Schlagwort-Archive: Koningin Emma

Koningin Emma sinking

Die abenteuerliche Reise des Kapitäns der „Fürth“, W. Richter, auf der „Koningin Emma“

Endstation Marseille

Aufbruch in Colombo

Bildnachweis Titelbild: Das Sinken der „Koningin Emma“,
© https://wrecksite.eu/wreck.aspx?74565

Kapitän W. Richter war eines der wenigen Besatzungsmitglieder, die im Hafen von Colombo (Ceylon) auf der, von den Briten beschlagnahmten „Fürth“, bleiben konnten.

Über diese Zeit im Hafen hatte ich ausführlich berichtet: Die „Fürth“ in Colombo: 11. bis 18. August 1914 und Wie ein bekannter deutscher Physikprofessor auf die „Fürth“ kam.

Anschließend berichtet Kapitän Richter weiter über seine Fahrt nach Europa
(Quelle: Hamburger Nachrichten, 16. Dezember 1914, S. 3, http://www.theeuropeanlibrary.com):

„Am 25. September erhielten ich sowie ein dritter Offizier einen Freipaß von der englischen Regierung in Colombo zugestellt, auf dem merkwürdigerweise ausdrücklich bemerkt war, daß wir auch an der Weiterreise durch Frankreich nicht gehindert werden durften. Gleichzeitig bei der Überreichung der Freipässe wurde uns befohlen, uns an Bord des inzwischen von Java zurückgekehrten holländischen Dampfers Konigin Emma zu begeben, um mit diesem nach einem neutralen Hafen abgeschoben zu werden. Die Reise dorthin mußten wir aber selbst bezahlen. Der holländische Dampfer sollte uns nach Genua bringen, und wir beide waren froh darüber, daß wir bald wieder in die Heimat gelangen sollten. Jedoch kam es ganz anders als wir dachten.“

Koningin Emma (1913)

„Koninigin Emma“, Aufnahme von 1913; Quelle: https://wrecksite.eu/wreck.aspx?74565

Mit dem Postschiff „Koningin Emma“ war bereits Prof. Hupka von Europa in Ceylon angekommen (Wie ein bekannter deutscher Physikprofessor auf die „Fürth“ kam). Jetzt war das Schiff auf dem Rückweg von Batavia, wo es am 17. September 1914 den Hafen Tandjoeng Priok verlassen hatte.

Vertrokken: Ned. ss. Koningin Emma, gez. Ouwehand, naar Singapore, Sabang en Amsterdam.
Het nieuws van den dag voor Nederlandsch-Indië, 18. Sep 1914

Die Abfahrt von Colombo erfolgte am 26. September 1914, einen Tag nach der Freilassung Kapitän Richters und des dritten Offiziers der „Fürth“, H. Wodarz.

Het ss. Koningin Emma, mailschip van de Stoomvaart Maatschappij „Nederland“, vertrok van Colombo op 26 dezer op weg naar Holland.
Het nieuws van den dag voor Nederlandsch-Indië, 28. Sep 1914

Im Mittelmeer

Kapitän W. Richter berichtet weiter:

„Unterwegs kamen wir durch den Suezkanal. Hier herrschte reges militärisches Leben, da eine Menge großer Transportschiffe in Port Said lag. Wir wurden daher wohl auch nicht weiter durch Anhalten belästigt, da die dort liegenden Kriegsschiffe genug mit den Transportschiffen zu tun hatten.“

Die „Koningin Emma“ hatte Suez am 6. Oktober 1914 passiert (Quelle: De Sumatra Post, 10. Okt. 1914).

„Als die Konigin Emma Port Said verließ, gingen etwa 25 große, mit farbigen Truppen besetzte Transportschiffe mit uns in See, den gleichen Kurs nach dem Westen mit uns aufnehmend. Bis zum 10. Oktober erfuhr die Weiterreise keine Unterbrechung, dann aber hielt uns südlich von Italien der französische Kreuzer Casa Bianca an.“

Die „Casabianca“ war ein älteres, zum Minenleger umgebautes, französisches Kriegsschiff (1895 fertiggestellt).

Casabianca aviso-torpilleur

Das französische Kriegsschiff CASABIANCA, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:CASABIANCA_MN_1w.jpg

Malta und Biserta (Bizerte)

„Der an Bord gekommene Marineoffizier nahm uns fast sämtliche Papiere ab und befahl dem Kapitän des holländischen Dampfers, weil angeblich Konterbande (Gummi) an Bord sei, nach Malta zu fahren. Von dort mußte die Konigin Emma nach Biserta gehen, und schließlich erhielt sie Befehl, nach Marseille zu fahren, wo sie am 19. Oktober eintraf.“

Als Konterbande wurden Waren bezeichnet, die mittelbar oder unmittelbar zur Kriegsführung eingesetzt werden konnten.

Die Aussage, dass das Schiff Biserta anlief, wird durch einen Zeitungsartikel bestätigt. Er listet noch mehrere Waren auf, die hier laut diesem Artikel beschlagnahmt wurden:

Het s.s. Koningin Emma werd genoodzaakt te Biserta (bfl Tunis) alles te lossen wat als voorwaardelflke contrabande wordt beschouwd: koffie, rubber, tapioca, huiden, mais, thee en lijnkoeken.
Het nieuws van den daag voor Nederlandsch-Indië, 19. Okt 1914

Übersetzung: Die SS Königin Emma wurde gezwungen, alles, was in Biserta als bedingte Schmuggelware gilt, zu entladen: Kaffee, Gummi, Tapioka, Häute, Mais, Tee und Ölkuchen.

Anm.: Bizerte (Biserta) ist eine tunesische Hafenstadt.
koningin emma (1913)

„Koninigin Emma“, Aufnahme aus der Zeit des Ersten Weltkrieges mit großem Schriftzug und großer niederländischer Flagge am Bug; Quelle: https://wrecksite.eu/wreck.aspx?74565

Eintreffen in Marseille

Das Eintreffen von Kapitän Richter und des, bislang in den Quellen nicht namentlich genannten dritten Offiziers, H. Wodarz, ist in der Passagierliste der „Koningin Emma“ beim Eintreffen in Marseille belegt:

PASSAGIERSLIJST.
Aangekomen passagiers.
St. Koningin Emma, vertrokken van Batavia d.d 17 September en gedeeltelijk te Marseille gedebarkeerd. Kapitein P. Ouwehand.
G. Bakker, mr. J. Barlagen Bussemaker, G. Boker, J. Blackburn, A. J. Blanckenhagen en echtg., W Blom, N. Bolijn en echtg., W. Brakel Jr., A. W. H. M. Bruning, B. Buizert, H. A. F. de Bijl Nachenius. en echtg., C. A. Carlier, G. I. Chapplo. mevr. F Cochins en kind, J. Couwenberg, F. A. W. Creutzberg, mevr. van Dijk. Orestie Fanoli, Ch. von Freyburg, mej. L. Gerlach, mevr. M. H. N. Gerth v. Wijk, kapt. F. H. R. Gronau, J. Haag, echtg. en 3 kind., J. v d. Haar. H. J. v. Hal, E. A. F. v. Hille, D. J. N. v. d Hoop, P. Kazen, mevr. Ch. Kokke en 3 kind., N. J. Koolemans Beyne, echtg. en 2 kind., J. C. Th. Kroesen, C. Kunst, mej. van der Linden, Ch. R. Mac Cubbin, J. L. Martens, J. van Merkenstein en kind, G. C Moody, mevr. Morris en 3 kind., kapt. W. Müller, A_ J. Pabbruwo en 2 kind., H. H. Pelster, H. S. Pitch, J. Poll, echtg. en kind, Th. Pool, I. Ramaswamy, F M. Razona Schultz, dr. C. Kichter en echtg. H. Richter, kapt. F. W. Richter, G. Rijnders, J. Scheltens. J. W. Sickemeijer, echtg. en kind, Th. J. Soeters, A C. Spek, jongejuffr. P. E. Taat, mevr. J. M. Veltkamp Helbach, N. van Vriesland, H. C. van Weeren, C. P. Weil, J. Wilson, H. Wodarz, J. J. C. de Wolff, benevens H. M. troepen en schepelingen.
Quelle: Het nieuws van den dag : kleine courant, 26. Okt 1914, Hervorhebungen durch den Autor

Anmerkung: Viele aus Übersee ankommende Passagiere legten ab Marseille den Weg in die Niederlanden mit dem Zug zurück.

Weitere Leidensgenossen

„Hier wurden außer mir und dem dritten Offizier, noch zwei an Bord befindliche Kapitäne der Bremer Hansa-Linie und Professor Dr. Kahle, der von Ägypten kam, von Bord geholt.“

Die zwei Kapitäne der Hansa-Linie sind in der Passagierliste aufgeführt, sie kamen ebenfalls aus Colombo. Prof. Kahle hingegen fehlt in der Liste, was darauf zurückzuführen sein dürfte, dass er erst in Ägypten auf das Schiff kam und die Meldung bereits vorher telegrafisch übermittelt wurde.

Die Kapitäne der Hansa-Linie waren laut Passagierliste der „Koningin Emma“ F. H. R. Gronau, Kapitän des Dampfers „Rappenfels“ und W. Müller, Kapitän der „Moltkefels“. Beide Schiffe der Bremer Hansa-Linie waren ebenfalls von den Briten aufgebracht worden und lagen in Colombo: Die „Fürth“ in Colombo: 11. bis 18. August 1914

Bei Prof. Kahle dürfte es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um den Theologen und Orientalisten Prof. Dr. Paul Kahle handeln (1875-1964). Dieser war von 1903-1908 Pfarrer der Deutschen Evangelischen Gemeinde Kairo gewesen.

„Nachdem er nach Deutschland zurückgekehrt war, unterrichtete Kahle an der Universität in Halle (1909-1914) und erwarb im Jahr 1914 in Gießen den Titel ordentlicher Professor.“ http://www.paulkahle.unito.it/index.php/About/biography_kahle?lang=de

Eventuell kam er von einer Studienreise, als er von der „Koningin Emma“ geholt wurde, was ich aber nicht weiter recherchiert habe. Falls jemand sicher sagen kann, dass es nachweislich dieser Prof. Kahle war, der mit Kapitän Richter gereist ist, wäre ich für einen Hinweis auf den Beleg dankbar.

Eine Quelle besagt, dass der deutsche Professor einen Pass vom englischen Oberbefehlshaber hatte und sich daher in Sicherheit wog und auf die Rückreise nach Deutschland über Genua gewagt hatte (De Sumatra Post, 16. Dez 1914).

Gefangennahme

Setzen wir den Bericht von Kapitän Richter fort:

„Mit unserem übriggebliebenen Gepäck mußten wir in einem selbst gemieteten Wagen zur Polizeiwache fahren, wo unsere Papiere und die auf den Pässen befindlichen Personalbeschreibungen geprüft wurden. Wir mußten bis gegen Mitternacht in dem Untersuchungsraum der Wache bleiben. Auf unser Bitten gestattete man uns, von einem in der Nähe befindlichen Gasthaus Essen kommen zu lassen, da wir keine Speisen von der Polizei erhielten. In der Nacht wurden wir noch auf den holländischen Dampfer zurückgebracht, auf dem wir bis zum 22. Oktober blieben, der dann, nachdem er die für Genua bestimmte Ladung gelöscht hatte, Marseille verließ, um nach Amsterdam weiterzufahren.“

„Wir Deutsche freuten uns schon, der Gefangensetzung entronnen zu sein, als kaum eine halbe Stunde vor Ausgang der Konigin Emma wir Fünfe den Befehl erhielten, unsere noch übriggebliebenen wenigen Habseligkeiten zusammenzupacken, um abgeführt zu werden. Unter den übrigen Fahrgästen befanden sich noch zwei Deutsche, die aber aus Java in der holländischen Kolonialtruppe gediet [sic!] hatten und sich in ihrer Uniform auf der Heimreise nach Amsterdam befanden. Sie sollten gleichfalls gefangen genommen werden. Sie waren mit uns bereits zum Verlassen des Schiffes angetreten, als der holländische Konsul erschien und unter Hinweis auf die Uniform die Freilassung der beiden Kolonialsoldaten verlangte, worauf diese auch freigegeben wurden. Wir fünf wurden nun auf einen kleinen Schleppdampfer gebracht, der uns nach dem Fort Nicolas übersetzte.“

Bestätigte Angaben

Die Angaben von Kapitän Richter im letzten Paragraphen werden von einem anderen Passagier des Schiffes bestätigt (Zeitungsartikel De reis van de „Koningin Emma”, De Sumatra Post, 16. Dez 1914). Im Artikel muss es statt „der holländische Konsul“ wohl richtig heißen „der holländische Kapitän“.

Der Artikel De reis van de „Koningin Emma” gibt auch über das weitere Schicksal der beiden Deutschen im Dienst der holländischen Kolonialtruppen Auskunft (Artikel im Original im Niederländischen):

„Der Kapitän der „Emma“ protestierte energisch und sagte, er würde nicht zulassen, dass diese beiden holländischen Soldaten in Uniform von Bord eines holländischen Schiffes gebracht würden. Sie wurden dann allein gelassen, aber in Gravesend wurde dasselbe wiederholt. An den Docks, zu denen das Schiff abgeschleppt worden war, wurden die beiden Soldaten von bewaffneten Engländern bewacht. Einer von ihnen war krank und nicht in der Lage war, aus seinem Bett zu gehen, und schließlich wurde angeordnet, die beiden an Land zu bringen. Die Bahre wurde vom Schiffsarzt der „Emma“ zur Verfügung gestellt.

Der Kapitän protestierte vergeblich, wandte sich aber sofort an das niederländische Generalkonsulat in London, was dazu führte, dass der Gesandte Van Swinderen sich mit der englischen Regierung in Verbindung setzte. Am Tag vor der Abfahrt des Schiffes wurde einer der beiden Soldaten wieder an Bord gebracht, der andere blieb im Krankenhaus, wurde aber nach der Genesung wieder freigelassen.“

Anmerkung: Gravesend ist eine englische Hafenstadt am Unterlauf der Themse und wurde auf der Rückreise nach Amsterdam fahrplanmäßig angelaufen.

Auch zur Verhaftung der fünf Deutschen, inklusive Kapitän Richters, gibt der Augenzeuge eine Einschätzung:

„Insbesondere die französischen Behörden befanden sich in völliger Unsicherheit über die Gründe und die Rechtmäßigkeit der von ihnen selbst vorgenommenen Festnahme. Sie ignorierten englische Pässe und misstrauten den Frachtbriefen, auf denen „Order to Rotterdam“ durchgestrichen und durch „Order to London“ ersetzt wurde.“

Unsicherheit hin oder her – die fünf Deutschen waren verhaftet.

Lange Verzögerung

Die „Koningin Emma“ erreichte Amsterdam schließlich mit viel Verzögerung am 5. November 1914.

SCHEEPVAART.
Het ss. Koningin Emma is 5 dezer te Amsterdam aangekomen.
De Preanger-bode, 11. Nov. 1914

Insgesamt war das Schiff fast drei Wochen länger und damit fast doppelt so lang unterwegs wie die „Tabanan“, mit der zwei andere Besatzungsmitglieder der „Fürth“ von Colombo nach Rotterdam gefahren waren (Rückkehr nach Deutschland mit dem Dampfschiff „Tabanan“). Die „Tabanan“ war eine Woche später aus Colombo ausgelaufen (2. Okt 1914) und erreichte die Niederlanden 12 Tage vor der „Koningin Emma“, nämlich bereits am 24. Okt 1914.

Über diese Verzögerung machte auch der bereits zitierte Passagier seinem Unmut Luft:

„Fünf Deutsche und fünfzig Kisten Gummi – schließlich alles, warum das neutrale Handelsschiff von einem Hafen zum anderen geschleppt, tagelang aufgehalten, durchsucht, behindert und in jeder Hinsicht beeinträchtigt wurde.“ (De reis van de „Koningin Emma”, De Sumatra Post, 16. Dez 1914).

Koningin Emma sinking

Das Sinken der „Koningin Emma“ am 22. September 1915, Quelle und weitere Informationen: https://wrecksite.eu/wreck.aspx?74565

Der Untergang der „Koningin Emma“

Fast ein Jahr später hätte dieser Passagier dann ernsteren Grund zur Klage gehabt: Am 22. September 1915 lief die „Koningin Emma“ auf der Fahrt von Batavia nach Amsterdam vor der englischen Südost-Küste in der Nähe der Themsemündung auf eine (vom U-Boot SM UC-7 der Kaiserlichen Marine gelegte) Mine und sank. Alle Personen an Bord konnten gerettet werden (Quellen: https://wrecksite.eu/wreck.aspx?74565 und http://www.stoomvaartmaatschappijnederland.nl/ss-koningin-emma-ii-phmfp-1913-1915/)

Gefangenschaft in Marseille

Nächste Woche hier im Blog: Das Schicksal von Kapitän Richter, dem dritten Offizier der „Fürth“, H. Wodarz, den beiden anderen deutschen Kapitänen Gronau und Müller sowie von Professor Kahle in Marseille: Gefangenschaft im Fort Nicolas.

Erich Hupka, Interferenz der Röntgenstrahlen

Wie ein bekannter deutscher Physikprofessor auf die „Fürth“ kam

Die „Fürth“ in Colombo – Teil 2
(nach dem 18. August 1914)

Das Dampfschiff „Fürth“ war am 11. August 1914 in Colombo angekommen. Zuvor war es am 10. August von dem britischen Kriegsschiff „HMS Espiegle“ gekapert worden und traf in Begleitung dieses Schiffes in Colombo ein. Die Mannschaft blieb noch bis 18. August an Bord und wurde dann größtenteils in das Gefangenenlager Ragama gebracht. Nur wenige Besatzungsmitglieder blieben an Bord zurück. Siehe auch: Die Kaperung der „Fürth“ und Die „Fürth“ in Colombo: 11. bis 18. August 1914

Die folgende Schilderung des Kapitäns W. Richter ist leider sehr kurz gehalten. Er gab sie in einem Artikel der Hamburger Nachrichten am 16. Dezember 1914 auf Seite 3 wieder.

„Die Ladung meines Schiffes wurde bis auf eine Teilladung Erz gelöscht und das Schiff dann für Transportzwecke umgebaut. Am 8. September wurden bei mir drei gefangene Deutsche an Bord untergebracht. Sie waren von Bord des holländischen Dampfers Konigin Emma geholt worden und kamen von Europa. Es waren Professor Dr. Hupka, der für die deutsche Regierung nach Tsingtau gehen sollte, Ingenieur Lupien, der nach Java für die holländische Regierung wollte, und ein Pflanzer Eggers aus Colombo. Sie blieben an Bord bis zum 18. September und wurden dann nach Ragama abgeführt.“

Professor Erich Hupka

Die folgenden Zitate stammen aus dem Buch „Gefangen am anderen Ende der Welt: Deutsche im Ersten Weltkrieg in Ostasien und Australien von Gerhard Dannemann, 2018, Book on Demand (abgerufen unter books.google.fr).

„Der Physiker Dr. Karl Erich Hupka war als Professor mit einem Lehrauftrag an die Deutsch-Chinesische Hochschule von Tsingtau berufen worden. Zusammen mit seiner Ehefrau Therese schiffte er sich im Hafen von Genua auf einem holländischen Dampfer ein. Auf der Überfahrt wurden die frisch vermählten Eheleute vom Ausbruch des Krieges Überrascht, denn bereits am 15. August 1914 endete ihre Fahrt in Colombo auf Ceylon (dem heutigen Sri Lanka), wo der Dampfer Kohlen nehmen musste und wo die Eheleute und weitere Deutsche von den Engländern, den damaligen Kolonialherren und derzeitigen Kriegsgegnern des Deutschen Reiches, von Bord geholt und in das aus langen Wellblechbaracken bestehende Lager Diyatalawa gesteckt wurden.“

Die Hochschule von Tsingtau befand sich im Deutschen Pachtgebiet Kiautschou, das 1898 vom Kaiserreich China an das Deutsche Kaiserreich verpachtet worden war. Die Hauptstadt dieses Gebietes war Tsingtau (heute Qingdao), heute in Europa vor allem durch die Großbrauerei bekannt, die ihre Wurzeln in dieser Zeit als deutsches Kolonialgebiet hat.

Eine ausführliche und gut recherchierte Darstellung von dem deutschen Gebiet Kiautschou finden Sie hier:
https://deutsche-schutzgebiete.de/wordpress/projekte/kolonien/kiautschou/

Offen bleibt, wo Hupka und seine Frau zwischen dem 15. August und dem 8. September 1914 festgehalten wurden.

Am 18. September 1914 wurde Hupka und die beiden anderen Gefangenen laut Kapitän Richter nach Ragama gebracht. Dies aber nur vorübergehend, denn:

„Am 24. Oktober wurden die Internierten, darunter der Physiker Erich Hupka, von Ragama in das in den Bergen im Innern der ceylonesischen Insel gelegene Internierungslager Diyatalawa verlegt, das von bis zu 2.400 m hohen Bergen umgeben ist. Das Klima dort war wesentlich angenehmer als im tropischen Colombo.“ (Quelle: Dannemann, s. o.)

Hier blieb Hupka mit seiner Frau ein gutes Jahr. In dieser Zeit bekamen sie Nachwuchs:

„Genau ein Jahr später, nämlich am 15. August 1915, kann ihr Sohn Herbert in der Gefangenschaft zur Welt.“

Der Sohn Herbert Hupka wurde sehr viel später in der Bundesrepublik Deutschland als Politiker bekannt, der sich für die Sache der Vertriebenen eingesetzt hat. Er starb 2006.

Diyatalawa camp. Ceylon

Diyatalawa Camp. Ceylon. Blick nach Süden. Quelle: The National Archives UK, Ref.: CO 1069-588-1.

Aber auch in Diyatalawa sollte die junge Familie nicht lange bleiben:

„Mit ihrem Baby wurden sie zusammen mit vielen anderen Internierten im November 1915 weiter nach Australien verfrachtet. Dort wurden die Kriegsgefangenen zunächst in das Hauptlager Holdsworthy gebracht und von dort auf verstreut im Lande liegende Internierungslager, seinerzeit sogenannte „Concentration Camps“ verteilt.“

Alle in Asien befindlichen Gefangenenlager, wie auf Ceylon oder in Singapur waren im Herbst 1915 aufgelöst worden und die dort Internierten wurden anschließend nach Australien transportiert.

Über die Lager in Australien mache ich hoch einen eigenen Blogartikel, da viele deutsche Seeleute von Handelsschiffen dort interniert waren und dieser Teil der australischen Geschichte wenig bekannt ist.

Tragisches Schicksal

Das tragische Schicksal von Prof. Erich Hupka nehme ich hier vorweg:

„Im Sommer 1918 mussten sämtliche Internierten in das neu errichtete Lager Molonglo umziehen, wo sie bis zur Ausweisung blieben. Familie Hupka verließ Australien zusammen mit vielen weiteren Kriegsgefangenen am 29. Mai 1919 auf dem Truppentransporter „Kursk“, einem ehemaligen russischen Auswandererschiff. Auf dem überbelegten Schiff waren die hygienischen Zustände katastrophal. An den Folgen einer auch aus diesen Gründen an Bord ausgebrochenen Lungenpest verstarb unter anderem auch Dr. Erich Hupka. Er wurde zwei Stunden später in Höhe der südafrikanischen Stadt Durban dem Meer übergeben.“

Auch dieses Zitat stammt aus: Deutsche im Ersten Weltkrieg in Ostasien und Australien von Gerhard Dannemann, 2018, Book on Demand (abgerufen über books.google.fr).

Ehefrau Therese kehrte mit ihrem Sohn Herbert über Rotterdam nach Oberschlesien zurück.

Ende des Aufenthaltes in Colombo

Zurück zur Schilderung von Kapitän Richter:

„Am 25. September erhielten ich sowie ein dritter Offizier einen Freipaß von der englischen Regierung in Colombo zugestellt, auf dem merkwürdigerweise ausdrücklich bemerkt war, daß wir auch an der Weiterreise durch Frankreich nicht gehindert werden durften. Gleichzeitig bei der Überreichung der Freipässe wurde uns befohlen, uns an Bord des inzwischen von Java zurückgekehrten holländischen Dampfers Konigin Emma zu begeben, um mit diesem nach einem neutralen Hafen abgeschoben zu werden. Die Reise dorthin mußten wir aber selbst bezahlen.“

Der dritte Offizier der „Fürth“ war H. Wodarz, Mitte zwanzig (er war auf der Mannschaftsliste der „Fürth“ in Sydney vom 13. Juli 1914 mit 25 Jahren eingetragen). Drei Mannschaftslisten der „Fürth“ aus dem Jahr 1914

Der Name des Dampfers lautet richtig geschrieben „Koningin Emma“. Es war ein Passagier- und Frachtdampfer der Reederei „Stoomvaart Maatschappij Nederland“ und bediente die Post-, Passagier- und Fracht-Linie zwischen den Niederlanden und Niederländisch-Indien.

Die „Koningin Emma“ verließ den Hafen von Colombo einen Tag, nachdem Kapitän W. Richter und der 3. Offizier H. Wodarz ihre Freipässe bekommen hatten.

Die Abfahrt des Schiffes ist dokumentiert in der Zeitung „De Sumatra Post“ vom 5. Oktober 1914 (Quelle: http://www.delpher.nl)

Scheepstijdingen.
De Koningin Emma is 26 Sept. uit Colombo vertrokken, richting Holland.

Mehr über dieses Schiff und die Schwierigkeiten des Kapitäns und seines Offiziers auf der Heimreise demnächst hier im Blog.

 

Hupka, Interferenz der Röntgenstrahlen
Titelseite des Buches von Dr. Erich Hupka; hier war er bereits als Dozent der Hochschule in Tsingtau genannt, eine Stadt, in der er nie ankommen sollte
Memeler Dampfboot, newspaper, July 1899

Die Männer der „Fürth“: Ingenieur Max Waldheyer

Der Chefmaschinist aus Memel

Zu den beiden Mannschaftslisten der „Fürth“, die hier im Blog bereits veröffentlicht wurden, kommt jetzt ein erstes Porträt eines Mannschaftsmitgliedes der „Fürth“.

Fündig wurde ich in der Zeitung mit dem schönen Namen Memeler Dampfboot in einer Ausgabe aus dem Jahr 1962.

Anm.: Memel heißt heute Klaipėda und liegt in Litauen.

In der Ausgabe vom 5. Mai 1962 gratuliert die Heimatzeitung der Memelländer dem Maschinenbau-Oberingenieur Max Waldheyer zum 90. Geburtstag.

Max Waldheyer

Auszug aus der Mannschaftsliste, Sydney 21. März 1909, Quelle: http://www.marinersandships.com.au

Auf der Mannschaftsliste der „Fürth“ vom 21. März 1909 ist bei der Ankunft in Sydney, als erster Ingenieur ein M. Waldheyer, Alter 37, verzeichnet. Ohne Zweifel ist dies der in Memel geborene Max Waldheyer, wie der in der Zeitung geschilderte Lebenslauf bestätigt:

„Wir gratulieren…

… dem Maschinenbau-Oberingenieur Max Waldheyer zum 90. Geburtstag am 24. April. Der Name Waldheyer dürfte manchem Memeler noch in Erinnerung sein durch Grundbesitz und durch das Kolonialwarengeschäft Waldheyer in Memel-Schmelz gegenüber dem Gerlachschen Holzplatz.
Max Waldheyer wurde in Memel geboren. Schulbesuch bis Sekunda (Mittlere Reife) auf dem Burg-Gymnasium in Königsberg. Dann eine dreijährige Lehrzeit bei der Maschinenfabrik Ongley in Memel in der Lotsenstraße gegenüber dem Gerichtsgebäude.
Im Anschluß wurden auf dem Wege der Ingenieur-Laufbahn eine Reihe von Examen in Flensburg, Danzig und Hamburg abgelegt, die mit Verleihung des Seepatentes C6 ihre Krönung fanden. Von 1902 bis 1915 war Max Waldheyer bei der Deutsch-Australischen Dampfschiffsgesellschaft tätig. Als leitender Ingenieur machte er viele Fahrten nach Afrika, Amerika, Australien, zu den Niederländischen Inseln – fast durch die ganze Welt – und war auch Beauftragter bei verschiedenen Werften für Neubauten seiner Firma. 1914, kurz vor Kriegsausbruch, fuhr Max Waldheyer als leitender Ingenieur bei der Garantiereise des Neubaus „Australia“ (12.500 t), Ladung Dynamit, Kurs Colombo. Vom Ausbruch des Krieges überrascht, wurde die „Australia“ kurz vor Erreichung des Bestimmungshafens gekapert. Nach kurzer Internierung auf Ceylon wurde Max Waldheyer entlassen. Die Heimreise bis Genua erfolgte auf einem holländischen Passagierdampfer….“

Bis hierhin ist das der für uns in Verbindung mit der „Fürth“ der interessanteste Teil. Das Schiff „Australia“ hatten wir in Port Pirie kennengelernt, als es an Bord ein Konzert gab: Bordkonzert in Port Pirie.

Wie viele Fahrten Max Waldheyer an Bord der „Fürth“ machte, werde ich noch herausfinden. Der im Artikel erwähnte holländische Passagierdampfer könnte die „Koningin Emma“ gewesen sein, ich komme auf dieses Schiff noch zurück.

Spätere Karriere

Hier der weitere Lebenslauf des Ober-Ingenieurs Max Waldheyer, der noch viele interessante Stationen in seinem Leben durchlaufen sollte:

„…Von 1916 bis 1919 war er in Libau (Kurland). Das Reichsverkehrsministerium hatte ihn als technischen Leiter bei der Schiffahrtsabteilung Libau eingesetzt. Von 1919 bis 1925 Vorstand der Rheinschiffahrtsstelle für die besetzten rheinischen Gebiete. Als Vertretung des Reichsverkehrsministeriums hatte er die verantwortungsvolle Aufgabe, die Requisitionen der Entente-Truppen hinsichtlich schwimmender Objekte auf dem Rhein auf ein Mindestmaß zu beschränken. Der Jubilar erinnert sich aus dieser Zeit gern an ein persönliches Telefongespräch mit dem damaligen Oberbürgermeister der Stadt Köln Dr. Konrad Adenauer, dem jetzigen Bundeskanzler. Herr Waldheyer, dienstlich nach Köln beordert, suchte eine Wohnung. Dem Wunsche wurde innerhalb einer halben Stunde entsprochen. Von 1926 bis 1932 folgten 6 Jahre als technischer Direktor bei der Wilhelmshaven-Rüstringer Industriehafenanlagen AG. Ende 1932 mit 60 Jahren, ausgezeichnet mit dem EK II und dem Hamburger Verdienstkreuz, ging er in die wohlverdiente Pension. Er zog nach Königsberg und baute sich in der Cranzer Allee ein Haus. Doch dieser tätige Mann sollte noch nicht zur Ruhe kommen. Man brauchte seine hervorragenden Fachkenntnisse. Im Jahre 1940 holte ihn das Oberkommando der Kriegsmarine und übertrug ihm die Bauaufsicht bei der Schichau-Werft in Königsberg. Hier wurden M-Boote gebaut und Reparaturen an M-U-Torpedobooten und auch an Panzerschiffen ausgeführt. Der Zusammenbruch 1945 und der Verlust seiner ostpreußischen Heimat setzten dieser verantwortungsvollen Tätigkeit ein Ende. Die Flucht nach dem Westen wurde auch ihm nicht erspart. Doch „Wer rastet, der rostet“, und die Pension hatte in den ersten Nachkriegsjahren geringe Kaufkraft. So übernahm er 1946 – mit 74 Jahren – als technischer Leiter den Aufbau einer Kunststoff-Fabrik in Bremen-Burg und war hier noch bis 1952 tätig. Seit 1952 – nun endgültig im Ruhestand – wohnt Max Waldheyer in Hamburg-Bergedorf, August-Bebel-Str. 155. Seine Frau Ella, geb. Preising, ist ebenfalls gebürtige Memelerin. Die Eltern hatten vor Jahren das Restaurations- und Schiffsausrüstungsgeschäft mit Stauereibetrieb in der Holzstraße, Ecke Kreuzstraße. Frau Ella sang im Memeler Oratorienverein und singt noch heute. Am 22. Juni 1960 konnte das Ehepaar Waldheyer goldene Hochzeit feiern. Ein seltenes Glück ist damit diesen beiden prächtigen Menschen beschieden. Bei bester Gesundheit und bei völliger geistiger Klarheit nehmen beide am Zeitgeschehen regen Anteil. Sie spielen mit Begeisterung Skat und sind bei den Veranstaltungen der Landsmannschaft Ostpreußen in Bergedorf stets anwesend. Sobald die Musik zum Tanz aufspielt, sind sie unter den ersten Tänzern. Es ist ein Erlebnis, bei Waldheyers eingeladen zu werden. Frau Ella erfreut durch Klavierspiel und Gesang. Unser Jubilar erzählt aus seinem abwechslungsreichen Leben und er läßt es sich nicht nehmen, drei Treppen herabzusteigen, um die Gäste zu verabschieden.“

Memeler Dampfboot, 113. Jahrgang, Oldenburg (Oldb.), 5. Mai 1962, Nummer 9, S. 125, abgerufen unter
http://memel.klavb.lt/MD/Papildymai1953-1962/19620505.pdf
© Klaipėdos apskrities viešoji I. Simonaitytės biblioteka, 2009-2016

Memeler Dampfboot, newspaper, July 1899

Memeler Dampfboot, Jubiläumsausgabe vom 5. Juli 1899, © Klaipėdos apskrities viešoji I. Simonaitytės biblioteka, 2009-2016

In dem zitierten Artikel ist auch ein Porträtfoto von Max Waldheyer, das ich hier gerne gezeigt hätte, aber aus Copyright-Gründen leider nicht kann. Interessierte folgen daher obenstehendem Link zum Memeler Dampfboot.

Max Waldheyer, chef engineer, steamship Fuerth

Aufgebot Bernhard Max Waldheyer mit Ella Caroline Preising, Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 7. Juni 1910, S. 30, Familien-Nachrichten

Letzte Grüße

Ein letztes Mal gratuliert Das Ostpreußenblatt Max Waldheyer im April 1963 zum Geburtstag:

Wir gratulieren:
zum 91. Geburtstag

Waldheyer, Max, früher Königsberg, Cranzer Allee Nr. 22, jetzt in Hamburg-Bergedorf, August-Bebel- Straße 155, am 24. April.
Das Ostpreußenblatt, 20. April 1963, S. 16

Danach müssen wir das Sterberegister der Stadt Hamburg bemühen, das online verfügbar ist:

Max Bernhard Waldheyer verstarb am 1. Juni 1963 im Alter von 91 Jahren, seine deutlich jüngere Ehefrau (geboren 1890) Ella Marta Caroline Waldheyer, geborene Preising, am 25. April 1971 im Alter von 81 Jahren.