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Teilnehmerliste der Probefahrt des Dampfers "Hamm" am 4. Juni 1910, Titel; © Reinhart Schmelzkopf Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, erschienen 1984 im Eigenverlag (Strandgut-Publikation)

Teilnehmer einer Probefahrt

Das Dampfschiff „Hamm“

Heute komme ich noch einmal zurück auf die Probefahrt des Dampfschiffes „Hamm“, einem Schiff der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, das am 4. Juni 1910 bei der Probefahrt an die Reederei übergeben wurde und dabei der „Fürth“ begegnet ist, die nach Australien aufgebrochen war. SIEHE: Probefahrt des Dampfers Hamm

Letzte Woche haben wir hier im Blog das Menü der Probefahrt gesehen. Abschließend sei hier noch die Teilnehmerliste für den 4. Juni 1910 wiedergegeben. Quelle ist erneut das Buch von © Reinhart Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, erschienen 1984 im Eigenverlag (Strandgut-Publikation). Bei ihm liegen auch die Bildrechte der Teilnehmerliste.

Die Teilnehmer

Bevor wir auf einige der Teilnehmer näher eingehen, muss die Frage erörtert werden, ob die Herren alle bei der Probefahrt dabei waren (die Liste beinhaltet ausschließlich Herren). Da es sich um eine bei der 1881 gegründeten Druckerei Johs. Tiedemann gedruckte Liste handelt, kann es sich bei der Liste um den zur Probefahrt eingeladenen Personenkreis handeln. Möglich wäre auch, dass die Liste demjenigen Personenkreis entspricht, der auf eine persönliche Einladung zugesagt hat. Zumindest ist davon auszugehen, dass nicht alle Namen der Liste wirklich an Bord waren. Andererseits befindet sich der im Artikel vom Redakteur des Hamburgischen Correspondenten erwähnte Baurat Bever nicht auf der Liste (Probefahrt des Dampfers Hamm).

Unter den eingeladenen Personen waren viele Kaufleute beziehungsweise Inhaber und leitende Mitarbeiter von Im- und Exportunternehmen, sicherlich Kunden der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft:

Julian Hepner, zum Beispiel, von der Fa. Hepner & Juliusberg, einem Großhandel für Farb- und Gerbstoffe; der Kaufmann von Abercron oder Heinrich Bremer, der einen Handel mit Futtermitteln, Getreiden, Saaten und Ölen betrieb.

Des Weiteren finden wir unter den eingeladenen Personen Vertreter von Versicherungsgesellschaften, wie Herrn Direktor J. Baunbeck von der Allgemeinen Seeversicherungsgesellschaft, Generaldirektor F. Plass von der Globus Versicherungs AG oder Herrn Peiner von der Assekuranz am Alsterdamm 16.

Der Ingenieur Max Berendt war Engineer Surveyor to Lloyd’s Register. Wie die Flensburger Schiffsbau-Gesellschaft stand auch die Reiherstieg Werft in Hamburg unter der Qualitätskontrolle von Lloyd’s Register (Die „Fürth“ in Lloyd’s Register) und hatte einen Sachverständigen vor Ort. Weitere Technikvertreter waren beispielsweise Maschineninspektor J. Steffen, Bauinspektor C. Hartmann, Schiffsvermesser W. Breer und einige andere.

Den Institutionen zuordnen kann man H. F. Kirsten von der Handelskammer, Postinspektor Kleinhanns, Oberhafenmeister A. Zimmer, Hafenmeister C. H. B. Paarmann, den Oberkaiinspektor C. Zemlin und die Herren Krause und Wallis von der Deutschen Seewarte.

Ebenfalls eingeladen waren einige Herren, die man heute unter dem Stichwort Logistik führen würde: zum Beispiel August Brinckmann von Förtmann & Behne, einem Unternehmen für Dampfschleppschifffahrt oder Herr E. Harder (Roll- und Blockfuhrwesen und Lagerung) und Wilhelm Hoppe (Quartiersmann und Lagerungsgeschäft).

Zwei Familiennamen auf der Liste springen besonders in Auge, da sie mit bedeutenden Hamburger Reedereien verbunden sind. Es sind dies die Namen Laeisz und Godeffroy.

Teilnehmerliste der Probefahrt des Dampfers "Hamm" am 4. Juni 1910, Ausschnitt, © Reinhart Schmelzkopf Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, erschienen 1984 im Eigenverlag (Strandgut-Publikation)

Teilnehmerliste der Probefahrt des Dampfers „Hamm“ am 4. Juni 1910, Ausschnitt, © Reinhart Schmelzkopf Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, erschienen 1984 im Eigenverlag (Strandgut-Publikation)

 

Otto Laeisz

Otto Laeisz stammt aus der bekannten Reederfamilie Laeisz. Er selbst war zusammen mit Fritz Fertsch Geschäftsführer der Fa. Fertsch und Laeisz, einem Hamburger Im- und Exportunternehmen. Sicher der bekannteste Vertreter der Familie war der 1901 verstorbene Reeder Carl Laeisz, der seine Reederei zur größten Hamburger Privatreederei ausgebaut hatte. Die Besonderheit: bis zum Jahr 1913 betrieb die Reederei ausschließlich Großsegler, die als „Flying-P-Liner“ in die Geschichtsbücher eingingen. Das Unternehmen existiert unter dem Namen F. Laeisz Gruppe noch heute: https://www.laeisz.de/startseite/.

Otto Laeisz verstarb bereits ein halbes Jahr später, am 27. Dezember 1910 im 58. Lebensjahr an einer Lungenentzündung.

Oscar Godeffroy

Ein anderer Familienname, der untrennbar mit der Hamburger Schifffahrtsgeschichte in Verbindung steht, ist der Name Godeffroy.

Ein Teil der aus La Rochelle stammenden Hugenottenfamilie war aus Frankreich geflohen. Dort waren sie angesehene Reeder und Kaufleute und auch im Rat der Stadt vertreten. Im 18. Jahrhundert ließ sich Jacques Cesar Godeffroy in Hamburg nieder und wurde Hamburger Bürger. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts engagierte sich die Familie stark in der deutschen Kolonie Samoa. Durch riskante Geschäftspolitik machte das Unternehmen Godeffroy regelmäßig Schlagzeilen und befand sich nicht nur einmal zwischen Erfolg und finanziellem Ruin (siehe dazu: Aleš Skřivan, Das Hamburgische Handelshaus Johann Cesar Godeffroy & Sohn und die Frage der deutschen Handelsinteressen in der Südsee, Zeitschrift für Hamburger Geschichte, http://agora.sub.uni-hamburg.de/subhh/cntmng;jsessionid=610A73E6A10C45005DC2A54C7A693DDC.jvm1?type=pdf&did=c1:3467).

Der 1875 in Hamburg geborene Hermann Oscar Godeffroy war Sohn von Johann Cesar Godeffroy VII; er schrieb in den 30-er Jahren eine ausführliche Familienchronik.

Teilnehmerliste der Probefahrt des Dampfers "Hamm" am 4. Juni 1910, © Reinhart Schmelzkopf

Teilnehmerliste der Probefahrt des Dampfers „Hamm“ am 4. Juni 1910, © Reinhart Schmelzkopf Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, erschienen 1984 im Eigenverlag (Strandgut-Publikation)

Probefahrt des Dampfschiffes „Fürth“

Die Probefahrt des Dampfers „Fürth“ fand drei Jahre zuvor am 19. August 1907 in der Flensburger Börde statt. Dabei war der teilnehmende Personenkreis meiner Meinung nach deutlich kleiner.

Dies dürfte generell bei allen, nicht in Hamburg stattfindenden Probefahrten der Reederei der Fall gewesen sein.

Probefahrt Dampfer Hamm Menü

Das Menü einer Probefahrt

Sonnabend, der 4. Juni 1910

Über die Probefahrt des Dampfschiffes „Hamm“ konnte ich im Blog ausführlich berichten, da über diese Fahrt ein Artikel in der Tageszeitung Hamburgischer Correspondent und neue Hamburgische Börsen-Halle, am Sonntag, den 5. Juni 1910 erschienen ist. SIEHE: Probefahrt des Dampfers Hamm. Auf dieser Probefahrt begegnete die „Hamm“ dem nach Australien auslaufenden Dampfschiff „Fürth“, das zu seiner siebten Australienreise aufgebrochen war. SIEHE: Ein neuer Kapitaen?

Zwei weitere schöne Dokumente dieser Probefahrt finden sich im Buch von Reinhart Schmelzkopf Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, erschienen 1984 im Eigenverlag (Strandgut-Publikation), bei dem auch alle Bildrechte, der in diesem Artikel verwendeten Abbildungen liegen.

Die beiden Dokumente sind eine Teilnehmerliste, auf die ich noch zurückkomme, und des Weiteren eine Speisekarte für die geladenen Gäste (ca. 100 Personen).

Kiellegung Dampschiff Hamm

Kiellegung des Dampfers „Hamm“, © Reinhart Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926

Menüs auf Dampfschiffen

Von Passagierdampfern sind aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zahlreiche Speisekarten erhalten geblieben, die von den großen Reedereien an die Passagiere ausgegeben oder die in den Speisesälen ausgelegt wurden. Die Speisenfolgen, die natürlich in der ersten, zweiten oder dritten Klasse sehr unterschiedlich ausfielen, sind zahlreich dokumentiert und lassen sich im Internet leicht finden.

Anders sieht es bei Frachtschiffen aus, die keine Passagiere beförderten. Falls Sie also Dokumente besitzen, die Aufschluss über die Verpflegung auf Handelsschiffen vor dem ersten Weltkrieg geben, würde ich mich auf Hinweise freuen.

Die folgende Menükarte ist für den Normalbetrieb der Handelsschiffe natürlich völlig unrepräsentativ. Es ist ein Geschäftsessen, zu dem der Direktor der Reiherstieg-Werft, Otto Cornehls und der Direktor der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, Otto Harms, Geschäftspartner, Kollegen und Vertreter der Hamburger Behörden eingeladen hatten.

Sie gibt eine Vorstellung, was in gutsituierten Kreisen der Hamburger Bürgerschaft zu besonderen Anlässen auf den Tisch kam. Der Redakteur vom Hamburgischen Correspondenten spricht von „exquisiten Genüssen“, die serviert wurden. In einem späteren Blogartikel werden wir sehen, dass dies von der normalen Bordverpflegung meilenweit entfernt war.

Menükarte, Probefahrt Dampfschiff Hamm

Menükarte der Probefahrt des Dampfers „Hamm“, © Reinhart Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926

Die Speisefolge der Probefahrt

Die geladenen Gäste wurden am Morgen eingeschifft, so dass die Probefahrt pünktlich um 8.15 Uhr beginnen konnte. Bei Ankunft auf dem Schiff erhielten die Gäste zur Begrüßung Kaffee, Brötchen und Butter.

Um halb zwölf wurde dann ein herzhaftes Frühstück gereicht, zumindest findet sich der Name Frühstück auf der Speisenkarte, wenngleich es vom Charakter her eher einem heutigen Mittagessen entspricht:

Zu Bouillon mit Schweserpasteten (Schweser ist vielleicht bekannter unter dem Namen Kalbsbries) und Beefsteak mit Bratkartoffeln servierte die Reederei einen 1905er Château Cantenac Brown Grand Cru und einen 1906er Trabacher, der leider nicht näher bezeichnet ist.

Das Château Cantenac Brown gehört zur Appellation Margaux und ist als 3ième Grand Cru klassifiziert. 1905 gehörte es dem Weinhändler Louis Armand Lalande, inzwischen hat es mehrfach den Besitzer gewechselt. Wie der 1905er ausgefallen ist, weiß ich nicht, aber Sie können jüngere Jahrgänge des Weins auch heute noch im Handel erstehen.

Den ganzen Tag standen den Gästen Portwein, Sherry und „Liqueure“ am Buffet zur Verfügung. Gespritete Weine waren also in Mode.

Das Diner

Auch das Diner zeugt von einem gediegenen, gutbürgerlichen, aber nicht überzogenen Rahmen, schließlich wurde kein großer Passagierdampfer, sondern „nur“ ein Frachtschiff zur Probe gefahren. Es wurde am (sehr) frühen Abend um 17 Uhr serviert, wobei der eigentlichen Mahlzeit zahlreiche Reden vorausgingen.

Die gereichte Schildkrötensuppe wollen wir schnell überspringen, aus heutiger Sicht aus guten Gründen nicht mehr auf einem offiziellen Menü vorstellbar. Was aber ist ein Landgrafenbrötchen? Hat jemand eine Idee?

Die einzige Literaturquelle, die ich dazu finden konnte, ist Daniel Sandhagen’s Lehr- und Reisejahre: ein komischer Roman, Band 3 (1806). Dort heißt es:

„Jenny, liebes Weib, hast du auch Geld? Laß Zuckerkringeln holen! Landgrafenbrötchen! Daniel, was ist dir lieber? – Du Püppchen, stippst doch gerne. …“ (abgerufen unter books.google.fr)

In dieser Szene wurden die Landgrafenbrötchen zu Tee serviert, also vielleicht ein eher süßes Brötchen, ähnlich einer Brioche?

Weiter geht’s auf der Hamm mit Steinbutt, Kalbsrücken, Spargel und Hamburger Kücken, also Hühnchen.

Eis mit Waffeln, Käse, Früchte und Mokka beschließen das Menü.

Die rechte Spalte der Karte ist leider verdeckt, so dass wir bei den Getränken nur Madeira lesen können, diesen sicher als Aperitif oder zur bereits erwähnten Schildkrötensuppe.

Ein Rezept für die Schweserpasteten

Wer jetzt Appetit bekommen hat, für den sei folgendes Rezept für das Nachkochen der Schweserpasteten hier wiedergegeben, einer damals offensichtlich sehr beliebten Hamburger Vorspeise. Gefunden habe ich es bei Hanna Behnke, Hamburger Küche: Vorspeisen, Suppen und Salate (1923), (Leseprobe abgerufen unter books.google.fr):

Schweserpasteten für 6 Personen:

Zutaten:
1 Schweser [Kalbsbries] im Gewicht von 250 Gr.
½ Kochl. Mehlschwitz
¼ Ltr. Schweserbrühe
1 Teel. Salz
1 bis 2 Eßl. süß. Rahm

Eine kleine Schweser von 250 Gr. wird vorbeitet und gekocht (siehe unter Zungenragout), hiernach in Würfel geschnitten. ½ Kochl. Mehlschwitze wird mit ¼ Ltr. von der Schweserbrühe ausgerührt. Nachdem die Tunke einmal aufgekocht, wird das Fleisch dazu getan und 1 Teel. Salz und 1-2 Eßl. süßer Rahm. Das Ragout wird bis zum Gebrauch zudeckt in heißes Wasser gestellt. Mann kann Austern dazu nehmen, à Person 1-2 Stück. Den Saft der Austern gießt man an das Ragout. Die Austern werden gebraten und beim Anrichten oben auf die Pastete gelegt.

Der Vollständigkeit sei noch der Schlusssatz des vorangegangenen Rezeptes, einem Mocturtle-Ragout, wiedergegeben: Man richtet das Ragout mit Blätterteigbrötchen an oder im Reisrand und kann es auch in Blätterteig-Pasteten füllen.

Guten Appetit!