Kosten für Warentransport im Jahr 1914
In diesem Artikel geht es um die Frachtraten der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) im Jahr 1914 für den Warentransport nach Australien.
Das zugrundeliegende Originaldokument ist ein Jahrbuch der DADG aus dem Jahr 1914, dass die Reederei für ihre Kunden herausgegeben hatte. Ein Exemplar übergab die Reederei der Mitchell Bibliothek in Sydney im April 1914. Dort ist es noch heute. Siehe dazu: Die Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft 1914
Bevor ich auf die Tarife eingehe, erläutere ich zunächst einige Grundbegriffe des Stückgutverkehrs.
Titelbild: Frachttarife von Europa nach Australien im Jahr 1914; aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney
Leicht- und Schwergut
Für die Berechnung der Frachtsätze wurde zwischen Leicht- und Schwergut unterschieden. Leichtgut wurde nach Kubikmetern und Schwergut nach Tonnen (1000 Kilogramm) berechnet.
Bei Fixirung der Frachtsätze unterscheidet man zumeist zwischen Leichtgut (Maßgut) und Schwergut (Gewichtsgut).
…
Alle Güter, welche pro Kubikmeter mehr als 1000 Kilogr. wiegen, werden nach dem Gewichte verladen bezw. als Schwergut behandelt, alle Güter dagegen, welche pro Kubikmeter weniger als 1000 Kilogr. wiegen, sind als Leichtgut behandelt und werden nach dem Raume verladen.
Theorie und Praxis des Seehandelsgeschäfts, R. Stern, Sammlung kaufmännischer Lehrbücher, Verlag der Handels-Akademie Leipzig, 1898.
In Schiffswahl – “at ship’s option”
Im Kleingedruckten unter der Frachttabelle heißt es jedoch:
All rates are without primage, per ton of 1000 kilos or 1 cubic metre at ship’s option, unless otherwise stated.
“At ship’s option” oder zu Deutsch „in Schiffswahl“ bedeutet, dass die Reederei entweder nach Kubikmeter oder nach Tonnen berechnet und die höhere und damit für sie günstigere der beiden Frachtraten ansetzt. Daran hat sich bis heute nichts geändert, was der Auszug aus dem Jahr 2013 belegt:
Frachttonne, frachttechnischer Ausdruck bei Zuschlägen zur Seefracht, die Berechnungseinheit für „in Schiffswahl“ notierte Seefrachtraten. Die Seefrachtraten werden nach dem Gewicht (1000 Kilogramm, 1015 kg oder 1016 kg), dem Raummaß (cbm, 40 cbf) oder nach Maß/Gewicht (M/G, w/m = weight mesurement) „in Schiffswahl“ angewandt, d. h. daß der Verfrachter entweder Gewicht oder Maß der Sendung der Frachtberechnung zugrundelegen kann, je nachdem welche Berechnungsart die höhere Fracht ergibt.
Dr. Gablers Verkehrs-Lexikon, 2013, abgerufen über books.google.fr
Primage
Ein Frachtsatz setzt sich aus zwei Teilen zusammen: die reine Fracht oder Nettofracht („net freight“) und dem Frachtzuschlag oder Primage; beide zusammen sind die Bruttofracht („gross freight“).
Die in der Tabelle aufgelisteten Frachtraten sind Nettofrachten, daher sind noch 10 Prozent hinzuzufügen, um zur Bruttofacht zu gelangen (all rates are without primage).
Die Entstehung der Primage geht auf sehr alte Zeiten zurück. Sie war ursprünglich, und zwar in Deutschland unter dem Namen Kaplaken, eine außerordentliche Belohnung für den Schiffern die ihm von dem Befrachter gewährt wurde, um ihn zu reger Tätigkeit in seinem Interesse anzuspornen.
Das Seefracht-Tarifwesen, K. Giese, Springer-Verlag, 1919, abgerufen über books.google.fr
Von diesen 10 Prozent hat die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft die Hälfte an den Seehafenspediteur abgegeben:
Von dem Zuschlag wurde die Hälfte (5%) an die Ablader zurückgegeben.
Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Otto Harms (1933), Schröder & Jeve, Hamburg

Frachttarife von Europa nach Australien im Jahr 1914; aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney
Australische Häfen
Die Frachttabelle (siehe Titelbild) umfasste australische Zielhäfen, die direkt von der DADG angelaufen wurden: Fremantle (Westaustralien), Port Adelaide (Südaustralien) , Melbourne (Victoria), Sydney und Newcastle (New South Wales) sowie Brisbane und Townsville (Queensland).
Für Adelaide war die Besonderheit, dass je nach Entladestelle zwei Tarife angeboten wurden, da die Schiffe entweder am Signalmast (Semaphore) oder etwas weiter in Richtung Stadt am Kai anlegten (Wharf).
Der Tarif für Newcastle galt nur für Direktfahrten (without transshipment). Mit Umladung war der Tarif höher (siehe unten).
Drei weitere Häfen, die ebenfalls direkt bedient wurden, aber weniger Bedeutung hatten, sind unter der Tabelle aufgeführt: Albany (Westaustralien), der Erzhafen Port Pirie (Südaustralien) und Rockhampton (auf halber Strecke zwischen Brisbane und Townsville in Queensland an der australischen Ostküste).
Preise
Von Hamburg nach Sydney lag die Bandbreite der Tarife zwischen 47,50 Mark pro Kubikmeter/Tonne für die Klasse 1 und 16 Mark pro Kubikmeter/Tonne für die Klasse 12.
Die Preise für den Transport sind in zwei Spalten angegeben, zum einen für Hamburg, zum anderen für Rotterdam und Antwerpen.
Die unterschiedliche Schreibweise hängt damit zusammen, dass die Angaben in Hamburg in Mark gemacht worden sind und für Rotterdam und Antwerpen in britischen Pfund bzw. Shilling.
Die Tatsache, dass die Mark einem Shilling entsprach, erleichtert die Übersichtlichkeit ungemein. Nur war die Mark in 100 Pfennige unterteilt, der Schilling jedoch in 12 Pennies.
Der Betrag von 47,50 Mark entspricht daher 47 Shilling und 6 Pennies, kurz 47/6.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass 20 Shilling wiederum ein Pfund ergaben. Anders ausgedrückt war ein Pfund somit 240 Pennies.
Wenn Sie auch wissen wollen, was ein Farthing oder eine Guinee waren, finden Sie alle Informationen zum britischen Währungssystem vor der Dezimalisierung im Jahr 1971 hier: http://projectbritain.com/moneyold.htm (in englischer Sprache).
Anmerkung: Für den Hafen Lissabon, der auf der Ausreise nach Australien von den Linien 3 und 4 der Reederei bedient wurde, gab es eine abweichende Frachttabelle. Auf diese komme ich in einem anderen Artikel noch zurück. Zu den Linien siehe: Die Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft 1914

Zusätzliche Frachttarife für Umladungen nach Australien im Jahr 1914; aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney
Umladungen
Versender von Waren konnten ihre Güter nicht nur in die direkt angelaufenen Hafenstädte verschicken, sondern natürlich auch an andere Destinationen auf dem australischen Kontinent oder über den Hafen Sydney auch in die Südsee oder sogar nach Hawaii (Honolulu).
Je nach Erreichbarkeit des Zielortes lagen die zusätzlichen Frachtraten zwischen 5 – 75 Mark pro Tonne beziehungsweise Kubikmeter.
In einigen extremen Fällen übertrafen die Kosten für den inneraustralischen Transport sogar die Transportkosten von Europa nach Australien. Allerdings werden nur wenige Versender ihre Waren nach Esperance Bay an der westaustralischen Südküste oder in das abgelegene und kleine Burketown an der australischen Nordküste verschickt haben.

Zusätzliche Frachttarife für Umladungen nach Australien im Jahr 1914 (Fortsetzung); aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney
Warenklassifikation
Für die zu verschiffenden Waren gab es unterschiedliche Frachtsätze (siehe Titelbild dieses Beitrags).
Je nach Produkt war ein ganz bestimmter Tarif anzuwenden, wobei die DADG zwölf Tarifklassen unterschied, wobei einige Klassen nochmals unterteilt waren, zum Beispiel gab es eine Klasse 4 und eine Klasse 4a. Eine Ausnahme bildete die Klasse 2, die in sieben Unterkategorien unterteilt war, wobei 2a bis 2c gleich tarifiert wurden.
Die Waren und ihre Klassifizierung waren in einer sechsseitigen Tabelle nach der Tarifübersicht angegeben.
Die Aufstellung enthält die Kategorien für Australien und Neuseeland. Für Neuseeland gab es eine eigene Frachtratentabelle mit 8 Klassen (davon zwei mit zwei Unterklassen). Auf die neuseeländischen Tarife gehe ich hier nicht weiter ein.

Warenklassifikation, aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney
Der folgende Ausschnitt für verschiedene Drähte gibt ein Beispiel, wie detailliert die Klassifikation war.
Danach unterschied die Reederei zwischen Stacheldraht (barbed wire), „normalen“ Stahl- und Eisendrähten, verkupferten Drähten, Flaschen- und Floristendrähten, Maschendraht und Drahtseilen (wire rope). Nägel und Klammern (nails and tacks) zum Befestigen des Drahts hatten ebenfalls eine eigene Kategorie.

Frachtraten für verschiedene Drähte, aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney
Warenbeispiele
Die große Mehrzahl der Konsum- und Verbrauchsgüter waren Klasse 1 oder 2 (a-f) wie zum Beispiel Lebensmittel, Kleidung, Werkzeuge und vieles mehr.
Hier einige Beispiele aus den anderen Klassen:
Klasse 3: Klaviere, Nähmaschinen
Klasse 4 und 4a: Kerzen, Chicorée, Erdfarben, Schmieröl, Kitt, Spielwaren
Klasse 5: Papiertüten, Stöcke
Klasse 6: Holzbretter und -dielen, leere Schachteln oder Flaschen, Bodenbeläge, Sägemehl
Klasse 7: Maschendraht
Klasse 8: Stacheldraht
Klasse 9: Achsen (lose), Eisen- und Stahlbolzen, Zementplatten
Klasse 10: Baumaterial und Eisen (wenn nicht anderes aufgeführt), Ketten in Fässern, Hufeisen, grobe Schmiedestücke, Salz in Säcken
Klasse 11: Eisen- oder Stahlnägel, normaler Eisen- oder Stahldraht
Klasse 12: Eisen- und Stahlblöcke
Sperrgut und Gefahrstoffe
Sperrgut, Gefahrstoffe und sehr schwere Güter unterlagen gesonderten Tarifen und mussten vorher für den Transport eigens angemeldet werden.
Chemikalien waren in einer Tabelle aufgeführt, für alle anderen Spezialtransporte wurden die Frachttarife auf Anfrage angeboten.
Zu den namentlich aufgelisteten Gefahrstoffen zählten Benzin, Kollodium, Salpetersäure, Salzsäure, Schwefelsäure, Diethylether. Sie konnten nur an Deck transportiert werden.

Frachttarife für Chemikalien nach Australien im Jahr 1914; aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney
Vergütung von 10 %
Neben den Dampfschiffen der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) unterhielt auch der Norddeutsche Lloyd einen regelmäßigen Australienverkehr. Anders als die DADG beförderte der NDL auch Passagiere und war die offizielle Postlinie des Deutschen Reiches nach Ostasien und Australien (sogenannte Reichspostdampferlinie).
Versender, die innerhalb eines Halbjahres ihre Waren von Europa nach Australien ausschließlich mit diesen beiden Gesellschaften transportierten, wurde nachträglich eine Vergütung von 10 % auf die Nettofracht gewährt.
Dazu musste innerhalb von drei Monaten nach Ablauf des Halbjahres ein entsprechender Antrag bei der Reederei gestellt werden.

Formular für 10 %ige Rückvergütung; aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney
Schlussbemerkung
In der Schifffahrt sind Tarife in der Regel richtungsgebunden. Die oben genannten Tarife galten für Warenlieferungen von Europa nach Australien. Über die Tarife in die entgegengesetzte Richtung liegen mir derzeit noch keine detaillierten Angaben vor.

Holzkisten wurden für den Transport der verschiedensten Waren verwendet (Bild symbolisch)
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