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Bombay (Mumbai) 1922

Die „Sultania“, exFürth in den Jahren 1920 bis 1923

Persian Gulf Steam Navigation Company, Bombay

Titelbild: Bombay, 1922, Straßenszene; Bain News Service; Library of Congress, https://www.loc.gov/resource/ggbain.00362/

 Im Juni/Juli 1920 war das Dampfschiff „Kerman“, exFürth erneut verkauft worden. Der Verkäufer war die Anglo-Persian Oil-Company, Käufer des Frachtdampfers war die Persian Gulf Steam Navigation Company in Bombay (heute: Mumbai), die das Schiff fortan „Sultania“ nannte. SIEHE: Der zweite Verkauf des Dampfschiffes „Fürth“

Überführung nach Britisch Indien

Die erste Fahrt der „Sultania“ verlief von Glasgow über Birkenhead nach Bombay. Diese Überführungsfahrt der exFürth fand unter der Regie der Clan Line statt, die Cayzer, Irvine & Co. gehörte. Diese Reederei hatte die „Kerman“, exFürth bereits im Jahr 1919 auf einer Fahrt zwischen Großbritannien und Chittagong in Britisch Indien gemanagt.
SIEHE: Die „Kerman“, ex Fürth bei Cayzer, Irvine und Co. (Clan Line)

In einer Anzeige des Clan Line vom 17. Juli 1920 ist die Abfahrt der „Sultania“ auf der Linie BOMBAY AND PERSIAN GULF für den Vortag (16. Juli) angekündigt.

Laut Schiffsmeldungen (The Scotsman, 4. August 1920, Shipping Intelligence) erfolgte die Abfahrt aus Glasgow jedoch erst am 28. Juli. Nachdem das Schiff anschließend keine weitere Linie bedienen, sondern in Britisch Indien verbleiben sollte, konnte man sich diese Verzögerung leisten. Daher dürfte es wichtiger gewesen sein, genügend Fracht an Bord zu haben, als pünktlich abzufahren.

Die Ankunft in Bombay ist dann für den 11. September 1920 dokumentiert.
Quelle: Sheffield Daily Telegraph, 15. Sept. 1920

Sultania, exKerman, exFürth

Die „Sultania“ in der Mercantile Navy List von 1921 (Quelle: Memorial University of Newfoundland, collections.mun.ca)

Als neuer Eigentümer der exFürth ist eingetragen:
The Persian Gulf Steam Navigation Co., Lim., 19, Rampart Row, Fort, Bombay, India. Manager der Gesellschaft: Mahomed J. Shushtary, same address.

In der Fußzeile der Mercantile Navy List sind die beiden vorangegangenen Namen des Frachtdampfers angegeben: Formerly the „Kerman“. Foreign name „Furth“.

In Bombay

Die verfügbaren Informationen über The Persian Gulf Steam Navigation Company sind spärlich.

Der Eigentümer, Shushtary, war Muslim und hatte nur ein paar wenige Schiffe in Fahrt (laut einem Eintrag bei Lloyds Register im Jahr 1918 waren es drei).

Im Jahr 1915 berichtete die Malaya Tribune über die zweite Generalversammlung des Unternehmens in Bombay. Bei einem jährlichen Turnus wäre die Gesellschaft demnach 1913 gegründet worden.

Der Artikel weist für das Jahr 1914 einen Umsatz von gut 7,1 Mio. Rupien und einen Gewinn von rund 50.000 Rupien aus, von dem die Hälfte als Rücklage eingestellt und sechs Prozent als Dividende ausbezahlt wurden.

Der Umsatz sei mit nur einem Schiff erzielt worden. Anderen Quellen zufolge müsste es sich dabei um das Schiff „Sardar“ gehandelt haben (siehe unten).

Quelle: Malaya Tribune, 7. August 1915. National Library Board Singapore, eresoucres.nlb.gov.sg.

In einer Anzeige im Bombay Chronicle vom 16. Februar 1917 wirbt die Reederei mit regelmäßigen Abfahrten in den Persischen Golf, bei denen Passagiere erster und zweiter Klasse befördert wurden, aber auch Deckpassagiere.

Als Makler ist in der Anzeige Haji Sultanali Shushtary & Co. in der Esplanade Road 121 in Bombay angegeben.
Quelle: https://archive.org/stream/dli.granth.3548/3548_djvu.txt

Anmerkung: Die Esplanade Road ist im heutigen Mumbai die Mahatma Ghandi Road.

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Bombay, Esplanade, 1905; Stereographie; Library of Congress, https://www.loc.gov/item/2020681392/

Die beworbene Schiffsverbindung war jedoch offenbarbar nicht wirklich regelmäßig.

In einer Quelle über die Transportsituation im Iran im Jahr 1921 wird die Verbindung als unregelmäßig bezeichnet und nur einige wenige Schiffe der Reederei hätten im Jahr 1918/1919 in Häfen des Persischen Golfs angelegt:

Persian Gulf Steam Navigation Co. Ltd. (Irregular service.) A few boats called at the Persian ports of the Persian Gulf during the year 1918 to 1919.

Quelle: https://www.ebooksread.com/authors-eng/spain-conference-on-freedom-of-communications-and-transi/general-transport-situation-in-1921-statements-submitted-by-the-states-which-to-ala/page-27-general-transport-situation-in-1921-statements-submitted-by-the-states-which-to-ala.shtml

Weitere Reedereien im Verkehr zwischen Indien und dem Persischen Golf

Wichtigste Reederei und eindeutiger „Platzhirsch“ für Verbindungen zwischen Indien und dem Persischen Golf war die große British India Steam Navigation Co. Ltd. (BI). Diese Reederei hatte den Linienverkehr zwischen beiden Regionen bereits 1862 mit der Eröffnung des Postverkehrs nach Bushire und Basra begründet.
SIEHE: Die „Kerman“, exFürth im Persischen Golf

Die Reederei war seit 1914 Teil der noch größeren Peninsular & Oriental Steam Navigation Company, kurz P & O, behielt jedoch ihre Eigenständigkeit.

Die BI verfügte über eine große Flotte, die im Jahr 1920 die stattliche Zahl von 161 Schiffen erreichte.

The number of ships in the B.I. fleet reached its peak of 161 in 1920, and, also in that year, B.I. extended its London-Zanzibar service to Beira.
http://www.rakaia.co.uk/assets/british-india-history.pdf

Über die BI folgt nächste Woche ein eigener Artikel, da einige Schiffe der „Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft“ im und nach dem Ersten Weltkrieg von dieser Reederei übernommen wurden, unter anderem das hier im Blog ausführlich vorgestellte Dampfschiff „Australia“. SIEHE: Bordkonzert in Port Pirie

Gegenüber diesem stark marktdominierenden Unternehmen, gab es weitere kleinere Reedereien, die auf die Verbindung zwischen Britisch Indien und dem Persischen Golf spezialisiert waren: die Bombay and Persia Steam Navigation Co. Ltd. und die Arab Steamers Ltd., beide mit Sitz in Bombay.

Neben dem Passagier- und Frachtservice zwischen beiden Regionen, war das Hauptgeschäft dieser Reedereien der Transport von indischen Mekka-Pilgern nach Jeddah (heute Dschidda).

Der Hafen Jeddah in Saudi-Arabien war jedes Jahr der Zielhafen für den Haddsch, der wichtigsten Pilgerfahrt für Muslime.

Bombay harbour 1890

Bombay, Hafen bei der Ankunft eines Postschiffes, Photochromdruck, um 1890; Library of Congress, https://www.loc.gov/item/2017658173/

Bombay and Persia Steam Navigation Company

Die Bombay and Persia Steam Navigation Co. wurde 1877 von vier muslimischen Händlern in Bombay gegründet. Während des Haddsch wurde eine Verbindung von Bombay über Karatschi nach Jeddah angeboten, außerhalb der Haddsch-Saison fuhren die Schiffe in Häfen des Persischen Golfs und des Roten Meeres. Außerdem bestand eine Verbindung von Kalkutta nach Japan. 1913 kam die Reederei unter britische Führung und 1939 wurde sie in Mogul Line umbenannt.
Quellen: The Ships List; Royal Museums Greenwich

Um 1920 dürfte die Gesellschaft weniger als zehn Schiffe in Fahrt gehabt haben (siehe: The Ships List, http://www.theshipslist.com/ships/lines/mogul.shtml).

Bombay harbour 1903

Bombay, Hafen, 1903; Stereographie; Library of Congress, https://www.loc.gov/item/2020681343/

Arab Steamers Ltd.

Auch die Arab Steamers Ltd. war ein Unternehmen aus Bombay. Gegründet wurde die Reederei am 2. Mai 1911.

Bereits im Jahr 1914 wurde die Aktienmehrheit von der British India Steam Navigation Company und der Asiatic Steam Navigation Company übernommen. 1922 erfolgte der Zusammenschluss mit der Bombay and Persia Steam Navigation Co.

Bombay 1907

Bombay, Geschäftsstraße, 1907; Library of Congress, https://www.loc.gov/item/2020681377/

Schiffe der Persian Gulf Steam Navigation Company

Außer der „Sultania“ hatte Shushtary im Jahr 1920 noch die „Zayani“, die „Shustar“ und eventuell die „Iran“ in Fahrt.

Die „Zayani“ war ursprünglich ein niederländisches Schiff, die „Bali“ der N.V. Stoomvaart Maatschappij „Nederland“ in Amsterdam.

Am 22. Juni 1914 wurde die „Bali“ an die Persian Gulf Steam Navigation Co. Ltd. in Bombay verkauft. Das Frachtschiff hatte eine Ladekapazität von 4950 Tonnen bei 3389 BRT. Es war 1899 von Carmichael, Mclean & Co in Greenock am Clyde (Schottland) gebaut worden.

Die „Zayani“ war bis 1929 in Fahrt als sie am 13. Juni 1929 mit Brandschaden in Bombay einlief. Im September 1929 wurde sie zum Abbruch nach Italien verkauft, dort jedoch nie abgeliefert. Schließlich wurde das Schiff in Bombay verkauft und abgebrochen.
Quelle: Stichting Maritiem-Historische Databank; https://www.marhisdata.nl/schip?id=764

Ebenfalls 1920 in Fahrt für das Unternehmen war die „Shustar“.

Die „Shustar“ war 1917 von der Persian Gulf Steam Navigation Co. Ltd. gekauft worden. Das Schiff hatte vorher bereits drei Eigner und Namen: „Cape Otway“, „Pilburra“ und „Sunstream“. Die meiste Zeit war sie in australischen Küstengewässern unterwegs gewesen. Die „Shustar“ hatte 2.664 BRT bei einer Länge von 96 Metern. 1924 wurde die „Shustar“ an das Königreich Hedschas verkauft, das 1932 Teil Saudi-Arabien wurde.
Quelle: http://www.flotilla-australia.com/ausn.htm

Über die bei Lloyds Register (1918) verzeichnete „Iran“ konnte ich bislang leider keine Angaben finden.

Ein anderes Schiff der Persian Gulf Steam Navigation Company war das Fracht- und Passagierschiff „Sardar“. Es hieß ursprünglich „Prins Willem IV“ und war ein Schiff der niederländischen Reederei N.V. Koninkijke West-Indische Maildienst. Es wurde 1894 von Richardson Duck & Co. in Stockton-on-Tees an der englischen Ostküste fertiggestellt. Das Schiff hatte 2047 BRT und war für 74 Passagiere ausgelegt.

Im Jahr 1913 war es für £ 12.000 an die Persian Gulf Steam Navigation Co. Ltd. verkauft worden.

Allerdings lief die „Sardar“ bereits am 3. November 1916 auf der Fahrt von Bombay nach Jeddah mit einer Ladung Stückgut im Hafen von Merka (Italienisch-Somaliland) auf Grund und war verloren.

Bombay map

Stadtplan von Bombay, 1914, aus: Baedeker, Karl: Indien. Handbuch für Reisende. Verlag Karl Baedeker, Leipzig, 1914, p. 120 f; über commons.wikimedia.org, file: Bombay (Baedeker, 1914).jpg

Funkstille

Nach der Ankunft der „Sultania“, exFürth in Bombay am 11. September 1920 bleibt das Schiff vom Radar der internationalen Schiffsmeldungen bis in den Mai 1924 verschwunden.

Was in dieser Zeit passiert ist, muss ich derzeit offenlassen. Lloyds Register weist eine Überprüfung des Schiffes im Januar 1923 im Hafen von Bombay aus. Ebenfalls Überprüfungen der Maschine im März 1923 und im Mai 1924.

Das Schiff dürfte also in diesen Jahren in Fahrt gewesen sein, eventuell von der indischen Westküste zu kleineren Häfen des Persischen Golfs.

Bombay, Fort, 1914, map

Fort Bombay, Kartenvergrößerung aus: Stadtplan von Bombay, 1914, Baedeker, Karl: Indien. Handbuch für Reisende. Verlag Karl Baedeker, Leipzig, 1914; commons.wikimedia.org, file: Bombay (Baedeker, 1914).jpg

Die Esplanade verläuft in der linken Bildhälfte von N nach S; Rampart Row biegt von ihr in NW/SE-Richtung ab (untere Bildhälfte).

Demnächst im Blog …

…berichte ich über den Haddsch und die Pilgerfahrt indischer Muslime nach Mekka. Überraschend ist die Tatsache, dass auch die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, mindestens einmal in ihrer Geschichte Mekkapilger von Bombay nach Jeddah transportiert hatte.

Außerdem lief die „Sultania“ nach der Pilgersaison im Jahr 1924 nach Mauritius. Geladen wurde dort – natürlich – Zucker, der nach Britisch Indien verschifft wurde.