Archiv für den Monat Oktober 2021

Angra do Heroismo, German internment camp

Unfreiwilliges Treffen auf den Azoren

Deutsche Seeleute im Lager Angra do Herosimo (Insel Terceira)

Titelbild:
Appell der Gefangenen im Fort São João Baptista, Angra do Heroismo, Insel Terceira, Azoren, 1916-1919, © Rotes Kreuz Portugal; Quelle : Archives Audiovisuelles du Comité Internationale de la Croix Rouge, https://avarchives.icrc.org/, Référence V-P-HIST-03053-12

Über die Schiffe „Colmar“ und „Brisbane“ der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft

 „Colmar“ – Von Sydney nach Madeira

Peter Jacob Christian Dühr verließ am 10. Juni 1914 mit seinem Dampfschiff „Colmar“ den Hafen von Sydney.

Dühr war 34 Jahre alt, zweiter Ingenieur an Bord und „Colmar“ ein Schiff der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg (DADG). Der Dampfer war am 21. September 1912 für die Reederei in Fahrt gegangen.

Die Weizensaison in Australien war in vollem Gange und so hatte Kapitän Martin für die Rückfahrt nach Europa die große Menge von 95.585 Sack Weizen für das Unternehmen Louis, Dreyfus and Co. an Bord genommen.

Weizen wurde vor dem Ersten Weltkrieg in Australien noch in Säcke verpackt und die Exportmenge demzufolge auch jeweils in Säcken angegeben. Mehr zum Thema hier: Weizenernte in Australien

Die Fahrt verlief zunächst nach Durban (Port Natal) und dann nach Teneriffa, wo das Schiff am 31. Juli 1914 eintraf. Es ist wahrscheinlich, dass in beiden Häfen Kohle nachgebunkert wurde, denn schließlich wollte man soviel wie möglich Raum für die Fracht zur Verfügung haben, hielt die Reservebunker so klein wie möglich und nutzte jede Gelegenheit, sie unterwegs wieder zu füllen.

Als europäischer Zielhafen für den Weizen war Hull in England benannt worden. Nicht ungewöhnlich, auch das Dampfschiff „Fürth“ hatte einmal eine Weizenfracht nach Newcastle-on-Tyne transportiert. Siehe: 6000 t Weizen für England

Nach England sollte „Colmar“ allerdings nicht kommen. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges hieß die Anweisung der Reederei für Kapitän Martin zunächst, Barcelona anzulaufen.

Die Order wurde allerdings kurzfristig geändert und so erreichte „Colmar“ am 2. August den Hafen von Funchal auf Madeira, wo das Schiff Schutz vor feindlichen Kriegsschiffen suchte. Madeira als Teil Portugals war nach Kriegsbeginn zunächst neutral geblieben.

Nachdem absehbar war, dass das Schiff in Madeira bleiben musste, wurde der Weizen hier gelöscht.

Die Situation änderte sich im Februar 1916, als die portugiesische Regierung auf britischen Druck alle in portugiesischen Häfen liegenden deutschen (und österreichisch-ungarischen) Schiffe beschlagnahmen ließ und Deutschland daraufhin Portugal am 9. März 1916 den Krieg erklärte. SIEHE: Das Dampfschiff „Fürth“ in Lissabon

Aus den Deutschen auf Madeira waren plötzlich Feinde geworden. Dühr und seine Mannschaftskameraden wurden daher am 20. April 1916 zunächst in Funchal interniert.

Nach Schließung des Camps noch im gleichen Jahr wurden alle Deutschen von Funchal am 8. August 1916 in das Prisoner-of-War Camp Angra do Heroismo gebracht.

Angra do Heroismo ist die älteste Stadt auf den Azoren und liegt auf der Insel Terceira, die zur zentralen Gruppe der Azoren gehört.

Mit dem Castelo São João Baptista verfügt es über eine große Festungsanlage, die jetzt als Gefängnis diente.

Dührs Schiff „Colmar“ lief fortan als „Machico“ unter portugiesischer Flagge.

Angra do Heroismo 1850

Bucht von Angra do Heroismo mit der großen Festungsanlage S. João Baptista, Stich von Lebreton, 1850; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Angra_lebreton.jpg

„Brisbane“: Von Sydney nach Indien

Anfang Juni 1914 könnte Dühr in Sydney seinen Reederei-Kollegen, den dritten Offizier Christian Petersen getroffen haben.

Petersen diente auf dem DADG-Schiff „Brisbane“, dass am 1. Juni 1914 im Hafen von Sydney eingelaufen war.

„Brisbane“ war im August 1911 für die DADG in Dienst gestellt worden, es war das letzte, für die Reederei in England hergestellte Schiff.

Von Sydney sollte den 26-jährigen Petersen die Reise unter Kapitän Voss über Niederländisch-Indien, dem heutigen Indonesien, an die indische Malabarküste führen. Am 31. Juli 1914 traf das Schiff in Cochin ein. Agent der DADG waren dort die Gebrüder Volkart aus Winterthur.

Den Kriegsausbruch zwischen Deutschland und Großbritannien vor Augen, wurde „Brisbane“ von der Hamburger Zentrale der Reederei angewiesen, nach Mormugao zu laufen.

Mormugao ist eine Hafenstadt in Goa und gehörte bis 1961 zu Portugiesisch-Indien. In der großen Bucht von Mormugao war das Schiff vor schwerem Wetter, aber auch vor britischen Zugriffen geschützt und konnte auf Reede liegen.

Insgesamt lagen nach Kriegsausbruch fünf deutsche und ein österreichisches Schiff in dem großen Naturhafen Mormugaos vor Anker.

Auch hier wurden diese Schiffe am 23. Februar 1916 beschlagnahmt und drei Gefangenenlager eingerichtet: schon ab 28. Februar 1916 das Lager Bicholim für die Offiziere der fünf deutschen Handelsschiffe und später Aguada für die Mannschaften der deutschen Schiffe. Zuletzt wurde den 12 Offizieren und 55 Seeleuten des österreichischen Schiffes „Vorwärts“ ein eigenes Lager, zugewiesen: Pangim.

Insgesamt waren in Portugiesisch-Indien 180 Personen interniert.

Viele der Gefangenen bekamen im tropischen Klima Mormugaos jedoch gesundheitliche Probleme, so wohl auch Christian Petersen. Am 6. Oktober 1917 wurde er daher in das Lager Angra do Heroismo auf den Azoren überstellt.

Andere mussten bis zum Ende des Jahres 1919 in den Lagern Bicholim, Aguada und Pangim bleiben, bis ein Rücktransport nach Deutschland organisiert werden konnte.

Aus „Brisbane“ war inzwischen das portugiesische Schiff „Damao“ geworden, es wurde am 28. April 1918 in der irischen See vom deutschen U-Boot „U 91“ versenkt (Schmelzkopf, 1984).

Das Gefangenenlager in Angra do Heroismo

Die Festungsanlage São João Baptista in Angra do Heroismo stammt aus dem 16. Jahrhundert. Am 1. Mai 1916 war hier ein Gefangenenlager für Deutsche und Österreicher eingerichtet worden.

Laut einer offiziellen Zahl vom 4. April 1918 waren in dem Fort 678 Personen gefangen.

Dazu gehörten auch Mannschaften der auf den Azoren selbst beschlagnahmten Schiffe, es waren deren sechs:

„Schwarzburg“ (Dampfschiff, HAPAG)
„Schiffbek“ (Segler, Knöhr & Burchardt, Hamburg)
„Margareth“ (Segler, Hans Hinrich Schmidt, Hamburg)
lagen im Februar 1916 Hafen im von Ponta Delgada auf der Insel S. Miguel.

„Schaumburg“ (Dampfschiff, HAPAG)
„Sardinia“ (Dampfschiff, HAPAG)
„Max“ (Segler, Carl Christian Krabbenhöft, Hamburg)
lagen dagegen im Hafen von Horta auf der Insel Faial
Quelle: Portugalforum.de, Forumsbeitrag mit Zeitungsausschnitt aus O Capital vom 1. März 1916

Hinter dem unauffälligen Namen „Max“ verbirgt sich ein sehr bekanntes Segelschiff, dass Sie sicher unter einem anderen Namen kennen: Das Schiff lief im August 1896 als „Rickmer Rickmers“ vom Stapel. Nach einer langen und wechselvollen Karriere ist es heute unter seinem ursprünglichen Namen ein Hamburger Wahrzeichen an den Landungsbrücken.

Unter den 89 Deutschen, die von der Insel Faial nach Angra do Heroismo kamen, waren auch Mitarbeiter der Kabelstation des deutschen Amerika-Kabels von Emden über Horta nach New York.

Andere Gefangene kamen vom portugiesischen Festland und aus Madeira sowie aus Portugiesisch-Indien, wie wir weiter oben im Text gesehen haben.

Unter den Gefangenen dürften die Seeleute die weitaus größte Gruppe gestellt haben. Es waren aber auch Familien und mindestens eine Gruppe von zwölf Kindern im Lager.

Die Konzentration der deutschen Gefangenen in Angra do Heroismo wurde fortgesetzt und mehr und mehr Personen wurden auf die Insel Terceira gebracht.

Angra do Heroismo, internment camp, WW1

Unterkunft im Fort São João Baptista, Angra do Heroismo, Insel Terceira, Azoren, 1916-1919, © Rotes Kreuz Portugal; Quelle : Archives Audiovisuelles du Comité Internationale de la Croix Rouge, https://avarchives.icrc.org/, Référence V-P-HIST-03062-35

Kapverdische Inseln

Weitere Häftlinge kamen von den Kapverdischen Inseln. Hier ankerten nach Kriegsausbruch insgesamt acht deutsche Handelsschiffe:

„Würzburg“ (Norddeutscher Lloyd, Bremen)
„Heimburg“ (DDG Hansa, Bremen)
„Santa Barbara“ (Hamburg-Südamerikanische Dampfschiffs-Gesellschaft)
„Dora Horn“ (Dampfschiffs-Rhederei Horn AG, Lübeck)
„Bürgermeister Hachmann“ (G. J. H. Siemers & Co., Hamburg)
„Theodor Wille“ (Theodor Wille & Co., Hamburg/Kiel)
„Togo“ (exErich Woermann, HAPAG)
sowie das Schiff „Beta“ (?)

Die beiden Lager São Tiago-Praia und São Nicolau, in denen ab dem 24. Februar 1916 187 Gefangene festgehalten wurden, schlossen am 6. August des gleichen Jahres. Anschließend wurden alle Inhaftierten nach Angra do Heroismo gebracht.

Angra do Heroismo camp, WW1

Großes Schlachtfest der Familienküche am 15. März 1918, Angra do Heroismo, Insel Terceira, Azoren, © Rotes Kreuz Portugal; Quelle : Archives Audiovisuelles du Comité Internationale de la Croix Rouge, https://avarchives.icrc.org/, Référence V-P-HIST-03053-00

Portugiesisch-Westafrika (Angola)

Am 4. Juli 1914 war das mit einer Telefunkenanlage ausgestattete Dampfschiff „Adelaide“ der DADG von Hamburg über die Kaproute nach Australien aufgebrochen. Am 20. Juli passierte es die Kapverdischen Inseln und erhielt dann über Funk aus Lüderitzbucht in Deutsch-Südwestafrika Anweisung, den Hafen São Paulo da Assunção de Loanda, das heutige Luanda, in Angola anzulaufen. Hier kam „Adelaide“ am 6. August 1914 an.

Ein weiteres Schiff, welches São Paulo da Assunção de Loanda anlief, war „Ingraban“ der Hamburg-Bremer Afrika-Linie (HBAL).

Die deutschen Gefangenen wurden 1916 zunächst im Fort São Miguel, dann im April 1917 in einer alten Quarantänestation auf der Ilha de Luanda inhaftiert.

Das Camp wurde im Oktober 1917 geschlossen und die Inhaftierten erreichten am 30. November 1917 Angra do Heroismo auf den Azoren.

Angra do Heroismo, German internment camp, 1916-1919

Küchenvorbereitungen für das Osterfest 1918, Angra do Heroismo, Insel Terceira, Azoren, © Rotes Kreuz Portugal; Quelle : Archives Audiovisuelles du Comité Internationale de la Croix Rouge, https://avarchives.icrc.org/, Référence V-P-HIST-03053-05

Portugiesisch-Ostafrika (heute: Mozambik)

Über das Lager Lourenço Marques habe ich bereits ausführlich berichtet. SIEHE: Gefangen in Portugiesisch-Ostafrika (1916)

Das Lager blieb zwar bis Kriegsende bestehen, aber auch hier wurden im Oktober 1917 viele der Gefangenen entweder auf das portugiesische Festland oder nach Angra do Heroismo auf den Azoren gebracht.

Terceira, Azores, German Internment Camp, WW1

Kimmels Geburtstag, 9. Juni 1918, Angra do Heroismo, Insel Terceira, Azoren, © Rotes Kreuz Portugal; Quelle : Archives Audiovisuelles du Comité Internationale de la Croix Rouge, https://avarchives.icrc.org/, Référence V-P-HIST-03053-06

Lager auf dem portugiesischen Festland

Die beiden Lager auf dem Festland waren Caldas da Reinha und Peniche.

Das Camp für die Deutschen in Caldas da Rainha befand sich im Kurkrankenhaus D. Leonor. Hierhin dürften nur schwerer erkrankte Gefangene transportiert worden sein. 1918 waren dort 168 Personen.

Das Hauptlager auf dem portugiesischen Festland war Peniche. Die Stadt Peniche befindet sich etwa 100 Kilometer nördlich von Lissabon und 30 westlich von Caldas da Reinha direkt am Atlantik.

Die Festung von Peniche war im 17. Jahrhundert zum Schutz vor Angriffen vom Meer erbaut worden. Jetzt diente sie zum Schutz der Portugiesen vor den feindlichen deutschen Zivilgefangenen.

Laut offiziellen Zahlen wurden im Mai 1916 dort 637 Deutsche gefangen gehalten.
Quelle: Civilian Internment during the First World War, Matthew Stibbe, 2019, Auszug über books.google.fr

Viele der Internierten aller portugiesischer Lager erreichten Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg erst Ende des Jahres 1919.

Angra do Heroismo 1918

Sport bot Abwechslung vom eintönigen Lageralltag, Schwimmfest, 6. September 1918, Angra do Heroismo, Insel Terceira, Azoren, © Rotes Kreuz Portugal; Quelle : Archives Audiovisuelles du Comité Internationale de la Croix Rouge, https://avarchives.icrc.org/, Référence V-P-HIST-03053-06

Quellen

Ob der Ingenieur Dühr und der Offizier Petersen sich gekannt haben, kann ich nicht sagen. Sicher ist ihr Weg von Sydney über Madeira bzw. Mormugao nach Angra do Heroismo. Das belegen Briefe/Postkarten aus der Sammlung von Eduardo und Luis Barreiros, Clube Filatélico de Portugal, https://www.cfportugal.pt/ (Portugal in the First World War). Leider ist das Material nicht mehr online, liegt mir aber als PDF vor.

Die Sammlung legt den Schwerpunkt auf den Postverkehr, Zensurstempel, Militär- und Gefangenenpost vor und während des Ersten Weltkrieges. Die Gefangenenpost war von der Portugiesischen Kommission des Roten Kreuzes für Kriegsgefangene sowie der Zentrale in der Schweiz organisiert worden.

Die Angaben im Blogartikel zu den DADG-Schiffen beruhen auf Harms (1933) und Schmelzkopf (1984) sowie eigenen Recherchen. Dühr und Petersen sind in den Mannschaftslisten der Schiffe in Sydney (Sommer 1914) aufgeführt.
Quelle: Mariners and Ships in Australian Waters (http://marinersandships.com.au/)

Die Fotos sind aus den Archiven des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (Archives Audiovisuelles du Comité International de la Croix-Rouge), https://avarchives.icrc.org. Bei Interesse finden Sie dort weitere Bilder aus dem Lager Angra do Heroismo. Sie können ausschließlich für den persönlichen Gebrauch (ohne kommerzielles Interesse) weiterverwendet werden.

Falls Sie andere Quellen (Tagebücher, Erinnerungen, Fotos usw.) über das Lager Angra do Heroismo oder einer der anderen portugiesischen Lager kennen, lassen Sie mich das bitte wissen. Danke im Voraus!

Kinder im Lager, Angra do heroismo, 1916-1919

Die Kinder im Lager Angra do Heroismo, Insel Terceira, Azoren, © Rotes Kreuz Portugal; Quelle : Archives Audiovisuelles du Comité Internationale de la Croix Rouge, https://avarchives.icrc.org/, Référence V-P-HIST-03056-27

Mauritius map 1901

Die “Sultania”, exFürth in Mauritius

Titelbild: Karte von Mauritius mit der Hauptstadt Port Louis, 1901; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Map_of_Mauritius.jpg

Zucker für Britisch-Indien

Seit 1920 war das Dampfschiff „Fürth“ ein Schiff der kleinen Reederei Persian Gulf Steam Navigation Company mit Sitz in Bombay, die das Schiff in „Sultania“ umbenannt hatte. Siehe: Der zweite Verkauf des Dampfschiffes „Fürth“ und Die „Sultania“, exFürth in den Jahren 1920 bis 1923

Das Schiff sollte bis in das Jahr 1930 im Eigentum dieser Reederei bleiben.

Über die Fahrten der „Sultania“, exFürth in dieser Zeit ist wenig überliefert.

Mit Sicherheit war die „Sultania“, exFürth für den Transport indischer Mekkapilger eingesetzt. Sie pendelte in der Haddschsaison zwischen Häfen Indiens und Jeddah, dem heutigen Dschidda, in Saudi-Arabien. SIEHE: Haddsch: Die „Sultania“, exFürth als Pilgerschiff

Aus dem Herbst 1924 ist eine Fahrt nach Mauritius dokumentiert. Das Dampfschiff verließ Bombay am 24. Oktober 1924 mit Ziel Mauritius.

BOMBAY, Oct. 24. – Sailed, Sultania, for Mauritius
The Scotsman, 27.
Okt. 1924, https://www.britishnewspaperarchive.co.uk/

Für die Hinfahrt ist die Fracht nicht bekannt, wohl aber für die Rückreise von Mauritius. Wenig überraschend handelte es sich dabei um Zucker.

THE FREIGHT MARKET.

Fixtures:

Sultania, 5000-6000 tons, Mauritius to Bombay-Karachi, Oct.-Nov., 14s 6d one port, 15s both ports discharge, option Calcutta 15s, sugar; …
Aberdeen Press and Journal, 16. Oktober 1924, https://www.britishnewspaperarchive.co.uk/

Port Louis, Mauritius

Mauritius durchlief eine wechselvolle Kolonialgeschichte. Auf Portugiesen folgten Niederländer, auf diese Franzosen und ab 1810 Briten. Ab dem Jahr 1814 wurde die von den Franzosen Île de France getaufte Insel von den Briten wieder Mauritius genannt.

Auf die französische Kolonialzeit geht auch der Name Port Louis zurück, den Port North-West zu Ehren Ludwig XV. erhielt. Der Hafen war als Haupthafen der Insel ausgewählt worden, weil die natürliche Bucht und die Bergkette Moka Range einen relativ guten Schutz vor den Zyklonen boten, die in der Sommersaison von November bis Mai die Insel bedrohen.

Der Hafen von Port Louis entwickelte sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem der geschäftigsten Häfen des Indischen Ozeans. 1858 wurde hier ein Rekord von 852 ankommenden Schiffen verzeichnet.

Nach der Eröffnung des Suez-Kanals im Jahr 1869 und später durch den Übergang von der Segel- zur Dampfschifffahrt die ging die Bedeutung von Port Louis jedoch stark zurück. So legten im Jahr 1918 nach einem stetigen Rückgang nur noch 136 Schiffe im Hafen an.

Allein von 1910 bis 1919 war die im Hafen umgeschlagene Tonnage über 30 % gefallen: von 986000 Tonnen auf nur 684000 Tonnen.

Der gefallene Warenumschlag verzögerte auch die Modernisierung der Hafenanlagen: Erst in den 1920er Jahren wurde der Hafen für Dampfschiffe ausgebaggert, die Hafeneinfahrt erweitert und neue Kais angelegt.

Loch Vennachar, Port Louis

Der Dreimaster „Loch Vennachar“ bei der Ankunft in Port Louis. Quelle: State Library Victoria, Ref. bs001524; https://trove.nla.gov.au/

Im Gegensatz zu der Bildunterschrift dürfte die Aufnahme aus dem Jahr 1892 sein, als die „Loch Vennachar“ in einen Zyklon gekommen war und mit gebrochenen Masten Port Louis erreichte.
„Loch Vennachar“ sank im September 1905 mit der gesamten Besatzung vor Kangaroo Island (Australien). Das Wrack konnte 1976 lokalisiert werden.

Zucker auf Mauritius

Die Zuckerrohrpflanze wurde 1639 von einem niederländischen Siedler von Java nach Mauritius gebracht. Zunächst diente das Zuckerrohr zur Herstellung von Arrak. Die erste Produktion von Zucker ist dann für das Jahr 1696 dokumentiert.

In den folgenden Jahrhunderten sollte Zucker zum Hauptprodukt der Insel werden. 1834 bestanden 85 % des Exportvolumens Mauritius‘ aus Zucker. Im Jahr 1855 produzierte die relativ kleine Insel sieben Prozent der Weltzuckerproduktion.

1862 wurden 150.000 Tonnen Zucker auf einer Anbaufläche von 52.000 Hektar produziert.

In den 1920er Jahren, als die „Sultania“, exFürth Zucker in Port Louis an Bord nahm, lag die Jahresproduktion dann etwa bei 230.000 Tonnen.

Allerdings gab es auch immer wieder Rückschläge. So zerstörten in einigen Jahren Zyklone oder Schädlinge einen großen Teil der Ernte.

Port Louis cathedral 1912

Der Dom Saint-Louis in Port-Louis/Mauritius, Postkarte, 1912 ; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mauritius_Saint_Louis_Cathedral.jpg

Eine erste kleinere Kirche an der Stelle des späteren Doms war 1722 errichtet worden, aber durch Zyklone zweimal zerstört worden.

Die Abbildung geht auf einen Bau aus den Jahren 1778-1782 zurück. Beschädigungen durch Zyklone und bei der Machtübernahme der Briten im Jahr 1810 machten umfassende Renovierungsarbeiten in den Jahren 1814/1815 erforderlich. Im Jahr 1847 wurde die Kirche zum Dom erhoben.

1928 musste der abgebildete Dom Saint-Louis aufgrund zahlreicher Zyklonschäden durch einen Neubau ersetzt werden, der 1933 an gleicher Stelle geweiht wurde.

Ernte und Verarbeitung

Die Erntesaison für Zucker beginnt in Mauritius im Juni und geht bis in den Dezember. In frühen Kolonialzeiten mussten Sklaven die schwere Arbeit auf den Feldern verrichten. Als die Briten 1834 die Sklaverei abschafften, übernahmen indische Immigranten die Ernte. Diese lebten in Vertragsknechtschaft (Indentur), die bis in das Jahr 1910 bestand.

Über 450.000 Inder sollten zwischen 1835 und 1910 nach Mauritius kommen; knapp 160.000 von ihnen kehrten nach Indien zurück. Mitte des 19. Jahrhunderts arbeiteten über 90 Prozent der Bevölkerung Mauritius in der Zuckergewinnung.

Nach der Ernte von Hand wurde das Zuckerrohr mit Ochsenkarren oder im Dampfzeitalter auch mit Traktoren oder Feldbahnen zu den Fabriken gebracht.

Sugar cane history

Traktor einer Zuckerplantage in Port Louis, Aufnahme von 1901; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Sugar_Estate_Tractor_1901.jpg

1858 gab es auf Mauritius 259 Zuckerfabriken. Die Familienbetriebe wurden nach und nach zu Unternehmen zusammengeschlossen, was zu einer Verringerung der Anzahl auf 137 Fabriken im Jahr 1888 und 79 Fabriken im Jahr 1903 führte. Heute (Stand 2018) gibt es lediglich noch vier Zuckerfabriken auf der Insel.

Von den alten Produktionsstätten sind heute noch einige Kamine erhalten, die als Landmarken über die Insel verteilt zu sehen sind. Eine schöne Bildersammlung dieser alten Industriedenkmäler finden Sie hier: http://vintagemauritius.org/discover/old-chimneys-of-mauritius/

Im Jahr 1968 wurde Mauritius unabhängig und in den 1970er Jahren die Textilindustrie stark ausgebaut. Textilien lösten daraufhin Zucker als wichtigstes Exportgut ab. Allerdings kommen auch heute noch etwa 19 % der Deviseneinnahmen des Landes aus Zucker, der Anteil an der Weltzuckerproduktion liegt bei etwa einem Prozent.

Municipal Theater, Port Louis, Mauritius, about 1900

Theater in Port-Louis, Mauritius, Postkarte, ca. 1900-1910 ; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Port_Louis_Mauritius_Theatre.jpg

Das städtische Theater von Port Louis ist eines der ältesten Theater der südlichen Hemisphäre. Es wurde am 11. Juni 1822 eröffnet. In späteren Jahren wurde es lange vernachlässigt und die Bausubstanz verfiel zusehends. Heute (2021) wird es renoviert und der ursprüngliche Zustand des Theaters, der zahlreichen Veränderungen unterlag, soll wieder hergestellt werden (http://www.morphosarchitects.com/port-louis-municipal-theatre.php).

Die in diesem Artikel verwendeten Informationen und Zahlen sind der Internetseite vintagemauritius.com entnommen. Dort oder bei oder bei Facebook https://www.facebook.com/vintagemauritius/ finden Sie viele historische Aufnahmen und Artikel über die Geschichte der Insel.

Dodo

Dodo und roter Papagei, Ölgemälde von William Hodges (1744-1797), National Library of Australia, Rex Nan Kivell Collection NK5827; https://nla.gov.au/nla.obj-134114016/view

Der Dodo war eine endemische Vogelart, die nur auf Mauritius vorkam. Der flugunfähige Vogel starb wahrscheinlich Ende des 17. Jahrhunderts weniger als einhundert Jahre nach seiner Entdeckung aus. Seeleute hatten ihn und seine Gelege als Proviant von der Insel mitgenommen. Auch Ratten und verwilderte Haustiere dürften dem Dodo den Garaus gemacht haben. Seitdem ist er mausetot oder wie man im Englischen sagt: as dead as a dodo.

Löschung des Dampfschiffes Fürth

Schiffsregister: Löschung des Dampfschiffes „Fürth“

Die letzten Jahre der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft

 

Antwortlich Ihrer geflissentlichen Zuschrift …

Die Titelabbildung ist aus einem Schreiben der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) vom 13. August 1925 an die Schiffsregisterbehörde in Hamburg.

Das Schreiben der Hamburger Behörde selbst ist nicht im Archiv erhalten, aber aus dem Antwortschreiben geht hervor, dass sich die Behörde nach dem Verbleib des Dampfschiffes „Fürth“ erkundigt hatte, das offensichtlich noch im Schiffsregister eingetragen war.

Mit der Antwort bittet die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft die Behörde um die Löschung des Schiffes aus dem Register, was in der Fußzeile (s. vollständiges Dokument unten) auch vermerkt ist.

Zur Erklärung der Abkürzungen:
Betr.D. steht für betrifft Dampfer/Dampfschiff
gefl. war eine gebräuchliche Abkürzung für geflissentlich, was damals soviel wie freundlich bedeutete
10.ds. letztlich heißt vom zehnten des Monats, hier ist also der 10. August gemeint

Unterzeichnet haben das Schreiben hochachtungsvoll die Herren Marius Böger und Otto Läsch.

Böger trat Anfang Mai 1911 in den Vorstand der DADG ein und wurde von Otto Harms, dem damaligen Vorstand, in seine Aufgabe als sein Nachfolger umfassend eingearbeitet. Er übernahm diese Position nach dem Ersten Weltkrieg. Im Laufe seiner Karriere sollte er es bis zum Vorstandsvorsitzenden der Hamburg-Amerika Line (HAPAG) bringen, zu dem er 1933 ernannt wurde.

Läsch war langjähriger Mitarbeiter der DADG, der bei der Jubiläumsfeier zum 25-jährigen Bestehen am 18. September 1913 zum Prokuristen ernannt worden war. 1921 wurde er dann stellvertretender Direktor. Später wurde er Leiter des Frachtgeschäftes und Vorstandsmitglied bei der HAPAG.

Beide Herren hatten die gleiche Position seit 1921 bei der Deutschen Dampfschiffsgesellschaft Kosmos inne.

Briefkopf Deutsch-Austral und Kosmos-Linien

Schreiben der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft an die Schiffsregisterbehörde Hamburg (Briefkopf); © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Die Deutsche Dampfschifffahrtsgesellschaft Kosmos (DDG Kosmos)

Die Deutsche Dampfschiffahrtsgesellschaft Kosmos (DDG Kosmos) war 1872 in Hamburg auf Initiative des Maklers Knöhr & Burchard und der Segelschiffreederei Eggers gegründet worden.

Knöhr & Burchard war auch Makler der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft und mit einem großen Aktienpaket auch an dieser beteiligt. SIEHE: Waratah: Suche Teil 2

Fahrtgebiet der DDG Kosmos war die Westküste Südamerikas, die über den Atlantik und die Magellanstraße angefahren wurde.

Vor dem Ersten Weltkrieg hatte die DDG Kosmos 28 Schiffe mit einer Gesamttonnage von rund 160.000 BRT in Fahrt. Im Vergleich dazu hatte die DADG 55 Schiffe mit etwa 300.000 BRT.

Interessengemeinschaft

Im Mai 1921 haben sich die DADG und die DDG Kosmos zusammengeschlossen, agierten aber weiterhin als selbstständige Einheiten. In einem Bericht in HANSA, Deutsche Nautische Zeitschrift (Jahrgang 1921, S. 515) wird von einem „Interessengemeinschaftsvertrag“ gesprochen.

Die Bilanzen wurden entsprechend auch weiterhin getrennt geführt (siehe HANSA 1924, S. 759).

Schwerer Start nach dem Ersten Weltkrieg

Die DADG hatte nach dem Ersten Weltkrieg zunächst mit einer Wiederaufnahme des Verkehrs nach Niederländisch-Indien begonnen. Australien konnte 1921 noch nicht wieder angelaufen werden, da noch keine deutschen Waren importiert werden durften.

Nach der Hyperinflation in den Jahren 1922 und vor allem 1923 erstellten beide Reedereien eine Goldmark-Eröffnungsbilanz für den 1. Januar 1924. In den Berichten der Vorstände wird die Flottengröße beider Reedereien wie folgt angegeben:

1924 besaß die DADG wieder 17 Schiffe mit 86.646 BRT, „die zum größeren Teil in den Jahren 1920-1923 erbaut sind, zum kleineren Teil aus früher der Reederei gehörenden von dem Feindbund zurückerworbenen Schiffen älteren Datums bestehen.“ (HANSA, Jahrgang 1924, S. 1443).

Für die DDG Kosmos standen 16 Schiffe mit 81.725 BRT zu Buche.

Hugo Stinnes

Inzwischen hatte sich der Großindustrielle Hugo Stinnes in beide Gesellschaften eingekauft, betrieb aber unabhängig davon auch eine eigene Reederei. Nach seinem Tod im April 1924 zerfiel jedoch sein Industrie-Imperium.

Im Januar 1926 entschieden sich die Deutsch-Austral- und Kosmos Linien die Stinnes-Linie zu erwerben. Damit hatte die Reederei nun plötzlich 61 Schiffe mit 354.723 BRT und war nach der HAPAG und dem Norddeutschen Lloyd Bremen die drittgrößte deutsche Reederei.

Fusion mit der HAPAG

Mit diesem Kauf hatten sich die Deutsch-Austral- und Kosmos Linien nach den überaus schlecht verlaufenden Geschäftsjahren 1925 und 1926 allerdings verhoben. Großaktionäre und Banken drängten daher auf eine Fusion mit der Hamburg-Amerika Linie (HAPAG).

Diese Fusion wurde auf der Generalversammlung der Deutsch-Austral- und Kosmos Linien am 23. November 1926 genehmigt und einen Tag später vollzogen.

Die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft war damit Geschichte.

Als Reminiszenz beibehalten wurde von der HAPAG die Benennung von Schiffen nach deutschen Industriestädten.

Als visuelles Merkmal überlebte die für die DADG typische schwarz-weiß-rote Kappe auf den Schornsteinen der HAPAG-Schiffe, sogar über die Fusion mit dem Norddeutschen Lloyd im Jahr 1970 zur Hapag-Lloyd hinaus.

Die "Reichenbach" am Australiakai

Die „Reichenbach“ am Australiakai in Hamburg, das Bild ist ein Ausschnitt aus dem bereits gezeigten Bild „Australia-Dampfer am Kai“, eine Aufnahme vom 25. Juli 1913, Schornstein nachträglich koloriert; © Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Otto Harms, 1933 (Verlag Schröder & Jeve)

Hapag-Lloyd

Das Schiff „Sydney Express“ der Hapag-Lloyd, ebenfalls mit den schwarz-weiß-roten Bändern am oberen Schornstein, Aufnahme 1976; Quelle: commons.wikimedia.org, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported

Quellen des Artikels:

Sehr viel ausführlicher ist die Geschichte der DADG nach dem Ersten Weltkrieg bei dem 2020 verstorbenen Schifffahrtshistoriker Reinhart Schmelzkopf beschrieben:

Reinhart Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984.

Weitere Details sind dem Buch von Otto Harms und verschiedenen Artikeln der Zeitschrift HANSA entnommen:

Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft Hamburg, Schröder & Jeve, Hamburg, 1933.

HANSA, Deutsche Nautische Zeitschrift, verschiedene Jahrgänge (digishelf.de)

Anhang: das vollständige Dokument

Deutsch-Austral und Kosmos Linien

Schreiben der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft an die Schiffsregisterbehörde Hamburg; © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Die Adresse der Schiffsregisterbehörde ist schlicht mit „hier“ angegeben. Ich gehe davon aus, dass der regelmäßige Schriftverkehr mit der Behörde über einen Boten erfolgte.

Die links oben handschriftlich notierte Nummer 3656 war die Registernummer des Dampfschiffes Fürth. Siehe dazu den Artikel: Der Bielbrief der „Fürth“ und die Eintragung ins Schiffsregister

Haddsch, Pilger, 1916

Haddsch – Die „Sultania“, exFürth als Pilgerschiff

Titelbild:
Lager der Pilger in der Ebene vor ʻArafât (Jabal/Saudi-Arabien),
Quelle: Bilder aus Palästina, Nord Arabien und dem Sinai. Berlin : Dietrich Riemer, 1916; Library of Congress, https://www.loc.gov/item/90707092/

Von Bombay nach Jeddah

Eine Haupteinnahmequelle der Persian Gulf Steam Navigation Company, in deren Eigentum sich die „Sultania“, exKerman, exFürth seit 1920 befand, war der Transport von Haddsch-Pilgern von Indien nach Mekka.

Der Zielhafen für die jährliche Pilgerfahrt war Jeddah (heute Dschidda), das etwa 80 Kilometer westlich von Mekka am Roten Meer liegt.

Jeddah 1916, Saudi-Arabien

Westtor von Jeddah, aus: Bilder aus Palästina, Nord Arabien und dem Sinai, Berlin, Dietrich Riemer, 1916; Quelle: Library of Congress, Washington DC, https://www.loc.gov/item/2002714729/

Haddsch-Pilger aus Indien

Die Anzahl der ausländischen Pilger, die zum Haddsch anreisen, wird für das Jahr 1920 mit 58.584 angegeben. Zum Vergleich dazu: 2012 wird die Zahl auf über 1,7 Millionen beziffert.
Quelle: https://web.archive.org/web/20121102022130/http://www.thenews.com.pk/Todays-News-2-139473-Number-of-foreign-Hajis-grows-by-2824-percent-in-92-years

Der Großteil der ausländischen Pilger kam gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus Britisch-Indien. Die Anzahl der Reisenden unterlag jedoch großen Schwankungen. So reisten 1906 ab Bombay 30.465 Pilger, 1919 dagegen waren es nur 11.700.

Nicht alle Pilger waren mit einem Hin- und Rückreiseticket ausgestattet und so strandeten immer wieder Menschen in Jeddah, die kein Geld mehr für die Rückfahrt hatten.

Um den Pilgerstrom besser zu organisieren, war 1886 das bekannte Unternehmen Thomas Cook and Son von der Regierung als offizielles Pilgerbüro ernannt worden. Der Vertrag wurde jedoch bereits 1893 wieder aufgelöst.

Quelle: U. Ryad (Ed.), The Hajj and Europe in the Age of Empire, Leiden (2017); https://library.oapen.org/bitstream/handle/20.500.12657/31295/631961.pdf?sequence=1&isAllowed=y

Die Bedingungen auf den Schiffen waren für die Passagiere oft sehr ungenügend. Der Pilgrim Ship Act aus dem Jahr 1895 begrenzte die Zahl der Passagiere pro Schiff, um Cholera-Ausbrüche an Bord zu verhindern und die allgemeinen Bedingungen für die Passagiere an Bord zu verbessern.

Ebenfalls für die Verbesserung der Pilgerreisen wurde 1927 ein zehnköpfiges Haddsch-Komitee ins Leben gerufen.

Mekka 1916

Mekka Ansicht der heiligen Moschee vom Ostminaret. Im Vordergrund das Zemzemhaus, dahinter die Kaʻba. Quelle: Bilder aus Palästina, Nord Arabien und dem Sinai. Berlin : Dietrich Riemer, 1916; Library of Congress, https://www.loc.gov/item/2002714731/

Turner Morrison

Wichtigste Reederei, die auf den Transport von Pilgern nach Jeddah spezialisiert war, war die Bombay and Persia Steam Navigation Co., Bombay des Unternehmens Turner Morrison & Co. Ltd., die spätere Mogul Line. 1927 hatte sie einen Marktanteil von über 55 %, in den späten 30er Jahren über 70 %.
Quelle: https://www.arabnews.com/node/306675

Das Unternehmen Turner Morrison war am 4. Juli 1913 in Kalkutta gegründet worden und hatte die bereits 1877 entstandene Bombay and Persia Steam Navigation Co. übernommen. Es war mit dem Liverpooler Handelshaus Turner & Co. verbunden.

1939 folgte die Umbenennung in Mogul Line. 1986 ging sie in der Shipping Corporation of India (SCI) auf. Das Unternehmen Turner Morrison besteht bis heute (2021), die eingetragene Geschäftstätigkeit ist Großhandel.

Die „Sultania“ im Einsatz beim Haddsch

Im Frühjahr 1924 ist der Einsatz der „Sultania“, exFürth von Bombay und Karachi nach Jeddah dokumentiert.

Das Schiff verließ den Hafen von Bombay am 16. Mai und anschließend den Hafen von Karatschi am 21. Mai 1924 in Richtung Jeddah. Für die gleichen Tage gibt die Zeitungsmeldung die Abfahrt die Abfahrten für den Dampfer „Shuja“ bekannt.

Die 1916 gebaute „Shuja“ war ein Schiff der oben genannten Bombay & Persia Steam Navigation Co. Ltd.

BOMBAY, May 16. – Sailed, Sultania, for Jeddah; Shuja, for Jeddah.
The Scotsman, 19. Mai 1924; The British Newspaper Archive

KARACHI, May 21. – Sailed, Sultania, for Jeddah; Shuja, for Jeddah

Feuer an Bord

Auf der Rückfahrt kam es zu einem Zwischenfall: nach dem Verlassen von Aden entzündete sich Bunkerkohle an Bord und die „Sultania“ musste nach Aden zurücklaufen. Der Brand konnte jedoch gelöscht werden und verursachte nur geringe Schäden.

SULTANIA (Aden, June 11). – The British steamer Sultania put back with bunker coal on fire. Fire under control. Expected to sail to-morrow.
Shields Daily News, 12. Juni 1924

June 14 – The fire in bunker coal of the British steamer Sultania, before reported, has been extinguished, the damage being trifling. The vessel left June 13 for Bombay.
Dundee Courier, 16. Juni 1924

Anmerkung: trifling = unbedeutend

Später im Jahr, Anfang August erfolgte eine erneute Abfahrt von Karachi nach Jeddah, eventuell um noch in Saudi-Arabien befindliche Pilger wieder nach Indien zurückzubringen.

KARACHI, Aug. 2. – Sailed, Gorjistan, for Jeddah; Sultania, for Jeddah
The Scotsman, 4. Aug. 1924

Mekka 1916

Mekka Bâb ʻAlī, Tor der heiligen Moschee an der Ostecke; durch das mittlere Portal wird das Zemzemhaus sichtbar, Quelle: Bilder aus Palästina, Nord Arabien und dem Sinai. Berlin : Dietrich Riemer, 1916; Library of Congress, https://www.loc.gov/item/2002714730/

1925 – 1929

Für die Folgejahre bleiben die Quellen zu den Fahrten der „Sultania“ zum Haddsch rar:

Für die Saison 1925 gibt es nur eine kurze Meldung in der Zeitung The Singapore Free Press and Mercantile Advertiser vom 3. Juni.
Quelle: Digitales Zeitungsarchiv Singapur, eresources.nlb.gov.sg

1926 dokumentiert eine Nachricht in Englishman’s Overland Mail vom 3. Juni 1926, einer Zeitung, die in Kalkutta herausgegeben wurde, den Transport von 600 Pilgern von Bombay nach Jeddah an Bord der „Sultania“. Darin wird die Gesamtzahl der indischen Mekkapilger für das Jahr 1926 mit rund 13.000 angegeben.

HAJ PILGRIMS
Two Big Shiploads From Bombay

Bombay, May 26.

Messrs. Turner Morrison & Co.’s steamer the Khesru, and the Shustri Co.’s Sultania sailed this evening with 500 and 600 Haj pilgrims respectively for Jeddah. These were mostly from Bengal, Bokhara and Upper India.
The total for this year with to-day’s sailings amounts to 13,152 pilgrims.

Englishman’s Overland Mail, 3. Juni 1926; The British Newspaper Archive

Eine letzte Meldung, die ich recherchieren konnte, stammt aus dem Jahr 1929. Daraus geht hervor, dass Shustary, dem Eigner der Persian Gulf Steam Navigation Company und damit der „Sultania“, exFürth, nur noch über ein Schiff verfügte.

… By 1929 it [Turner Morrison] had eight pilgrim steamers, which it diverted to cargo off-season. Its competitors in the pilgrim business were Shustary and Co, with only one ship and the Namazee line with two.

Quelle: Passport, ticket, and india-rubber stamp ‘The problem of the pauper pilgrim’ in colonial India c. 1882–1925 Radhika Singha
in: The Limits of British Colonial Control in South Asia: Spaces of Disorder in the Indian Ocean Region, ed: Ashwini Tambe, Harald Fischer Tiné, Routledge, 19.08.2008 – 232 Seiten

1930 sollte das Schiff “Sultania”, exFürth erneut verkauft werden. Es blieb jedoch in Britisch Indien. Wer der Käufer war und welcher Preis beim Verkauf erzielt wurde, darüber berichtet demnächst ein anderer Blogartikel.

Haddsch 1916

Zug der Pilger durch das Tal Muna nach der Ebene ʻArafât. Der ummauerte Pfeiler ist der sog. Zweite Teufel (gamrat el wusṭā); Quelle: Bilder aus Palästina, Nord Arabien und dem Sinai. Berlin : Dietrich Riemer, 1916; Library of Congress, https://www.loc.gov/item/96513617/

Haddschpilger auf Schiffen der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft

Interessant und sicher ganz unerwartet ist, dass auch die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG), Hamburg zumindest einmal Pilger von Indien nach Jeddah befördert hatte.

Allerdings war dieses Geschäft eher aus der Not heraus entstanden und nicht gewollt:

In den 1890er Jahren hatte die Reederei nämlich noch Probleme, für ihre Schiffe außerhalb der australischen Wollsaison, genug Fracht für die Rückreise nach Europa zu bekommen.

Harms (1933) schreibt über die Zeit Mitte der 1890er Jahre:

Das Geschäft war aber so schlecht, dass für einen der Dampfer Pilger nach Jeddah genommen wurden, drei wurden nach Bombay geleitet und zwei mit erheblichem Leerraum zurückgenommen, weil das Anlaufen von Bombay sich nicht lohnte.

Bombay lag auf der Rückreise von Niederländisch-Indien oder Australien nicht auf dem direkten Weg und bedeutete für die Reederei einen Umweg und daher auch einen Zeitverlust.

Die Situation besserte sich auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht wirklich:

…hatten wir doch im Sommer 1901 drei Dampfer hintereinander nach Bombay senden müssen.

Erst mit Anlaufen der Malabarküste und der erfolgreichen Kooperation mit der Schweizer Firma Gebr. Volkart änderte sich die Lage:

Um diesen unbequemen Umweg zu vermeiden, wurde die Verbindung mit der Malabar-Küste aufgenommen. Die sehr rührige Firma Gebr. Volkart in Winterthur hat es verstanden, ein lebhaftes Geschäft mit dem Kontinent aufzubauen.

Anmerkung: Mit Kontinent ist Europa gemeint.

Im Stadtarchiv Winterthur befindet sich dazu die Original-Vertretungsvollmacht der DADG für die Gebr. Volkart in Cochin und ihre Filialen an der indischen Malabarküste.

Die Vollmacht und die sehr erfolgreiche Zusammenarbeit der beiden Unternehmen habe ich hier vorgestellt: Das Dampfschiff „Fürth“ an der indischen Malabarküste

Haddsch 1889 Mekka

Pilgerlager auf der westlichen Seite des Berges `Arafah, aus: Bilder aus Mekka, C. Snouck Hurgronje, Leiden 1889; Quelle: Library of Congress, Washington DC, https://www.loc.gov/item/2013646232/