Ein Originaldokument aus dem Jahr 1910
National Archives of Australia
Das Bestellen von Dokumenten in Archiven ist vergleichbar mit dem Ziehen von Losen bei einer Losbude auf der Färdder Kärwa (für alle Interessierten: Die Fürther Kirchweih findet 2018 wieder vom 29. September bis 14. Oktober statt).
Außer einer knappen Inhaltsbeschreibung ist über das Originaldokument nichts bekannt und erst wenn man das (kostenpflichtig) bestellte und eingescannte Originaldokument dann vor sich hat, weiß man, ob man einen kleinen Trostpreis („jedes Los gewinnt“) oder vielleicht doch einen Hauptgewinn gezogen hat.
Der „Lospreis“ beim australischen Nationalarchiv liegt bei ca. 15 € für den Scan eines kleinen Dokuments. Der Service funktioniert tadellos.

Kopfzeile des Formulars (Detail)
© National Archives of Australia, K271, FURTH 29 DEC 1910
Die Mannschaftsliste der „Fürth“
Immerhin konnte ich bei zwei bestellten Dokumenten bei den National Archives of Australia schon einen schönen „Gewinn“ verbuchen: Eine Mannschaftsliste der „Fürth“, ausgestellt von der Crew und unterschrieben von Kapitän C. B. Saegert höchstpersönlich für die australische Hafenpolizei in Fremantle (Westaustralien) am 29. Dezember 1910. Dort war die „Fürth“ auf ihrer achten Australienfahrt am Tag zuvor angekommen.
© Copyrighthinweis: Das Dokument wurde von der australischen Hafenpolizei ausgestellt. Das Copyright liegt daher beim Australian Government, National Archives of Australia, die Referenznummer ist K271.
Die Liste der Crew enthält 41 Namen, somit ist auch die Frage nach der Mannschaftsstärke der „Fürth“ aus erster Quelle beantwortet. Angaben von vergleichbaren Schiffen ließen auf eine Zahl „um die 40“ schließen, aber so herrscht nun Klarheit.
Von den Mannschaftsmitgliedern waren 37 ab Hamburg an Bord, 4 erst ab Antwerpen.

Einreisedokument der Hafenpolizei Fremantle für die „Fürth“ vom 29. Dezember 1910
© National Archives of Australia, K271, FURTH 29 DEC 1910
Deck und Maschine
Die Liste unterscheidet in zwei Spalten das Deckspersonal (21 Personen) und das Maschinenpersonal (20 Personen).
Das Deckspersonal: Neben dem Kapitän gibt es vier Offiziere (Steuerleute), einen Zimmermann, 2 Bootsmänner, 2 Köche, 2 Stewards und 9 Matrosen.
Zu den Steuerleuten lesen wir bei Otto Harms:
„Unsere Dampfer fuhren alle mit drei Steuerleuten. Auf den langen Seestrecken – Antwerpen-Südafrika – von dort nach Australien – bot sich Zeit genug, Papiere und Bücher für Ladung, Navigation, Karten, Proviant usw. – in Ordnung zu halten. Als die Zahl der Anlaufhäfen sich vermehrte und damit größere Anforderungen gestellt wurden, ist ein vierter Steuermann zugegeben worden, und zwar von 1904 an.“
Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Ihre Gründung und Entwicklung bis zum Kriege, Otto Harms, Hamburg 1933, S. 103.
Das Maschinenpersonal besteht aus vier Maschinisten, 2 Assistenten und 14 Heizern.
Die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft legte Wert darauf, dass ihre Besatzung aus deutschen Seeleuten bestand. Das ist der Mannschaftsliste auch deutlich zu entnehmen.
„Die Besatzungen der Schiffe bestanden selbstverständlich nur aus Deutschen; …“
Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Ihre Gründung und Entwicklung bis zum Kriege, Otto Harms, Hamburg 1933, S. 179.
Wenn ein/e Ahnenforscher/in seinen/ihren Vorfahren entdeckt: Jeder Hinweis ist höchst willkommen und würde die Geschichte der „Fürth“ immens bereichern!
Hinweis: Die Handschrift des Formularausfüllers ist nicht immer deutlich. Die Transkription der Namen erfolgt daher ohne Gewähr. Vor allem I und J sind sehr ähnlich.
Deck
Zunächst die Mitglieder der Decksmannschaft:

Die Deckcrew der „Fürth“ © National Archives of Australia, K271, FURTH 29 DEC 1910
Ein interessantes Detail in der Liste der Decksmannschaft ist, dass der 3. Offizier am Ende der Liste steht. War er es, der die Liste ausgefüllt hat und sich an das Ende gesetzt hat? Dagegen spricht meiner Meinung nach die Tatsache, dass der Eintrag beim 4. Offizier, Ihlefeld, offensichtlich nachträglich von 3. Steuermann auf 4. Steuermann korrigiert wurde. War es daher vielleicht der erste oder zweite Offizier, der die Liste erstellt hat und dabei einen seinen Kollegen beim Eintragen vergessen hat? Wir wissen es nicht.
Maschine
Und jetzt das Maschinenpersonal:

Die Maschinencrew der Fürth © National Archives of Australia, K271, FURTH 29 DEC 1910
Die Liste unterscheidet nicht zwischen Heizern und Trimmern, alle sind als Heizer „Firemen“ aufgeführt.
Anm.: Der erste Ingenieur heißt wohl P. J. Heß, anstelle von P. I. Hefs, wie oben angegeben (Korrektur vom 17. Oktober 2018).
Trimmer sind für die Beischaffung der Kohle aus den Bunkern zuständig.
Ein zweites Dokument
Zurück zur Einleitung, in der ich von zwei Dokumenten oder „Losen“ gesprochen habe:
Im zweiten angeforderten Dokument, das eine Mannschaftsliste ausgehend aus einem australischen Hafen ankündigt, heißt es nur lapidar: „Mannschaft wie im Hafen eingehend“. Was das Dokument dann doch noch zu einem Trostpreis macht und nicht zu einer „Niete“, sind die Namen von vier desertierten Mannschaftsmitgliedern. Mehr leider nicht.
Dabei hatte ich mir Informationen über die später auf Ceylon (Sri Lanka) inhaftierten Mannschaftsmitglieder zu Beginn des Ersten Weltkrieges versprochen. Zu diesem Dokument aus dem turbulenten Jahr 1914 kommen wir später noch einmal zurück.
Der Lohn der Arbeit
Harms gibt in seinem oben zitierten Buch auch einen Einblick in den Verdienst der Mannschaften, allerdings beziehen sich die Zahlen auf die Anfangsjahre der Gesellschaft (ab 1889). Daher dürfte die absolute Höhe für die Zeit der „Fürth“ nicht mehr stimmen, aber die Relation zwischen den einzelnen Rängen hat sich sicher nicht wesentlich verändert.
„Bei der D.A.D.G. fingen die Kapitäne mit 360 M monatlich an, erste Steuerleute mit 120 M, zweite 90 M, dritte 75 M, erste Maschinisten mit 300 M. In 1892 Matrosen 55 M, Heizer 65 M, Trimmer befahren 55 M, unbefahren 40 M, in 1894 5 M weniger, Koch 100 M, Zimmermann 80 M, Bootsmann 75 M.“
Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Ihre Gründung und Entwicklung bis zum Kriege, Otto Harms, Hamburg 1933, S. 103.
Zum Vergleich das Anfangsgehalt des Geschäftsführers Otto Harms: 7500 M (jährlich).
Unterkunft und Verpflegung
Weiter heißt es zum Thema Unterkunft und Verpflegung:
„In Uebereinstimmung mit der einfachen Lebensweise stellte sich auch die Beköstigung billig, bei den meisten Kapitänen unter 1,20 M, bei einigen erheblich darunter und zwar im Durchschnitt für Kajüte und Logis, und die Leute waren dabei nicht weniger zufrieden – oder mehr unzufrieden – als später.“
(gleiche Quelle)
Nachtrag: In einem anderen Dokument konnte ich für einen Schiffskoch der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft im Jahr 1914 eine Heuer von 130 M finden (statt 100 M wie oben angegeben).
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Interessant, dass der Koch zu den Besserverdienenden gehörte. Da merkt man, dass auf so langen Fahrten der Koch doch eine wichtige Rolle spielte 😉
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Jetzt wäre noch interessant, was es damals auf einem Handelsschiff so zum Essen gab.
Aber ob es noch alte Speisepläne gibt …?
Dazu ein Detail: Auf einem Plan eines anderen Schiffes der DADG (SS Lübeck) habe ich auf Deck hinter dem Maschinenhaus einen Geflügelstall gefunden, somit war für frische Eier und ab und zu sicher auch für Frischgeflügel gesorgt!
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