Das Titelfoto
Die „Reichenbach“ in Tasmanien
Das Titelfoto zeigt das Dampfschiff „Reichenbach“ in Burnie (Nordküste Tasmaniens) im Jahr 1913. Mein herzlicher Dank geht an das Maritime Museum of Tasmania, dem Inhaber der Bildrechte, mit dessen freundlicher Genehmigung ich das Bild hier Blog zeigen kann. Das Bild ist Teil der Cyril Smith Collection vol. 11., die handschriftliche Bildunterschrift lautet:
S.S. REICHENBACH AT BURNIE – TAS – APRIL 1913
SS. REICHENBACH – OWNER GERMAN AUSTRALIAN LINE
4271 GR. TONS.
BROUGHT CEMENT TO BURNIE FOR BREAKWATER. APRIL 1913
Referenz: © Reichenbach; Smith, Cyril; P_2015-0587(11)Reichenbach, Quelle: https://ehive.com/collections/3906/objects/842355/reichenbach
Anmerkung: die richtige Tonnage der „Reichenbach“ ist 4217 Bruttoregistertonnen, nicht 4271.

© Maritime Museum of Tasmania, Cyril Smith Collection vol. 11., https://ehive.com/collections/3906/objects/842355/reichenbach
Das Maritime Museum of Tasmania besitzt noch andere schöne Objekte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft. Grund dafür ist, dass der Dampfer „Oberhausen“ bei Kriegsausbruch im August 1914 in einem tasmanischen Hafen lag und dort beschlagnahmt wurde. Die Besatzung wurde interniert (SIEHE: https://geschimagazin.wordpress.com/2014/03/23/der-fall-des-dampfschiffes-oberhausen/ ).
Zu den Kuriositäten des Museums gehören unter anderem Eierbecher, Weingläser und Bierfilze aus der Offiziersmesse der SS Oberhausen, jeweils mit Werbeaufdruck der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (Quelle: https://ehive.com/objects?query=Oberhausen)
Schwesterschiffe in Kleinserie
Die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft ließ zwischen 1905 und 1907 bei der Flensburger Schiffsbau-Gesellschaft sieben baugleiche Schiffe der sogenannten „Hagen-Klasse“ bauen. Eine Kleinserienfertigung, die sich für die Reederei in günstigen Anschaffungskosten niederschlug.
Bereits zwischen 1896 und 1901 wurden auf der gleichen Werft neun Dampfer der „Meißen-Klasse“ erstellt und später dann, in den Jahren 1910 bis 1914, sechs Dampfschiffe der „Adelaide-Klasse“.
Die „Reichenbach“
Die „Reichenbach“ wurde im Oktober 1905 von der Reederei bestellt und am 15. Dezember 1906 ausgeliefert. Die Abmessungen waren mit denen der „Fürth“ identisch: Länge 389 Fuß, Breite 50 Fuß 10 Zoll, Seitentiefe 27 Fuß 9 Zoll. Die Baukosten lagen mit 1 218 000 Mark etwas unter denen der „Fürth“ (1 272 000 Mark).
Kleine Unterschiede traten dann bei der Schiffsvermessung zu Tage, kein Schiff war zu 100 % identisch mit einem anderen. So hatte die „Reichenbach“ 4217 Bruttoregistertonnen gegenüber 4229 der „Fürth“.
Namensgebung
Bei der „Reichenbach“ stellt sich die Frage, welche der zahlreichen Städte und Orte dieses Namens Pate für das Schiff stand.
Mein persönlicher Favorit ist Reichenbach im Vogtland. Einen Beleg dafür habe ich nicht, aber einige Anhaltspunkte, die dafürsprechen. Eine Nachfrage beim dortigen Stadtarchiv brachte leider keine Aufklärung.
In der kleinen Stadt Reichenbach im Vogtland (1910 mit über 29.000 Einwohnern) waren um die Jahrhundertwende, also um 1900, zahlreiche Spinnereien und Webereien ansässig, wie zum Beispiel die Woll- und Seidenweberei Schultz & Donner oder die Färbereien und Appreturanstalten Georg Schleber AG (siehe Abbildung). Die Schleber AG hatte bereits 1888 auf der Weltausstellung in Melbourne ihre Waren ausgestellt.
Ein anderes Standbein der Industrie in Reichenbach i. V. war die Papierherstellung. Bekannt ist sicher auch der Ingenieur August Horch, der von 1902 bis 1904 in Reichenbach Autos fertigte, bevor er dann die Herstellung nach Zwickau verlagerte.

Georg Schleber AG, Werk Reichenbach 1890, Quelle: Von Th. Beer / E. M. Engels Verlag, Leipzig / Verlag Eckart & Pflug, Leipzig – Eckart und Pflug (Hrsg.): Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild; https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1457230
Zwei weitere Reichenbachs, die für die Namensgebung des Schiffes in Frage kämen, wären Reichenbach im Eulengebirge (1910 über 16.000 Einwohner) oder Reichenbach an der Fils (1900 rund 1500 Einwohner), beides Standorte von Baumwollspinnereien und -webereien.
Oder vielleicht ein ganz anderes Reichenbach, an das ich noch gar nicht gedacht habe?
Aufforderung an alle Reichenbacher
Nun die Aufforderung an alle Reichenbacher, Licht ins Dunkel zu bringen und einen Beleg zu beschaffen, welches Reichenbach denn nun Pate stand. Ich freue mich schon jetzt auf Ihre Hinweise!
Im Australienverkehr
Zurück zum Schiff: Wie die „Fürth“ war auch die Reichenbach im Australienverkehr der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft eingesetzt und bediente verschiedene Routen. Auf dem Titelbild ist eine Zementlieferung nach Tasmanien im April 1913 dokumentiert.

Die „Reichenbach“ am Australiakai in Hamburg, das Bild ist ein Ausschnitt aus dem bereits gezeigten Bild „Australia-Dampfer am Kai“, eine Aufnahme vom 25. Juli 1913, Schornstein nachträglich koloriert; © Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Otto Harms, 1933 (Verlag Schröder & Jeve)
Juli 1914
Vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges war die „Reichenbach“ auf der Linie New York -Java unterwegs (siehe dazu auch: Petroleum für Java). Anschließend wurde sie dann in Südostasien nach Saigon beordert. Dort erhielt die „Reichenbach“ eine Ladung Reismehl für Liverpool, wo sie am 23. Juli 1914 eintraf.
In Liverpool wurde das Löschen der Ladung und das Bunkern von Kohle wegen des drohenden Kriegsausbruchs beschleunigt, so dass die „Reichenbach“ Liverpool am 1. August 1914 wieder verlassen konnte und nördlichen Kurs nahm, um Großbritannien in Richtung Skandinavien zu umfahren.
Zielhafen war Gothenburg (Schweden), wo die „Reichenbach“ Ladung aufnehmen sollte, vermutlich eine Holzlieferung für Australien (SIEHE: Die Barwon-Papiermühle in Fyansford, Geelong). Auf dem Weg dorthin, lief das Schiff am 4. August 1914 Christiansand in Süd-Norwegen an, wo es später interniert wurde.
Am 4. Februar 1915 wurde die „Reichenbach“ in Norwegen verkauft und war für The Bergen Steamship Company / Det Bergenske Dampskibsselskab unter dem neuen Namen „Meteor“ in Fahrt.

Diese Aufnahme der „Meteor“, ex-„Reichenbach“ von Steuerbord voraus zeigt deutlich die Trennung von Steuer- und Maschinenhaus mit den dazwischenliegenden (kleinen) Ladekränen. © H.Larsson-Feddes samling; http://www.sjohistorie.no/no/skip/19297/
Die letzte Reise
Ende 1916 befand sich die „Meteor“, ex-„Reichenbach“ mit Stückgut auf dem Weg von Philadelphia nach London. Sie hatte Philadelphia am 23. November 1916 verlassen und hatte zunächst eine ruhige, ereignislose Fahrt über den Atlantik.
Am 7. Dezember 1916 wurde das Schiff fünfundzwanzig Seemeilen südwestlich des Bishop’s Rock (Scilly Inseln, Cornwall) von dem deutschen U-Boot UB 29 unter dem Kommando von Erich Platsch aufgegriffen und versenkt. Die Mannschaft konnte das Schiff zuvor in die Rettungsboote verlassen. Später wurden die Männer vom dänischen Schiff „Borneo“ aufgegriffen und nach Falmouth gebracht.
Siehe: www.sjohistorie.no/no/skip/19297/dokumenter
Die „Meteor“ war das letzte Schiff von insgesamt 36, die UB 29 zum Opfer fielen. Am 13. Dezember 1916 wurde UB29 vor Ostende von dem Zerstörer „HMS Landrail“ versenkt.
Im Herbst 2017 erregte UB29 erneut Aufmerksamkeit, da das Wrack erst zu diesem späten Zeitpunkt von Tauchern eindeutig identifiziert werden konnte. Der Fundort wird von der belgischen Regierung geheim gehalten, um die Totenruhe der noch im Schiff befindlichen 23 Soldaten nicht zu stören.
Siehe: https://uboat.net/wwi/boats/?boat=UB+29 und www.youtube.com/watch?v=iEBhNQ_57_0
Quellen zum Text:
Theshipslist.com
sjohistorie.no
The Wrecksite.eu (https://www.wrecksite.eu/wreck.aspx?58869)
R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, 1888 – 1926, Cuxhaven 1984
Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1933.
Pingback: Handel mit dem anderen Ende der Welt | Das kurze, aber bewegte Leben des Frachtdampfers „Fürth“
Pingback: Die Offiziere der „Reichenbach“ und Kapitän Peters‘ tragisches Ende | Das kurze, aber bewegte Leben des Frachtdampfers „Fürth“
Pingback: In Tjilatjap | Das kurze, aber bewegte Leben des Frachtdampfers „Fürth“
Pingback: „Elisabeth von Belgien“ | Das kurze, aber bewegte Leben des Frachtdampfers „Fürth“
Pingback: Pläne zur Rekonstruktion des Dampfschiffes „Fürth“ | Das kurze, aber bewegte Leben des Frachtdampfers „Fürth“
Pingback: Schwesterschiffe der „Fürth“: die „Hagen“ | Das kurze, aber bewegte Leben des Frachtdampfers „Fürth“
Pingback: Schwesterschiffe der „Fürth“: die „Hanau“ | Das kurze, aber bewegte Leben des Frachtdampfers „Fürth“
Pingback: Schwesterschiffe der „Fürth“: der Frachtdampfer „Osnabrück“ | Das kurze, aber bewegte Leben des Frachtdampfers „Fürth“
Pingback: Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Neumünster“ | Das kurze, aber bewegte Leben des Frachtdampfers „Fürth“
Pingback: Das Schwesterschiff „Plauen“ – ein Nachtrag | Das kurze, aber bewegte Leben des Frachtdampfers „Fürth“
Pingback: Schwesterschiffe der „Fürth“: die „Plauen“ | Das kurze, aber bewegte Leben des Frachtdampfers „Fürth“
Wie immer ein sehr informativer Beitrag!
Lt. dem „Gemeinde- und Ortslexikon des Deutschen Reiches“ E. H. Petzold, Bischofswerda (Sa.) 1911 gab es über 50 Orte mit Namen Reichenbach.
Mein Favorit ist natürlich auch Reichenbach im Vogtland, weil es die größte Stadt mit diesem Namen ist. Lt. „Meyers Großes Konversations-Lexikon“ 6. Auflage in 24 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1906 – 1908, gibt es dort „eine Nebenstelle der Reichsbank, Filialen der Sächsischen und der Vogtländischen Bank, bedeutende Wollwaren-, Tücher- und Deckenfabrikation, Roßhaar- und Wollspinnerei, Wäscherei, Färberei, Bleicherei und Appreturanstalten, Eisengießerei und Maschinenbau, Maß-, Nägel-, Pappen- und Parfümeriefabrikation und Wagenbau.“
Die nachfolgenden größten Reichenbachs sind:
– Reichenbach in Schlesien mit im Jahr 1906 = 15.984 und
– Reichenbach in der Oberlausitz mit im Jahr 1905 = 2085 Einwohner.
LikeLike
Danke für den ausführlichen Kommentar! Ich habe Kontakt mit Historikern in Reichenbach/Vogtland und in Dzierzoniow (Reichenbach am Eulengebirge) aufgenommen. Mal sehen, ob was dabei rauskommt.
LikeGefällt 1 Person