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Lloyd's Register, Rotterdam, Neumünster

Ein Revisionsbericht von Lloyds aus dem Jahr 1912

… und Korrespondenz von Lloyd’s Register über das Dampfschiff „Iserlohn“

This is to certify….

Die bekannte Schiffs-Klassifikationsgesellschaft Lloyd’s Register hatte ich bereits vorgestellt und einen Registereintrag des Dampfschiffes „Fürth“ aus dem Jahr 1909-10 präsentiert.

SIEHE: Die „Fürth“ in Lloyd’s Register

Die nach der Indienststellung der Schiffe vergebene Klassifikation wurde regelmäßig von technischen Sachverständigen („Surveyors“) überprüft, die ihre Ergebnisse anschließend nach London mitteilten, damit der Eintrag des jeweiligen Schiffes in den jährlich erscheinenden Ausgaben des Registers wieder auf den neuesten Stand gebracht werden konnte.

Für den Fall der „Fürth“ war es so, dass das erste Audit des im August 1907 in Betrieb genommenen Schiffes bereits im Januar 1909 erfolgte.

Der hier vorgestellte Prüfbericht ist vom Januar 1912 für das Schiff „Neumünster“, einem Schwesterschiff der „Fürth“. SIEHE: Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Neumünster“

Die Überprüfung der „Neumünster“ war im Rheinhafen in Rotterdam vorgenommen worden.

Laut dem technischen Sachverständigen von Lloyd’s Register, A. Schouwenaar, mussten vorläufige Reparaturen in Rotterdam vorgenommen werden. Zusätzlich wurde die Auflage erteilt, nach der Rückkehr in den Heimathafen Hamburg weitere, dauerhafte Reparaturen vornehmen zu lassen.

Rheinhafen Rotterdam 1900

Rijnhaven Rotterdam, zwischen 1890-1900, Photochromdruck, Quelle: Library of Congress Prints and Photographs Division Washington, D.C. 20540 USA; http://hdl.loc.gov/loc.pnp/ppmsc.05849

Lloyd’s Register of British & Foreign Shipping.
Head Office : 71, Fenchurch Street, London, E. C.

Port of Rotterdam
4th Jan. 1912.

This is to certify that I have
Surveyed the German S.S. “Neumunster” of Hamburg,
on the 3rd & 4th Jan 1912, whilst she was lying
afloat in the “Rijnhaven” at this port

and that I have transmitted to the Committee of Lloyd’s
Register of British and Foreign Shipping, London, a Report
stating that all temporary repairs recommended by me have been completed
to my satisfaction, and that I have Recommended that she
be continued as now clasfed, subject to per-
manent repairs be carried out upon return of
the present voyage at Hamburg,
being fit to carry dry & perishable cargoes.

A. Schouwenaar.
Surveyor to Lloyd’s Register.

Im Kleingedruckten der Fußzeile heißt es weiter:

This Certificate is issued upon the terms of Rules and Regulations of the Society, which provide that: – “While the Committee use their best endeavors to ensure that the functions of the Society are properly executed, it is to be understood that neither the Committee nor the Society are under any circumstances whatever to be held responsible for any inaccuracy in any report or certificate issued by the Society or its Surveyors, or in any entry in the Register Book or other publication of the Society, or for any error of judgment, default, or negligence of the Surveyors, or other Officers or Agents of the Society.”

Lloyd's Register, Rotterdam, 1912

Revisionsbericht von Lloyd’s Register für das Schiff „Neumünster“, © mit freundlicher Genehmigung des State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.15

Der Prüfbericht befindet sich in einem Umschlag, der von dem Lloyd‘s Büro in Rotterdam an die Fa. Wambersie & Zoon adressiert war.

Wambersie & Zoon war der Makler der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft in den Niederlanden mit Büros in Rotterdam und Amsterdam.

Lloyd's Register of Shipping 1912

Umschlag Revisionsbericht, Schiff „Neumünster“, © mit freundlicher Genehmigung des State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.15

Wambersie & Zoon

Der Schiffsmakler Wambersie & Zoon geht zurück auf das Jahr 1820, als die Firma von Emanuel Wambersie gegründet wurde. Wambersie war aus den USA zurück nach Rotterdam gekommen und war dort auch amerikanischer Konsul. Sein Sohn Johan, geboren 1806 in Savannah (USA) übernahm später Unternehmen und Amt des Konsuls.

Eine sehr ausführliche Quelle über die Anfänge des Unternehmens finden Sie hier: EMANUEL EN JOHN WAMBERSIE, CONSULS EN CARGADOORS TE ROTTERDAM; http://rjb.x-cago.com/GARJB/1976/12/19761231/GARJB-19761231-0278/story.pdf (in niederländischer Sprache).

Emanuel Wambersie

Emanuel Wambersie, Gründer des Schiffmaklers Wambersie. Das Unternehmen hatte im Lauf seines Bestehens unterschiedliche Teilhaber und Namen.

Wambersie & Zoon wurde im 19. Jahrhundert die führende niederländische Agentur für die Emigration nach den USA.

Ein Teilhaber bei Wambersie & Zoon war Antoine Plate (1845-1927), niederländischer Schifffahrtsunternehmer und Politiker, der zu den Gründern der Nederlandsch-Amerikaansche Stoomvaart Maatschappij gehörte, im Ausland besser bekannt als Holland-America Line (HAL). Makler der Gesellschaft natürlich: Wambersie & Zoon.

Als einer der führenden Schiffsmakler der Niederlanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts, war Wambersie & Zoon Agent zahlreicher deutscher Reedereien: HAPAG, Dampfschifffahrtsgesellschaft „Neptun“, Oldenburg-Portugiesische Dampfschiff-Rhederei, Dampfschifffahrtsgesellschaft „Argo“, die Linie Hamburg-Rotterdam (A. Kirsten) und andere mehr.

Weniger erfolgreich war die 1914 von Wambersie & Zoon gegründete Algemeene Stoomvart Maatschappij für den Transport von Bananen nach Rotterdam. Auch nach einem Neustart nach dem Ersten Weltkrieg im Jahr 1921 mit drei neuen Schiffen wurde die Reederei bereits 1924 liquidiert und die Schiffe wieder verkauft.
(Quelle: theshipslist.com)

Firmensitz von Wambersie & Zoon war in der Calandstraat 5 in Rotterdam. Dort wurde in drei Phasen (1908, 1911 und 1930) ein repräsentatives Firmen- und Wohngebäude errichte, dass heute noch als Baudenkmal erhalten ist (https://www.monumenten.nl/monument/513902)

Logo der Fa. Wambersie & Zoon, ca. 1910

Logo der Fa. Wambersie & Zoon, ca. 1910

Die Klassifizierung des Dampfschiffes „Iserlohn“

Zum Thema des Revisionsberichtes von Lloyds passen zwei Briefe, die in der Lloyd’s Register Foundation in London erhalten sind und in Zusammenhang mit der Klassifizierung des Dampfschiffes „Iserlohn“ stehen.

Die Dokumente sind exemplarisch, es könnte sich auch um jedes andere Dampfschiff der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) handeln.

Der Frachtdampfer „Iserlohn“

Die „Iserlohn“ wurde auf der Reiherstieg-Werft in Hamburg gebaut (Bau-Nr. 426) und am 25. September 1909 in Dienst gestellt. Sie war etwas größer, als die „Fürth“ (4667 Bruttoregistertonnen („Fürth“ 4229 BRT) bei einer Ladekapazität von 7650 Tonnen („Fürth“ 7010 Tonnen).

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges lag die „Iserlohn“ wie viele andere Schiffe der DADG in Niederländisch-Indien (siehe: Die heimlichen Helfer der Kaiserlichen Marine).

Anmerkung: Nach der Stadt Iserlohn wurde 1922 erneut ein Schiff der DADG benannt. Die „Iserlohn“ (II) war ein Schiff der Krupp-Germaniawerft in Kiel (Bau-Nr. 362).

Alle Angaben nach R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984.

Empfehlung der Klassifizierung 100A1

Das Schreiben vom 25. September 1909 ist eine Meldung nach London, dass die „Iserlohn“ die Klassifizerung 100A1 erhalten könne.

Erstellt hat es der Sachverständige der Klassifizierungsgesellschaft Lloyd’s Register in Hamburg, George Dykes.

Die Klasse 100A1, die beste Kategorie in Lloyd’s Register war etwas ganz Normales für ein neues Schiff dieser Größe im Überseeverkehr.

Das Tatzenkreuz vor der Angabe weist darauf hin, dass der Bau des Schiffes in der Werft unter besonderer Aufsicht durch die Klassifizierungsgesellschaft Lloyd’s erfolgte (special survey). Nachdem es mit keiner Schreibmaschinentaste wiedergegeben werden konnte, hat es George Dykes im Brief handschriftlich ergänzt.

Klassifikation 100A1 in Lloyd's Register

Klassifikation 100A1 in Lloyd’s Register

Lloyd's Register, Klassifikation, Iserlohn 1909

Brief von George Dykes zur Klassifikation der “Iserlohn” vom 25. September 1909, Archiv und Bibliothek des Heritage & Education Centre; © Lloyd’s Register Foundation 2018. Alle Rechte vorbehalten. Referenzcode: LRF-PUN-W31-0122-L

Lloyd’s Register hatte in Deutschland neben George Dykes weitere, eigene Sachverständige (Surveyors):

„In Deutschland befinden sich, außer einer Anzahl binnenländischer Surveyors für Materialprüfungen, 4 Experten an der Küste, in Hamburg (für Elbe, Schlewig-Holstein, Mecklenburg), Stettin (fûr Pommern), Danzig (für Preußen) und Bremerhaven (für Bremen, Hannover außer Elbegebiet, Oldenburg). Jeder dieser Surveyors an der Küste steht in direktem Verkehr mit dem Londoner Zentralbureau, und sendet diesem alle Nachrichten über Veränderungen am Schiffsbestand fortlaufend zu. In zahlreichen Fällen läßt das Zentralbureau dann wieder Rückfragen ergehen, die an die Surveyors und Agenten, oder direkt an die Reeder gerichtet werden.“
Quelle: Die Grundlagen der Schiffahrtsstatistik, W. Vogel, 1911, Veröffentlichungen des Instituts für Meereskunde an der Universität Berlin; http://www.digitalis.uni-koeln.de/Vogelw/vogelw72-80.pdf

Flexible Trossen

Das zweite Schreiben vom 7. Oktober 1909 ist offensichtlich eine Antwort, die George Dykes auf eine Rückfrage zur Klassifizierung an den Unternehmenssitz nach London geschickt hat.

Diesmal ist nicht nur ein Durchschlag, sondern der Originalbrief erhalten, so dass wir daraus die Firmenadresse von Lloyd’s Register in Hamburg erfahren: Steinhöft 3. Das war in unmittelbarer Nähe der Kontorhäuser Elbhof und Slomannhaus und einen Steinwurf vom Kaispeicher A mit dem Hamburger Zeitball (siehe dazu den Artikel: Tagebuch der „Fürth“ (3) – Bunkern und Laden im Hamburger Hafen).

George Dykes bestätigt in dem Schreiben, dass es sich bei den Trossen der „Iserlohn“ um Trossen aus flexiblem Stahldraht handelt. Dieser Punkt war wohl unklar geblieben.

Lloyd's Register, Klassifikation, Iserlohn, 1909

Brief von George Dykes von Lloyd’s Register Büro in Hamburg über die Beschaffenheit des Stahldrahtes der « Iserlohn », 7. Oktober 1909, Archiv und Bibliothek des Heritage & Education Centre; © Lloyd’s Register Foundation 2018. Alle Rechte vorbehalten; Referenzcode: LRF-PUN-W31-0120-L

Sailing and Arrival code, German-Australian Line 1914

Die Telegrammcodes des Dampfschiffes „Fürth“

Von Adjugabam bis Sentienda

und was bedeutet:
UNHOPEFUL FURTH COMEOUTERS BUTSHAFT POPILIUS?

 

Nachweis Titelbild:
Sailing and Arrival Code, DADG, Titelseite (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.14

 

Heute stelle ich Ihnen wieder unveröffentlichte Originaldokumente vor.

Zunächst ein Codebuch, welches bei der Kaperung des Schiffes „Neumünster“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, im August 1914 von den australischen Behörden sichergestellt wurde. Siehe dazu auch: Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Neumünster“

Im Anschluss folgen zwei weitere Beispiele zum Thema Telegrafie, diesmal Telegramme aus The National Archives in Kew (London).

Fangen wir mit dem Codebuch an:

Das kleine Büchlein trägt auf der Außenseite den englischen Titel: Sailing and Arrival Code, außerdem gleich zweimal den Namen der Reederei „Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg“ (DADG) in der Kopf- und der Fußzeile und zusätzlich den Namen des Schiffes „Neumünster“, diesen nur in der Fußzeile.

Für mich sieht es so aus, dass der Fußzeileneindruck eingestempelt wurde, er steht leicht schräg. Mit dem gleichen Eindruck wurde der sonst blanke Innentitel (Seite 3) gestempelt.

sailing and arrival code, German Australian Line 1914

Sailing and Arrival Code, DADG, Ausschnitt Innentitel, mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.14

Der Innenteil

Der Innenteil besteht aus zweimal vier Doppelseiten, die ersten vier Doppelseiten sind mit „ARRIVALS“, die zweiten mit „SAILINGS“ betitelt.

Pro Doppelseite folgen dann die Namen von zwanzig Schiffen in alphabetischer Auflistung, insgesamt 60 Schiffe.

  1. „Adelaide“ bis „Forst“
  2. „Freiberg“ bis „Mannheim“
  3. „Melbourne“ bis „Worms“

Die vierte Seite ist offensichtlich für Neuzugänge reserviert und trägt keine Schiffsnamen, aber bereits vorbereitete Codes.

Pro Doppelseite gibt es acht Spalten, wovon die erste für die Schiffsnamen reserviert ist und die sieben weiteren für die Wochentage, beginnend mit Sonntag.

Für jeden Wochentag gibt es pro Schiff zwei Begriffe, der erste ist für 0-12 Uhr und der zweite von 12-24 Uhr. Dies ist in der Fußzeile erklärt:

The first word indicates arrival/sailing A. M., the second P. M.

Für eine Ankunft der „Fürth“ am Sonntagvormittag (0-12 Uhr) war das in der Telegraphie zu verwendende Wort „Adjugabam“, erreichte die Fürth einen Hafen am Sonntagnachmittag, war das Wort „Adjugantem“ zu verwenden und so fort.

arrival code, GAL, 1914

Sailing and Arrival Code, DADG, 2. Doppelseite, Ausschnitt; mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.14)

Alle Codewörter für die Ankunft der 60 Schiffe begannen mit einem „A“, wie „Arrival“.

Das gleiche Prinzip gilt für die folgenden vier Doppelseiten. Wieder gibt es für jedes Schiff und jeden Halbtag ein Codewort, das diesmal für das Ablegen, also „SAILING“ steht. Alle Codewörter beginnen diesmal mit einem „S“.

Der Codename für ein Ablegen der „Fürth“ am Sonntagvormittag lautete „Sentencio“, am Sonntagnachmittag „Senticeta“.

Außer den beschriebenen Texten erhält das Codewort-Verzeichnis keinerlei Erklärungen und sonstige Angaben.

arrival code, GAL, 1914

Sailing and Arrival Code, DADG, 1. Innenseite; mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.14)

 

Die Standardcodes für Telegrafie

Die Verwendung von Codebüchern war Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts eine gängige Praxis im Wirtschaftsverkehr.

Komplexe ökonomische Zusammenhänge konnten mittels Codes mit wenigen Worten übermittelt werden. Nachdem der Versand telegrafischer Nachrichten in Worten abgerechnet wurde und von einem Handels- oder Industrie-Unternehmen eine Vielzahl dieser Nachrichten abgesetzt wurden, ergaben sich auf diese Weise große Einsparpotentiale.

Im Folgenden ein paar Beispiele aus
The ABC Universal Commercial Electric Telegraphic Code Specially Adapted for the Use of Financiers, Merchants, Shipowners, Brokers, Agents, &c., Fourth Edition, 1881.
Quelle: Duke Digital Collections

Dieser Code wurde (unter anderen) auch von der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft verwendet:

Telegraphic codes, German Australian Line, 1914

Telegrammadresse und verwendete Codebücher; aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

 

Ausgangspunkt für das (fiktive) Beispiel ist folgende Nachricht in Klartext, die Strandung des Schiffes „Enrique“:

ABC Universal Commercial Electric Telegraphic Code 1881

aus: The ABC Universal Commercial Electric Telegraphic Code Specially Adapted for the Use of Financiers, Merchants, Shipowners, Brokers, Agents, &c., Fourth Edition, 1881.

 

Unter dem Stichwort „stranded“ finden Sie im Codebuch mehrere Optionen (in der Abbildung wegen des Seitenumbruchs auf zwei verkürzt):

aus: The ABC Universal Commercial Electric Telegraphic Code Specially Adapted for the Use of Financiers, Merchants, Shipowners, Brokers, Agents, &c., Fourth Edition, 1881. Quelle: Duke Digital Collections

Angewendet auf die ganze Meldung ergibt das diesen Telegrammtext:

telegraphic code 1881

 

Nachdem in den Standardcodes für Telegrafie unternehmensspezifische Sachverhalte nicht enthalten sein konnten, entwickelten zahlreiche Unternehmen zusätzliche Code-Listen für ihren täglichen Gebrauch. So ist das vorliegende Codebuch der DADG zu verstehen.

Ein sehr ausführlicher und lesenswerter Beitrag zu dem Thema Telegrafie am Beispiel der Deutschen Bank wurde unter dem anschaulichen Titel „Das viktorianische Internet“ veröffentlicht:

Das viktorianische Internet, Ingrid Rold-Saez, Bank und Geschichte, Historische Rundschau, Informationsbrief No. 40, März 2019, Historische Gesellschaft der Deutschen Bank eV.; http://www.bankgeschichte.de/de/docs/Historische_Rundschau-14-RZ-website.pdf

 

Druckdatum

Offen ist, wann der „Sailing and Arrival Code“ erstellt wurde. Anders als andere Dokumente der Reederei trägt das Verzeichnis keinen Formularcode, der Aufschluss über das Erstellungsdatum gibt.

Letztmöglicher Drucktermin ist Juni 1914, die „Neumünster“ verließ Hamburg laut Logbuch am 27. Juni 1914.

Um das Druckdatum weiter einzugrenzen, schauen wir uns die Liste der sechzig Schiffe an, die verzeichnet sind. Als erstes fällt mir auf, dass eine andere Quelle (Harms, 1933) von 55 Schiffen der DADG bei Kriegsausbruch spricht; die Liste enthält 60 Schiffe.

Jüngstes Schiff in der Liste ist die „Ceylon“, die im Februar 1914 bestellt wurde; dieser Frachtdampfer kam vor dem ersten Weltkrieg nicht mehr in Fahrt, gleiches gilt für die Schiffe „Forst“, „Guben“, „Lennep“ und „Waldenburg“, die zwar alle bestellt und zum Teil in Bau, aber noch nicht an die Reederei abgeliefert worden waren.

Das letzte Schiff, das vor dem Ersten Weltkrieg von der DADG an eine andere Reederei verkauft wurde, war die bereits 1897 in Dienst gestellte „Meissen“ und zwar im Juli 1913 (Harms 1933, Schmelzkopf 1984). Dieses Schiff ist in der Liste nicht mehr verzeichnet.

Das Druckdatum des Codewortverzeichnisses sollte also etwa zwischen Juli 1913 und Mai 1914 liegen.

 

Staatsarchiv Hamburg

Wer den Sailing und Arrival Code der DADG einmal selbst einsehen möchte, muss übrigens nicht nach Perth in Westaustralien fliegen. Im Staatsarchiv Hamburg befindet sich ebenfalls ein Exemplar (Referenznummer: 621-1/95_2529 Sailing and Arrival Code der „Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft“, Hamburg, s. d. (sine dato).

Auch hier der Hinweis „Sine dato“, also Erstellungsdatum unbekannt. Interessanterweise ist das Verzeichnis im Firmenarchiv der HAPAG archiviert, ein Hinweis darauf, dass die großen deutschen Reedereien ihre Codeverzeichnisse gegenseitig ausgetauscht haben.

Sailing code, GAL 1914

Sailing and Arrival Code, DADG, 2. Doppelseite, Ausschnitt; mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.14)

 

Die Verschlüsselung von Nachrichten („Cipher“)

 

…von Unternehmen

An dieser Stelle greife ich die Nachricht von der Strandung des Schiffes „Enrique“ noch einmal auf. Diese Nachricht lässt sich auch verschlüsselt übermitteln. Diese könnte dann wie folgt lauten (Originalbeispiel aus dem ABC Standard-Codebuch von 1881):

telegraphie_enrique_stranded_cypher

Für die Verschlüsselung der Nachrichten kommen die neben dem Codewort angegebenen Codenummern ins Spiel. Für die Nachricht „Is stranded, but do not expect any damage” ist das die Nummer 13751.

telegraphie_example_streamlet-cypher

Zur Verschlüsselung der Nachricht definieren Sie zunächst eine zehnstellige Buchstabenfolge, in diesem Beispiel das Wort Cumberland.

telegraphie_cypher_example

Mit Kenntnis des Schlüssels Cumberland können Sie nun cmlec als 13751 entschlüsseln und die entsprechende Aussage im Codebuch finden.

Unternehmen verzichteten in vielen Fällen auf diese Verschlüsselung, weil die Übermittlung verschlüsselter Nachrichten teurer war, als die unverschlüsselter.

 

… in der Weltpolitik

War die Verschlüsselung von Telegramm in der Politik auch schon zu Friedenszeiten eine übliche Angelegenheit, unterlagen telegrafische übermittelte Nachrichten im Ersten Weltkrieg zusätzlich der Geheimhaltung. Heute ist ein Teil dieser Meldungen in Archiven erhalten.

Ein überliefertes Telegramm, dass der westaustralische Premier kurz vor der Kriegserklärung Großbritanniens an den australischen Premierminister nach Melbourne schickte, lautete beispielsweise:

“ENGLISHRY TIPSTOCK MY BUTTONING WILL APIASTER BE AT YOUR SALIGOTS…”

In Reinschrift übertragen lautete der Text:

„that in the event of the declaration of war my Cabinet will at once be at your service…”

Quelle: State Records Office of Western Australia, World War I in WA, Secret Coded Messages; sro.wa.gov.au

 

Am 5. August 1914 sendete der australische Premierminister dann folgenden Text nach Perth an den Gouverneur Westaustraliens:

TIPSIFIED GERMANY. GLYPHIC.

dies bedeutete:

„Was has broken out between Great Britain and Germany. Signed, the Governor General”

Quelle: State Records Office of Western Australia, World War I in WA, Secret Coded Messages; sro.wa.gov.au

 

… in Angelegenheiten des Dampfschiffes „Fürth“

Nicht nur in der großen Politik, auch im Kleinen wurden Nachrichten verschlüsselt, zum Beispiel wenn es um das Dampfschiff „Fürth“ ging.

Hier zwei Beispiele aus der Zeit zwischen der Kaperung der „Fürth“ vor Ceylon und der Abfahrt des Dampfschiffes nach London im Oktober 1914. Siehe dazu auch die folgenden Beiträge: Die Kaperung der „Fürth“Das Dampfschiff „Fürth“ wird kondemniert.

 

Am Samstag, den 3. Oktober 1914 sendete Gouverneur Chalmers aus Colombo folgenden Text über The Eastern Telegraph Company nach London:

„Rempotage sailclutch sabertooth cypher. Governor.”

Von einem Mitarbeiter im Colonial Office in London wurde der Text dann auf einer Schreibmaschine ins Reine getippt, die Reinschrift lautet wie folgt:

TELEGRAM The Governor of Ceylon to the Secretary of State for the Colonies.
(Received, Colonial Office 1-31 p.m. 3 October,1914)

Should be glad to receive early reply to my telegram of September 21st sent in cypher. CHALMERS

(National Archives, Kew, Aktennummer CO 323/625/6, Prize Ship “Furth”)

 

Diese kurze Reinschrift war eine einfache Arbeit für den Mitarbeiter im Colonial Office, er hatte aber auch komplexere Sachverhalte zu entschlüsseln. Hier wiederum ein Telegramm von Gouverneur Chalmers, diesmal vom 9. Oktober 1914:

XSA 18 COLOMBO 84 9 RX GOVT PASCOL =

CHAPELRIES LN =

UNHOPEFUL FURTH COMEOUTERS BUTSHAFT POPILIUS AND HANDFUL CROWN SACKDUSTER VESSEL LIBRILLIS WITH PAINTLESS ORIGINAL CARGO CONQUERING LEAD AND ZINC COLLEGIANS AND HAVE ALREADY LEASED REMAINING SPACE ARCHPASTOR LOCAL CARGO REPTILIAN CATARROSAS IMMANENT ANTORBITAL LOCAL INDUSTRIES REMAINDER OF CARGO HEARTDEEP WAREHOUSED HERE AND CLAIMS ARE UNDER INTOMBS SHIPPERS OF CARGO REQUIRE APEDROME VESSEL TOUCHPIECE INSURED AGAINST WAR RISK ECLUSA THEM TO INSURE CARGO ARBUSTIVE GENETTA DESIRED ASSURANCE REMPRUNTER ANNITOR ASSURANCE DELAYED FINANCIAL INCAUTO CROWN WILL ONLY BE INSURING HULL FOR ITSELF = GOVERNOR.

Immerhin kann man aus diesem Cable/Cablegram schließen, dass es um eine Schiffsladung und um deren Versicherung gegen Kriegsrisiko geht. Glücklicherweise ist neben dem Original-Telegramm auch diesmal die Reinschrift in den Akten:

TELEGRAM The Governor of Ceylon to the Secretary of State for the Colonies.
(Received, Colonial Office 2.23 p.m. 9th October,1914)

Your telegram 8th October Furth has been condemned by Prize Court and handed over to Crown; purpose to send vessel to London with part of original cargo consisting of lead and zinc concentrates and have already leased remaining space available for local cargo at request of Chamber of Commerce in order to assist local industries; remainder of cargo has been warehoused here and claims are under investigation; shippers of cargo require assurance that vessel will be insured against war risk in order to enable them to ensure cargo authority is requested to give desired assurance; telegraph reply as if assurance delayed financial liability will be incurred; Crown will only be insuring hull for itself. CHALMERS.

(National Archives, Kew, Aktennummer CO 323/625/20, Prize “Furth”)

 

Über die Problematik der Versicherungsfrage vor der Abfahrt der „Fürth“ von Colombo nach London (Tilbury) hatte ich im Blog berichtet, siehe dazu folgenden Artikel:  Dampfschiff „Fürth“: Die Abfahrt nach England verzögert sich

 

Falls Sie Gefallen an den phantasievollen Codenamen gefunden haben, habe ich Ihnen im Anhang alle Codenamen für die Ankünfte und Abfahrten der „Fürth“ zusammengestellt.

Falls Ihnen das nicht genug ist, finden Sie in der Liste noch 79 x 14 weitere schöne Namen zum Rezitieren oder auswendig lernen.

Oder sind Sie vielleicht auf der Suche nach einem ausgefallenen Vornamen? Wie wäre es mit Alamont oder Sinalissa?

Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt!

 

Anhang

Die vollständigen Telegrammcodes des Dampfschiffes „Fürth“

Von Adjugabam bis Adjugatos (ARRIVALS)

(Für Ankünfte von Sonntagvormittag bis Samstagnachmittag):

Adjugabam
Adjugantem
Adjugabare
Adjugarem
Adjugabis
Adjugaris
Adjugabo
Adjugas
Adjugamur
Adjugatae
Adjugandam
Agjugatior
Adjugandi
Adjugatos

Beim drittletzten Wort gehe ich davon aus, dass es sich um einen Druckfehler handelt. Agjugatior passt so gar nicht in die Reihe und heißt wohl richtig Adjugatior.

Irgendwie erinnert mich die Wortliste an eine lateinische Verbkonjugation, wobei ich zugebe, dass ich nie Lateinunterricht hatte. Oder auch an ein Gedicht eines Vertreters der Berliner Dadaisten-Szene in den zwanziger Jahren, wie zum Beispiel eines Raoul Hausmann.

 

Von Sentencio bis Sentienda (SAILINGS)

Für die Abfahrten klingt das dann so (wiederum von Sonntagvormittag bis Samstagnachmittag):

Sentencio
Senticeta
Sententia
Senticetum
Sentenza
Senticosa
Sentero
Senticosum
Sentia
Sentido
Sentiamo
Sentidora
Sentiatis
Sentienda

 

Sailing code, GAL 1914

Sailing and Arrival Code, DADG, 2. Doppelseite, Ausschnitt; mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.14)