Schraubendampfer aus Stahl erbaut
Glückliche Fügung
Die Tatsache, dass ein Schiffszertifikat der „Fürth“ zusammen mit einem Auszug aus dem Schiffs-Zertifikat der „Fürth“ bei der Registerbehörde in Hamburg erhalten blieb und damit heute im Staatsarchiv Hamburg vorliegt, haben wir dem Umstand zu verdanken, dass die Vermessung der „Fürth“ nachträglich korrigiert wurde. Die Vermessung der Fürth
Ohne diese nachträgliche Korrektur des Schiffsmessbriefes wäre auch kein zweites, korrigiertes Exemplar des Zertifikates und dessen Auszuges angefertigt worden und beide Urkunden wären höchstens in einem Firmenarchiv der Deutsch-Australischen Dampfschiffahrts-Gesellschaft zu finden, falls denn ein solches noch existieren würde.
Die Rücksendung des nach der Korrektur ungültigen Zertifikats und dessen Auszuges an die Registerbehörde erklärt auch, dass beide Urkunden durchgestrichen wurden.
„Ein neues Schiffszertifikat oder ein neuer Auszug aus dem Schiffszertifikate darf außer im Falle des § 15 Abs. 3 FlaggG nur dann ausgestellt werden, wenn das frühere Zertifikat oder der frühere Auszug eingereicht oder der Verlust glaubhaft gemacht ist. Die eingereichten Urkunden sind unbrauchbar zu machen; …“

Schiffszertifikat der „Fürth, Seite 1, © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005
Das Schiffs-Zertifikat
Sehen wir uns zunächst einmal an, was ein Schiffszertifikat überhaupt ist:
„Über die Eintragung des Schiffes in das Seeschiffsregister wird von dem Registergericht eine mit dem Inhalte der Eintragung übereinstimmende Urkunde, das sogenannte Schiffszertifikat, ausgestellt. § 10 Abs. 1 FlaggG.“
Die darauf folgenden Sätze sind dann eher für den juristisch interessierten Leser interessant:
„Die Einrichtung des Schiffszertifikats ergibt sich aus dem Muster, das der Bekanntmachung des Reichskanzlers, betreffend die Ausführungsbestimmungen zum § 25 FlaggG vom 10. November 1899 (Z.Bl. f. fr. Ger. S. 380) beigefügt ist. Das Zertifikat ist unter dem Siegel oder dem Stempel des Amtsgerichts und unter der Unterschrift des Richters – nicht auch des Gerichtsschreibers – auszufertigen; Lack ist zu dem Siegel nicht zu verwenden. Werden mehrere Bogen zu einem Schiffszertifikat verwendet, so sind sie mit Seide zu heften und die Enden sind mit dem Ausfertigungssiegel festzulegen. § 42 Abs. 1 und 3 Allg Vfg vom 11. Dezember 1899.“
Nach diesen juristischen Details wird der nächste Satz wieder praxisbezogener:
„Nur durch das Schiffszertifikat wird das Recht des Schiffes zur Führung der Reichsflagge nachgewiesen. § 11 Abs. 1 FlaggG.“

Flagge Deutsches Kaiserreich
Im Schiffszertifikat der „Fürth“ heißt es entsprechend:
„Zugleich wird bezeugt, daß dem Schiffe „Fürth“ nach dem Gesetze vom 22. Juni 1899 (Reichs-Gesetzbl. S. 319) das Recht, die Reichsflagge zu führen, nebst allen Rechten, Eigenschaften und Privilegien eines deutschen Schiffes zusteht“.

Schiffs-Zertifikat der „Fürth“, Seite 2, © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005
Im Zertifikat ist als alleiniger Eigentümer die Aktien-Gesellschaft Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft eingetragen (1/1) wobei auf der letzten Seite unter Pfandrechten vermerkt ist:
„Laut Protokoll vom 1. Mai 1897 ist eine Vorrechtsanleihe aufgenommen worden.“
Unterzeichnet wurde das (erste) Schiffszertifikat der „Fürth“ am 17. August 1907. Unterzeichner ist die Schiffsregister-Behörde, der Name des unterzeichnenden Beamten ist Kähne.

Schiffs-Zertifikat der „Fürth“, Seite 3, Pfandrechte, © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005
Der Auszug aus dem Schiffszertifikat
Ein zweites Dokument, das die Reederei beim Registergericht beantragt hatte, war der sogenannte Auszug aus dem Schiffszertifikat.
Über den Auszug aus dem Schiffszertifikat gibt die gleiche Quelle Auskunft:
„Auf Antrag des Reeders oder des Schiffers hat ferner das Registergericht, daß das Schiffszertifikat ausgestellt hat, einen beglaubigten Auszug aus dem Schiffszertifikate zu erteilen.“
Diesmal erspare ich Ihnen die formellen Details und komme gleich zum praktischen Nutzen dieses Auszugs:
„Der beglaubigte Auszug vertritt vielfach die Stelle des Schiffszertifikats selbst. Nach § 11 Abs. 3 FlaggG genügt es nämlich auch, wenn statt des Schiffszertifikats ein solcher beglaubigter Auszug während der Reise an Bord des Schiffes mitgeführt wird.“
Sie kennen das Prinzip vom Kraftfahrzeug. Der Auszug aus dem Schiffszertifikat entspräche also dem Fahrzeugschein, während das Schiffszertifikat dem Fahrzeugbrief gleichzusetzen wäre. Die Eigentumsverhältnisse an unserem Dampfschiff „Fürth“ sind entsprechend auch nur im Schiffszertifikat wiedergegeben, nicht aber im Auszug aus demselben.

Titelblatt des Auszuges aus dem Schiffs-Zertifikat der „Fürth“

Auszug aus dem Schiffs-Zertifikat der „Fürth“, © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005
Falls Sie Probleme beim Lesen der Kurrentschrift haben: Unter dem Punkt 2. Gattung heißt es: „Schraubendampfer aus Stahl erbaut“, unter Punkt 4 wurde nach dem „vollständigen Verfahren“ vermessen, unter 4b sind die Zahlen des Netto-Raumgehalts noch einmal in Worten wiedergegeben und ganz unten unter dem Datum heißt es: Die Schiffsregister-Behörde. Unterzeichner ist ein Beamter namens Kähne.
Alle Zitate zu Schiffszertifikat und Auszug stammen aus:
Die Registersachen in der gerichtlichen Praxis, 2. Aufl.; Dr. A. Brand & Theodor Meyer zum Gottesberge, S. 407, Springer Verlag 1927 (abgerufen unter play.google.com am 3.4.2019)
Ich glaube übrigens nicht, dass allzu viele deutsche Schiffszertifikate aus der Zeit vor 1914 noch erhalten sind. In dem Fall der „Fürth“ ist es einer nachträglichen Korrektur des Messbriefes zu verdanken. Eine echte Rarität also?
Falls Sie Quellen mit anderen Schiffszertifikaten aus der Zeit des Deutschen Kaiserreichs kennen oder vielleicht selbst eines haben, freue ich mich über Hinweise!