diesmal wurde gleich eine ganze Fotostrecke von den Flusspferden in der Zeitschrift „The Australasian“ veröffentlicht.

Arrival of Hippopotamus - Melbourne Zoological Gardens

Bilderstrecke mit dem Titel: „Arrival of the new hippopotamus at the Zoological Gardens. Melbourne, on June 18.“ç Quelle: The Australasian, Melbourne, Sa 21. Jun 1913, S. 68

Bildunterschriften von links oben nach rechts unten:
1. THE NEW ARRIVAL ENTERING HIS ENCLOSURE, TAKING STOCK AS HE GOES.
2. ENJOYING HIS FIRST DIP.
3. MRS. HIPPO ENTERING THE BATH.
4. MR. HIPPO GETS A WARM WELCOME: MRS. HIPPO KNOCKING HIM OVER INTO THE BATH.
5. HE TAKES A DRINK AFTER HIS TUMBLE.
The Australasian, Melbourne, Sa 21. Jun 1913, S. 68,
Arrival of the new hippopotamus at the Zoological Gardens.
Melbourne, on June 18.

Nachwuchs

Es sollte eine Weile dauern, bis Reporter von „The Australasian“ wieder wegen der Flusspferde in den Melbourne Zoo kamen, dann, als sich der erhoffte Nachwuchs einstellte.

BABY HIPPOPOTAMUS AND MOTHER.
The baby was born on Saturday morning, March 16, at the Melbourne Zoological Gardens, and is doing well. It passes most of its time in the water, its mother evidently considering it safer there than anywhere else, especially when visitors are about. Mr. Dudley Le Souef values it at £400.
The Australasian, Melbourne, Sa 30.
März 1918, S. 50

Melbourne Zoological Gardens - Baby Hippopotamus and mother

BABY HIPPOPOTAMUS AND MOTHER. The Australasian, Melbourne, Sa 30. März 1918, S. 50

Später werden wir erfahren, dass dieses erste Flusspferd-Baby leider nicht überlebt hat. In der Meldung aus dem Jahr 1924 über den vierten Nachkommen erfahren wir außerdem, dass das Flusspferd „Rosamund“ heißt und zwei weitere junge Flusspferde inzwischen verkauft wurden.

NEW ARRIVAL AT THE ZOO.
Hippopotamus Calf Born.
Yesterday afternoon Rosamund, the hippopotamus at the Zoo, gave birth to a fine calf, and by the latest reports both the calf and the mother are doing well.
The director of the Zoo (Mr. Andrew Wilkie) is very pleased about the new arrival, for not only will it prove valuable when it is aged a few months – it may then be worth £500 – but it is described a zoological curiosity, seeing that nowhere in the world, except at the Melbourne gardens, it is said, have these animals been known to breed in captivity. This, however, is the fourth calf that Rosamund has brought into the world. The first died, and the second and third were sold. Together they realised £900.
The Argus, Melbourne, Mo 7. Jul 1924, S. 10.

Traurige Todesfälle

Der Partner von „Rosamund“ hieß übrigens William. Er stirbt 1933 leider keines natürlichen Todes. Offensichtlich hatten sich einige Zoobesucher, den sehr zweifelhaften „Spaß“ erlaubt, die Tiere mit Tennisbällen zu „ärgern“. Wurden diese nicht von den Wärtern entdeckt, kam es vor, dass die Flusspferde diese mit der Nahrung aufgenommen haben, was dann tödlich verlief. Der unnatürliche Tod von William war der dritte seiner Art in einem australischen Zoo.

HIPPOPOTAMUS DIES.
SWALLOWED A TENNIS BALL.
Third Case in Australia.
An old tennis ball has caused the death of one of the favourites at the Zoo, the male hippopotamus whose youngest daughter was born only last week

The Argus, Melbourne, Mi 21. Juni 1933, S. 6 (Artikel nicht vollständig wiedergegeben)

Das Attentat

Gegen die Dummheit des Menschen gibt es spätestens dann nur noch wenig Gegenmittel, wenn sie mit krimineller Energie einher kommt. Nach den drei Todesfällen mit Tennisbällen hatten die Zoobesitzer versucht, die Flusspferde mit Maschendraht vor den Besuchern zu schützen. Allerdings hatten sie nicht mit einem oder mehreren Besuchern gerechnet, die vorsätzlich Tiere quälen und töten wollten und einen Tennisball in zwei Hälften geschnitten haben, um ihn durch den schützenden Drahtzaun zu stecken. Zum Glück wurde das jedoch entdeckt.

ZOO OFFICIALS PERTURBED
Attempt to Kill Hippopotamus.
Since the recent death of the male hippopotamus at Melbourne Zoo, due, it was discovered, to the animal having swallowed a tennis hall, special care has been taken to protect the life of the female hippopotamus, as the animal is valued at several hundreds of pounds. In the last few days, however, someone— a person of abnormally weak intellect, it must he assumed— has deliberately sought to cause the death of the creature by cutting a tennis hall into two sections and thrusting both parts through the wire mesh which was placed round the hippopotamus pool for the express purpose of protecting the animal against such dangers.
Fortunately these tennis ball sections were discovered and removed before any harmful result followed, and the life of the hippopotamus was saved.
The police are interesting themselves in the matter.
The Age, Melbourne, Mi 24. Jan 1934, S. 13

Falls Sie mal wieder in einen Zoo gehen: Überlegen Sie mal, zu welchen Anteilen der Zaun, das Gitter oder die Glasscheibe wen vor wem schützt. Den Besucher vor den Tieren oder vielleicht doch umgekehrt?

Familientreffen

Die letzte Meldung von „Rosamund“ habe ich im Jahr 1934 gefunden. Diese ist glücklicherweise wieder erfreulicher. Rosamund war inzwischen Großmutter geworden und hatte ihren Enkel „Maori“ zu Besuch.

Family Reunion at the Zoo

A strange family reunion took place in the hippopotamus house at the Melbourne Zoological Gardens yesterday afternoon, when Rosamund, the hippopotamus, greeted for the first time her two-year-old grandson, Maori who is spending a few days in Melbourne on his way from the Auckland Zoo to the Adelaide Zoo. Since the death of her mate William, several months ago as a result of having swallowed a tennis ball Rosamund has taken little interest in life. But she has revived following the official christening of her only remaining child, the seven months‘ old Peggy, on Tuesday.
Valued at more than £ 150 Maori was brought from Auckland by the assistant director of the Adelaide Zoo (Mr. R. R. Minchin), along with several Paradise ducks, Egyptian geese, and Chinese thrushes. What his menu lacked in variety Maori made up in quantity. Each day he consumed from two to three large buckets of chaff and bran, with three cabbages as a ’savoury.“
The Argus, Melbourne, Fr 5. Jan. 1934, S. 7

Nachkommen von Rosamund und William

Ob es auch heute noch in den australischen Zoos Flusspferd-Nachkommen von Rosamund und William gibt? Ich denke schon, aber diese Frage zu klären, überlasse ich einem Hippo-Fan.

Hippo 1921, Royal Melbourne Zoo

Hippo 1921, Royal Melbourne Zoo, Quelle: State Library of Victoria, Referenznummer: H41.391

Rosamund - First hippopotamus in Melbourne Zoological Gardens

Ein Hippopotamus für Melbourne und 13500 Ballen Wolle für Europa

Die zwölfte Fahrt der „Fürth“ nach Australien vom 14. September 1912 bis 2. Februar 1913:

Ungewöhnliche Fracht gibt es vom Tierpark Hagenbeck für den Zoo in Melbourne: Capybaras, Agutis, Affen und ein Flusspferd.

Vom australischen Zoll beanstandet wird eine Lieferung Kinematographen und Laterna-Magicas. Wenn diese nicht aus Fürth oder Nürnberg kommen!

Auf dem Rückweg wird die „Fürth” in allen australischen Häfen mit Wolle beladen, rund 13500 Ballen sind es insgesamt.

Es ist außerdem die erste Fahrt der „Fürth” unter dem neuen Kapitän W. Richter.

Alle Infos jetzt im Blog: Ein Nilpferd und viel Wolle

Bildquelle: The Australasian, Melbourne, Sa 23. Nov 1912, S. 66, The Hippopotamus,
Bildunterschrift: Fine specimen of the hippopotamus at the Melbourne Zoological-gardens, the first one that the society has had.

Memeler Dampfboot, newspaper, July 1899

Die Männer der „Fürth“: Ingenieur Max Waldheyer

Der Chefmaschinist aus Memel

Zu den beiden Mannschaftslisten der „Fürth“, die hier im Blog bereits veröffentlicht wurden, kommt jetzt ein erstes Porträt eines Mannschaftsmitgliedes der „Fürth“.

Fündig wurde ich in der Zeitung mit dem schönen Namen Memeler Dampfboot in einer Ausgabe aus dem Jahr 1962.

Anm.: Memel heißt heute Klaipėda und liegt in Litauen.

In der Ausgabe vom 5. Mai 1962 gratuliert die Heimatzeitung der Memelländer dem Maschinenbau-Oberingenieur Max Waldheyer zum 90. Geburtstag.

Max Waldheyer

Auszug aus der Mannschaftsliste, Sydney 21. März 1909, Quelle: http://www.marinersandships.com.au

Auf der Mannschaftsliste der „Fürth“ vom 21. März 1909 ist bei der Ankunft in Sydney, als erster Ingenieur ein M. Waldheyer, Alter 37, verzeichnet. Ohne Zweifel ist dies der in Memel geborene Max Waldheyer, wie der in der Zeitung geschilderte Lebenslauf bestätigt:

„Wir gratulieren…

… dem Maschinenbau-Oberingenieur Max Waldheyer zum 90. Geburtstag am 24. April. Der Name Waldheyer dürfte manchem Memeler noch in Erinnerung sein durch Grundbesitz und durch das Kolonialwarengeschäft Waldheyer in Memel-Schmelz gegenüber dem Gerlachschen Holzplatz.
Max Waldheyer wurde in Memel geboren. Schulbesuch bis Sekunda (Mittlere Reife) auf dem Burg-Gymnasium in Königsberg. Dann eine dreijährige Lehrzeit bei der Maschinenfabrik Ongley in Memel in der Lotsenstraße gegenüber dem Gerichtsgebäude.
Im Anschluß wurden auf dem Wege der Ingenieur-Laufbahn eine Reihe von Examen in Flensburg, Danzig und Hamburg abgelegt, die mit Verleihung des Seepatentes C6 ihre Krönung fanden. Von 1902 bis 1915 war Max Waldheyer bei der Deutsch-Australischen Dampfschiffsgesellschaft tätig. Als leitender Ingenieur machte er viele Fahrten nach Afrika, Amerika, Australien, zu den Niederländischen Inseln – fast durch die ganze Welt – und war auch Beauftragter bei verschiedenen Werften für Neubauten seiner Firma. 1914, kurz vor Kriegsausbruch, fuhr Max Waldheyer als leitender Ingenieur bei der Garantiereise des Neubaus „Australia“ (12.500 t), Ladung Dynamit, Kurs Colombo. Vom Ausbruch des Krieges überrascht, wurde die „Australia“ kurz vor Erreichung des Bestimmungshafens gekapert. Nach kurzer Internierung auf Ceylon wurde Max Waldheyer entlassen. Die Heimreise bis Genua erfolgte auf einem holländischen Passagierdampfer….“

Bis hierhin ist das der für uns in Verbindung mit der „Fürth“ der interessanteste Teil. Das Schiff „Australia“ hatten wir in Port Pirie kennengelernt, als es an Bord ein Konzert gab: Bordkonzert in Port Pirie.

Wie viele Fahrten Max Waldheyer an Bord der „Fürth“ machte, werde ich noch herausfinden. Der im Artikel erwähnte holländische Passagierdampfer könnte die „Koningin Emma“ gewesen sein, ich komme auf dieses Schiff noch zurück.

Spätere Karriere

Hier der weitere Lebenslauf des Ober-Ingenieurs Max Waldheyer, der noch viele interessante Stationen in seinem Leben durchlaufen sollte:

„…Von 1916 bis 1919 war er in Libau (Kurland). Das Reichsverkehrsministerium hatte ihn als technischen Leiter bei der Schiffahrtsabteilung Libau eingesetzt. Von 1919 bis 1925 Vorstand der Rheinschiffahrtsstelle für die besetzten rheinischen Gebiete. Als Vertretung des Reichsverkehrsministeriums hatte er die verantwortungsvolle Aufgabe, die Requisitionen der Entente-Truppen hinsichtlich schwimmender Objekte auf dem Rhein auf ein Mindestmaß zu beschränken. Der Jubilar erinnert sich aus dieser Zeit gern an ein persönliches Telefongespräch mit dem damaligen Oberbürgermeister der Stadt Köln Dr. Konrad Adenauer, dem jetzigen Bundeskanzler. Herr Waldheyer, dienstlich nach Köln beordert, suchte eine Wohnung. Dem Wunsche wurde innerhalb einer halben Stunde entsprochen. Von 1926 bis 1932 folgten 6 Jahre als technischer Direktor bei der Wilhelmshaven-Rüstringer Industriehafenanlagen AG. Ende 1932 mit 60 Jahren, ausgezeichnet mit dem EK II und dem Hamburger Verdienstkreuz, ging er in die wohlverdiente Pension. Er zog nach Königsberg und baute sich in der Cranzer Allee ein Haus. Doch dieser tätige Mann sollte noch nicht zur Ruhe kommen. Man brauchte seine hervorragenden Fachkenntnisse. Im Jahre 1940 holte ihn das Oberkommando der Kriegsmarine und übertrug ihm die Bauaufsicht bei der Schichau-Werft in Königsberg. Hier wurden M-Boote gebaut und Reparaturen an M-U-Torpedobooten und auch an Panzerschiffen ausgeführt. Der Zusammenbruch 1945 und der Verlust seiner ostpreußischen Heimat setzten dieser verantwortungsvollen Tätigkeit ein Ende. Die Flucht nach dem Westen wurde auch ihm nicht erspart. Doch „Wer rastet, der rostet“, und die Pension hatte in den ersten Nachkriegsjahren geringe Kaufkraft. So übernahm er 1946 – mit 74 Jahren – als technischer Leiter den Aufbau einer Kunststoff-Fabrik in Bremen-Burg und war hier noch bis 1952 tätig. Seit 1952 – nun endgültig im Ruhestand – wohnt Max Waldheyer in Hamburg-Bergedorf, August-Bebel-Str. 155. Seine Frau Ella, geb. Preising, ist ebenfalls gebürtige Memelerin. Die Eltern hatten vor Jahren das Restaurations- und Schiffsausrüstungsgeschäft mit Stauereibetrieb in der Holzstraße, Ecke Kreuzstraße. Frau Ella sang im Memeler Oratorienverein und singt noch heute. Am 22. Juni 1960 konnte das Ehepaar Waldheyer goldene Hochzeit feiern. Ein seltenes Glück ist damit diesen beiden prächtigen Menschen beschieden. Bei bester Gesundheit und bei völliger geistiger Klarheit nehmen beide am Zeitgeschehen regen Anteil. Sie spielen mit Begeisterung Skat und sind bei den Veranstaltungen der Landsmannschaft Ostpreußen in Bergedorf stets anwesend. Sobald die Musik zum Tanz aufspielt, sind sie unter den ersten Tänzern. Es ist ein Erlebnis, bei Waldheyers eingeladen zu werden. Frau Ella erfreut durch Klavierspiel und Gesang. Unser Jubilar erzählt aus seinem abwechslungsreichen Leben und er läßt es sich nicht nehmen, drei Treppen herabzusteigen, um die Gäste zu verabschieden.“

Memeler Dampfboot, 113. Jahrgang, Oldenburg (Oldb.), 5. Mai 1962, Nummer 9, S. 125, abgerufen unter
http://memel.klavb.lt/MD/Papildymai1953-1962/19620505.pdf
© Klaipėdos apskrities viešoji I. Simonaitytės biblioteka, 2009-2016

Memeler Dampfboot, newspaper, July 1899

Memeler Dampfboot, Jubiläumsausgabe vom 5. Juli 1899, © Klaipėdos apskrities viešoji I. Simonaitytės biblioteka, 2009-2016

In dem zitierten Artikel ist auch ein Porträtfoto von Max Waldheyer, das ich hier gerne gezeigt hätte, aber aus Copyright-Gründen leider nicht kann. Interessierte folgen daher obenstehendem Link zum Memeler Dampfboot.

Max Waldheyer, chef engineer, steamship Fuerth

Aufgebot Bernhard Max Waldheyer mit Ella Caroline Preising, Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 7. Juni 1910, S. 30, Familien-Nachrichten

Letzte Grüße

Ein letztes Mal gratuliert Das Ostpreußenblatt Max Waldheyer im April 1963 zum Geburtstag:

Wir gratulieren:
zum 91. Geburtstag

Waldheyer, Max, früher Königsberg, Cranzer Allee Nr. 22, jetzt in Hamburg-Bergedorf, August-Bebel- Straße 155, am 24. April.
Das Ostpreußenblatt, 20. April 1963, S. 16

Danach müssen wir das Sterberegister der Stadt Hamburg bemühen, das online verfügbar ist:

Max Bernhard Waldheyer verstarb am 1. Juni 1963 im Alter von 91 Jahren, seine deutlich jüngere Ehefrau (geboren 1890) Ella Marta Caroline Waldheyer, geborene Preising, am 25. April 1971 im Alter von 81 Jahren.