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German Australian Line, ships 1914

Die Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft 1914

55 Dampfschiffe auf sieben Linien und weiteren Verbindungen

 

Aus dem Jahrbuch der Reederei

Schon lange wollte ich hier im Blog eine Übersicht über die Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) geben. Allerdings waren die Aufstellungen, die ich bisher über die Schiffe Reederei hatte wenig übersichtlich und repräsentabel und mit einer nachgestellten Excel-Tabelle wollte ich Sie nicht langweilen.

Eine gute Darstellung habe ich jetzt in einem Handbuch der DADG gefunden, dass die Hamburger Reederei für ihre Geschäftskunden jährlich veröffentlicht hat, zumindest von 1903 – 1914. Siehe dazu den Artikel: GESUCHT – WANTED – RECHERCHĒ

Der Standort des Handbuchs ist die State Library of New South Wales (Mitchell Library) in Sydney. Das erklärt auch, warum die Übersicht in Englisch verfasst ist. Das Handbuch der Reederei wurde nämlich sowohl in Deutsch als auch in Englisch publiziert, einige Ausgaben auch in Französisch.

In Sydney existiert noch eine zweite Ausgabe des Jahrbuches aus dem Jahr 1910.

Die Bibliothek verfügt glücklicherweise über einen internen Kopierservice, der tadellos funktioniert und dies zu sehr moderaten Preisen (zum 1. Juli 2020 wurden die Servicekosten jedoch deutlich anhoben).

Meines Wissens (Stand Juni 2020) sind das die beiden einzigen Exemplare des DADG-Handbuches, die heute noch existieren. Über Hinweise zu weiteren Ausgaben im Voraus vielen Dank.

Ein handschriftlicher Eintrag auf der Seite mit dem Inhaltsverzeichnis weist darauf hin, dass die Bibliothek das Jahrbuch im April 1914 direkt von der Reederei bekommen hat:

donation year book 1914 DADG

Schenkungshinweis, Handbook of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; Sammlungen der State Library of NSW, Sydney.

Einer der Dampfer hatte es nach Australien mitgebracht, denn gedruckt wurde das Handbuch bei Schröder & Jeve in der Kleine Reichenstraße 9-11 in Hamburg.

German Australian Line, ships 1914

Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, Stand Dezember 1913, Tabelle aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

 

Die Flotte im Überblick

Die Liste umfasst 55 Schiffe, davon vier in Bau („Freiberg“, „Gera“, „Hof“ und „Ulm“) plus zusätzlich nochmals vier unbenannte Neubauten („New Steamer“).

Anmerkung: Das Schiff „Gera“ erhielt im Lauf des Jahres 1914 den neuen Namen „Lübeck“. Es kam bei seiner Jungfernfahrt nur bis Tjilatjap auf Java und wurde dort interniert. SIEHE: Die heimlichen Helfer der Kaiserlichen Marine

Der Stand der Liste lässt sich auf Ende 1913/Anfang 1914 eingrenzen. Der Dampfer „Cannstatt“ war am 22. November 1913 in Dienst gestellt worden, der nächste Dampfer, das Schiff „Hof“ kam am 20. März 1914 in Betrieb.

Tecklenborg Werft 1912

Anzeige der Tecklenborg-Werft in HANSA, Deutsche nautische Zeitschrift, 1912, http://www.digishelf.de

 

Eine junge Flotte

Alle Schiffe in der Übersicht waren fabrikneue Schiffe, die von der Reederei auf verschiedenen Werften in Auftrag gegeben wurden, kein einziges Schiff davon wurde gebraucht gekauft.

Schiffsbau in Großbritannien und Deutschland

Das Schiff „Brisbane“ (1911) war der letzte, auf britischen Werften gefertigte Dampfer. Von allen in der Liste verzeichneten Schiffen waren insgesamt nur noch sieben Bauten aus dem Vereinigten Königreich. In den früheren Jahren war der Anteil britischer Werften am Schiffbau der Reederei deutlich höher gewesen.

Alle anderen Schiffe waren in Deutschland gefertigt worden, sei es in Flensburg (Flensburger Schiffbau-Gesellschaft), Hamburg (Reiherstieg, Blohm & Voss), Geestemünde (Tecklenburg), Rostock (Neptun) oder Vegesack (Bremer Vulkan). Die meisten Schiffe der DADG liefen in Flensburg vom Stapel.

Kiellegung Dampschiff Hamm

Kiellegung des Dampfers „Hamm“, © Reinhart Schmelzkopf Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926

 

Von den als „New Steamer“ bezeichneten Schiffen wurde kein Schiff mehr vor dem Ersten Weltkrieg ausgeliefert.

Das älteste Schiff der Flotte war Ende 1913 die „Elbing“, Baujahr 1898, benannt nach der preußischen Stadt Elbing (heute Elblag/Polen). Nur drei weitere Schiffe der Flotte waren noch vor 1900 in Fahrt gegangen, die „Bielefeld“, die „Varzin“ und die „Duisburg“: Das älteste Schiff war damit noch nicht einmal 16 Jahre alt.

Wenige Monate vor dem Druck des Handbuches war das Schiff „Meißen“, ein Dampfer, der 1897 in Betrieb genommen wurde, an die Oceana Reederei (Hamburg) verkauft worden. Die vier genannten Schiffe mit Baudatum vor 1900 wären bestimmt auch bald abgegeben worden.

 

Große und kleine Schiffe

Im Jahr 1913 waren die größten Schiffe der Reederei gebaut worden („Australia“, „Java“, „Sumatra“ und „Tasmania“). Ein Schiff davon, die „Australia“, hatte ich im Blog ausführlich vorgestellt. Siehe dazu: Bordkonzert in Port Pirie

Port Pirie, Australia

Die „Australia“ in Port Pirie, eigene Montage aus zwei Fotos Quelle: State Library of South Australia, Referenznummern B9524/2 und B9524/3

 

Die zu Beginn des Jahres 1914 waren die in Bau befindlichen und bestellten Schiffe bereits wieder kleiner. Eine Größe der Schiffe zwischen 4200-6000 BRT hatte sich für die Einsatzzwecke der Reederei offenbar am besten bewährt, die ganze Bandbreite lag zwischen 4188 BRT („Linden“) und 7667 BRT („Java“).

Harms (1933) sagt dazu: „Bei den letzten Aufträgen waren als „kleine“ vorgesehen zwei Schiffe von 7800 t Tragfähigkeit, welche nach der damaligen Lage als „handige“ Schiffe galten, die aber notwendig waren, weil mit großen Schiffen allein nicht vorteilhaft zu arbeiten ist.“
Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Schröder & Jeve, Hamburg.

Anmerkung: Eine Tragfähigkeit von 7800 Tonnen entspricht etwa 4700 Bruttoregistertonnen.

In Bezug auf die Motorisierung erfolgte in den Jahren vor dem Krieg ein großer Schritt: hatte die „Fürth“ und ihre Schwesterschiffe 1907 noch 2200 PS, lag die Antriebskraft für die neueren Schiffe bereits zwischen 3100 bis 4500 PS.

German Australian Line, steamships in Hamburg

6 Austral-Dampfer am und beim Australia-Kai. 25.7.1913. „Reichenbach“ „Elmshorn“ „Essen“ „Ottensen“ „Magdeburg“ „Elbing“, © Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffahrts-Gesellschaft, Hamburg (1933).

 

Patenschaften

Die Schiffe der Reederei erhielten in der Regel Namen deutscher Industriestädte oder wie Schmelzkopf (1984) es wenig charmant ausdrückt:

„Die „Deutsch-Austral“ oder „D.A.D.G.“, wie sie kurz genannt wurde, hatte aber eine Neigung, Schiffe nach solchen Städten zu benennen, die im Baedeker nicht gerade zu den empfohlenen Reisezielen zählten, dafür aber Standorte großer Industrieunternehmen waren. Ja, man schreckte nicht einmal vor den Namen solcher Städte zurück, die, völlig im Schatten großer Nachbarstädte liegend, bald als Vororte in ihnen aufgingen.“
Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888-1926, R. Schmelzkopf (1984).

Einige von diesen Städten, die Namenspate standen, und ihre Stadtrechte bereits aufgegeben hatten oder dies später tun sollten, waren: Altona und Harburg (beide 1938 zu Hamburg), Linden (1920 zu Hannover). Cannstatt hatte bereits 1905 seine Selbständigkeit verloren (zu Stuttgart) und Ottensen kam 1889 zu Altona.

Ab 1911 hatte die Reederei begonnen, ihre Zielländer und Hafenstädte in diesen Ländern in die Namensgebung der Schiffe einzubeziehen. Nach wie vor erhielten aber auch Dampfschiffe die Namen deutscher Städte.

Anmerkung: Colmar im Elsass war bis 1919 eine Stadt des Deutschen Reiches; Elbing kam 1945 zu Polen (heute Elblag).

 

Ausnahme „Varzin“

Aus der Reihe fällt das Schiff „Varzin“: Varzin war ein Schloss Bismarcks in Pommern, welches dieser 1867 erworben hatte. Es liegt in der Nähe des kleinen Orts Varzin, heute Warcino (Polen). Die Namensgebung des 1899 in Betrieb genommenen Schiffes dürfte eine Reminiszenz an den ehemaligen Reichskanzler Bismarck gewesen sein, der im Jahr zuvor, am 30. Juli 1898, verstorben war. Seine erste Grabstätte befand sich in Varzin, bevor sein Leichnam 1899 nach Friedrichsruh in das Bismarck-Mausoleum umgebettet wurde.

Schloss Varzin 1870

Schloss Varzin, Abbildung aus der Biografie Bismarcks von George Hesekiel, 1870; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Varzin,_Otto_von_Bismarck%27s_estate_in_Farther_Pomerania.jpg

 

Kühlanlagen und Telegrafie

Die Liste weist alle Schiffe mit Kühlanlage aus („with cool chamb.“). Siehe dazu den Beitrag Hatte die Fürth eine Kühlanlage?. Dort finden Sie auch die Argumente, die für und gegen eine Ausrüstung der Schiffe mit dieser Technologie sprachen. Ab 1911 war etwa jedes fünfte Schiff mit einer Kühlanlage ausgestattet worden.

Alle Schiffe, die bereits über drahtlose Telegrafie verfügten, sind mit einem Stern markiert. Das erste Schiff mit einer Telefunkenanlage war die 1911 in Betrieb genommene „Adelaide“. SIEHE Telegrafie per Funk

Die Nachrüstung älterer Schiffe war zwar vorgesehen, aber bis Ende 1913 noch nicht umgesetzt worden.

 

Gesamttonnage

Mit gut 300 000 Bruttoregistertonnen war die DADG zu Beginn des Jahres 1914 nach der DDG Hansa (ca. 438 000 BRT) in Bremen die zweitgrößte, reine Frachtschiffreederei des Deutschen Reiches und damit die fünftgrößte deutsche Reederei.

Unangefochten an der Spitze lag die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (HAPAG, ca. 1,3 Mio BRT), gefolgt vom Norddeutschen Lloyd, Bremen (NDL, etwa 900 000 BRT). Erst 1970 sollten diese beiden ehemaligen Konkurrenten zur Hapag-Lloyd AG verschmelzen.

Eine höhere Tonnage als die DADG hatte 1914 auch die Reederei Hamburg-Süd (Hamburg Südamerikanische Dampfschifffahrts-Gesellschaft) mit ungefähr 325 000 BRT.

Hamburg Süd, 1914

Plakat der „Hamburg-Süd“, 1914, mit dem Schiff „Cap Trafalgar“, Darstellung des bekannten Marinemalers Willy Stöver, Quelle: commons.wikimedia.org

 

Fazit

Die DADG erlebte von 1900 bis 1914 eine äußerst dynamische Entwicklung. Viele Neubauten in diesem Zeitraum zeugen von einem starken Wachstum der Reederei im Zuge des rasant zunehmenden internationalen Warenaustauschs.

Die Flotte der Reederei war im Durchschnitt sehr jung, ein zuverlässiger Linienservice konnte damit ständig sowohl um neue Bestimmungshäfen als auch an Frequenz erweitert werden.

German Australian Line, timetable 1914 outwards

Fahrplan der Linie 1 in Richtung Australien, Stand Dezember 1913, aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

 

Für das Jahr 1914 sollte die Direktfahrt nach Niederländisch-Indien in Kooperation mit niederländischen Reedereien neu organisiert werden und auch ein Direktverkehr nach Neuseeland war in Planung, um Umladungen in Sydney zu vermeiden.

Zu beiden Erweiterungen sollte es nicht mehr kommen.

 

Übersicht über die Linien der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft

Stand Mitte 1914, zitiert nach Harms (1933).
Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Otto Harms (1933); Schröder & Jeve, Hamburg.

Die Linienschiffe der DADG bedienten sieben feste Linien und zusätzliche Verbindungen in Kooperation mit anderen Reedereien. Ebenso gab es saisonale Fahrten.

Sieben Linien

Linie 1
Hamburg – Rotterdam – Antwerpen nach Südafrika und Australien
zurück über Colombo nach Antwerpen und Hamburg

Linie 2
Hamburg – Rotterdam – Antwerpen nach Südafrika, Australien und Java
zurück über Straits Settlements, Malabarküste nach Marseille, Amsterdam, Hamburg

Anmerkung: In den Straits Settlements wurden Singapur und Penang regelmäßig bedient. Die Malabarküste ist in Südwest-Indien, der Haupthafen für die DADG war Cochin (heute Kochi).

Linie 3
Hamburg – Antwerpen – Lissabon nach Südafrika und Australien,
zurück über östliche Häfen

Linie 4
Hamburg – Antwerpen – Lissabon nach Südafrika und Australien, Queensland, Makassar und Java
zurück nach Marseille, Amsterdam und Hamburg

Linie 5
Hamburg – Antwerpen nach Java, über Colombo, gemeinsam mit den holländischen Linien
zurück nach Amsterdam und Hamburg

Linie 6
Frederikstad und Gothenburg nach Australien
zurück nach Bedarf

Linie 7
Hamburg – Rotterdam – Antwerpen nach West- und Südaustralien und Java
zurück über Straits Settlements und Malabarküste nach Marseille, Amsterdam und Hamburg

Anmerkung: Die Linie 6 lieferte überwiegend skandinavisches Holz nach Australien (siehe: Die „Fürth“ in Skandinavien), die Linie 7 bediente den wichtigen Erzhafen Port Pirie in Südaustralien (siehe: Bordkonzert in Port Pirie).

German Australian Line timetable 1912

Umfangreicher Fahrplan mit den sieben Linien aus HANSA, Deutsche nautische Zeitschrift, 1912; Quelle: digishelf.de

Anmerkung: Das auf der Linie 7 vorgesehene Dampfschiff „Fürth“ wurde kurzfristig umdisponiert und im September 1912 auf der Linie 3 eingesetzt.

 

Weitere Verbindungen

Die übrigen Verbindungen wurden von der DADG nicht als Linien bezeichnet:

  1. New York nach Australien – United Tyser Line – gemeinsam mit anderen Reedereien
  2. New York nach Java, gemeinsam mit der Bremer „Hansa“
  3. Australien nach Boston und New York, in der Zeit der Wolleverschiffungen
  4. Hamburg und andere kontinentale Häfen nach Neu Seeland.

Anmerkung: Diese letztgenannte Verbindung war in Zusammenarbeit mit dem Norddeutschen Lloyd geplant (Hansa, Deutsche nautische Zeitschrift, Juni 1914, S. 572/573). Sie kam vor dem Ersten Weltkrieg nicht mehr zustande.

 

NDL poster 1908

Plakat des Norddeutschen Lloyd für die Linie ins Mittelmeer und Schwarze Meer, 1908; commons.wikimedia.org

Teilnehmerliste der Probefahrt des Dampfers "Hamm" am 4. Juni 1910, Titel; © Reinhart Schmelzkopf Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, erschienen 1984 im Eigenverlag (Strandgut-Publikation)

Teilnehmer einer Probefahrt

Das Dampfschiff „Hamm“

Heute komme ich noch einmal zurück auf die Probefahrt des Dampfschiffes „Hamm“, einem Schiff der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, das am 4. Juni 1910 bei der Probefahrt an die Reederei übergeben wurde und dabei der „Fürth“ begegnet ist, die nach Australien aufgebrochen war. SIEHE: Probefahrt des Dampfers Hamm

Letzte Woche haben wir hier im Blog das Menü der Probefahrt gesehen. Abschließend sei hier noch die Teilnehmerliste für den 4. Juni 1910 wiedergegeben. Quelle ist erneut das Buch von © Reinhart Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, erschienen 1984 im Eigenverlag (Strandgut-Publikation). Bei ihm liegen auch die Bildrechte der Teilnehmerliste.

Die Teilnehmer

Bevor wir auf einige der Teilnehmer näher eingehen, muss die Frage erörtert werden, ob die Herren alle bei der Probefahrt dabei waren (die Liste beinhaltet ausschließlich Herren). Da es sich um eine bei der 1881 gegründeten Druckerei Johs. Tiedemann gedruckte Liste handelt, kann es sich bei der Liste um den zur Probefahrt eingeladenen Personenkreis handeln. Möglich wäre auch, dass die Liste demjenigen Personenkreis entspricht, der auf eine persönliche Einladung zugesagt hat. Zumindest ist davon auszugehen, dass nicht alle Namen der Liste wirklich an Bord waren. Andererseits befindet sich der im Artikel vom Redakteur des Hamburgischen Correspondenten erwähnte Baurat Bever nicht auf der Liste (Probefahrt des Dampfers Hamm).

Unter den eingeladenen Personen waren viele Kaufleute beziehungsweise Inhaber und leitende Mitarbeiter von Im- und Exportunternehmen, sicherlich Kunden der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft:

Julian Hepner, zum Beispiel, von der Fa. Hepner & Juliusberg, einem Großhandel für Farb- und Gerbstoffe; der Kaufmann von Abercron oder Heinrich Bremer, der einen Handel mit Futtermitteln, Getreiden, Saaten und Ölen betrieb.

Des Weiteren finden wir unter den eingeladenen Personen Vertreter von Versicherungsgesellschaften, wie Herrn Direktor J. Baunbeck von der Allgemeinen Seeversicherungsgesellschaft, Generaldirektor F. Plass von der Globus Versicherungs AG oder Herrn Peiner von der Assekuranz am Alsterdamm 16.

Der Ingenieur Max Berendt war Engineer Surveyor to Lloyd’s Register. Wie die Flensburger Schiffsbau-Gesellschaft stand auch die Reiherstieg Werft in Hamburg unter der Qualitätskontrolle von Lloyd’s Register (Die „Fürth“ in Lloyd’s Register) und hatte einen Sachverständigen vor Ort. Weitere Technikvertreter waren beispielsweise Maschineninspektor J. Steffen, Bauinspektor C. Hartmann, Schiffsvermesser W. Breer und einige andere.

Den Institutionen zuordnen kann man H. F. Kirsten von der Handelskammer, Postinspektor Kleinhanns, Oberhafenmeister A. Zimmer, Hafenmeister C. H. B. Paarmann, den Oberkaiinspektor C. Zemlin und die Herren Krause und Wallis von der Deutschen Seewarte.

Ebenfalls eingeladen waren einige Herren, die man heute unter dem Stichwort Logistik führen würde: zum Beispiel August Brinckmann von Förtmann & Behne, einem Unternehmen für Dampfschleppschifffahrt oder Herr E. Harder (Roll- und Blockfuhrwesen und Lagerung) und Wilhelm Hoppe (Quartiersmann und Lagerungsgeschäft).

Zwei Familiennamen auf der Liste springen besonders in Auge, da sie mit bedeutenden Hamburger Reedereien verbunden sind. Es sind dies die Namen Laeisz und Godeffroy.

Teilnehmerliste der Probefahrt des Dampfers "Hamm" am 4. Juni 1910, Ausschnitt, © Reinhart Schmelzkopf Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, erschienen 1984 im Eigenverlag (Strandgut-Publikation)

Teilnehmerliste der Probefahrt des Dampfers „Hamm“ am 4. Juni 1910, Ausschnitt, © Reinhart Schmelzkopf Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, erschienen 1984 im Eigenverlag (Strandgut-Publikation)

 

Otto Laeisz

Otto Laeisz stammt aus der bekannten Reederfamilie Laeisz. Er selbst war zusammen mit Fritz Fertsch Geschäftsführer der Fa. Fertsch und Laeisz, einem Hamburger Im- und Exportunternehmen. Sicher der bekannteste Vertreter der Familie war der 1901 verstorbene Reeder Carl Laeisz, der seine Reederei zur größten Hamburger Privatreederei ausgebaut hatte. Die Besonderheit: bis zum Jahr 1913 betrieb die Reederei ausschließlich Großsegler, die als „Flying-P-Liner“ in die Geschichtsbücher eingingen. Das Unternehmen existiert unter dem Namen F. Laeisz Gruppe noch heute: https://www.laeisz.de/startseite/.

Otto Laeisz verstarb bereits ein halbes Jahr später, am 27. Dezember 1910 im 58. Lebensjahr an einer Lungenentzündung.

Oscar Godeffroy

Ein anderer Familienname, der untrennbar mit der Hamburger Schifffahrtsgeschichte in Verbindung steht, ist der Name Godeffroy.

Ein Teil der aus La Rochelle stammenden Hugenottenfamilie war aus Frankreich geflohen. Dort waren sie angesehene Reeder und Kaufleute und auch im Rat der Stadt vertreten. Im 18. Jahrhundert ließ sich Jacques Cesar Godeffroy in Hamburg nieder und wurde Hamburger Bürger. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts engagierte sich die Familie stark in der deutschen Kolonie Samoa. Durch riskante Geschäftspolitik machte das Unternehmen Godeffroy regelmäßig Schlagzeilen und befand sich nicht nur einmal zwischen Erfolg und finanziellem Ruin (siehe dazu: Aleš Skřivan, Das Hamburgische Handelshaus Johann Cesar Godeffroy & Sohn und die Frage der deutschen Handelsinteressen in der Südsee, Zeitschrift für Hamburger Geschichte, http://agora.sub.uni-hamburg.de/subhh/cntmng;jsessionid=610A73E6A10C45005DC2A54C7A693DDC.jvm1?type=pdf&did=c1:3467).

Der 1875 in Hamburg geborene Hermann Oscar Godeffroy war Sohn von Johann Cesar Godeffroy VII; er schrieb in den 30-er Jahren eine ausführliche Familienchronik.

Teilnehmerliste der Probefahrt des Dampfers "Hamm" am 4. Juni 1910, © Reinhart Schmelzkopf

Teilnehmerliste der Probefahrt des Dampfers „Hamm“ am 4. Juni 1910, © Reinhart Schmelzkopf Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, erschienen 1984 im Eigenverlag (Strandgut-Publikation)

Probefahrt des Dampfschiffes „Fürth“

Die Probefahrt des Dampfers „Fürth“ fand drei Jahre zuvor am 19. August 1907 in der Flensburger Börde statt. Dabei war der teilnehmende Personenkreis meiner Meinung nach deutlich kleiner.

Dies dürfte generell bei allen, nicht in Hamburg stattfindenden Probefahrten der Reederei der Fall gewesen sein.

Probefahrt Dampfer Hamm Menü

Das Menü einer Probefahrt

Sonnabend, der 4. Juni 1910

Über die Probefahrt des Dampfschiffes „Hamm“ konnte ich im Blog ausführlich berichten, da über diese Fahrt ein Artikel in der Tageszeitung Hamburgischer Correspondent und neue Hamburgische Börsen-Halle, am Sonntag, den 5. Juni 1910 erschienen ist. SIEHE: Probefahrt des Dampfers Hamm. Auf dieser Probefahrt begegnete die „Hamm“ dem nach Australien auslaufenden Dampfschiff „Fürth“, das zu seiner siebten Australienreise aufgebrochen war. SIEHE: Ein neuer Kapitaen?

Zwei weitere schöne Dokumente dieser Probefahrt finden sich im Buch von Reinhart Schmelzkopf Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, erschienen 1984 im Eigenverlag (Strandgut-Publikation), bei dem auch alle Bildrechte, der in diesem Artikel verwendeten Abbildungen liegen.

Die beiden Dokumente sind eine Teilnehmerliste, auf die ich noch zurückkomme, und des Weiteren eine Speisekarte für die geladenen Gäste (ca. 100 Personen).

Kiellegung Dampschiff Hamm

Kiellegung des Dampfers „Hamm“, © Reinhart Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926

Menüs auf Dampfschiffen

Von Passagierdampfern sind aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zahlreiche Speisekarten erhalten geblieben, die von den großen Reedereien an die Passagiere ausgegeben oder die in den Speisesälen ausgelegt wurden. Die Speisenfolgen, die natürlich in der ersten, zweiten oder dritten Klasse sehr unterschiedlich ausfielen, sind zahlreich dokumentiert und lassen sich im Internet leicht finden.

Anders sieht es bei Frachtschiffen aus, die keine Passagiere beförderten. Falls Sie also Dokumente besitzen, die Aufschluss über die Verpflegung auf Handelsschiffen vor dem ersten Weltkrieg geben, würde ich mich auf Hinweise freuen.

Die folgende Menükarte ist für den Normalbetrieb der Handelsschiffe natürlich völlig unrepräsentativ. Es ist ein Geschäftsessen, zu dem der Direktor der Reiherstieg-Werft, Otto Cornehls und der Direktor der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, Otto Harms, Geschäftspartner, Kollegen und Vertreter der Hamburger Behörden eingeladen hatten.

Sie gibt eine Vorstellung, was in gutsituierten Kreisen der Hamburger Bürgerschaft zu besonderen Anlässen auf den Tisch kam. Der Redakteur vom Hamburgischen Correspondenten spricht von „exquisiten Genüssen“, die serviert wurden. In einem späteren Blogartikel werden wir sehen, dass dies von der normalen Bordverpflegung meilenweit entfernt war.

Menükarte, Probefahrt Dampfschiff Hamm

Menükarte der Probefahrt des Dampfers „Hamm“, © Reinhart Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926

Die Speisefolge der Probefahrt

Die geladenen Gäste wurden am Morgen eingeschifft, so dass die Probefahrt pünktlich um 8.15 Uhr beginnen konnte. Bei Ankunft auf dem Schiff erhielten die Gäste zur Begrüßung Kaffee, Brötchen und Butter.

Um halb zwölf wurde dann ein herzhaftes Frühstück gereicht, zumindest findet sich der Name Frühstück auf der Speisenkarte, wenngleich es vom Charakter her eher einem heutigen Mittagessen entspricht:

Zu Bouillon mit Schweserpasteten (Schweser ist vielleicht bekannter unter dem Namen Kalbsbries) und Beefsteak mit Bratkartoffeln servierte die Reederei einen 1905er Château Cantenac Brown Grand Cru und einen 1906er Trabacher, der leider nicht näher bezeichnet ist.

Das Château Cantenac Brown gehört zur Appellation Margaux und ist als 3ième Grand Cru klassifiziert. 1905 gehörte es dem Weinhändler Louis Armand Lalande, inzwischen hat es mehrfach den Besitzer gewechselt. Wie der 1905er ausgefallen ist, weiß ich nicht, aber Sie können jüngere Jahrgänge des Weins auch heute noch im Handel erstehen.

Den ganzen Tag standen den Gästen Portwein, Sherry und „Liqueure“ am Buffet zur Verfügung. Gespritete Weine waren also in Mode.

Das Diner

Auch das Diner zeugt von einem gediegenen, gutbürgerlichen, aber nicht überzogenen Rahmen, schließlich wurde kein großer Passagierdampfer, sondern „nur“ ein Frachtschiff zur Probe gefahren. Es wurde am (sehr) frühen Abend um 17 Uhr serviert, wobei der eigentlichen Mahlzeit zahlreiche Reden vorausgingen.

Die gereichte Schildkrötensuppe wollen wir schnell überspringen, aus heutiger Sicht aus guten Gründen nicht mehr auf einem offiziellen Menü vorstellbar. Was aber ist ein Landgrafenbrötchen? Hat jemand eine Idee?

Die einzige Literaturquelle, die ich dazu finden konnte, ist Daniel Sandhagen’s Lehr- und Reisejahre: ein komischer Roman, Band 3 (1806). Dort heißt es:

„Jenny, liebes Weib, hast du auch Geld? Laß Zuckerkringeln holen! Landgrafenbrötchen! Daniel, was ist dir lieber? – Du Püppchen, stippst doch gerne. …“ (abgerufen unter books.google.fr)

In dieser Szene wurden die Landgrafenbrötchen zu Tee serviert, also vielleicht ein eher süßes Brötchen, ähnlich einer Brioche?

Weiter geht’s auf der Hamm mit Steinbutt, Kalbsrücken, Spargel und Hamburger Kücken, also Hühnchen.

Eis mit Waffeln, Käse, Früchte und Mokka beschließen das Menü.

Die rechte Spalte der Karte ist leider verdeckt, so dass wir bei den Getränken nur Madeira lesen können, diesen sicher als Aperitif oder zur bereits erwähnten Schildkrötensuppe.

Ein Rezept für die Schweserpasteten

Wer jetzt Appetit bekommen hat, für den sei folgendes Rezept für das Nachkochen der Schweserpasteten hier wiedergegeben, einer damals offensichtlich sehr beliebten Hamburger Vorspeise. Gefunden habe ich es bei Hanna Behnke, Hamburger Küche: Vorspeisen, Suppen und Salate (1923), (Leseprobe abgerufen unter books.google.fr):

Schweserpasteten für 6 Personen:

Zutaten:
1 Schweser [Kalbsbries] im Gewicht von 250 Gr.
½ Kochl. Mehlschwitz
¼ Ltr. Schweserbrühe
1 Teel. Salz
1 bis 2 Eßl. süß. Rahm

Eine kleine Schweser von 250 Gr. wird vorbeitet und gekocht (siehe unter Zungenragout), hiernach in Würfel geschnitten. ½ Kochl. Mehlschwitze wird mit ¼ Ltr. von der Schweserbrühe ausgerührt. Nachdem die Tunke einmal aufgekocht, wird das Fleisch dazu getan und 1 Teel. Salz und 1-2 Eßl. süßer Rahm. Das Ragout wird bis zum Gebrauch zudeckt in heißes Wasser gestellt. Mann kann Austern dazu nehmen, à Person 1-2 Stück. Den Saft der Austern gießt man an das Ragout. Die Austern werden gebraten und beim Anrichten oben auf die Pastete gelegt.

Der Vollständigkeit sei noch der Schlusssatz des vorangegangenen Rezeptes, einem Mocturtle-Ragout, wiedergegeben: Man richtet das Ragout mit Blätterteigbrötchen an oder im Reisrand und kann es auch in Blätterteig-Pasteten füllen.

Guten Appetit!

Hamburgischer Correspondent und Neue Hamburgische Börsen-Halle, Titelseite vom 5. Juni 1910, "Bedeutenste und größte Schiffahrtszeitung Deutschlands"

Probefahrt des Dampfers Hamm

Ein Augenzeugenbericht

Einen sehr schönen Bericht gibt es über die Probefahrt des Dampfers „Hamm“ im Juni 1910.

Diesen Artikel aus dem Hamburgischen Correspondent vom Sonntag, den 5. Juni 1910 (Seite 6) stelle ich aus drei Gründen hier in den Blog:

Drei Gründe

Erstens haben wir nur einen sehr knappen Bericht über die Probefahrt der „Fürth“ gesehen (Bau, Stapellauf und Probefahrt der Fürth) der keine Details über den Ablauf gibt. In dem folgenden Artikel erhalten wir dagegen eine gute Vorstellung, wie ein solcher Tag und die Abnahme eines Schiffes durch die Auftrag gebende Reederei typischerweise abgelaufen sind.

Zweitens ist der Artikel, meiner bescheidenen Meinung nach, ein journalistisches Juwel, der die Sprache der wilhelminischen Zeit wortgewaltig und bildreich einfängt und für uns konserviert. Er ist also ein schönes zeitgeschichtliches Dokument.

Die „Fürth“ in einer Nebenrolle

Drittens kommt dem Dampfschiff „Fürth“ bei der Probefahrt der „Hamm“ zumindest die Rolle eines Komparsen zu, was dem Bericht hier im Blog seine vollständige Berechtigung gibt.

Anm.: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit habe ich bei diesem langen Artikel darauf verzichtet, ihn kursiv wiederzugeben, wie dies bei Original-Zitaten hier im Blog sonst der Fall ist. Er ist auf Grund seiner fehlenden Gliederung schon (für unsere Augen) unübersichtlich genug. Dies entspricht aber dem Originalartikel von damals. Lediglich die Heraushebung der Passage mit der „Fürth“ ist von mir.
Hamburgischer Correspondent und Neue Hamburgische Börsen-Halle, Titelseite vom 5. Juni 1910, "Bedeutenste und größte Schiffahrtszeitung Deutschlands"

Hamburgischer Correspondent und Neue Hamburgische Börsen-Halle, Titelseite vom 5. Juni 1910, „Bedeutenste und größte Schiffahrtszeitung Deutschlands“, Quelle: The European Library

Begeben wir uns in den Sommer 1910:

Probefahrt des Dampfers „Hamm“.

„Ein prächtiger Junimorgen! Leichte Dunstmassen lagen am Sonnabend über der Elbe, von Osten her drang die Sonne durch das von einer flauen nordöstlichen Brise zerteilte Gewölk, mit ihren Strahlen die im Hafen liegenden, die kommenden und abwärtsgehenden Schiffe vergoldend. Ueberall, so weit das Auge reichte, fleißiges Wirken und Schaffen; der Kampf ums Dasein! Auch auf dem am jenseitigen Ufer noch fest am Dock der Reiherstieg-Werft vertäuten Dampfer „Hamm“, dem jüngsten Sproß der achtunggebietenden Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, wurde mit bienenhaftem Fleiß, gearbeitet, es herrschte eine Rührigkeit an Bord, die darauf schließen ließ, daß das Schiff klar gemacht wurde, um zum Antritt einer Reise den Hafen zu verlassen. So war es auch! Aber nicht den fernen Weiten des Weltmeers sollte die Fahrt gelten, für den Sonnabend war ein ungleich kürzeres Ziel gesteckt worden: die Nordsee. „Hamm“ rüstete sich zu seiner Probefahrt, die nach erfolgter Einschiffung der geladenen Gäste präzise um 8 1/4 Uhr ihren Anfang genommen hat. Langsam und bedächtig, wie es sich für einen Ozean-Riesen von 7800 Tons Tragfähigkeit geziemt, holte man den von zwei Petersen & Alpersschen Schleppern assistierten Dampfer auf den Strom und geleitete ihn bis nach den St. Pauli-Landungsbrücken, wo auf das Signal „halbe Kraft“ die Maschine in Funktion trat und unter der Leitung des Kapitäns J. Schuldt die Reise seewärts aufgenommen wurde. Dem Gewirr der vielen kleinen Fahrzeuge entronnen, gings alsbald mit Volldampf im Fluge an Neumühlen, Nienstedten und Teufelsbrück vorbei; beim Passieren des im frischen Grün versteckten Häusermeers von Blankenese war der Wind inzwischen fast gänzlich eingeschlafen und die weite Fläche der Elbe lag wie ein Spiegel vor den Augen der Fahrtteilnehmer da, die soeben unter Deck den Morgenkaffee eingenommen hatten. Jetzt rückte die Hauptsache des Schiffes in den Vordergrund des allgemeinen Interesses, die Maschinen- und Kesselanlage, jetzt galt es deren Leistungsfähigkeit bei forcierter Arbeitstätigkeit zu kontrollieren und zu erproben. Auf der Höhe von Brunshausen, wo die Kompasse kompensiert wurden, war von den beobachtenden Sachverständigen bereits festgestellt worden, daß Kessel und Maschine nicht allein dasjenige Quantum Energie lieferten, wozu sie laut kontraktlicher Vereinbarung verpflichtet waren, die Leistung wurde noch um ein Bedeutendes übertroffen. Die dreifache Expansionsmaschine von 660x1134x1950 Millimeter Zylinder-Durchmesser und 1220 Millimeter Kolbenhub, die 3000 Pferdekräfte und eine Fahrgeschwindigkeit von 12 ½ Meilen ergeben soll, indizierten bei 77 Schraubenumdrehungen in der Minute 3350 Pferdestärken und erreichte eine gute Durchschnittsfahrt von 11,5 Meilen, ein Ergebnis, auf das die Reiherstieg-Werft Ursache hat stolz zu sein und das zur unbeanstandeten Abnahme des die Stapelnummer 428 tragenden Dampfers „Hamm“ führte. Am Nachmittag um 2 ¼ Uhr erfolgte die offizielle Uebergabe unter dem üblichen Flaggenwechsel, die von den brausenden Hipp-, Hipp-Hurra-Rufen der auf Deck befindlichen Herren begleitet wurde. Die mitlaufenden Fahrzeuge alle überholend, setzte der neue Dampfer bei anhaltend schönem Wetter die Fahrt fort bis in die Nähe des vierten Feuerschiffs, wo um 3 Uhr gewendet und der Kurs auf Hamburg gesetzt wurde. Zwei Stunden später riefen Tamtamschläge die Gäste zur Einnahme des Diners in den mit vielem Geschick und Verständnis improvisierten Speisesaal. Wie bei dem kurz vor Mittag gebotenen Frühstück, so herrschte auch bei dieser exquisite Genüsse bietenden Hauptmahlzeit die fröhlichste Stimmung. An Reden war kein Mangel. Herr Direktor Harms dankte der Reiherstieg-Werft, die den prächtigen Dampfer „Hamm“ in so kurzer Zeit zur Ablieferung gebracht hat, für die seiner Gesellschaft ungemein willkommene Beschleunigung und für die treffliche Art der Ausführung des Auftrags, er wünschte der Werft, daß deren auf die Betriebserweiterung gerichteten Ziele sich voll und ganz verwirklichen möchten. Ein Hoch auf die Werft und deren anwesende Direktoren brachte die Rede zum Abschluß. Als Vertreter der Reiherstieg-Werft widmete Herr Direktor O. Cornehls dem Vorredner Worte des Dankes für die gezollte Anerkennung, er weihte sein Glas der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft und deren Leitung sowie dem Kapitän Schuldt, dem Führer des „Hamm“, der bereits am kommenden Sonnabend der nur kurzen Probefahrt die weite Reise nach Australien folgen lassen werde. Herr Robinow toastete auf den Aussichtsrat der Rhederei, Herr Fr. Kirsten auf die Handelskammer, Herr H. Edmund Behlen auf eine stets glückliche Reise des neuen Schiffes. Herr Generaldirektor F. Platz gedachte in zündender Rede der hervorragenden Leistung der Hamburger Industrie und erwähnte, daß deren vorzügliche Leistungen sehr viel dazu beigetragen hätten, dem deutschen Namen im Ausland einen guten Klang zu verschaffen. In erster Linie haben wir an dieser Stelle unserem Senat und den gesetzgebenden Körperschaften zu danken für die weitgehendste Unterstützung aller derjenigen Interessen, die zu Nutz und Frommen des vaterstädtischen Handels und der hamburgischen Schiffahrt geboten erscheinen. Diese Ansprache, die den Abschluß der Reden bildete, wurde mit Jubel und Begeisterung aufgenommen. Als „Hamm“ unweit Glückstadt war, ereignete sich ein hübsches Intermezzo, das die Tafelrunde veranlaßte, vom Tisch aufzustehen und auf Deck zu eilen. Der in Flaggengala prangende Kompagniedampfer „Fürth“ der die Ausreise vor einigen Stunden angetreten hatte, passierte den „Hamm“ und wurde durch Hurra-Rufe und Winken mit Tüchern und Servietten lebhaft begrüßt. Wenige Minuten später, und von dem schnell dahineilenden „Kollegen“ war nur noch eine Rauchsäule in weiter Ferne erkennbar. Um 8 Uhr neigten die Tafelfreuden ihrem Ende zu, der Kaffee wurde auf dem mehr Kühlung bietenden Oberdeck serviert, und bei heiterem Geplauder wurde die nur noch kurze restliche Strecke bis zur Stadt zurückgelegt. Um 9 Uhr lag „Hamm“, der alle auf ihn gesetzten Hoffnungen und Erwartungen in überreichem Maße erfüllt hat, am Australiakai, wo bereits am Montag mit dem Einnehmen der Ladung begonnen werden soll. Die Fahrtteilnehmer, unter denen wir u. a. die Herren Direktor G. Jensen, Oberingenieur P. Kruth, Baurat Bever, Bauinspektor C. Hartmann, Postdirektor Eichholz, Major Saarbourg, Dr. O. Schröder, Prof. Vogel, Oberhafenmeister C. Zemlin, Oberkai-Inspektor Zimmer und andere Herren bemerkten, fuhren mit bereitgehaltenen Barkassen nach Hamburg zurück, wo bei inzwischen regnerisch gewordener Witterung um 9 ¾ Uhr am Baumwall die Landung erfolgte. Ueber den Dampfer „Hamm“, der mit drei anderen gleichartigen Schiffen im vorigen Jahre in Auftrag gegeben wurde, und den man nach den Vorschriften der höchsten Klasse des Germanischen und Englischen Lloyd als Schwesterschiff des im vorigen Jahr auf derselben Werft aufgesetzten Dampfers „Iserlohn“ gebaut und mit allen Errungenschaften der Neuzeit für einen  modernen Frachtdampfer ausgestattet hat, ist an dieser Stelle noch folgendes zu erwähnen: Seine Länge beträgt zwischen den Steven 121,31 Meter, die Breite über den Spanten mißt 16,41 Meter, die Seitenhöhe 8,54 Meter. Der Dampf wird in drei zylindrischen Einfachkesseln von 822 Quadratmetern Heizfläche und 15 Atmosphären Ueberdruck erzeugt. „Hamm“ besitzt 2 Masten, 5 Ladeluken, 11 Dampfladewinden, 1 Dampfsteuer-Apparat, 1 Dampfankerwinde, elektrische Beleuchtung im ganzen Schiff und für Ladezwecke. Die Wohnräume für die Besatzung sind ihrem Zweck entsprechend solide und geräumig. Salon, Kapitäns- und Offizierswohnräume sind elegant eingerichtet. “                s.

Anm. Das kleine „s.“ am Ende des Artikels ist sicher das Zeichen des von mir nicht recherchierten Autors.

Schlussbemerkung

Die „Hamm“, die also etwa drei Jahre nach der „Fürth“ ihre Probefahrt machte, war nach Länge und Ladefähigkeit weniger als 10 Prozent größer als die 1907 fertiggestellte „Fürth“. Einen bedeutenden Größensprung in der Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft gibt es dann im Jahr 1911.

Portland Bill Lighthouse

Leuchtturmoptik, Portland Bill Lighthouse, Insel Portland, England, eigene Aufnahme im März 2018