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1000 Mark Banknote 1909

Der Schatz des Kapitän Wellhöfer

Über Havarien und Bergelohn

Titelbild: Reichsbanknote 1000 Mark von 1910; Quelle: commons.wikimedia.org

Vorfreude

Dieser Blogartikel erzählt die Geschichte von Carl Wellhöfer, einem Kapitän der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, der im Dezember 1911 mit seinem Dampfschiff „Adelaide“ nach Australien unterwegs war und auf dieser Fahrt ein kleines Vermögen machte.

Sichtlich gut gelaunt erreichte er mit ein paar Tagen Verspätung Australien und berichtete einem Journalisten von seinen Erlebnissen.

Zu diesem Zeitpunkt wusste er bereits, dass nach der Rückkehr in Hamburg eine schöne Summe Bergelohn auf ihn wartete.

Das gleiche galt auch für die anderen Besatzungsmitglieder, wenn auch in deutlich bescheidenerem Umfang. Die Stimmung an Bord dürfte also allgemein gut, wenn nicht sogar ausgelassen gewesen sein.

Lesen wir im Folgenden, was Kapitän Wellhöfer widerfahren ist.

Die Geschichte beginnt im Atlantischen Ozean vor der afrikanischen Küste.

Adelaide ship 1911 German Australian Line

Der Frachtdampfer „Adelaide“ (1911), gebaut von der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft, Aufnahme aus den Jahren 1911-1914; © R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, S. 30, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984.

GERMAN LINER SALVAGED.

Captain Charles Wellhofer, of the German Australian liner Adelaide, which arrived at Melbourne last Saturday, after a trip from Hamburg occupying 59 days, is in rare good humour as the result of an incident which occurred during the voyage. He had been 21 days out, and was steaming down the west coast of Africa in a steady sea when one evening his look-out man reported signals of distress.

 

Charles Wellhöfer hieß eigentlich Carl mit Vornamen, aber vielleicht hat er sich im Commonwealth selbst auch Charles genannt.

Die „Adelaide“ war zu diesem Zeitpunkt von der Reederei auf der Linie 3 der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft disponiert, das heißt das Schiff lief von Hamburg über Antwerpen und Lissabon nach Kapstadt und Algoa Bay (Südafrika) nach Melbourne, Sydney und Brisbane.

Nach 21 Tagen auf See hatte eine der Wachen ein Seenotsignal bemerkt und gemeldet.

 

Captain Wellhofer, who had turned in, hurried on deck, and soon had the Adelaide within hailing distance of the German East African liner Usambara, of 8000 tons, which lay rolling helplessly in the ocean swell. Enquiry elicited that she had lost her propeller two days previously. The shaft and casing had broken, and the after peak was full of water. She was about 40 miles off Dakar, in French Senegal, and it was arranged that she be towed into port by the Adelaide.

Die Deutsche Ost-Afrika Linie (DOAL, German East African Line) war 1890 in Hamburg gegründet worden. Die Dampfer der Linie beförderten Fracht und Passagiere nach Häfen in West-, Süd- und Ostafrika. Das Deutsche Kaiserreich verfügte auf dem afrikanischen Kontinent über einige Kolonien.

Die „Usambara“ war 1903 von Blohm & Voss in Hamburg als „Edfu“ für die Deutsche Dampfschiffahrts Gesellschaft Kosmos gebaut worden. 1911 wurde das Schiff an die DOAL verkauft und in „Usambara“ umbenannt. Nach dem Ersten Weltkrieg musste die “Usambara” an Frankreich abgegeben werden, wurde „Montana“ genannt und war für die Cie. Générale Transatlantique (CGT) in Fahrt. Sie strandete am 22. März 1928 auf der zu Guadeloupe gehörigen Insel La Désirade.
(Quelle: Wrecksite.eu; https://www.wrecksite.eu/wreck.aspx?135909)

Das Schiff hatte ein Ladevermögen von 8.000 Tonnen bei einer Länge von 125 Metern (zum Vergleich das Dampfschiff „Fürth“: 7010 Tonnen Tragfähigkeit, 118 m Länge).

Die Achterpiek (after peak) ist ein kleiner Raum im Heck eines Schiffes.

French Senegal: Senegal war bis 1960 eine französische Kolonie.

Curiously enough, the Usambara was not fitted with wireless telegraphic apparatus, while two sister ships, cruising in the same waters, were so fitted. It was the inability of the Usambara to communicate with these ships that put Captain Wellhofer in such good humour.

Die fehlende Telegrafenausrüstung war also dafür verantwortlich, dass das Schiff „Usambara“ keine Hilfe bei der eigenen Reederei anfordern konnte. Und jetzt kam ausgerechnet die „Adelaide“ dem Schiff zu Hilfe: ausgerechnet deshalb, weil die „Adelaide“ das erste Schiff der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft war, welches mit einer Anlage zur „drahtlosen Telegraphie“ ausgestattet war. SIEHE: Telegrafie per Funk

morse-key-marconis-wireless-telegraph-circa-1899-659720-large

Morsetaste für Funktelegrafie, ca. 1899 © Museums Victoria (Australien), https://collections.museumvictoria.com.au/items/404170

He rode the derelict into port with little mishap beyond a broken tow rope, and thus complied with the German regulations for claiming salvage money. The Usambara was laden almost at the Plimsoll line with general merchandise, and would have been even more valuable from a salvage point of view if she had been carrying passengers. It occupied about four days to tow the disabled steamer into port.

Die Tatsache, dass die “Adelaide“ die manövrierunfähige „Usambara“ in den Hafen von Dakar eingeschleppt hatte, brachte die Zahlung eines Bergelohns mit sich (siehe unten). Je mehr und wertvoller das Schiff beladen war, desto höher viel dieser Bergelohn aus, deshalb auch die Bemerkung „was laden almost at the Plimsoll line“, was heißen soll, dass das Schiff gut beladen war. Zur Plimsoll-Linie siehe: Logbuch der „Fürth“ (4) – Abfahrt aus Hamburg

Im Fall von Passagieren an Bord wäre der Bergelohn höher ausgefallen. Auch die aufgewendete Zeit spielte bei der Festlegung des Bergelohns eine Rolle.

The task of affixing the tow rope in the first instance was accomplished in somewhat forbidding circumstances. The sea, states Captain Wellhofer, was literally alive with sharks that had congregated about the Usambara, and if there had been a case of „man overboard“ that man’s life would not have been worth a pin’s purchase.
The Advertiser, Adelaide, Mi 14. Februar 1912, S. 8

Zum Abschluss bringt der Redakteur mit dem Hinweis auf die Anwesenheit von Haien bei dem Manöver auf See noch eine Portion Abenteuer für seine Leser ins Spiel.

Dakar Harbour about 1915

Dakar, Hafeneinfahrt von einem einlaufenden Schiff, Aufnahme von ca. 1914-18, Australian War Memorial, Ref. HO2298; https://www.awm.gov.au/collection/C244585

Im Seeamt zu Hamburg

Drei Monate nach der Bergung der „Usambara“ befasste sich das Seeamt in Hamburg mit dem Vorfall.

Verhandlungen des Seeamts zu Hamburg.
Den 27. März 1912

Hierauf wurde verhandelt über zwei Unfälle an Bord des zur „Deutsch-Ost-Afrika Linie“ in Hamburg gehörenden, 3850 Reg.-Tons netto großen Dampfers
„Usambara“, Kapitän Greiwe.
Auf der Reise von Las Palmas nach Durban, am 28. Dezember 1911, wurde aus dem Maschinenraum nach der Brücke gemeldet, daß die Maschine gestoppt werden müßte, weil die hintere Tunnelwelle schlage und Propellerschaft, sowie Sternrohr warm liefen. Es wurden sämtliche Segel gesetzt und versucht, das Schiff im Dampfertrakt von und nach Kapstadt zu halten, jedoch blieb das Schiff steuerlos. Auch wurde versucht, mit ganz langsamer Fahrt Dakar zu erreichen, aber ohne Erfolg; alle Versuche, mit der Maschine weiter zu arbeiten, mußten aufgegeben werden, da sich herausstellte, daß die Schwanzwelle gebrochen war. Der Unfall ereignete sich auf 16 Gr. 40 Min. N Br. und 14 Gr. 26 Min. W Lg. Am 30. Dezember um 1 Uhr morgens kam der zur Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft in Hamburg gehörende Dampfer „Adelaide“, Kapitän Wellhöfer, herbei, der die „Usambara“ ins Schlepptau nahm und nach Dakar bugsierte.
Es hat eine Besichtigung der gebrochenen Welle stattgefunden, wobei festgestellt wurde, daß an dem Material, aus dem die Welle angefertigt, nichts auszusetzen war. Anscheinend hat sich an der Bruchstelle ein kleiner Riß befunden, der bei der Besichtigung nicht entdeckt worden ist.
Der Reichskommissar führt den Unfall auf eine hohe Beanspruchung der Welle zurück, nicht etwa auf irgendwelche Mängel oder schlechtes Material.
Das Seeamt gab folgenden Spruch ab:
„Der Dampfer „Usambara“ hat am 28. Dezember 1911 auf der Reise von Las Palmas nach Durban einen Bruch der Schraubenwelle erlitten und ist am 30. Dezember von dem Dampfer „Adelaide“ ins Tau genommen und nach Dakar eingeschleppt worden. Die Ursachen des Wellenbruchs waren nicht festzustellen. Mängel des Materials oder Mängel in der Beaufsichtigung und Behandlung der Welle haben nicht vorgelegen und es trifft weder die Schiffs- noch die Maschinenleitung für den Unfall eine Verantwortung.“

Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 28. März 1912

Anmerkungen:

Kapitän Greiwe hatte versucht die „Usambara“ im „Dampfertrakt zu halten“, was heißen soll, dass er versuchte das Schiff auf einer Position zu halten, die regelmäßig von Schiffen auf dem Weg nach Südafrika befahren wurde. Abseits dieser befahrenen Schifffahrtsroute wäre so schnell kein Schiff vorbeigekommen, das die Notsignale aufnehmen hätte können.

Die Positionsangabe kann nicht stimmen, 14° 26‘ w‘ Länge sind bei der angegeben Breite auf dem afrikanischen Festland.

Der Bergelohn

Eine andere Quelle gibt uns Auskunft, wie hoch der Bergelohn war, den die Deutsch-Ost-Afrika Linie der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft für die Bergung zahlen musste:

D. „Adelaide“, auf der ersten Reise und als Erster mit drahtloser Telegraphie meldete, daß er am 30. Dezember 1911 den Dampfer „Usambara“ betriebsunfähig, etwa 525 Seemeilen von Dakar entfernt, angetroffen und am 3. Januar eingeschleppt hätte. Für diese Bergung sind 100 000 M vergütet worden.
Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Otto Harms (1933), Schröder & Jeve, Hamburg.

Anmerkung:  Wie weit die „Adelaide“ von Dakar entfernt war, als sie die „Usambara“ antraf, bleibt offen, die Angaben sind widersprüchlich.

In anderen Fällen hatten sich Dampfschiffe der DADG in Schwierigkeiten befunden und die Reederei musste ihrerseits Bergelohn an andere Unternehmen und Mannschaften auszahlen. Aber:

„Es liegt aber auch eine ganze Anzahl von Fällen vor, in welchen unsere Dampfer helfend eingreifen konnten und welche der Reederei und den Besatzungen gute Entschädigungen einbrachten.“
(gleiche Quelle)

20 Mark Goldmünze Deutsches Reich 1909, Bild: Pixabay

20 Mark Goldmünze Deutsches Reich 1909, Bild: Pixabay

Die Aufteilung

Insgesamt waren also 100 000 Mark Bergelohn aufzuteilen. Schauen wir uns an, wie die Teilung erfolgt sein könnte.

Im Handelsgesetzbuch heißt es unter § 747 Ausgleichsanspruch der Schiffsbesatzung

(1) Wird ein Schiff oder dessen Ladung ganz oder teilweise von einem anderen Schiff geborgen, so wird der Bergelohn oder die Sondervergütung zwischen dem Schiffseigner oder Reeder, dem Schiffer oder Kapitän und der übrigen Besatzung des anderen Schiffes in der Weise verteilt, dass zunächst dem Schiffseigner oder Reeder die Schäden am Schiff und die Unkosten ersetzt werden, und dass von dem Rest der Schiffseigner oder Reeder zwei Drittel, der Schiffer oder Kapitän und die übrige Besatzung je ein Sechstel erhalten.
Quelle: HGB Stand 31.7.2009 https://www.leipziger-logistik.de/files/hgb-handelsgesetzbuch.pdf

Die unten stehenden Zahlen weisen darauf hin, dass der Aufteilungsschlüssel früher gleich war.

Die Reederei konnte demnach von den 100 000 Mark zunächst ihre Unkosten abziehen und wird davon auch großzügig ausgelegt Gebrauch gemacht haben, schließlich war die DADG für ihr sparsames Wirtschaften bekannt:

Hafengebühren in Dakar, das gerissene Tau, der zusätzliche Kohlenverbrauch beim Schleppen, der Zeitverlust von vier Tagen inklusive der Mehrzahlung an Heuer für die Besatzung und ihre Verpflegung dürften alle in der Unkostenaufstellung wiederzufinden gewesen sein.

Von der Restsumme blieben dann weitere Zweidrittel in der Kasse der Reederei und ein Drittel wurde zu gleichen Teilen zwischen dem Kapitän und der ganzen Mannschaft aufgeteilt (jeweils ein Sechstel).

Die Aufteilung des für die Mannschaft bestimmten Sechstels lag in der Verantwortung des Kapitäns:

Paragraph 747: Ausgleichsanspruch der Schiffsbesatzung

(2) Der auf die Schiffsbesatzung mit Ausnahme des Schiffers oder Kapitäns entfallende Betrag wird unter alle Mitglieder derselben unter besonderer Berücksichtigung der sachlichen und persönlichen Leistungen eines jeden verteilt. Die Verteilung erfolgt durch den Schiffer oder Kapitän mittels eines vor Beendigung der Reise der Besatzung bekannt zu gebenden Verteilungsplans, in dem der Bruchteil festgesetzt ist, der jedem Beteiligten zukommt.
Quelle: HGB Stand 31.7.2009 https://www.leipziger-logistik.de/files/hgb-handelsgesetzbuch.pdf

Auf den Aushang oder die Bekanntgabe dieses Plans dürfte die Mannschaft mit großer Spannung gewartet haben.

Die Summen

Einen Anhaltspunkt für die Auszahlungssummen gibt uns ein anderer Fall, bei dem der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft ebenfalls ein Bergegeld zugestanden wurde. Für die Bergung des schottischen Dampfers „Glenlochy“ durch das Schiff „Meißen“ hat Harms (1933) die an die Mannschaft verteilten Beträge pfenniggenau aufgeschlüsselt.

Dazu die Tabelle von Seite 115:

Bergelohn Aufteilung 1905

Bergelöhne für Kapitän und Mannschaft des Dampfschiffes „Meißen“ nach Einbringung des Dampfers „Glenlochy“ der schottischen Glen Line, Glasgow am 10. Juni 1904 in Aden; Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Otto Harms (1933), Schröder & Jeve, Hamburg

Der Gesamtbetrag des Bergelohns belief sich auf £ 7.500, das entsprach vor dem Ersten Weltkrieg etwa 153 000 Mark.

Bei den gelisteten Beträgen dürfte es sich um die ausgezahlten Summen handeln (netto, nach Abzügen).

Grob nachgerechnet hatte von dem Bergelohn (153 000 Mark) die Reederei 15 000 Unkosten in Abzug gebracht und die verbleibenden 138 000 Mark aufgeteilt, so dass der Reederei zwei Drittel verblieben (92.000 Mark), ein Sechstel dem Kapitän (23.000) und ein Sechstel der Mannschaft (23.000).

„Usambara“

Wenn wir annehmen, dass die Reederei im Fall „Adelaide“/„Usambara“ gleich hohe Unkosten in Abzug brachte, bleiben rund 85 000 Mark aufzuteilen (um runde Zahlen zu bekommen, rechne ich mit 84 000 Mark). Von diesen 84 000 Mark verbleiben 56 000 Mark bei der DADG, 14 000 Mark beim Kapitän und weitere 14 000 Mark bei der Mannschaft.

Halten wir fest: Kapitän Wellhöfer müsste für die Bergung unter der Annahme gleicher Proportionen wie oben einen Bergelohn von etwa 14.000 Mark erhalten haben. Das dürften für ihn mehr als zwei Jahresgehälter gewesen sein.

Aber auch für die Mannschaft, insbesondere die Offiziere hatte sich die Bergung der „Usambara“ gelohnt. Die oben genannten Einzelbeträge wären laut meiner Rechnung mit dem Faktor 0,6 anzusetzen (wobei wir nicht wissen, wie Kapitän Wellhöfer die Summe unter der Mannschaft aufgeteilt hat).

Zur besseren Einordnung des Bergelohns hier noch einmal die monatlichen Heuersätze der Seeleute (Angaben für das Jahr 1914). Quelle: Die Musterrolle (Originaldokument aus den Jahren 1913/1914)

Offiziere
1. Offizier: 220 Mark
2. Offizier: 170 Mark
3. Offizier: 130 Mark
4. Offizier: 120 Mark

Mannschaft
Zimmermann: 95 Mark
1. Bootsmann: 90 Mark
2. Bootsmann: 80 Mark
Matrosen: 73 Mark
Leichtmatrosen: 40 Mark
Jungen: 20 Mark

Koch: 120 Mark
Kochmaat: 55 Mark
1. Steward 75 Mark
2. Steward: 35 Mark

Maschinisten:
1. Maschinist: 375 Mark
2. Maschinist: 270 Mark
3. Maschinist: 200 Mark
4. Maschinist: 125/150 Mark
Maschinisten-Assistenten: 75/60 Mark

Heizer: 83 Mark
Trimmer:73/55 Mark

reichsmark1913

Bild: Pixabay

Kapitän Wellhöfer

Was Kapitän Carl Wellhöfer mit dem Geld machte, weiß ich nicht. Informationen gibt es aber zu seinem weiteren Lebensweg:

Er blieb Kapitän bei der DADG, beziehungsweise bei deren Nachfolgegesellschaften, den Deutsch-Austral und Kosmos Linien und ab 1926 bei der HAPAG, in die diese Reedereien aufgingen.

Es dauerte allerdings bis in dieses Jahr 1926, bis er als Schiffsführer wieder regelmäßig in australischen Hafenstädten anzutreffen war.

1932 unternahm er seine letzte Australienfahrt und ging in den Ruhestand.
(Newcastle Morning Herald and Miner’s Advocate, 19. Juli 1932, S. 9).

Sailing and Arrival code, German-Australian Line 1914

Die Telegrammcodes des Dampfschiffes „Fürth“

Von Adjugabam bis Sentienda

und was bedeutet:
UNHOPEFUL FURTH COMEOUTERS BUTSHAFT POPILIUS?

 

Nachweis Titelbild:
Sailing and Arrival Code, DADG, Titelseite (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.14

 

Heute stelle ich Ihnen wieder unveröffentlichte Originaldokumente vor.

Zunächst ein Codebuch, welches bei der Kaperung des Schiffes „Neumünster“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, im August 1914 von den australischen Behörden sichergestellt wurde. Siehe dazu auch: Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Neumünster“

Im Anschluss folgen zwei weitere Beispiele zum Thema Telegrafie, diesmal Telegramme aus The National Archives in Kew (London).

Fangen wir mit dem Codebuch an:

Das kleine Büchlein trägt auf der Außenseite den englischen Titel: Sailing and Arrival Code, außerdem gleich zweimal den Namen der Reederei „Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg“ (DADG) in der Kopf- und der Fußzeile und zusätzlich den Namen des Schiffes „Neumünster“, diesen nur in der Fußzeile.

Für mich sieht es so aus, dass der Fußzeileneindruck eingestempelt wurde, er steht leicht schräg. Mit dem gleichen Eindruck wurde der sonst blanke Innentitel (Seite 3) gestempelt.

sailing and arrival code, German Australian Line 1914

Sailing and Arrival Code, DADG, Ausschnitt Innentitel, mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.14

Der Innenteil

Der Innenteil besteht aus zweimal vier Doppelseiten, die ersten vier Doppelseiten sind mit „ARRIVALS“, die zweiten mit „SAILINGS“ betitelt.

Pro Doppelseite folgen dann die Namen von zwanzig Schiffen in alphabetischer Auflistung, insgesamt 60 Schiffe.

  1. „Adelaide“ bis „Forst“
  2. „Freiberg“ bis „Mannheim“
  3. „Melbourne“ bis „Worms“

Die vierte Seite ist offensichtlich für Neuzugänge reserviert und trägt keine Schiffsnamen, aber bereits vorbereitete Codes.

Pro Doppelseite gibt es acht Spalten, wovon die erste für die Schiffsnamen reserviert ist und die sieben weiteren für die Wochentage, beginnend mit Sonntag.

Für jeden Wochentag gibt es pro Schiff zwei Begriffe, der erste ist für 0-12 Uhr und der zweite von 12-24 Uhr. Dies ist in der Fußzeile erklärt:

The first word indicates arrival/sailing A. M., the second P. M.

Für eine Ankunft der „Fürth“ am Sonntagvormittag (0-12 Uhr) war das in der Telegraphie zu verwendende Wort „Adjugabam“, erreichte die Fürth einen Hafen am Sonntagnachmittag, war das Wort „Adjugantem“ zu verwenden und so fort.

arrival code, GAL, 1914

Sailing and Arrival Code, DADG, 2. Doppelseite, Ausschnitt; mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.14)

Alle Codewörter für die Ankunft der 60 Schiffe begannen mit einem „A“, wie „Arrival“.

Das gleiche Prinzip gilt für die folgenden vier Doppelseiten. Wieder gibt es für jedes Schiff und jeden Halbtag ein Codewort, das diesmal für das Ablegen, also „SAILING“ steht. Alle Codewörter beginnen diesmal mit einem „S“.

Der Codename für ein Ablegen der „Fürth“ am Sonntagvormittag lautete „Sentencio“, am Sonntagnachmittag „Senticeta“.

Außer den beschriebenen Texten erhält das Codewort-Verzeichnis keinerlei Erklärungen und sonstige Angaben.

arrival code, GAL, 1914

Sailing and Arrival Code, DADG, 1. Innenseite; mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.14)

 

Die Standardcodes für Telegrafie

Die Verwendung von Codebüchern war Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts eine gängige Praxis im Wirtschaftsverkehr.

Komplexe ökonomische Zusammenhänge konnten mittels Codes mit wenigen Worten übermittelt werden. Nachdem der Versand telegrafischer Nachrichten in Worten abgerechnet wurde und von einem Handels- oder Industrie-Unternehmen eine Vielzahl dieser Nachrichten abgesetzt wurden, ergaben sich auf diese Weise große Einsparpotentiale.

Im Folgenden ein paar Beispiele aus
The ABC Universal Commercial Electric Telegraphic Code Specially Adapted for the Use of Financiers, Merchants, Shipowners, Brokers, Agents, &c., Fourth Edition, 1881.
Quelle: Duke Digital Collections

Dieser Code wurde (unter anderen) auch von der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft verwendet:

Telegraphic codes, German Australian Line, 1914

Telegrammadresse und verwendete Codebücher; aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

 

Ausgangspunkt für das (fiktive) Beispiel ist folgende Nachricht in Klartext, die Strandung des Schiffes „Enrique“:

ABC Universal Commercial Electric Telegraphic Code 1881

aus: The ABC Universal Commercial Electric Telegraphic Code Specially Adapted for the Use of Financiers, Merchants, Shipowners, Brokers, Agents, &c., Fourth Edition, 1881.

 

Unter dem Stichwort „stranded“ finden Sie im Codebuch mehrere Optionen (in der Abbildung wegen des Seitenumbruchs auf zwei verkürzt):

aus: The ABC Universal Commercial Electric Telegraphic Code Specially Adapted for the Use of Financiers, Merchants, Shipowners, Brokers, Agents, &c., Fourth Edition, 1881. Quelle: Duke Digital Collections

Angewendet auf die ganze Meldung ergibt das diesen Telegrammtext:

telegraphic code 1881

 

Nachdem in den Standardcodes für Telegrafie unternehmensspezifische Sachverhalte nicht enthalten sein konnten, entwickelten zahlreiche Unternehmen zusätzliche Code-Listen für ihren täglichen Gebrauch. So ist das vorliegende Codebuch der DADG zu verstehen.

Ein sehr ausführlicher und lesenswerter Beitrag zu dem Thema Telegrafie am Beispiel der Deutschen Bank wurde unter dem anschaulichen Titel „Das viktorianische Internet“ veröffentlicht:

Das viktorianische Internet, Ingrid Rold-Saez, Bank und Geschichte, Historische Rundschau, Informationsbrief No. 40, März 2019, Historische Gesellschaft der Deutschen Bank eV.; http://www.bankgeschichte.de/de/docs/Historische_Rundschau-14-RZ-website.pdf

 

Druckdatum

Offen ist, wann der „Sailing and Arrival Code“ erstellt wurde. Anders als andere Dokumente der Reederei trägt das Verzeichnis keinen Formularcode, der Aufschluss über das Erstellungsdatum gibt.

Letztmöglicher Drucktermin ist Juni 1914, die „Neumünster“ verließ Hamburg laut Logbuch am 27. Juni 1914.

Um das Druckdatum weiter einzugrenzen, schauen wir uns die Liste der sechzig Schiffe an, die verzeichnet sind. Als erstes fällt mir auf, dass eine andere Quelle (Harms, 1933) von 55 Schiffen der DADG bei Kriegsausbruch spricht; die Liste enthält 60 Schiffe.

Jüngstes Schiff in der Liste ist die „Ceylon“, die im Februar 1914 bestellt wurde; dieser Frachtdampfer kam vor dem ersten Weltkrieg nicht mehr in Fahrt, gleiches gilt für die Schiffe „Forst“, „Guben“, „Lennep“ und „Waldenburg“, die zwar alle bestellt und zum Teil in Bau, aber noch nicht an die Reederei abgeliefert worden waren.

Das letzte Schiff, das vor dem Ersten Weltkrieg von der DADG an eine andere Reederei verkauft wurde, war die bereits 1897 in Dienst gestellte „Meissen“ und zwar im Juli 1913 (Harms 1933, Schmelzkopf 1984). Dieses Schiff ist in der Liste nicht mehr verzeichnet.

Das Druckdatum des Codewortverzeichnisses sollte also etwa zwischen Juli 1913 und Mai 1914 liegen.

 

Staatsarchiv Hamburg

Wer den Sailing und Arrival Code der DADG einmal selbst einsehen möchte, muss übrigens nicht nach Perth in Westaustralien fliegen. Im Staatsarchiv Hamburg befindet sich ebenfalls ein Exemplar (Referenznummer: 621-1/95_2529 Sailing and Arrival Code der „Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft“, Hamburg, s. d. (sine dato).

Auch hier der Hinweis „Sine dato“, also Erstellungsdatum unbekannt. Interessanterweise ist das Verzeichnis im Firmenarchiv der HAPAG archiviert, ein Hinweis darauf, dass die großen deutschen Reedereien ihre Codeverzeichnisse gegenseitig ausgetauscht haben.

Sailing code, GAL 1914

Sailing and Arrival Code, DADG, 2. Doppelseite, Ausschnitt; mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.14)

 

Die Verschlüsselung von Nachrichten („Cipher“)

 

…von Unternehmen

An dieser Stelle greife ich die Nachricht von der Strandung des Schiffes „Enrique“ noch einmal auf. Diese Nachricht lässt sich auch verschlüsselt übermitteln. Diese könnte dann wie folgt lauten (Originalbeispiel aus dem ABC Standard-Codebuch von 1881):

telegraphie_enrique_stranded_cypher

Für die Verschlüsselung der Nachrichten kommen die neben dem Codewort angegebenen Codenummern ins Spiel. Für die Nachricht „Is stranded, but do not expect any damage” ist das die Nummer 13751.

telegraphie_example_streamlet-cypher

Zur Verschlüsselung der Nachricht definieren Sie zunächst eine zehnstellige Buchstabenfolge, in diesem Beispiel das Wort Cumberland.

telegraphie_cypher_example

Mit Kenntnis des Schlüssels Cumberland können Sie nun cmlec als 13751 entschlüsseln und die entsprechende Aussage im Codebuch finden.

Unternehmen verzichteten in vielen Fällen auf diese Verschlüsselung, weil die Übermittlung verschlüsselter Nachrichten teurer war, als die unverschlüsselter.

 

… in der Weltpolitik

War die Verschlüsselung von Telegramm in der Politik auch schon zu Friedenszeiten eine übliche Angelegenheit, unterlagen telegrafische übermittelte Nachrichten im Ersten Weltkrieg zusätzlich der Geheimhaltung. Heute ist ein Teil dieser Meldungen in Archiven erhalten.

Ein überliefertes Telegramm, dass der westaustralische Premier kurz vor der Kriegserklärung Großbritanniens an den australischen Premierminister nach Melbourne schickte, lautete beispielsweise:

“ENGLISHRY TIPSTOCK MY BUTTONING WILL APIASTER BE AT YOUR SALIGOTS…”

In Reinschrift übertragen lautete der Text:

„that in the event of the declaration of war my Cabinet will at once be at your service…”

Quelle: State Records Office of Western Australia, World War I in WA, Secret Coded Messages; sro.wa.gov.au

 

Am 5. August 1914 sendete der australische Premierminister dann folgenden Text nach Perth an den Gouverneur Westaustraliens:

TIPSIFIED GERMANY. GLYPHIC.

dies bedeutete:

„Was has broken out between Great Britain and Germany. Signed, the Governor General”

Quelle: State Records Office of Western Australia, World War I in WA, Secret Coded Messages; sro.wa.gov.au

 

… in Angelegenheiten des Dampfschiffes „Fürth“

Nicht nur in der großen Politik, auch im Kleinen wurden Nachrichten verschlüsselt, zum Beispiel wenn es um das Dampfschiff „Fürth“ ging.

Hier zwei Beispiele aus der Zeit zwischen der Kaperung der „Fürth“ vor Ceylon und der Abfahrt des Dampfschiffes nach London im Oktober 1914. Siehe dazu auch die folgenden Beiträge: Die Kaperung der „Fürth“Das Dampfschiff „Fürth“ wird kondemniert.

 

Am Samstag, den 3. Oktober 1914 sendete Gouverneur Chalmers aus Colombo folgenden Text über The Eastern Telegraph Company nach London:

„Rempotage sailclutch sabertooth cypher. Governor.”

Von einem Mitarbeiter im Colonial Office in London wurde der Text dann auf einer Schreibmaschine ins Reine getippt, die Reinschrift lautet wie folgt:

TELEGRAM The Governor of Ceylon to the Secretary of State for the Colonies.
(Received, Colonial Office 1-31 p.m. 3 October,1914)

Should be glad to receive early reply to my telegram of September 21st sent in cypher. CHALMERS

(National Archives, Kew, Aktennummer CO 323/625/6, Prize Ship “Furth”)

 

Diese kurze Reinschrift war eine einfache Arbeit für den Mitarbeiter im Colonial Office, er hatte aber auch komplexere Sachverhalte zu entschlüsseln. Hier wiederum ein Telegramm von Gouverneur Chalmers, diesmal vom 9. Oktober 1914:

XSA 18 COLOMBO 84 9 RX GOVT PASCOL =

CHAPELRIES LN =

UNHOPEFUL FURTH COMEOUTERS BUTSHAFT POPILIUS AND HANDFUL CROWN SACKDUSTER VESSEL LIBRILLIS WITH PAINTLESS ORIGINAL CARGO CONQUERING LEAD AND ZINC COLLEGIANS AND HAVE ALREADY LEASED REMAINING SPACE ARCHPASTOR LOCAL CARGO REPTILIAN CATARROSAS IMMANENT ANTORBITAL LOCAL INDUSTRIES REMAINDER OF CARGO HEARTDEEP WAREHOUSED HERE AND CLAIMS ARE UNDER INTOMBS SHIPPERS OF CARGO REQUIRE APEDROME VESSEL TOUCHPIECE INSURED AGAINST WAR RISK ECLUSA THEM TO INSURE CARGO ARBUSTIVE GENETTA DESIRED ASSURANCE REMPRUNTER ANNITOR ASSURANCE DELAYED FINANCIAL INCAUTO CROWN WILL ONLY BE INSURING HULL FOR ITSELF = GOVERNOR.

Immerhin kann man aus diesem Cable/Cablegram schließen, dass es um eine Schiffsladung und um deren Versicherung gegen Kriegsrisiko geht. Glücklicherweise ist neben dem Original-Telegramm auch diesmal die Reinschrift in den Akten:

TELEGRAM The Governor of Ceylon to the Secretary of State for the Colonies.
(Received, Colonial Office 2.23 p.m. 9th October,1914)

Your telegram 8th October Furth has been condemned by Prize Court and handed over to Crown; purpose to send vessel to London with part of original cargo consisting of lead and zinc concentrates and have already leased remaining space available for local cargo at request of Chamber of Commerce in order to assist local industries; remainder of cargo has been warehoused here and claims are under investigation; shippers of cargo require assurance that vessel will be insured against war risk in order to enable them to ensure cargo authority is requested to give desired assurance; telegraph reply as if assurance delayed financial liability will be incurred; Crown will only be insuring hull for itself. CHALMERS.

(National Archives, Kew, Aktennummer CO 323/625/20, Prize “Furth”)

 

Über die Problematik der Versicherungsfrage vor der Abfahrt der „Fürth“ von Colombo nach London (Tilbury) hatte ich im Blog berichtet, siehe dazu folgenden Artikel:  Dampfschiff „Fürth“: Die Abfahrt nach England verzögert sich

 

Falls Sie Gefallen an den phantasievollen Codenamen gefunden haben, habe ich Ihnen im Anhang alle Codenamen für die Ankünfte und Abfahrten der „Fürth“ zusammengestellt.

Falls Ihnen das nicht genug ist, finden Sie in der Liste noch 79 x 14 weitere schöne Namen zum Rezitieren oder auswendig lernen.

Oder sind Sie vielleicht auf der Suche nach einem ausgefallenen Vornamen? Wie wäre es mit Alamont oder Sinalissa?

Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt!

 

Anhang

Die vollständigen Telegrammcodes des Dampfschiffes „Fürth“

Von Adjugabam bis Adjugatos (ARRIVALS)

(Für Ankünfte von Sonntagvormittag bis Samstagnachmittag):

Adjugabam
Adjugantem
Adjugabare
Adjugarem
Adjugabis
Adjugaris
Adjugabo
Adjugas
Adjugamur
Adjugatae
Adjugandam
Agjugatior
Adjugandi
Adjugatos

Beim drittletzten Wort gehe ich davon aus, dass es sich um einen Druckfehler handelt. Agjugatior passt so gar nicht in die Reihe und heißt wohl richtig Adjugatior.

Irgendwie erinnert mich die Wortliste an eine lateinische Verbkonjugation, wobei ich zugebe, dass ich nie Lateinunterricht hatte. Oder auch an ein Gedicht eines Vertreters der Berliner Dadaisten-Szene in den zwanziger Jahren, wie zum Beispiel eines Raoul Hausmann.

 

Von Sentencio bis Sentienda (SAILINGS)

Für die Abfahrten klingt das dann so (wiederum von Sonntagvormittag bis Samstagnachmittag):

Sentencio
Senticeta
Sententia
Senticetum
Sentenza
Senticosa
Sentero
Senticosum
Sentia
Sentido
Sentiamo
Sentidora
Sentiatis
Sentienda

 

Sailing code, GAL 1914

Sailing and Arrival Code, DADG, 2. Doppelseite, Ausschnitt; mit freundlicher Genehmigung des © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.14)

 

German Australian Line, ships 1914

Die Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft 1914

55 Dampfschiffe auf sieben Linien und weiteren Verbindungen

 

Aus dem Jahrbuch der Reederei

Schon lange wollte ich hier im Blog eine Übersicht über die Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) geben. Allerdings waren die Aufstellungen, die ich bisher über die Schiffe Reederei hatte wenig übersichtlich und repräsentabel und mit einer nachgestellten Excel-Tabelle wollte ich Sie nicht langweilen.

Eine gute Darstellung habe ich jetzt in einem Handbuch der DADG gefunden, dass die Hamburger Reederei für ihre Geschäftskunden jährlich veröffentlicht hat, zumindest von 1903 – 1914. Siehe dazu den Artikel: GESUCHT – WANTED – RECHERCHĒ

Der Standort des Handbuchs ist die State Library of New South Wales (Mitchell Library) in Sydney. Das erklärt auch, warum die Übersicht in Englisch verfasst ist. Das Handbuch der Reederei wurde nämlich sowohl in Deutsch als auch in Englisch publiziert, einige Ausgaben auch in Französisch.

In Sydney existiert noch eine zweite Ausgabe des Jahrbuches aus dem Jahr 1910.

Die Bibliothek verfügt glücklicherweise über einen internen Kopierservice, der tadellos funktioniert und dies zu sehr moderaten Preisen (zum 1. Juli 2020 wurden die Servicekosten jedoch deutlich anhoben).

Meines Wissens (Stand Juni 2020) sind das die beiden einzigen Exemplare des DADG-Handbuches, die heute noch existieren. Über Hinweise zu weiteren Ausgaben im Voraus vielen Dank.

Ein handschriftlicher Eintrag auf der Seite mit dem Inhaltsverzeichnis weist darauf hin, dass die Bibliothek das Jahrbuch im April 1914 direkt von der Reederei bekommen hat:

donation year book 1914 DADG

Schenkungshinweis, Handbook of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; Sammlungen der State Library of NSW, Sydney.

Einer der Dampfer hatte es nach Australien mitgebracht, denn gedruckt wurde das Handbuch bei Schröder & Jeve in der Kleine Reichenstraße 9-11 in Hamburg.

German Australian Line, ships 1914

Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, Stand Dezember 1913, Tabelle aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

 

Die Flotte im Überblick

Die Liste umfasst 55 Schiffe, davon vier in Bau („Freiberg“, „Gera“, „Hof“ und „Ulm“) plus zusätzlich nochmals vier unbenannte Neubauten („New Steamer“).

Anmerkung: Das Schiff „Gera“ erhielt im Lauf des Jahres 1914 den neuen Namen „Lübeck“. Es kam bei seiner Jungfernfahrt nur bis Tjilatjap auf Java und wurde dort interniert. SIEHE: Die heimlichen Helfer der Kaiserlichen Marine

Der Stand der Liste lässt sich auf Ende 1913/Anfang 1914 eingrenzen. Der Dampfer „Cannstatt“ war am 22. November 1913 in Dienst gestellt worden, der nächste Dampfer, das Schiff „Hof“ kam am 20. März 1914 in Betrieb.

Tecklenborg Werft 1912

Anzeige der Tecklenborg-Werft in HANSA, Deutsche nautische Zeitschrift, 1912, http://www.digishelf.de

 

Eine junge Flotte

Alle Schiffe in der Übersicht waren fabrikneue Schiffe, die von der Reederei auf verschiedenen Werften in Auftrag gegeben wurden, kein einziges Schiff davon wurde gebraucht gekauft.

Schiffsbau in Großbritannien und Deutschland

Das Schiff „Brisbane“ (1911) war der letzte, auf britischen Werften gefertigte Dampfer. Von allen in der Liste verzeichneten Schiffen waren insgesamt nur noch sieben Bauten aus dem Vereinigten Königreich. In den früheren Jahren war der Anteil britischer Werften am Schiffbau der Reederei deutlich höher gewesen.

Alle anderen Schiffe waren in Deutschland gefertigt worden, sei es in Flensburg (Flensburger Schiffbau-Gesellschaft), Hamburg (Reiherstieg, Blohm & Voss), Geestemünde (Tecklenburg), Rostock (Neptun) oder Vegesack (Bremer Vulkan). Die meisten Schiffe der DADG liefen in Flensburg vom Stapel.

Kiellegung Dampschiff Hamm

Kiellegung des Dampfers „Hamm“, © Reinhart Schmelzkopf Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926

 

Von den als „New Steamer“ bezeichneten Schiffen wurde kein Schiff mehr vor dem Ersten Weltkrieg ausgeliefert.

Das älteste Schiff der Flotte war Ende 1913 die „Elbing“, Baujahr 1898, benannt nach der preußischen Stadt Elbing (heute Elblag/Polen). Nur drei weitere Schiffe der Flotte waren noch vor 1900 in Fahrt gegangen, die „Bielefeld“, die „Varzin“ und die „Duisburg“: Das älteste Schiff war damit noch nicht einmal 16 Jahre alt.

Wenige Monate vor dem Druck des Handbuches war das Schiff „Meißen“, ein Dampfer, der 1897 in Betrieb genommen wurde, an die Oceana Reederei (Hamburg) verkauft worden. Die vier genannten Schiffe mit Baudatum vor 1900 wären bestimmt auch bald abgegeben worden.

 

Große und kleine Schiffe

Im Jahr 1913 waren die größten Schiffe der Reederei gebaut worden („Australia“, „Java“, „Sumatra“ und „Tasmania“). Ein Schiff davon, die „Australia“, hatte ich im Blog ausführlich vorgestellt. Siehe dazu: Bordkonzert in Port Pirie

Port Pirie, Australia

Die „Australia“ in Port Pirie, eigene Montage aus zwei Fotos Quelle: State Library of South Australia, Referenznummern B9524/2 und B9524/3

 

Die zu Beginn des Jahres 1914 waren die in Bau befindlichen und bestellten Schiffe bereits wieder kleiner. Eine Größe der Schiffe zwischen 4200-6000 BRT hatte sich für die Einsatzzwecke der Reederei offenbar am besten bewährt, die ganze Bandbreite lag zwischen 4188 BRT („Linden“) und 7667 BRT („Java“).

Harms (1933) sagt dazu: „Bei den letzten Aufträgen waren als „kleine“ vorgesehen zwei Schiffe von 7800 t Tragfähigkeit, welche nach der damaligen Lage als „handige“ Schiffe galten, die aber notwendig waren, weil mit großen Schiffen allein nicht vorteilhaft zu arbeiten ist.“
Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Schröder & Jeve, Hamburg.

Anmerkung: Eine Tragfähigkeit von 7800 Tonnen entspricht etwa 4700 Bruttoregistertonnen.

In Bezug auf die Motorisierung erfolgte in den Jahren vor dem Krieg ein großer Schritt: hatte die „Fürth“ und ihre Schwesterschiffe 1907 noch 2200 PS, lag die Antriebskraft für die neueren Schiffe bereits zwischen 3100 bis 4500 PS.

German Australian Line, steamships in Hamburg

6 Austral-Dampfer am und beim Australia-Kai. 25.7.1913. „Reichenbach“ „Elmshorn“ „Essen“ „Ottensen“ „Magdeburg“ „Elbing“, © Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffahrts-Gesellschaft, Hamburg (1933).

 

Patenschaften

Die Schiffe der Reederei erhielten in der Regel Namen deutscher Industriestädte oder wie Schmelzkopf (1984) es wenig charmant ausdrückt:

„Die „Deutsch-Austral“ oder „D.A.D.G.“, wie sie kurz genannt wurde, hatte aber eine Neigung, Schiffe nach solchen Städten zu benennen, die im Baedeker nicht gerade zu den empfohlenen Reisezielen zählten, dafür aber Standorte großer Industrieunternehmen waren. Ja, man schreckte nicht einmal vor den Namen solcher Städte zurück, die, völlig im Schatten großer Nachbarstädte liegend, bald als Vororte in ihnen aufgingen.“
Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888-1926, R. Schmelzkopf (1984).

Einige von diesen Städten, die Namenspate standen, und ihre Stadtrechte bereits aufgegeben hatten oder dies später tun sollten, waren: Altona und Harburg (beide 1938 zu Hamburg), Linden (1920 zu Hannover). Cannstatt hatte bereits 1905 seine Selbständigkeit verloren (zu Stuttgart) und Ottensen kam 1889 zu Altona.

Ab 1911 hatte die Reederei begonnen, ihre Zielländer und Hafenstädte in diesen Ländern in die Namensgebung der Schiffe einzubeziehen. Nach wie vor erhielten aber auch Dampfschiffe die Namen deutscher Städte.

Anmerkung: Colmar im Elsass war bis 1919 eine Stadt des Deutschen Reiches; Elbing kam 1945 zu Polen (heute Elblag).

 

Ausnahme „Varzin“

Aus der Reihe fällt das Schiff „Varzin“: Varzin war ein Schloss Bismarcks in Pommern, welches dieser 1867 erworben hatte. Es liegt in der Nähe des kleinen Orts Varzin, heute Warcino (Polen). Die Namensgebung des 1899 in Betrieb genommenen Schiffes dürfte eine Reminiszenz an den ehemaligen Reichskanzler Bismarck gewesen sein, der im Jahr zuvor, am 30. Juli 1898, verstorben war. Seine erste Grabstätte befand sich in Varzin, bevor sein Leichnam 1899 nach Friedrichsruh in das Bismarck-Mausoleum umgebettet wurde.

Schloss Varzin 1870

Schloss Varzin, Abbildung aus der Biografie Bismarcks von George Hesekiel, 1870; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Varzin,_Otto_von_Bismarck%27s_estate_in_Farther_Pomerania.jpg

 

Kühlanlagen und Telegrafie

Die Liste weist alle Schiffe mit Kühlanlage aus („with cool chamb.“). Siehe dazu den Beitrag Hatte die Fürth eine Kühlanlage?. Dort finden Sie auch die Argumente, die für und gegen eine Ausrüstung der Schiffe mit dieser Technologie sprachen. Ab 1911 war etwa jedes fünfte Schiff mit einer Kühlanlage ausgestattet worden.

Alle Schiffe, die bereits über drahtlose Telegrafie verfügten, sind mit einem Stern markiert. Das erste Schiff mit einer Telefunkenanlage war die 1911 in Betrieb genommene „Adelaide“. SIEHE Telegrafie per Funk

Die Nachrüstung älterer Schiffe war zwar vorgesehen, aber bis Ende 1913 noch nicht umgesetzt worden.

 

Gesamttonnage

Mit gut 300 000 Bruttoregistertonnen war die DADG zu Beginn des Jahres 1914 nach der DDG Hansa (ca. 438 000 BRT) in Bremen die zweitgrößte, reine Frachtschiffreederei des Deutschen Reiches und damit die fünftgrößte deutsche Reederei.

Unangefochten an der Spitze lag die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (HAPAG, ca. 1,3 Mio BRT), gefolgt vom Norddeutschen Lloyd, Bremen (NDL, etwa 900 000 BRT). Erst 1970 sollten diese beiden ehemaligen Konkurrenten zur Hapag-Lloyd AG verschmelzen.

Eine höhere Tonnage als die DADG hatte 1914 auch die Reederei Hamburg-Süd (Hamburg Südamerikanische Dampfschifffahrts-Gesellschaft) mit ungefähr 325 000 BRT.

Hamburg Süd, 1914

Plakat der „Hamburg-Süd“, 1914, mit dem Schiff „Cap Trafalgar“, Darstellung des bekannten Marinemalers Willy Stöver, Quelle: commons.wikimedia.org

 

Fazit

Die DADG erlebte von 1900 bis 1914 eine äußerst dynamische Entwicklung. Viele Neubauten in diesem Zeitraum zeugen von einem starken Wachstum der Reederei im Zuge des rasant zunehmenden internationalen Warenaustauschs.

Die Flotte der Reederei war im Durchschnitt sehr jung, ein zuverlässiger Linienservice konnte damit ständig sowohl um neue Bestimmungshäfen als auch an Frequenz erweitert werden.

German Australian Line, timetable 1914 outwards

Fahrplan der Linie 1 in Richtung Australien, Stand Dezember 1913, aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

 

Für das Jahr 1914 sollte die Direktfahrt nach Niederländisch-Indien in Kooperation mit niederländischen Reedereien neu organisiert werden und auch ein Direktverkehr nach Neuseeland war in Planung, um Umladungen in Sydney zu vermeiden.

Zu beiden Erweiterungen sollte es nicht mehr kommen.

 

Übersicht über die Linien der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft

Stand Mitte 1914, zitiert nach Harms (1933).
Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Otto Harms (1933); Schröder & Jeve, Hamburg.

Die Linienschiffe der DADG bedienten sieben feste Linien und zusätzliche Verbindungen in Kooperation mit anderen Reedereien. Ebenso gab es saisonale Fahrten.

Sieben Linien

Linie 1
Hamburg – Rotterdam – Antwerpen nach Südafrika und Australien
zurück über Colombo nach Antwerpen und Hamburg

Linie 2
Hamburg – Rotterdam – Antwerpen nach Südafrika, Australien und Java
zurück über Straits Settlements, Malabarküste nach Marseille, Amsterdam, Hamburg

Anmerkung: In den Straits Settlements wurden Singapur und Penang regelmäßig bedient. Die Malabarküste ist in Südwest-Indien, der Haupthafen für die DADG war Cochin (heute Kochi).

Linie 3
Hamburg – Antwerpen – Lissabon nach Südafrika und Australien,
zurück über östliche Häfen

Linie 4
Hamburg – Antwerpen – Lissabon nach Südafrika und Australien, Queensland, Makassar und Java
zurück nach Marseille, Amsterdam und Hamburg

Linie 5
Hamburg – Antwerpen nach Java, über Colombo, gemeinsam mit den holländischen Linien
zurück nach Amsterdam und Hamburg

Linie 6
Frederikstad und Gothenburg nach Australien
zurück nach Bedarf

Linie 7
Hamburg – Rotterdam – Antwerpen nach West- und Südaustralien und Java
zurück über Straits Settlements und Malabarküste nach Marseille, Amsterdam und Hamburg

Anmerkung: Die Linie 6 lieferte überwiegend skandinavisches Holz nach Australien (siehe: Die „Fürth“ in Skandinavien), die Linie 7 bediente den wichtigen Erzhafen Port Pirie in Südaustralien (siehe: Bordkonzert in Port Pirie).

German Australian Line timetable 1912

Umfangreicher Fahrplan mit den sieben Linien aus HANSA, Deutsche nautische Zeitschrift, 1912; Quelle: digishelf.de

Anmerkung: Das auf der Linie 7 vorgesehene Dampfschiff „Fürth“ wurde kurzfristig umdisponiert und im September 1912 auf der Linie 3 eingesetzt.

 

Weitere Verbindungen

Die übrigen Verbindungen wurden von der DADG nicht als Linien bezeichnet:

  1. New York nach Australien – United Tyser Line – gemeinsam mit anderen Reedereien
  2. New York nach Java, gemeinsam mit der Bremer „Hansa“
  3. Australien nach Boston und New York, in der Zeit der Wolleverschiffungen
  4. Hamburg und andere kontinentale Häfen nach Neu Seeland.

Anmerkung: Diese letztgenannte Verbindung war in Zusammenarbeit mit dem Norddeutschen Lloyd geplant (Hansa, Deutsche nautische Zeitschrift, Juni 1914, S. 572/573). Sie kam vor dem Ersten Weltkrieg nicht mehr zustande.

 

NDL poster 1908

Plakat des Norddeutschen Lloyd für die Linie ins Mittelmeer und Schwarze Meer, 1908; commons.wikimedia.org

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Telegrafie per Funk

An der Küste

Das spurlose Verschwinden der „Waratah“ (Suche nach der Waratah) Ende Juli 1909 führte dazu, dass der Ausbau der Funktechnologie an der australischen Küste beschleunigt wurde.

Bereits im August 1909 kam das Thema auf die Tagesordnung:

In view of the Waratah’s disappearance and numerous shipping casualties, the South African Union delegates are consulting the Admiralty with a view to securing the installations of wireless telegraphy along the coast.
Coolgardie Miner, Fr 13. Aug 1909, Seite 3

Und weiter:

WIRELESS TELEGRAPHY.
The Commonwealth Government is anxious to establish wireless telegraphy stations at Sydney and Fremantle, but is in a difficulty as to the particular system that should be adopted. Vice Admiral Fawkos, when consulted by the Federal authorities, said that the Admirality would not object to any system, so long as communication with the Marconi installation on war vessels was possible. Vice-Admiral Poore makes a definite recommendation that the Marconi system should be adopted in Australia. Sir John Quick has opened up communication with the Commonwealth representatives in London as to the best system to be installed. When this question has been settled tenders for Australian stations are to be called. Mr. Deakin has, at the request of the Postmaster-General, cabled to the Commonwealth officer in London, asking him to obtain the best professional and scientific advice on the question whether Australian tenders for wireless installations should be Iimited to the Marconi system or should be made general.
The Daily Telegraph, Sydney, Sa 16. Okt 1909, S. 12.

Bau der Anlagen

Der Bau der Anlagen wurde 1910 begonnen:

Wireless Telegraphy
The tender of the Australian Wireless Limited, of £4150 per station, has been accepted for the erection of wireless stations at Sydney and Fremantle. The range of communication of the accepted system will be 1250 miles in the day time, and probably double that distance at night.
The Inverell Times, Di 5. Apr 1910, S. 2

Der Vorstand der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG), Otto Harms, nahm an, dass Niederländisch Indien „bald folgen würde“.

capeborda_telegraphstation_B-8424

Cape Borda, Telegrafenstation, um 1910
Quelle: State Library of South Australia, Referenznummer B8424

Auf den Schiffen

In der Tat machte die neue Technologie zu dieser Zeit große Fortschritte und ein Jahr später waren im Lloyd’s Schiffsregister diejenigen Schiffe gekennzeichnet, die über Telefunken-Anlagen verfügten.

WIRELESS TELEGRAPHY.
The increasing extent to which wireless telegraphy and submarine signalling are being used in passenger steamers is shown by the fact that there are now recorded in Lloyd s Register Book 702 vessels fitted with wireless telegraphic installations and 459 with submarine signalling apparatus.The Sydney Morning Herald, Mi 16 Nov 1910, S. 10, WIRELESS TELEGRAPHY.

Die Zuverlässlichkeit der Anlagen weltweit und ihre Reichweite wurde immer besser.

WIRELESS TELEGRAPHY
The Norddeutscher Lloyd is fitting 15 of their steamers engaged in the Far Eastern trade with Telefunken wireless installations. Some of the wireless installations are now in Hongkong and will be installed on those vessles which do not make the home trip. It is expected that the Coblenz, Prinz Sigismund, and Prinz Waldemar will be equipped at Hongkong. The telefunken system is said to be one of the best wireless systems in the world, and recent installations on some of the German steamers have made record despatches.
The longest distance was covered by the German mail steamer Klist, which sent a message from the Mediterrean Sea to North Sea, across the Alps of Switzerland, 2500 kilometers distant. Another steamer, the A(?)*, of the Roland Line, of Bremen, has made another record by sending a message from Valparaiso across the Andes to Buenos Ayres.
Newcastle Morning Herald and Miners‘ Advocate, Sa 13. Aug 1910, S. 4.
*Name des Schiffes unleserlich

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Morsetaste für Funktelegrafie, ca. 1899
© Museums Victoria (Australien), https://collections.museumvictoria.com.au/items/404170

Die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG)

Auch die DADG stattete ab 1911 ihre Schiffe mit Anlagen zur „drahtlosen Telegraphie“ aus:

„Der erste unserer Dampfer, welcher sie erhalten hatte, war „Adelaide“, 13. Juli 1911. Im Mai 1912 waren es sieben. Auf den ersten Reisen waren die Schiffe auf 2400 Seemeilen Entfernung mit Südafrika in Verbindung. Das war mehr als die Hälfte des Abstandes von beiden Kontinenten und damit war die Brauchbarkeit dargetan.“

Aber nicht nur alle neuen Schiffe erhielten Funkanlagen, sondern auch ältere wurden nachgerüstet:

„Es wurden dann nicht nur alle Neubauten mit den Anlagen ausgerüstet, sondern auch nach und nach die älteren Schiffe, soweit es ohne erhebliche Mehrkosten anging.“

Nach anderen Informationen im Buch waren es aber zahlenmäßig nur wenige der älteren Schiffe, die noch eine Funkanlage erhielten, zum Beispiel „Wismar“, „Eßlingen“ oder „Fremantle“, Schiffe die im Zeitraum zwischen November 1910 und Mai 1911 an die Reederei abgeliefert wurden.

Das Dampfschiff „Fürth“

Das Dampfschiff „Fürth“ wurde von der Reederei nicht nachgerüstet. Inwieweit dies beim Kriegsausbruch 1914 Konsequenzen hatte, kann heute nicht mehr beantwortet werden. Wir werden aber noch einmal darauf zurückkommen.

Ungekennzeichnete Zitate aus dem Buch von Otto Harms: Fundstueck