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HIrsch Kupfer- und Messingwerke (HKM) Halberstadt

Der „Fall Snow“ und die Firma Hirsch in Halberstadt

Handel mit dem Feind

Titelbilld: Verkaufsprospekt für die Kapitalerhöhung der Hirsch Kupfer- und Messingwerke (HKM) in der Berliner Börsenzeitung vom 7. Oktober 1911; Quelle europeana.eu

Halberstadt und Fürth

Wussten Sie schon, was Halberstadt und die Stadt Fürth, Namenspatin des Dampfschiffes „Fürth“ gemein haben?

Beide Städte verfügen über ein reiches jüdisches Erbe und in beiden Städten hinterließen wohlhabende jüdische Bürger eindrucksvolle Stiftungen, die zum Teil noch heute ihren Einwohnern zugutekommen.

Diese Gemeinsamkeit wurde im Jahr 2011 durch eine gemeinsame „Bewerbung für die Tentativliste der UNESCO Welterbekonvention“ unter dem Titel „Jüdisches Stiftungswesen als Beitrag zur Entwicklung des modernen Sozialstaates“ zum Ausdruck gebracht.

Darin heißt es: „Die seriellen Komponenten in Fürth und Halberstadt repräsentieren die Vielfalt der materiellen Zeugnisse jüdischen Wohlfahrtswesen in zwei städtischen jüdischen Gemeinden. Die erhaltenen Stiftungsgebäude reflektieren dabei die Breite der Wohlfahrtsleistungen, die Aspekte der sozialen Fürsorge, medizinischen Versorgung und Bildung aufnahmen und damit das Spektrum der späteren Grundleistungen des modernen Sozialstaates vorwegnehmen.“
Quelle: www.moses-mendelssohn-akaedemie.de

Halberstadt cathedral about 1890

Halberstadt, der Dom; Fotochromdruck der Fa. Photoglob in Zürich, 1890, Quelle: Library of Congress, https://www.loc.gov/resource/ppmsca.52560/

Aron Hirsch

Einer dieser jüdischen Stifter in Halberstadt war der Metallindustrielle Aron Hirsch. Das Familienunternehmen Hirsch & Sohn war ein bedeutender Metallhändler und über zahlreiche Beteiligungen auch in der Metallproduktion tätig. Geschäftsbeziehungen bestanden nach ganz Europa, aber auch nach Mittel- und Südamerika, Asien und Australien.

Im Jahr 1906 wurde aus der offenen Handelsgesellschaft Hirsch & Sohn die Hirsch Kupfer- und Messingwerke Aktiengesellschaft zu Halberstadt (HKM). Die Gesellschaft hatte ein Stammkapital von 7 Millionen Mark. Sie betrieb als Zweigstellen ein Messingwerk bei Eberswalde und ein Kupferwerk in Ilsenburg am Harz.

Das Kapital der Aktiengesellschaft blieb mit großer Mehrheit bei Aron Hirsch & Sohn (6.996.000 Mark). Geschäftsführer waren die Kaufleute Aron Hirsch und Dr. Phil. Abraham Hirsch sowie Fabrikdirektor Max Hesse, der das Messingwerk bei Eberswalde leitete.
Quelle: Berliner Börsenzeitung vom 23. August 1906; Staatsbibliothek zu Berlin über europeana.eu

Über die Tätigkeit des Unternehmens sagt der im Titelbild dieses Beitrages abgebildete Verkaufsprospekt bei der Erhöhung des Grundkapitals im Jahr 1911:

Die Gesellschaft befasst sich mit der Weiterverarbeitung und Verfeinerung von Metallen, insbesondere Kupfer und Zink in den verschiedensten Legierungen und verschiedenen anderen Metallen durch Walzen, Pressen, Stanzen und Ziehen zu mannigfachen Zwecken, namentlich auch für den Eisenbahn-, Schiffbau und militärische Zwecke.

Die beiden Werke der Gesellschaft beschäftigten im Jahr 1911 „etwa 1550 Beamte und Arbeiter“.

Dem florierenden Unternehmen wurde jedoch durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges der Rohstoffnachschub abgeschnitten. Eine dieser Rohstoffquellen war Australien.

Messingwerk Finow (HKM)

Messingwerk bei Eberswalde am Finowkanal mit Hafenbecken und Wasserturm, der 1918 fertiggestellt wurde; historische Ansichtskarte; commons.wikimedia.org; Heegermuehle-messingwerk-lu.jpg; Lizenz: CC BY-SA 3.0

Hirsch & Sohn in Australien

Hirsch & Sohn hatte sich in Australien eine solide Geschäftsbasis aufgebaut. Das Unternehmen besaß Anteile an den beiden australischen Metallgesellschaften Australian Electrolytic Smelting & Refining Company und an der Mount Morgan Gold Mining Co. Ltd.

An letzterer hatte sich 1882 übrigens auch William Knox D’Arcy beteiligt. Siehe dazu den Beitrag Die Ursprünge der bp Gruppe (British Petroleum).

Des Weiteren bestand eine Geschäftsbeziehung mit dem Unternehmen Francis H. Snow in Adelaide, der für Hirsch & Sohn als Agent arbeitete und die Verschiffung von Erzen und Konzentraten organisierte.

An dieser Stelle kommt die Deutsch-Australische Dampfschiffahrts-Gesellschaft (DADG) ins Spiel. Erze und Konzentrate waren eine regelmäßige Fracht auf den Heimfahrten der Reederei von Australien.

Ein schönes Beispiel eines Erztransports nach Europa ist folgende Zeitungsnotiz über die Fahrt des Dampfschiffes „Australia“ von Port Pirie (Südaustralien) nach Hamburg über Antwerpen:

April 22.—Australia, str., 4686, J. Hellerich, for Antwerp via Durban, with 2003 tons zinc concentrates, shipped; by F. H. Snow; 4011 tons ore, shipped by Australian Metal Co., and 4633 tons do., shipped, by Elder, Smith & Co., total 10,647 tons. Elder, Smith & Co., agents.
Port Pirie Recorder and North Western Mail, Fr 24. 
Apr 1914, S. 2, SAILED.

Die 2003 Tonnen Zinkkonzentrate, die F. H. Snow verschiffte, waren für Hirsch & Sohn bestimmt.

Port Pirie, Australia

Die „Australia“ in Port Pirie, eigene Montage aus zwei Fotos aus der State Library of South Australia, Referenznummer B9524/2 und B9524/3

Metallhandel in deutscher Hand

Wie groß die Bedeutung deutscher Unternehmen im weltweiten Metallhandels zu diesem Zeitpunkt war, zeigt sich, wenn man sich auch die anderen beiden Verschiffer ansieht:

4011 Tonnen Erz im Namen der Australia Metal Co.

Die Australian Metal Company war eine Tochtergesellschaft der Metallgesellschaft in Frankfurt am Main, Inhaber Wilhelm Merton. Siehe dazu den Artikel: Die Erze an Bord der „Fürth“ …

Das Unternehmen Elder, Smith & Co., das 4633 Tonnen Erze mit der „Australia“ nach Antwerpen verschiffte, war wiederum der Agent des dritten großen deutschen Metallhändlers, der Firma Beer, Sondheimer & Co. mit Sitz ebenfalls in Frankfurt am Main.

Bleiben wir für heute bei Hirsch & Sohn und seinem Geschäftspartner Snow.

Hampden Smelters Qld.

Erze werden mit Bahnwaggons einer Eisenhütte angeliefert, um 1912, Hampden Smelters, Queensland, Australia, Quelle: State Library of Queensland

Francis Hugh Snow

Francis Hugh Snow wurde 1854 in Yorkshire (England) geboren und ging als junger Mann nach Australien wo er zu nächst als Handelsagent arbeitete.

Später spezialisierte er sich als Metallbroker und wurde ein bedeutender Händler. Snow war verheiratet und hatte vier Söhne.

Iron Monarch Whyalla 1919

Minenarbeiter beim Erzabbau, 1919, Iron Monarch, Whyalla, South Australia, State Library of South Australia, Ref. B62487; https://collections.slsa.sa.gov.au/resource/B+62487

Gestörte Geschäftsbeziehung

Die internationale Geschäftsbeziehung von Hirsch & Sohn mit Francis H. Snow fiel nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges noch im August unter den Bann des Commonwealth, die Handelsbeziehungen mit dem Feind unter Strafe gestellt hatte.

Trading with the Enemy

Commonwealth Proclamation, Trading with the Enemy, The Daily News, Perth vom 25. August 1914; trove.nla.gov.au

Das stellte Unternehmen wie Francis H. Snow, die über viele Jahre eng mit den deutschen Geschäftspartnern zusammengearbeitet hatten, natürlich vor große Probleme.

Der Staat hatte plötzlich ein scharfes Auge darauf, welche Firmen noch mit dem Feind kommunizierten.

Verlässlicher Partner der Regierung waren die australischen Tageszeitungen, die sich auf die vermutlichen Fälle stürzten und in großer Breite darüber Bericht erstatteten. Mit Kriegsbeginn war in Australien eine breite antideutsche Kampagne gestartet worden.

So kam das Unternehmen Snow als Agent eines deutschen Großunternehmens auf die Anklagebank.

Weiters überrascht es nicht, dass dies sehr zügig geschah, nämlich bereits im November 1914:

alleged trading with the enemy 1914

Vermeintlicher Handel mit dem Feind; Observer, Adelaide, 28. November 1914; trove.nla.gov.au

Vor Prozessbeginn hatte die Staatsanwaltschaft Snows Büros durchsucht und zahlreiche Unterlagen sichergestellt.

Der Prozess gegen Francis H. Snow

Der Prozess gegen Snow dauerte von November 1914 bis Februar 1915.

Während des Prozesses verfolgte die Presse sehr genau den Prozessverlauf und berichtete nach jeder Sitzung des Gerichts. Die Details würden viele Seiten füllen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Firma Snow nach Kriegsbeginn versuchte, die Lieferungen über Drittstaaten abzuwickeln, wie zum Beispiel über Geschäftspartner in New York oder Rotterdam.

Auf Dokumente angesprochen, die einen direkten Kontakt mit Hirsch & Sohn belegten, äußerte sich Snow nicht, sondern gab an, nichts davon zu wissen. Er wird zitiert mit Aussagen wie “I know nothing about“ oder “I must admit I know nothing of that”.

Ende Januar 1915, als sich die Beweislage gegen Snow mehr und mehr verdichtete, ordnete das Gericht Hausarrest gegen Snow an und ließ eine Militärwache vor seinem Haus postieren.

Am 11. Februar wurde Snow wegen versuchten Handels mit dem Feind schuldig gesprochen. Snow wurde gegen eine Sicherheitsleistung von 1000 £ von einer Haftstrafe verschont. Außerdem musste er zwei Bürgschaften von je 1000 £ hinterlegen:

The Snow Case 1915

Snow Case Concluded; Observer, Adelaide, 13. Februar 1915; trove.nla.gov.au

Zu späteren Zeiten

Francis Hugh Snow starb am 5. April 1930 im Alter von 75 Jahren in einem Krankenhaus in Adelaide. Einer seiner Söhne, Wilfrid H. Snow, hat das väterliche Unternehmen in den 1920er Jahren nach Rückzug seines Vaters weitergeführt.

Francis Hugh Snow 1930

Meldung über den Tod von Francis H. Snow, News, Adelaide, Sa 5. April 1930, S. 4; Quelle: trove.nla.gov.au

Das Unternehmen Aron Hirsch & Sohn bestand bis 1929, als das Handelshaus in Zahlungsschwierigkeiten kam und mit dem Berliner Metallunternehmen Schoyer & Co. fusionieren musste. Die Industrieaktivitäten wurden von der britischen ICI-Gruppe übernommen.

Neben seiner Geschäftstätigkeit war Aron Hirsch in Halberstadt und Berlin ein großzügiger Stifter. Er starb im Februar 1942 in Wiesbaden.

Das zu HKM gehörende Kupferwerk Ilsenburg wurde 1948 auf das Walzen von Blech umgestellt und gehört heute als Ilsenburger Grobblech GmbH zum Salzgitter-Konzern.

Das Messingwerk in Eberswalde war bis 1945 in Betrieb und wurde dann von der sowjetischen Besatzungsbehörde demontiert. Ein später an gleicher Stelle stehendes Walzwerk wurde 2012 stillgelegt. Zurzeit (2022) soll dort zwischen einigen noch verbliebenen historischen Industriegebäuden neuer Wohnraum entstehen: http://www.messingwerkfinow.de

Der Traum der Städte Halberstadt und Fürth, ihr jüdisches Stiftungswesen zum UNESCO Welterbe werden zu lassen, war 2014 zu Ende. Gegen Neuschwanstein hatten sie keine Chance.

Vielleicht schafft es ja in Zukunft das Halberstädter Würstchen als immaterielles Kulturerbe anerkannt zu werden. Meine Stimme hat es.

fruit shipping in australia about 1913

Obst aus Übersee

Über die Anfänge des Fruchtimports

Titelbild: Verladen von Frucht in Australien, Ansichtskarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft aus dem Jahr 1913, ungelaufen, eigene Sammlung

Äpfel, Birnen und Bananen

Der Transport von frischen Früchten über weite Strecken wurde im großen Maßstab erst durch die Entwicklung der Kühltechnik möglich. Parallel dazu musste der Transport schnell und verlässlich erfolgen. Eigenschaften, die erstmals die Dampfschifffahrt garantieren konnte.

In Deutschland wurde 1903 bei Blohm & Voss in Hamburg der erste HAPAG-Dampfer zum Kühlschiff umgebaut. Es war das Passagier- und Frachtschiff „Sibiria“.

Dann dauerte es allerdings weitere neun Jahre, bis der erste Neubau eines Kühlschiffes von einer deutschen Werft in Dienst gestellt wurde: ebenfalls ein HAPAG-Schiff, die „Carl Schurz“.

Andere Schiffe verfügten zu diesem Zeitpunkt zwar auch schon über Kühlräume, es handelte sich aber um Einbauten, die nur jeweils einen Teil des Laderaums umfassten (siehe unten).

Carl Schurz Kühlschiff

Das Fruchtschiff „Changuinola“ ex „Karl (Carl) Schurz“ der HAPAG, Baujahr 1912, Aufnahme aus dem Jahr 1914; http://www.naval-history.net/PhotoWW1-08amcChanguinola1PS.JPG

Anmerkung: Das Schiff hieß zunächst „Karl Schurz“. Carl Schurz, nach dem das Schiff benannt worden war, schreibt sich jedoch mit „C“. Im Jahr 1913 erfolgte dann die Korrektur.

Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG)

Das erste Schiff der DADG, das über eine Kühlanlage verfügte, war die 1905 in Dienst gestellte „Oberhausen“. Es sollten bei der DADG bis 1914 sechs weitere Schiffe mit Kühleinrichtungen folgen.

Es waren jedoch keine echten Kühlschiffe; sondern nur ein Teil des Laderaums verfügte über Kühlung.

Einerseits wollte die DADG zwar Kapazitäten für Fruchtverschiffer zur Verfügung stellen, andererseits war der Einbau der Kühlungen mit einem Verlust an Frachtraum verbunden. Außerdem war der Einbau recht kostenintensiv. Erschwerend kam hinzu, dass Frucht und Fleisch unterschiedliche Einrichtungen der Kühlräume verlangten.

So nahmen die Kühlräume jeweils nur einen Teil des Laderaums ein:

Für das Schiff „Adelaide“ ist die Größe des Kühlraums beispielsweise mit 100 000 Kubikfuß angegeben, was 1000 Bruttoregistertonnen entspricht. Bei einer Tonnage von insgesamt 5898 BRT waren also etwa 17 % des Laderaums gekühlt.

Adelaide ship 1911 German Australian Line

Der Frachtdampfer „Adelaide“ (1911), gebaut von der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft, Aufnahme aus den Jahren 1911-1914; © R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, S. 30, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984.

Deichtormarkt und Fruchthof

Parallel zum Aufbau der Kühlschifffahrt wurden in Hamburg die Kapazitäten für den Umschlag an Frucht erhöht: Ab 1911 entstand ein neuer Großmarkt (Deichtormarkt). Im selben Jahr wurde das Kontorhaus Fruchthof am Oberhafen eröffnet.

Die Anlagen für die Fruchtzufuhr am Zentralmarkt.
Wie an der Ecke der Spalding- und Amsinckstraße in einem mächtigen Neubau die Zentralstelle für den Blumenhandel geschaffen ist, so wurde auch an der Ausmündung der Oberhafenstraße in die Bankstraße in dem Kontorhaus Fruchthof eine solche Zentralstelle für den Fruchthandel geschaffen.


Hamburger Anzeiger vom 21. Juli 1911

Nach der gleichen Quelle wurde auch eine neue Kaimauer an der Oberhafenstraße angelegt, der Schienenanschluss verbessert und ein Fruchtschuppen errichtet.

Port Adelaide about 1910 export of apples

Kontrolle und Verpackung von Äpfeln, Port Adelaide, Aufnahme um 1910; State Library of South Australia, Ref. B 22739

Äpfel und Birnen

Die DADG transportierte aus Australien Äpfel (und Birnen) nach Niederländisch-Indien und nach Europa. Auf den kurzen Transportwegen nach Niederländisch-Indien erfolgte das auch ungekühlt. Nach Europa hingegen war der Transport auf Schiffe mit Kühleinrichtung beschränkt.

Harms (1933) schreibt über den Erfolg der australischen Fruchtexporte:

„Die gute Stimmung hielt an, die australischen Fruchtverschiffer waren von Einrichtungen im Fruchtschuppen und der Art der Auktionen sehr befriedigt; sie ermöglichte ihnen genau zu verfolgen, welche Preise die einzelnen Sorten und Sendungen erzielten und gewannen damit nicht nur einen guten Ueberblick über die Geschmacksrichtung, sondern auch eine Kontrolle über die Preise ihrer eigenen Sendungen.“

Heute würde man das Marketinganalyse nennen. Im Prinzip gab es das auch schon vor über hundert Jahren, ohne dass der moderne Begriff dafür verwendet worden wäre.

Weiter heißt es bei Harms zu den Obstimporten:

„Das Geschäft entwickelte sich gut und Hamburg begann nicht nur das Inland und Hinterland, sondern auch viele nordische und Ostseehäfen mit zu versorgen. Im Mai 1910 sind rund 32 000 Kisten Aepfel und Birnen an einem Tage zu guten Preisen verkauft worden.“

Diese Lieferungen von der Südhalbkugel machten damit Äpfel und Birnen auch zu einer Jahreszeit verfügbar, in denen es vor Ort kein Angebot geben konnte, die Apfelernte ist schließlich erst im Spätsommer/Herbst.

apple packaging and grading about 1910

Lange Tische mit Äpfeln in einem Schuppen in Südaustralien, ev. beim Sortieren und Verpacken, Aufnahme ca. 1910; Quelle: Library of South Australia, Ref. [PRG 280/1/43/259]

Die erfreuliche Marktentwicklung veranlasste die DADG zu weiteren Investitionen und 1911 wurden zwei weitere Frachtdampfer mit über 100000 Kubikfuß (2830 m3) großen Kühlräumen in den Verkehr gebracht und ein dritter war bestellt:

„Die ersten beiden großen Dampfer („Adelaide“ und „Melbourne“) brachten volle Ladungen Frucht heran und an einem Tage sind 50 000 Kisten umgesetzt worden; ein Ereignis in diesem Geschäft.“

Vor dem Ersten Weltkrieg hatte die DADG auf sieben Schiffen eine Kühlraumkapazität von 700 000 engl. Kubikfuß für Frucht und für 725 000 engl. Kubikfuß für Fleisch (Harms 1933).

inspecting fruit 1912 melbourne

Kontrolle von Äpfeln für den Export, Staatliches Kühlhaus in Melbourne; National Museum Australia, https://collectionsearch.nma.gov.au/icons/images/kaui2/index.html#/home?usr=CE

Bananen

Andere Reedereien brachten Äpfel aus den USA sowie Zitrusfrüchte und Trauben aus Italien und Spanien nach Hamburg. Erste Bananenimporte stammten von den Kanarischen Inseln.

Mit Entwicklung der Kühlschiffe war der Weg frei für den Import von exotischen Früchten aus der Karibik und Mittelamerika, allen voran der Banane. Für deren Transport waren spezielle Schiffe konzipiert worden, die sogenannten „Bananendampfer“.

„Die Kultur der Banane ist zwar uralt, aber der Anbau zum Zweck der Ausfuhr in nordische Länder bedeutet eine Errungenschaft, die erst durch die Verbesserung der Verkehrsmittel neuester Zeit möglich war.“
Die Banane, Altonaer Nachrichten/Hamburger Neueste Zeitung, 24. Sep. 1913, S. 5

transporting bananas about 1918

Lastwagen mit Bananen der National Fruit Company (USA), 1918, Quelle: Library of Congress; https://www.loc.gov/resource/npcc.33409/

In Deutschland hatte die Banane ihren Siegeszug auf dem Fruchtmarkt im Jahr 1902 begonnen. Die ersten Stauden sollen allerdings nur schlecht abverkauft worden sein. Bald aber wurde die Banane eine Erfolgsgeschichte (zumindest aus europäischer und nordamerikanischer Sicht).

Die Anfänge des Imports waren noch bescheiden: 1911 kamen 745000 Bananenstauden aus Mittel- und Südamerika nach Deutschland, 1913 waren es 2 258 800.

Zu dieser frühen Zeit wurden Bananen noch in Stauden (Büschels) gezählt, bevor die Statistiken später wie für andere Güter auch auf Tonnen umgestellt wurden.

Angaben nach: Die PackEISwaffel: Von Gletschern, Schnee und Speiseeis, C. Reinke-Kunze: Springer Verlag Basel (1996); abgerufen über books.google.fr

Die Vorzüge der Banane wurden zwar schnell erkannt, jedoch war die Frucht vor dem Ersten Weltkrieg noch ein Luxusgut:

„Die Banane übertrifft an Nährwert andere Obstarten recht erheblich. Es ist daher nur zu wünschen, daß unsere Handelsgesellschaften es ermöglichen, den Preis noch weiter zu ermäßigen und die Banane zu einem den weitesten Volkskreisen zugänglichen Nahrungs- und Genußmittel zu machen.“
Die Banane, Altonaer Nachrichten/Hamburger Neueste Zeitung, 24. Sep. 1913, S. 5

santos 1914 bananas

Verladung von Bananen auf ein Frachtschiff, Santos, Brasilien, Stereoaufnahme 1914; Quelle: Library of Congress; https://www.loc.gov/resource/stereo.1s17571/

Unternehmensgründungen

Die neuen Marktchancen, die sich aus dem Fruchtimport ergaben, spiegelten sich in zahlreichen Firmengründungen wider.

Eine davon war die Elders & Fyffes Fruit Company mbH in Hamburg:

Bananen-Import.
Kürzlich ist in Hamburg die Elders & Fyffes Fruit Company m. b. H. mit einem nominellen Kapital von 500 000 Mk. eingetragen worden. Dies Unternehmen bildet einen Teil des großen amerikanischen Bananentrusts, der ‚United Fruit Company‘ in Boston, deren europäische Interessen von der Firma Elders & Fyffes Ltd. in London geleitet werden. Das amerikanische Unternehmen ist das größte dieser Art in der ganzen Welt. Sein Kapital beträgt 175 000 000 Mark. Ueber 100 Dampfer sind in seinem Dienst, und der Trust besitzt 181 786 Hektar Land, abgesehen von ausgedehnten Pachtungen in Westindien und Mittelamerika. Zur Bewirtschaftung seiner Bananen- und Obstplantagen sind 600 Kilometer Eisenbahn und 270 Kilometer Trambahn in Betrieb, und die Zahl der Pferde, Ochsen und Maultiere beträgt 21 657. Für das deutsche Geschäft werden jetzt vorläufig drei Dampfer gebaut, von denen jeder 70 000 Bananenbündel faßt; die Schiffe machen 15 Knoten, und es wird ein regelmäßiger vierzehntägiger Dienst stattfinden. Der Sitz des deutschen Geschäfts wird Hamburg sein, wo die notwendigen Bureau- und Lagerräume bereits gemietet sind.
Hamburger Anzeiger, 24. Nov. 1911; europeana.eu

Fyffes & Son. in London hatte 1888 begonnen, Bananen von den Kanarischen Inseln zu importieren.

1901 wurde dann durch Entwicklung von Kühlschiffen der Import von Bananen aus Westindien möglich und die Dampfschifffahrtsgesellschaft Elder Dempster Company Ltd. stieg in das Geschäft ein. Die neue Gesellschaft erhielt den Namen Elders & Fyffes.

elders and fyffes 1917

Elders & Fyffes Ltd., Anzeige aus dem Jahrbuch für Telefon und drahtlose Telegraphie 1917; Quelle: https://www.gracesguide.co.uk/Elders_and_Fyffes

1910 kam die Gesellschaft unter die Kontrolle der amerikanischen United Fruit Company, behielt aber ihre eigene Identität.

Die übermächtige United Fruit Company griff massiv in die Politik der Herkunftsländer in Mittelamerika ein. Der bis heute bekannte Begriff der Bananenrepubliken entstand daraus in den 1930er Jahren.

1969 wurde aus Elders & Fyffes die Fyffes Group.

Heute (2022) ist das Unternehmen ein weltweit führender Importeur tropischer Früchte und einer der größten Bananenimporteure Europas. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Bananen in Deutschland liegt aktuell etwa bei 12 Kilogramm pro Jahr.

Nachdem ich keine esse, muss also irgendjemand anderer deutlich mehr verdrücken. Sie vielleicht?

Bananendampfer

„Golfito“, ein typischer weißer Bananendampfer von Elders & Fyffes, Aufnahme von 1950; Quelle: Grace’s Guide to British Industrial History; https://www.gracesguide.co.uk/File:Im1950v189-p064.jpg

Über Kühleinrichtungen auf DADG-Schiffen siehe auch den Blogartikel:
Hatte die Fürth eine Kühlanlage?

Torrens Island Prisoner of War Camp 1915

Auf den Spuren der Seeleute des Dampfschiffes „Fürth“

Die skandalösen Zustände im Torrens Island Internment Camp

Titelbild: Torrens Island Concentration Camp, Aufnahme um 1915, Fotograf P. Dubotzki, © Mitchell Library, State Library of New South Wales, Sydney, ref code: 877360

Über den Boxer Frank Bungardy, den Fotografen Paul Dubotzki und den Trimmer Friedrich Horning

Jeder der australischen Bundesstaaten hatte nach Kriegsausbruch sein eigenes Concentration Camp.

Über das Lager Rottnest Island (West-Australien) hatte ich hier im Blog berichtet, ebenso wie über den Schiffsoffizier Meier, der im August 1914 in Melbourne „gestrandet“ war (In australischer Gefangenschaft) und im März 1915 in das Lager Langwarrin (Victoria) gesteckt wurde.

Am schlechtesten hatte es aber diejenigen getroffen, die von den Polizeibehörden in Südaustralien festgenommen worden waren und in das Torrens Island Internment Camp gebracht wurden.

Zur Erinnerung: Alle Gefangenen waren Zivilgefangene. Es war kein einziger feindlicher Soldat darunter, der bei Kampfhandlungen gefangen genommen worden war.

Adelaide map 1946

Karte von Adelaide, 1946, http://nla.gov.au/nla.obj-887241747

Zur Karte: Die Lage von Torrens Island. Das Stadtzentrum von Adelaide ist unten im Bild, links daneben Port Adelaide mit dem Schiffsanleger Semaphore. Der Outer Harbour ist oben links.

Das Internierungslager Torrens Island lag im Mündungsgebiet des Port River bei Adelaide in Südaustralien. Hierhin wurden nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges Deutsche und Deutschstämmige gebracht, die aufgrund ihrer Herkunft und Abstammung plötzlich Staatsfeinde (enemy aliens) geworden waren. Das gleiche galt auch für Österreicher, Ungarn und Türken.

Das Lager Torrens Island

Torrens Island liegt etwa 15 Kilometer nordwestlich vom Stadtzentrum Adelaide.

Auf der unbewohnten Insel wurde im 19. Jahrhundert eine Quarantänestation errichtet, bei diesen Gebäuden gab es auch den einzigen Bootsanleger.

Ab dem 9. Oktober 1914 diente die Insel als Internierungslager, in dem etwa 400 Personen festgehalten wurden: Seeleute der Schiffe ebenso wie Deutsche oder deutschstämmige Personen.

Direkt nach Ausbruch des Krieges waren die Gefangenen zunächst in eine Militärkaserne (Keswick Barracks) gebracht worden, die sich ähnlich wie in Melbourne dafür auf Dauer zu klein erwies.

Ein erstes Lager auf Torrens Island wurde am Ufer des Port River etwa 500 Meter südlich der Quarantänestation gebaut: eine Zeltstadt, die von bewaffneten Soldaten bewacht wurde.

Torrens Island Camps 1915

Torrens Island mit der Quarantänestation (oben), dem ersten Lager (unterhalb der Quaratänestation) und dem zweiten Lager am südlichen Ende der Insel; Quelle: South Australian Medical Heritage Society; https://www.samhs.org.au/Virtual%20Museum/hospital-andother-orgs/Torrens_Island_Quarantine/Torrens_Island_Quarantine.html

Die ersten Monate waren gekennzeichnet durch schlechte Bedingungen, aber durch eine akzeptable Behandlung: das Camp stand oft unter Wasser und die Gefangenen wurde durch Mücken geplagt.

Die Internierten improvisierten und bauten eine Küche und Toiletten, sammelten Feuerholz und vieles mehr. Sie gründeten Sportvereine oder feierten des Kaisers Geburtstag – sie versuchten sich mit den Bedingungen zu arrangieren und die Zeit herumzubringen. Unter dem Namen „Der Kamerad“ erschienen auch Ausgaben einer handgeschriebenen Lagerzeitung (Digitalisat in der Mitchell Library verfügbar).

Kaiser's birthday 1915, Torrens Island

Kaisers Geburtstag, 1915, Gefangene des Torrens Island Internment Camp, © National Archives of Australia, Referenz MP367/1, 567/3/2202 PART 1

Der neue Kommandant

Die Bedingungen im Lager verschlechterten sich abrupt am 29. Januar 1915: Captain Hawkes löste den bisherigen Kommandanten Captain Butler ab und unter seiner Führung kam es zu den skandalösen Zuständen, für die der Name Torrens Island ab diesem Zeitpunkt stand.

Der Zeitpunkt des Führungswechsels fällt auch mit einer Verlegung des Lagers an das Südende von Torrens Island zusammen, die wohl aus Gründen der Trinkwasserversorgung durchgeführt wurde.

Unter Captain Hawkes kam es zu vielerlei Verstößen gegen die internationalen Regeln von Gefangenen:

– die Rationen entsprachen nicht den vorgegebenen Mengen, das ausgegeben Fleisch bestand oft nur auch Knochen und war für den menschlichen Verzehr nicht geeignet
– die Versorgung der Inhaftierten mit Kleidung war völlig unzureichend
– die Gefangenen mussten Arbeiten verrichten, für die sie nicht bezahlt wurden
– Gefangene wurden bei kleinen Vergehen in einem Strafcamp zusammengepfercht, der Witterung ausgesetzt und schikaniert
– Gepäck wurde von Wachen durchsucht und Wertsachen gestohlen
– ausgehende Post musste frankiert werden, usw.

Am skandalösesten waren jedoch regelmäßig vorkommende tätliche Übergriffe der Wachen auf die Gefangenen, die in Schlägen und anderen Misshandlungen gipfelten: so sollen über 25 Gefangene Verletzungen durch Stiche mit dem Bajonett erhalten haben. Am schlimmste jedoch erwischte es zwei Lagerinsassen, die nach einem Fluchtversuch gefangen genommen und ausgepeitscht worden waren.

Den Gefangenen gelang es, Beweise der Misshandlungen (Fotos) aus dem Lager schmuggeln und dem amerikanischen Konsul zukommen zu lassen. Es gab zwar anschließende Untersuchungen, aber Hawkes sollte es dennoch später bis zum Sergeant bringen.

Zwei Lagerinsassen ist es zu verdanken, dass die skandalösen Haftbedingungen auch heute noch dokumentiert sind.

Das Torrens Island Internment Camp wurde am 16. August 1915 geschlossen und die Gefangenen mit dem Zug nach Liverpool bei Sydney (Lager Holsworthy) gebracht.

Torrens Island camp 1915

Internierte auf Torrens Island, 1915, State Library of South Australia, Ref. B8999

 

Der Boxer Frank Bungardy

Frank Bungardy wurde als Frank von Bungardy 1883 in Hagen geboren. Mit 14 fuhr er zur See, desertierte, lernte in den USA boxen, fuhr erneut zur See, desertierte in Australien, fand Arbeit in einem Hüttenwerk und blieb bis 1909 in Australien. Nach einer kurzen Rückkehr nach Europa beschloss er nach Australien zurückzugehen, wo er als Preisboxer ganz gut Geld machte. Sein Name im Ring: The Iron German. Er heiratete die deutschstämmige Australierin Ida Klopp, mit der er zwei Töchter hatte: Delores und Muriel.

Am 8. Januar 1915 wurde Bungardy verhaftet und nach Torrens Island gebracht. Er hätte sich nicht bei den Behörden gemeldet, ein Vorwurf, den er als unwahr beschreibt.

Bungardy machte auf Torrens Island schriftliche Aufzeichnungen (in englischer Sprache), die heute in der Nationalbibliothek von New South Wales in Sydney erhalten und auch digital abrufbar sind. Eine Transkription davon findet sich hier: http://acms.sl.nsw.gov.au/_transcript/2012/D04276/a2922.html

Zusammen mit dem Fotografen Paul Dubotzki (siehe unten) dokumentierte er die Misshandlungen. Auch diese Unterlagen sind in Sydney erhalten und liegen als Digitalisate vor.

Photographs taken during internment on Torrens Island Camp, ca. 1914-1915, Bungardy, Frank W., MLMSS 261/Box 2/Item 17; seine Erzählungen über Ereignisse im Lager sind im Original an dieser Stelle: MLMSS 261/Box 2/Item 15

1919 wurde Bungardy wie die meisten Internierten nach Deutschland abgeschoben. Er starb 1923 im Alter von 40 Jahren nach einem Knockout bei einem Boxkampf in Kiel.

Eine ausführlichere Biografie finden Sie in einem Artikel der Tageszeitung The Advertiser, Adelaide aus dem Jahr 2014 (in englischer Sprache):
https://www.adelaidenow.com.au/news/south-australia/boxer-frank-bungardy-became-a-minor-celebrity-in-adelaide-only-to-be-locked-up-in-the-torrens-island-internment-camp-during-world-war-i/news-story/0f7b00b3f19389cc51f43b199c488f3e

Internment Camp auf Torrens Island, 1915,

Internment Camp auf Torrens Island, 1915, State Library of South Australia, Ref. B46793

Der Fotograf Paul Dubotzki

Paul Dubotzki wurde 1891 in Ingolstadt geboren. 1914 schloss er sich einer Expedition nach Südostasien als Expeditionsfotograf an, kam auf irgendwelchen Wegen nach Adelaide, wurde dort verhaftet und wurde am 1. Februar 1915 ebenfalls auf Torrens Island interniert.

Völlig überraschend ist für mich, dass er sowohl auf Torrens Island, als auch in den beiden späteren Lagern Holsworthy und Trial Bay, in die er im Anschluss überführt werden sollte, nicht nur seine Kamera behalten durfte, sondern sogar als Fotograf weiterarbeiten konnte. Von dem Verkauf von Fotos konnte er sich wieder neues Material kaufen.

War es die Eitelkeit der Verantwortlichen oder war damals die Kraft von Bildern noch gänzlich unterschätzt? Eine Frage, auf die es wohl heute keine Antwort mehr gibt.

Dubotzki machte in australischer Gefangenschaft über 1000 Fotos. Ans Licht kamen sie jedoch erst 2007 bei Nachforschungen des New South Wales Migration Heritage Center bei Dubotzkis Töchtern in Dorfen im Landkreis Erding.

Die meisten Bilder sind nicht gemeinfrei. Unter dem Stichwort „Dubotzki Collection“ finden Sie in den Suchmaschinen zahlreiche Bildergebnisse online.

Dubotzki wurde nach der Gefangenschaft im Jahr 1919 ebenfalls nach Deutschland abgeschoben. Er eröffnete ein Fotogeschäft in Dorfen, daneben arbeitete er als Maler und Schauspieler. Dubotzki starb 1969.

Paul Dubotzki

Plattenkamera der Marke Globus von Paul Dubotzki im Heimatmuseum Dorfen; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Heimatmuseum_Dorfen_16.jpg

 

Der Kohlenzieher Friedrich Horning

Die dritte Person, von der hier die Rede sein soll, ist der Trimmer (Kohlenzieher) Friedrich Horning. Der Grund dafür ist, dass er mit dem Dampfschiff „Fürth“ nach Australien kam. Über ihn kann ich jedoch nur wenig berichten:

Horning desertierte direkt nach der Ankunft der „Fürth“ in Melbourne:

In der Nacht vom 25./VI. bis 26./VI. desertierten die Trimmer K. F. Paul Jenke (?) u. der Trimmer Fr. Ph. Horning unter Mitnahme ihrer Effekten. Ich stelle Strafantrag gegen obige Schiffsleute wegen Desertion nach den § S.O. W. Richter (Unterschrift)
Siehe: Dampfschiff „Fürth“: Tagebuch-Spezial – Deserteure, Einschleicher und wechselndes Personal

Horning hatte auf der Fahrt von Algoa Bay nach Melbourne den Maschinen-Assistenten W. Heidepriem tätlich angegriffen, ihn erwartete deswegen eine Strafanzeige: SIEHE: Tagebuch (11): Die „Fürth“ in den Roaring Forties

Von Melbourne muss Horning nach Südaustralien gekommen sein (Adelaide liegt von Melbourne gut 700 km entfernt). Horning wurde am 23. Dezember 1914 auf Torrens Island interniert. Er war nach Kriegsausbruch zunächst auf freiem Fuß, meldete sich aber vielleicht nicht regelmäßig auf einer Polizeistation, was den Enemy Aliens zur Auflage gemacht worden war. So heißt es als Grund für die Internierung Not complying with parole.

Anmerkung: Ich gehe derzeit davon aus, dass es sich bei dem Trimmer Friedrich Horning um die gleiche Person handelt, die auf Torrens Island interniert wurde. Eine zufällige Namensgleichheit kann ich nicht ausschließen, halte sie aber für sehr unwahrscheinlich.

Wer erkennt in Friedrich Horning einen seiner Vorfahren?

Außer dem Foto und den beiden Hinweisen aus dem Logbuch der „Fürth“ und dem Namenseintrag in der Liste der internierten Personen auf Torrens Island habe ich leider keine weiteren Hinweise auf seine Identität.

Friedrich Horning 1917

Friedrich Horning, Aufnahme vom Juni 1917; Quelle: https://torrensislandinternmentcamp.com.au/internees_2.html

Weitere Informationen

Einen sehr ausführlichen Artikel (in englischer Sprache) über das Lager Torrens Island gibt es auf der Facebookseite der Port Adelaide Historical Society Incorporated. Er wurde am 19. November 2020 veröffentlicht. Dort finden sich auch ein paar Tagebuchauszüge von Frank Bungardy (ebenfalls in englischer Sprache).

1000 Mark Banknote 1909

Der Schatz des Kapitän Wellhöfer

Über Havarien und Bergelohn

Titelbild: Reichsbanknote 1000 Mark von 1910; Quelle: commons.wikimedia.org

Vorfreude

Dieser Blogartikel erzählt die Geschichte von Carl Wellhöfer, einem Kapitän der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, der im Dezember 1911 mit seinem Dampfschiff „Adelaide“ nach Australien unterwegs war und auf dieser Fahrt ein kleines Vermögen machte.

Sichtlich gut gelaunt erreichte er mit ein paar Tagen Verspätung Australien und berichtete einem Journalisten von seinen Erlebnissen.

Zu diesem Zeitpunkt wusste er bereits, dass nach der Rückkehr in Hamburg eine schöne Summe Bergelohn auf ihn wartete.

Das gleiche galt auch für die anderen Besatzungsmitglieder, wenn auch in deutlich bescheidenerem Umfang. Die Stimmung an Bord dürfte also allgemein gut, wenn nicht sogar ausgelassen gewesen sein.

Lesen wir im Folgenden, was Kapitän Wellhöfer widerfahren ist.

Die Geschichte beginnt im Atlantischen Ozean vor der afrikanischen Küste.

Adelaide ship 1911 German Australian Line

Der Frachtdampfer „Adelaide“ (1911), gebaut von der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft, Aufnahme aus den Jahren 1911-1914; © R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, S. 30, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984.

GERMAN LINER SALVAGED.

Captain Charles Wellhofer, of the German Australian liner Adelaide, which arrived at Melbourne last Saturday, after a trip from Hamburg occupying 59 days, is in rare good humour as the result of an incident which occurred during the voyage. He had been 21 days out, and was steaming down the west coast of Africa in a steady sea when one evening his look-out man reported signals of distress.

 

Charles Wellhöfer hieß eigentlich Carl mit Vornamen, aber vielleicht hat er sich im Commonwealth selbst auch Charles genannt.

Die „Adelaide“ war zu diesem Zeitpunkt von der Reederei auf der Linie 3 der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft disponiert, das heißt das Schiff lief von Hamburg über Antwerpen und Lissabon nach Kapstadt und Algoa Bay (Südafrika) nach Melbourne, Sydney und Brisbane.

Nach 21 Tagen auf See hatte eine der Wachen ein Seenotsignal bemerkt und gemeldet.

 

Captain Wellhofer, who had turned in, hurried on deck, and soon had the Adelaide within hailing distance of the German East African liner Usambara, of 8000 tons, which lay rolling helplessly in the ocean swell. Enquiry elicited that she had lost her propeller two days previously. The shaft and casing had broken, and the after peak was full of water. She was about 40 miles off Dakar, in French Senegal, and it was arranged that she be towed into port by the Adelaide.

Die Deutsche Ost-Afrika Linie (DOAL, German East African Line) war 1890 in Hamburg gegründet worden. Die Dampfer der Linie beförderten Fracht und Passagiere nach Häfen in West-, Süd- und Ostafrika. Das Deutsche Kaiserreich verfügte auf dem afrikanischen Kontinent über einige Kolonien.

Die „Usambara“ war 1903 von Blohm & Voss in Hamburg als „Edfu“ für die Deutsche Dampfschiffahrts Gesellschaft Kosmos gebaut worden. 1911 wurde das Schiff an die DOAL verkauft und in „Usambara“ umbenannt. Nach dem Ersten Weltkrieg musste die “Usambara” an Frankreich abgegeben werden, wurde „Montana“ genannt und war für die Cie. Générale Transatlantique (CGT) in Fahrt. Sie strandete am 22. März 1928 auf der zu Guadeloupe gehörigen Insel La Désirade.
(Quelle: Wrecksite.eu; https://www.wrecksite.eu/wreck.aspx?135909)

Das Schiff hatte ein Ladevermögen von 8.000 Tonnen bei einer Länge von 125 Metern (zum Vergleich das Dampfschiff „Fürth“: 7010 Tonnen Tragfähigkeit, 118 m Länge).

Die Achterpiek (after peak) ist ein kleiner Raum im Heck eines Schiffes.

French Senegal: Senegal war bis 1960 eine französische Kolonie.

Curiously enough, the Usambara was not fitted with wireless telegraphic apparatus, while two sister ships, cruising in the same waters, were so fitted. It was the inability of the Usambara to communicate with these ships that put Captain Wellhofer in such good humour.

Die fehlende Telegrafenausrüstung war also dafür verantwortlich, dass das Schiff „Usambara“ keine Hilfe bei der eigenen Reederei anfordern konnte. Und jetzt kam ausgerechnet die „Adelaide“ dem Schiff zu Hilfe: ausgerechnet deshalb, weil die „Adelaide“ das erste Schiff der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft war, welches mit einer Anlage zur „drahtlosen Telegraphie“ ausgestattet war. SIEHE: Telegrafie per Funk

morse-key-marconis-wireless-telegraph-circa-1899-659720-large

Morsetaste für Funktelegrafie, ca. 1899 © Museums Victoria (Australien), https://collections.museumvictoria.com.au/items/404170

He rode the derelict into port with little mishap beyond a broken tow rope, and thus complied with the German regulations for claiming salvage money. The Usambara was laden almost at the Plimsoll line with general merchandise, and would have been even more valuable from a salvage point of view if she had been carrying passengers. It occupied about four days to tow the disabled steamer into port.

Die Tatsache, dass die “Adelaide“ die manövrierunfähige „Usambara“ in den Hafen von Dakar eingeschleppt hatte, brachte die Zahlung eines Bergelohns mit sich (siehe unten). Je mehr und wertvoller das Schiff beladen war, desto höher viel dieser Bergelohn aus, deshalb auch die Bemerkung „was laden almost at the Plimsoll line“, was heißen soll, dass das Schiff gut beladen war. Zur Plimsoll-Linie siehe: Logbuch der „Fürth“ (4) – Abfahrt aus Hamburg

Im Fall von Passagieren an Bord wäre der Bergelohn höher ausgefallen. Auch die aufgewendete Zeit spielte bei der Festlegung des Bergelohns eine Rolle.

The task of affixing the tow rope in the first instance was accomplished in somewhat forbidding circumstances. The sea, states Captain Wellhofer, was literally alive with sharks that had congregated about the Usambara, and if there had been a case of „man overboard“ that man’s life would not have been worth a pin’s purchase.
The Advertiser, Adelaide, Mi 14. Februar 1912, S. 8

Zum Abschluss bringt der Redakteur mit dem Hinweis auf die Anwesenheit von Haien bei dem Manöver auf See noch eine Portion Abenteuer für seine Leser ins Spiel.

Dakar Harbour about 1915

Dakar, Hafeneinfahrt von einem einlaufenden Schiff, Aufnahme von ca. 1914-18, Australian War Memorial, Ref. HO2298; https://www.awm.gov.au/collection/C244585

Im Seeamt zu Hamburg

Drei Monate nach der Bergung der „Usambara“ befasste sich das Seeamt in Hamburg mit dem Vorfall.

Verhandlungen des Seeamts zu Hamburg.
Den 27. März 1912

Hierauf wurde verhandelt über zwei Unfälle an Bord des zur „Deutsch-Ost-Afrika Linie“ in Hamburg gehörenden, 3850 Reg.-Tons netto großen Dampfers
„Usambara“, Kapitän Greiwe.
Auf der Reise von Las Palmas nach Durban, am 28. Dezember 1911, wurde aus dem Maschinenraum nach der Brücke gemeldet, daß die Maschine gestoppt werden müßte, weil die hintere Tunnelwelle schlage und Propellerschaft, sowie Sternrohr warm liefen. Es wurden sämtliche Segel gesetzt und versucht, das Schiff im Dampfertrakt von und nach Kapstadt zu halten, jedoch blieb das Schiff steuerlos. Auch wurde versucht, mit ganz langsamer Fahrt Dakar zu erreichen, aber ohne Erfolg; alle Versuche, mit der Maschine weiter zu arbeiten, mußten aufgegeben werden, da sich herausstellte, daß die Schwanzwelle gebrochen war. Der Unfall ereignete sich auf 16 Gr. 40 Min. N Br. und 14 Gr. 26 Min. W Lg. Am 30. Dezember um 1 Uhr morgens kam der zur Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft in Hamburg gehörende Dampfer „Adelaide“, Kapitän Wellhöfer, herbei, der die „Usambara“ ins Schlepptau nahm und nach Dakar bugsierte.
Es hat eine Besichtigung der gebrochenen Welle stattgefunden, wobei festgestellt wurde, daß an dem Material, aus dem die Welle angefertigt, nichts auszusetzen war. Anscheinend hat sich an der Bruchstelle ein kleiner Riß befunden, der bei der Besichtigung nicht entdeckt worden ist.
Der Reichskommissar führt den Unfall auf eine hohe Beanspruchung der Welle zurück, nicht etwa auf irgendwelche Mängel oder schlechtes Material.
Das Seeamt gab folgenden Spruch ab:
„Der Dampfer „Usambara“ hat am 28. Dezember 1911 auf der Reise von Las Palmas nach Durban einen Bruch der Schraubenwelle erlitten und ist am 30. Dezember von dem Dampfer „Adelaide“ ins Tau genommen und nach Dakar eingeschleppt worden. Die Ursachen des Wellenbruchs waren nicht festzustellen. Mängel des Materials oder Mängel in der Beaufsichtigung und Behandlung der Welle haben nicht vorgelegen und es trifft weder die Schiffs- noch die Maschinenleitung für den Unfall eine Verantwortung.“

Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 28. März 1912

Anmerkungen:

Kapitän Greiwe hatte versucht die „Usambara“ im „Dampfertrakt zu halten“, was heißen soll, dass er versuchte das Schiff auf einer Position zu halten, die regelmäßig von Schiffen auf dem Weg nach Südafrika befahren wurde. Abseits dieser befahrenen Schifffahrtsroute wäre so schnell kein Schiff vorbeigekommen, das die Notsignale aufnehmen hätte können.

Die Positionsangabe kann nicht stimmen, 14° 26‘ w‘ Länge sind bei der angegeben Breite auf dem afrikanischen Festland.

Der Bergelohn

Eine andere Quelle gibt uns Auskunft, wie hoch der Bergelohn war, den die Deutsch-Ost-Afrika Linie der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft für die Bergung zahlen musste:

D. „Adelaide“, auf der ersten Reise und als Erster mit drahtloser Telegraphie meldete, daß er am 30. Dezember 1911 den Dampfer „Usambara“ betriebsunfähig, etwa 525 Seemeilen von Dakar entfernt, angetroffen und am 3. Januar eingeschleppt hätte. Für diese Bergung sind 100 000 M vergütet worden.
Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Otto Harms (1933), Schröder & Jeve, Hamburg.

Anmerkung:  Wie weit die „Adelaide“ von Dakar entfernt war, als sie die „Usambara“ antraf, bleibt offen, die Angaben sind widersprüchlich.

In anderen Fällen hatten sich Dampfschiffe der DADG in Schwierigkeiten befunden und die Reederei musste ihrerseits Bergelohn an andere Unternehmen und Mannschaften auszahlen. Aber:

„Es liegt aber auch eine ganze Anzahl von Fällen vor, in welchen unsere Dampfer helfend eingreifen konnten und welche der Reederei und den Besatzungen gute Entschädigungen einbrachten.“
(gleiche Quelle)

20 Mark Goldmünze Deutsches Reich 1909, Bild: Pixabay

20 Mark Goldmünze Deutsches Reich 1909, Bild: Pixabay

Die Aufteilung

Insgesamt waren also 100 000 Mark Bergelohn aufzuteilen. Schauen wir uns an, wie die Teilung erfolgt sein könnte.

Im Handelsgesetzbuch heißt es unter § 747 Ausgleichsanspruch der Schiffsbesatzung

(1) Wird ein Schiff oder dessen Ladung ganz oder teilweise von einem anderen Schiff geborgen, so wird der Bergelohn oder die Sondervergütung zwischen dem Schiffseigner oder Reeder, dem Schiffer oder Kapitän und der übrigen Besatzung des anderen Schiffes in der Weise verteilt, dass zunächst dem Schiffseigner oder Reeder die Schäden am Schiff und die Unkosten ersetzt werden, und dass von dem Rest der Schiffseigner oder Reeder zwei Drittel, der Schiffer oder Kapitän und die übrige Besatzung je ein Sechstel erhalten.
Quelle: HGB Stand 31.7.2009 https://www.leipziger-logistik.de/files/hgb-handelsgesetzbuch.pdf

Die unten stehenden Zahlen weisen darauf hin, dass der Aufteilungsschlüssel früher gleich war.

Die Reederei konnte demnach von den 100 000 Mark zunächst ihre Unkosten abziehen und wird davon auch großzügig ausgelegt Gebrauch gemacht haben, schließlich war die DADG für ihr sparsames Wirtschaften bekannt:

Hafengebühren in Dakar, das gerissene Tau, der zusätzliche Kohlenverbrauch beim Schleppen, der Zeitverlust von vier Tagen inklusive der Mehrzahlung an Heuer für die Besatzung und ihre Verpflegung dürften alle in der Unkostenaufstellung wiederzufinden gewesen sein.

Von der Restsumme blieben dann weitere Zweidrittel in der Kasse der Reederei und ein Drittel wurde zu gleichen Teilen zwischen dem Kapitän und der ganzen Mannschaft aufgeteilt (jeweils ein Sechstel).

Die Aufteilung des für die Mannschaft bestimmten Sechstels lag in der Verantwortung des Kapitäns:

Paragraph 747: Ausgleichsanspruch der Schiffsbesatzung

(2) Der auf die Schiffsbesatzung mit Ausnahme des Schiffers oder Kapitäns entfallende Betrag wird unter alle Mitglieder derselben unter besonderer Berücksichtigung der sachlichen und persönlichen Leistungen eines jeden verteilt. Die Verteilung erfolgt durch den Schiffer oder Kapitän mittels eines vor Beendigung der Reise der Besatzung bekannt zu gebenden Verteilungsplans, in dem der Bruchteil festgesetzt ist, der jedem Beteiligten zukommt.
Quelle: HGB Stand 31.7.2009 https://www.leipziger-logistik.de/files/hgb-handelsgesetzbuch.pdf

Auf den Aushang oder die Bekanntgabe dieses Plans dürfte die Mannschaft mit großer Spannung gewartet haben.

Die Summen

Einen Anhaltspunkt für die Auszahlungssummen gibt uns ein anderer Fall, bei dem der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft ebenfalls ein Bergegeld zugestanden wurde. Für die Bergung des schottischen Dampfers „Glenlochy“ durch das Schiff „Meißen“ hat Harms (1933) die an die Mannschaft verteilten Beträge pfenniggenau aufgeschlüsselt.

Dazu die Tabelle von Seite 115:

Bergelohn Aufteilung 1905

Bergelöhne für Kapitän und Mannschaft des Dampfschiffes „Meißen“ nach Einbringung des Dampfers „Glenlochy“ der schottischen Glen Line, Glasgow am 10. Juni 1904 in Aden; Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Otto Harms (1933), Schröder & Jeve, Hamburg

Der Gesamtbetrag des Bergelohns belief sich auf £ 7.500, das entsprach vor dem Ersten Weltkrieg etwa 153 000 Mark.

Bei den gelisteten Beträgen dürfte es sich um die ausgezahlten Summen handeln (netto, nach Abzügen).

Grob nachgerechnet hatte von dem Bergelohn (153 000 Mark) die Reederei 15 000 Unkosten in Abzug gebracht und die verbleibenden 138 000 Mark aufgeteilt, so dass der Reederei zwei Drittel verblieben (92.000 Mark), ein Sechstel dem Kapitän (23.000) und ein Sechstel der Mannschaft (23.000).

„Usambara“

Wenn wir annehmen, dass die Reederei im Fall „Adelaide“/„Usambara“ gleich hohe Unkosten in Abzug brachte, bleiben rund 85 000 Mark aufzuteilen (um runde Zahlen zu bekommen, rechne ich mit 84 000 Mark). Von diesen 84 000 Mark verbleiben 56 000 Mark bei der DADG, 14 000 Mark beim Kapitän und weitere 14 000 Mark bei der Mannschaft.

Halten wir fest: Kapitän Wellhöfer müsste für die Bergung unter der Annahme gleicher Proportionen wie oben einen Bergelohn von etwa 14.000 Mark erhalten haben. Das dürften für ihn mehr als zwei Jahresgehälter gewesen sein.

Aber auch für die Mannschaft, insbesondere die Offiziere hatte sich die Bergung der „Usambara“ gelohnt. Die oben genannten Einzelbeträge wären laut meiner Rechnung mit dem Faktor 0,6 anzusetzen (wobei wir nicht wissen, wie Kapitän Wellhöfer die Summe unter der Mannschaft aufgeteilt hat).

Zur besseren Einordnung des Bergelohns hier noch einmal die monatlichen Heuersätze der Seeleute (Angaben für das Jahr 1914). Quelle: Die Musterrolle (Originaldokument aus den Jahren 1913/1914)

Offiziere
1. Offizier: 220 Mark
2. Offizier: 170 Mark
3. Offizier: 130 Mark
4. Offizier: 120 Mark

Mannschaft
Zimmermann: 95 Mark
1. Bootsmann: 90 Mark
2. Bootsmann: 80 Mark
Matrosen: 73 Mark
Leichtmatrosen: 40 Mark
Jungen: 20 Mark

Koch: 120 Mark
Kochmaat: 55 Mark
1. Steward 75 Mark
2. Steward: 35 Mark

Maschinisten:
1. Maschinist: 375 Mark
2. Maschinist: 270 Mark
3. Maschinist: 200 Mark
4. Maschinist: 125/150 Mark
Maschinisten-Assistenten: 75/60 Mark

Heizer: 83 Mark
Trimmer:73/55 Mark

reichsmark1913

Bild: Pixabay

Kapitän Wellhöfer

Was Kapitän Carl Wellhöfer mit dem Geld machte, weiß ich nicht. Informationen gibt es aber zu seinem weiteren Lebensweg:

Er blieb Kapitän bei der DADG, beziehungsweise bei deren Nachfolgegesellschaften, den Deutsch-Austral und Kosmos Linien und ab 1926 bei der HAPAG, in die diese Reedereien aufgingen.

Es dauerte allerdings bis in dieses Jahr 1926, bis er als Schiffsführer wieder regelmäßig in australischen Hafenstädten anzutreffen war.

1932 unternahm er seine letzte Australienfahrt und ging in den Ruhestand.
(Newcastle Morning Herald and Miner’s Advocate, 19. Juli 1932, S. 9).

Strelitz Brothers

Die „Fürth“ und die Gebrüder Strelitz in Fremantle, Logbuch (17)

Von Hamburg nach Fremantle – eine Erfolgsgeschichte

Bildnachweis Titel:
Abbildung zusammengesetzt aus zwei Bildern in: Führende Geschäftsleute Westaustraliens, eine Seite mit 29 Porträts in der Weihnachtsausgabe der Zeitung Western Mail, Perth, Fr. 16. Dez 1898, S. 148, Leading Commercial Men of Western Australia (trove.nla.gov.au)

Abfahrt aus Adelaide

Am frühen Nachmittag des 24. Juli 1914 legte die „Fürth“ in Adelaide ab und versegelte nach Fremantle an der australischen Westküste.

Fremantle war ab etwa dem Jahr 1900 der wichtigste Hafen Westaustraliens direkt bei der Hauptstadt Perth. Heute ist die Agglomeration mit über 2 Millionen Einwohnern das viertgrößte Ballungszentrum Australiens.

1.27 pm am Quai, Schiff los, Anfang d. Reise; Lotse Thomsen, Schlepper „Wato“

1.56 pm Lotse von Bord. Anfang d. Seereise

3.58 Troubridge Sh. Pos. S 71° W

4.35      “                4 Str. Pos. West

5.10        “               quer Pos. N 45° W 6 sml ab

5.20 Marion Rock quer Pos. N 45° W 4 sml ab

Ruhige See

7.15 Althorp Pos. S 82° W i./d. Kimm

9.23    “          Pos. N 48° W 4,5 sml ab

ab 11.10 Nebel, fahren reduziert und geben Nebelsignale

12 h South Neptunes Pos. N 45° W in 4 Str.
fahren wieder voll

25. Juli 1914

0.45 Neptunes Isl. Pos. N 8 sml ab

2.25         “             Pos. N 67° O i./d. Kimm

Leicht bewegte See.

Wato Adelaide

Der Schlepper „Wato“ in Port Adelaide, Foto, William Charles Brooker Collection, um 1922; Quelle: State Library of South Australia [PRG 1316/10/102]

Anmerkungen:

Das Troubridge Island Lighthouse war von 1856 bis 2001 in Betrieb und heute Teil eines Naturparks. Die Insel liegt im Gulf Saint Vincent, einer großen Meeresbucht, an der auch Adelaide liegt.

Marion Bay und Althorp Island liegen am Ausgang des Gulf Saint Vincent ins offene Meer.

Die South Neptune Islands sind zwei kleine Inseln, sie liegen am Eingang des Spencer Gulf. Seit 1901 gibt es auf South Neptune Island. Die Inseln sind bekannt für Haifischtourismus. Falls es Ihnen Spaß macht, in einen Käfig zu steigen und einem Weißen Hai tief ins Auge zu schauen, sind Sie hier richtig.

Die beiden Inseln sind die letzten Landmarken, die vor dem Durchqueren der Großen Australischen Bucht an der Südküste Australiens eingetragen wurden.

Die drei Tage auf hoher See wurden wieder genutzt, um verschiedene Decksarbeiten durchzuführen:

Hintere Taglaterne wurde gerichtet u. überholt; neue Birne eingesetzt.

Malten Boote u. Bootsdeck

Bootsinventar wurde überholt. Es fehlen 2 Oelbeutel u. 1 Axt

Malten auf Bootsdeck

Luken zur Ventilation geöffnet

 

Am 27. Juli 1914 wurde das Wetter zunehmend ungemütlich: Regen, grobe See mit Wasser über Deck und Luken und später sogar übers ganze Schiff.

Neptune Island Lighthouse

South Neptune Island Lighthouse, um 1910; Quelle: State Library of South Australia Ref. [B 6480]; der Leuchtturm wurde in den 80er Jahren abgebaut und steht heute in Port Adelaide vor dem South Australian Maritime Museum.

In Westaustralien

Am 28. Juli um 3.45 Uhr in der Nacht, kam dann als erste Landmarke Breaksea Island in Sicht, die in der Nähe der westaustralischen Stadt Albany am Ausgang der Frenchman Bucht liegt. Der erste Leuchtturm der Insel wurde 1858 erbaut, der heute noch existierende ist aus dem Jahr 1902.

Grobe See.

3.45 Breaksea Isl. Pos. N 62° W i./d. Kimm

4.22      “           Pos. N 58° W

4.46          “        Pos. N 13° W 14 sml ab

6.45 Eclipse Isl. Pos. N 13° W

7.29 Cap Howe Pos. N 36° W

8.18      “           Pos. N 9° O 9 sml ab

Bewegte See

11.55 Chatham Isl. Pos. N 58° W

          Saddle Isl. Pos. N 7° O

1.40 White Topped Rck Pos. N 43° W; 1.58 dass. N 34° W

2.16       “                       Pos. N 11° O 3 ½ sml ab

3 h           “                    Pos. S 87° O, Entrerastreux Pt. N 27° W

6.42 C. Leuwin Pos. N 29° W i./d. Kimm

7.15        “         Pos. N 17° W 4 Str.

8.0          “         Pos. N 19° O

8.12        “         Pos. N 28° O 11 sml ab

10.7       “         Pos. S 64° O i./d. Kimm

SWl. Dünung

11.8 C. Naturaliste Pos. N 26° O i./d. Kimm

Anmerkungen:

Eclipse Island liegt südlich der Stadt Albany, 3,8 Seemeilen vom Festland.

West Cape Howe ist eine Landzunge westsüdwestlich von Albany.

Chatham Island und Saddle Island liegen vor der Südwestküste Australien in unmittelbarer Nähe zum Festland.

White-topped Rocks: Man kann sich denken, dass die weißen Spitzen auf Exkremente von Vögeln zurückzuführen sind:

„consist of two rocks; the higher and western rock is 109 feet (33.2 m.) high, about 200 yards long, and 100 yards broad, having a jagged top whitened by guano deposit.”
Australia Pilot, Vol. 1, South Coast of Australia from Cape Leuwin to Cape Northumberland, 2. Aufl. 1930; United States Navy Department, Hydrographic Office über books.google.fr

Der Entrecasteaux Point ist ein hohes Kliff:

“composed of reddish perpendicular cliffs about 400 feet (121.9 m.) high, is one of the most remarkable projections on this part of the coast.” (gleiche Quelle)

Der Name geht zurück auf Antoine Bruni d’Entrecasteaux oder in voller Länge Antoine Raymond Joseph de Bruni, chevalier d’Entrecasteaux. Der Marineoffizier erkundete 1792 die australische Küste, während er auf der Suche nach seinem verschollenen Landsmann Jean-François de Galaup, compte de Lapérouse war, der es leider aber auch blieb.

Die Landzunge Cape Leuwin bildet den südwestlichsten Punkt des australischen Kontinents mit einem 39 Meter hohen Leuchtturm aus dem Jahr 1895.

Im August 1909 hatte der Leuchtturmwärter von Cape Naturaliste ein von ihm gesichtetes Rettungsboot der „Fürth“ zugeschrieben. Es stellte sich jedoch heraus, dass es ein Boot der französischen Bark „Gaël“ war, die vor der australischen Küste gesunken war. SIEHE: Suche nach der Waratah

Fremantle Harbour, ca. 1910, State Library of Western Australia, 230753PD

Der Hafen von Fremantle um das 1910, Quelle: State Library of Western Australia, Nr. 230753PD

Ankunft in Femantle, 29. Juli 1914

0.45 C. Naturaliste Pos. N 45° O

2.6     “                     Pos. Ost 15 sml ab

SWl. Dünung

12 h 0 Ende d. Seereise

 

0.13 Lotse Williamson an Bord, Schlepper Wyola

1.0 Doktor Visite

1.25 Ende d. Reise. Schiff fest zwischen Schuppen A u. B

Tiefgang v. 20‘3“; h. 22‘2“; Mitte 21‘2 ½“

 

Schlepper Wyola

Der Schlepper „Wyola“ war 1912 in Dienst gestellt worden:

THE NEW TUG WYOLA.
Further particulars were received yesterday from London in connection with the new tug recently launched for service at Fremantle. The advices state that the tug has a length of 125 ft. by 24ft. 6in. beam, by 13ft. 6in. draught, with triple expansion engines capable of developing 1200 horse-power and driving the vessel at. a speed of 11 1/2 knots. She has also been fitted with a very powerful salvage pump and electric light has been installed stated to be thoroughly up-to-date in all respects, and when she arrives Fremantle will be in the position of having one of the most powerful and efficient tugs in Australia.
Quelle: Daily Commercial News and Shipping List, Sydney, 16. Jul. 1912, S. 4.

Im Ersten Weltkrieg wurde der Schlepper von der Admiralität requiriert und war in Malta im Einsatz. 1920 kehrte er nach Fremantle zurück.

Fremantle harbour, 1910

Hafen von Fremantle im Jahr 1910. © Schmelzkopf 1984 aus der Sammlung Vonarb. Im Bild vorne zwei in England gebaute DADG-Schiffe, sog. Glattdecker.

In Fremantle

Die Reise von Adelaide nach Fremantle dauerte gut 5 Tage. Die Distanz von 1358 Seemeilen wurde mit einer Durchschnittsfahrt von 11,4 Knoten zurückgelegt. Die „Fürth“ blieb zum Beladen rund einen Tag und neun Stunden in Fremantle.

Anfg. d. Reise 24./7. 1 h 27 pm
Ende d. Reise 29./7. 1.25 pm
Dauer d. Reise 4 Tage 23 h 58 m
Zt. U. Sch. + 1 h 30 m
wahre Reisedauer 5 Tage 1 h 28 m
Rev. Zt. Adelaide 0 h 29 m
Rev. Zt. Fremantle 1 h 25 m
reduz. Fahrt 24./7. 0h 50 m
[zus.] 2 h 44 m
Dauer d. Seereise 4 Tage 22 h 44 m

Gesamt Distanz 1358 sml
Rev. Dist. Adel. 3 sml
Rev. Dist. Fremantle 6 sml
reduz. Fahrt 7 sml
[zus.] 16 sml
Seedistanz 1342 sml

Durchschnittsfahrt 11.4 kn

Laden v. 2 h pm bis 9.30 h pm mit 5 Gängen

Laden v. 9.30 h pm bis 10.0 pm mit 4 Gängen

Laden v. 10 h pm bis 10.30 pm mit 1 Gang

Wache II. Offz. Nagel

 

Donnerstag, d. 30. Juli 1914 Schönes Wetter

Laden v. 8 h am bis 5 h pm mit 5 Gängen

Laden v. 5 h pm bis 5.30 pm mit 4 Gängen

Laden v. 7 pm bis 9 h pm mit 2 Gängen

Laden v. 9h pm bis 10 h pm mit 1 Gang

Nahmen ca. 13 Tons Trinkwasser

10 h pm fertig, machten das Schiff seeklar

Tiefgang v. 22‘1“; h. 24‘0“; Mitte 23‘ ½“

Liegezeit Fremantle 1 Tag 8 h 58 m

Deck u. Räume wurden auf Einschleicher abgesucht, niemand gefunden

10.23 Anfang d. Reise, Lotse Williamsen, Schlepper Wyalo

10.50 Lotse von Bord; 11.15 pass. Leuchtboje an B.B. Anfang d. Seereise

SWl. Dünung

Das Absuchen des Schiffes nach blinden Passagieren war nicht erfolgreich. Es blieb eine Person versteckt, die nicht gefunden wurde. SIEHE Dampfschiff „Fürth“: Tagebuch-Spezial – Deserteure, Einschleicher und wechselndes Personal

 

Perth map 1900

Karte von Perth und Fremantle, 1900, State Library of Western Australia, Quelle: redbubble.com; Beschriftung „Perth“ und „Fremantle“ zur Verdeutlichung eingefügt

 

Die Gebrüder Strelitz 

In Fremantle/Perth hatte die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) einen Makler: Die Strelitz Brothers

Paul Strelitz

Paul Strelitz war gebürtiger Hamburger und am 8. Juli 1887 mit dem Dampfschiff „Potosi“ der Orient Line von London nach Australien gekommen, genauer gesagt in die Colony of Victoria, nach Melbourne.

Er wohnte in 123 Gipps Street in East Melbourne und hatte eine Arbeit als Büroangestellter („clerk“).

Nach zwei Jahren, am 26. Juni 1889, beantragte Strelitz im Alter von 23 Jahren die Einbürgerung in die Colony of Victoria in Form eines „Memorial for Letters of Naturalization“:

“SIR,

I have the honour to submit a Memorial for Letter of Naturalization, and beg to request that it may be laid before His Excellency the Governor as early as convenient.

I have the honour to be, Sir, Your obedient Servant, Paul Strelitz (Unterschrift)”

Gerichtet werden musste der Einbürgerungsantrag an den Gouverneur von Victoria, im Original lautete der pompöse Wortlaut der Anrede wie folgt:

“To His Excellency SIR HENRY BROUGHAM LOCH, Knight Grand Cross of the Most Distinguished Order of St. Michael and St. George, Knight Commander of the Most Honorable Order of the Bath, Governor and Commander-in-Chief in and over the Colony of Victoria and its Dependencies, &c., &c., &c.”

Nach der Eintragung seiner persönlichen Angaben und vor seiner Unterschrift stand im Einbürgerungsantrag noch der folgende Text, der dafür warb, eine positive Antwort zu erhalten:

“Your Memorialist, therefore, prays that Your Excellency may be pleased to grant to your Memorialist Letters of Naturalization, under the Act of the Parliament of Victoria numbered 256, subject to the provisions therein contained, and subject also to such conditions as Your Excellency may consider necessary or advisable.
And Your Memorialist will ever pray.”

Dem Antrag von Paul Strelitz wurde mit Schreiben vom 12. Juli 1889 stattgegeben. Um die Urkunden „Letters for Naturalization“ zu bekommen, musste er nur noch den Fahneneid („Oath of Allegiance“) leisten und natürlich eine Verwaltungsgebühr bezahlen. Paul Strelitz legte den Fahneneid am 24. Juli 1889 ab:

„I DO sincerely promise and swear that I will be faithful and bear true allegiance to Her Majesty Queen Victoria, as lawful Sovereign of the United Kingdom of Great Britain and Ireland and of this Colony of Victoria – SO HELP ME GOD.”

Quelle: Strelitz, Paul – naturalization, National Archives of Australia, A712, 1889/N8252

Victoria Quay, Fremantle, approximately 1907, State Library of Western Australia, 129205PD

Das Victoria Quay in Fremantle, West-Australien, ungefähr 1907, Quelle: State Library of Western Australia, Nr. 129205PD

Paul und Richard – Die Strelitz Brothers

Paul Strelitz hatte einen jüngeren Bruder, Richard. Dieser soll 1892 nach Melbourne gekommen sein und im Jahr darauf einen Posten bei einer Schifffahrtsagentur in Fremantle, Westaustralien erhalten haben.

1894 folgte Paul seinem Bruder dorthin und die beiden gründeten ihr eigenes Unternehmen: Strelitz Brothers, Merchants and Shipping Agents of Fremantle and Kalgoorie.

Die Brüder hatten die Vertretung für die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft und The United Tyser Line, einer Gemeinschaftslinie aus DADG, DDG Hansa und The Tyser line, London. SIEHE: Im Auftrag Rockefellers

Eine weitere Vertretung bestand für die Fa. Nobel in Hamburg. Durch den westaustralischen Goldrausch in den 90-er Jahren des 19. Jahrhunderts sollten Sie vermögende Kaufleute werden, zumal sie auch noch Bergbaumaschinen und Eisenbahnmaterial importierten.

Coolgardie, Strelitz

Ausstellungsstand der Gebrüder Strelitz in der Bergbaustadt Coolgardie, Foto von Hemus and Hall, Coolgardie Pioneer, 22. April 1899, S. 18; Coolgardie war damals nach Perth und Fremantle die drittgrößte Stadt Westaustraliens, heute ist sie als „Ghosttown“ nur noch von touristischem Interesse.

Ein weiteres Unternehmen der Gebrüder Strelitz importierte Fotomaterial nach Westaustralien (Optical and Photo Supplies Company); die beiden Brüder waren zusammen mit dem Partner George Gilbert Martin auch Inhaber der General Electric and Engineering Company.

Der wirtschaftliche und gesellschaftliche Aufstieg der Gebrüder Strelitz wurde durch politische Ämter weiter vorangetrieben. Paul wurde zum Konsul von den Niederlanden ernannt und sein Bruder Richard wurde dänischer Konsul und schwedischer Vize-Konsul.

Strelitz Brothers Fremantle

Adressbuch für Westaustralien 1907, Quelle: State Library of Western Australia, https://www.slwa.wa.gov.au/pdf/battye/pods/1907/0410.pdf

Richard Strelitz hatte ein Faible für Automobile und er importierte eines der ersten Autos nach Westaustralien. Er beschäftigte den ersten Chauffeur und später war er maßgeblich an der Gründung eines Automobilclubs beteiligt, der dann in den RAC – Royal Automobile Club of West Australia aufging. Dieser existiert noch heute und ist nach eigenen Angaben der Automobilclub mit dem weltweit größten geografischen Einzugsbereich.

Privat waren beide Strelitz Brüder mit australischen Frauen verheiratet; die Familien bewohnten luxuriöse Anwesen in Peppermint Grove und Mosham am Unterlauf des Swan River, auch heute noch die begehrtesten (und teuersten) Lagen Westaustraliens.

Geschäftlich ging es ebenfalls weiter bergauf: 1906 errichten die Gebrüder Strelitz ein weiteres Lagerhaus in Fremantle und im Jahr 1912 ein repräsentatives sechsstöckiges Bürogebäude in Perth, das Viking House in der William Street.

Ein erstes Geschäftsgebäude, das die Brüder 1897 ein der Mouat Street in Fremantle errichten ließen, steht noch heute und gehört zu den bekannten Baudenkmälern der Stadt (Strelitz Building). Ein Büro in dem Gebäude sollen die Strelitz-Brüder zeitweise (1904-1906) an einen amerikanischen Bergbauingenieur namens Herbert Hoover vermietet haben. 1929 wurde Hoover Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.

Viking House, Perth

Viking House, William Street, Perth, ca. 1920; Quelle: State Library of Western Australia, http://purl.slwa.wa.gov.au/slwa_b1967383_2

Erster Weltkrieg

Vor dem Beginn des Ersten Weltkrieges hatten die Gebrüder Strelitz eine angesehene Position in der Gesellschaft Westaustraliens.

Mit Kriegsausbruch zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich wurden aus den angesehenen Deutschen potentielle Feinde („enemy aliens“) und mutmaßliche Spione. Alle Deutschen und Deutschstämmigen waren plötzlich verdächtig, ihre Post wurde kontrolliert und auf Anfeindungen folgten gewalttätige Übergriffe, wie zum Beispiel Plünderungen von Geschäften mit deutschem Namen.

Auch wenn Personen, so wie Paul Strelitz schon 25 Jahre Bürger Australiens waren, waren sie plötzlich „naturalized persons of enemy origin“.

Englischstämmige australische Geschäftsleute sahen jetzt auch eine gute Möglichkeit, ihre deutschstämmigen Konkurrenten anzuschwärzen und von der Kolonialregierung Schutz zu verlangen: „protection against these ‘Germans‘ “. Das galt natürlich besonders dann, wenn der deutschstämmige Konkurrent einen günstigeren Preis angeboten hatte.

Ein anderer Angriffspunkt war, die deutschstämmigen Firmen des Handels mit dem Feind zu bezichtigen „trading with the enemy“.

Die Westaustralischen Behörden konnten jedoch bei den Strelitz Brothers trotz mindestens einer Durchsuchung der Geschäftsräume nichts Verbotenes finden. Als Deutschstämmige waren sie aber grundsätzlich verdächtig und Anfeindungen ausgesetzt. In einer handschriftlichen Notiz heißt es:

„Defence Dept advice nothing definite against Strelitz Bros. but they are regarded with suspicion” 17.2.16;
Quelle: National Archives of Australia, Strelitz Bros Ratazzi, 1915-1918, Ser. A3201, TE1599

Rückzug

Die Gebrüder Strelitz taten in dieser Situation sicher das einzig Richtige. Sie zogen sich zurück.

Paul Strelitz war wohl schon seit 1913 mit seiner Familie auf einer ausgedehnten Reise in England und zog diese sehr lange hinaus (eventuell bis 1918). Ein Dokument beweist seine Anwesenheit in London und Kontakte zu Shrimpton & Sons, einem großen Hersteller von Nähnadeln im Februar 1916.

“CONFIDENTIAL
War trade Department inquire Commonwealth Government views as to Richard Strelitz Brothers Perth formerly agents German Steamship Company one brother Strelitz now in London with Shrimpton and Sons presence considered suspicious.”
Copy of cablegram from the High Commissioner’s Office, dated 13th February, 1916.
Quelle: National Archives of Australia, Strelitz Bros Ratazzi, 1915-1918, Ser. A3201, TE1599

Richard Strelitz hingegen hatte sich im Dezember mit seiner Familie in den Raum Sydney zu einem langen „Kuraufenthalt“ (health trip) verabschiedet.

Die Brüder legten ihre konsularischen Ämter nieder und Richard trat auch von der Präsidentschaft des Automobilclubs zurück.

Die Geschäftstätigkeit in Westaustralien wurde derweil, so sieht es zumindest für mich nach den mir vorliegenden Dokumenten aus, von ihren rund 80 Angestellten unter der Leitung des Geschäftsführers R. T. Brown, weitergeführt.

Neuer Anfang in Sydney

Aus dem „health trip“ von Richard Strelitz sollte eine dauerhafte Umsiedlung nach Sydney werden. 1918 ließ er sein Haus, das ganze Inventar, sein Automobil etc. in Peppermint Grove verkaufen oder versteigern.

Sein Bruder Paul sollte Richard um 1918 in den Osten Australiens folgen, wo die beiden Brüder mit ihren Familien den Rest ihres Lebens verbrachten:

“…and the Strelitz family then flourished in the well-known waterside suburbs in and around Potts Point and Elizabeth Bay. Richard died in May 1958, in Mosman, NSW, aged 86, followed two month later by Bebe, aged 82.”
Quelle: fromhoovestohighways.com; R Strelitz, Esq.

Anmerkung: Potts Point und Elizabeth Bay sind Stadtteile von Sydney. Bessie Blanche „Bebe“ Salomon war die Ehefrau Richards. Sie hatten am 23. September 1897 in Albany (Westaustralien) geheiratet.

Paul Strelitz starb vier Jahre später, 1962, im Alter von 94 Jahren.
Quelle: https://www.myheritage.fr/names/paul_strelitz

Offene Fragen

Warum den beiden Strelitz-Brüdern und ihren Familien das Schicksal fast aller deutschstämmigen Australier im Ersten Weltkrieg, nämlich die Internierung in australischen Lagern erspart geblieben ist, muss ich offen lassen. Vielleicht war es ihrem kompletten Rückzug zu verdanken. Es war in jedem Fall sehr außergewöhnlich.

In nicht wenigen Quellen wird allerdings behauptet, dass die Brüder interniert gewesen seien. Ich habe darauf keinen Hinweis gefunden und folge daher den Autoren der Ausstellung „From Hooves to Highways“ aus dem Jahr 2016:

„There are numerous historic references to him having been interned as an enemy alien for the duration of the war but this was not the case. He remainded free but left WA taking his family, his businesses and his tremendous fortune to Hunamurra (soon changed to Turramurra), NSW. In February 1918 he put Ericston and its entire contents up for sale.”
Quelle: fromhoovestohighways.com; R Strelitz, Esq.

Anmerkungen: WA = West Australia, Turramurra = ein bevorzugter Stadtteil von Sydney, Ericston (auch St. Just) = das Wohnhaus der Familie Richard Strelitz in Peppermint Grove, das übrigens noch existiert (2020): https://federationhome.com/2018/09/10/peppermint-grove-w-a-heritage/

Andere deutschstämmige Unternehmerfamilien im Commonwealth hatten dieses Glück nicht. Ich hatte am Beispiel der Familie Freudenberg in Ceylon darüber berichtet: Freudenberg & Co. in Colombo

Nächste Woche im Blog

Der vorerst letzte Teil des Logbuchs der „Fürth“: die Fahrt von Fremantle nach Colombo.

Die Insel Ceylon schon vor Augen, wird die „Fürth“ am 10. August um 14.30 Uhr von der britischen Sloop „Espiègle“ auf offener See angehalten.

Alles über die letzten Tagebucheinträge von Kapitän Richter und seinem ersten Offizier exklusiv hier im Blog.

Außerdem treten in Aktion: Lieutnant-Commander Nunn und sein Chief Mate Mark Singleton.

Zum Logbuch

Die vergangene Folge des Logbuchs der „Fürth“: Die „Fürth“ in Adelaide: Logbuch (16), Juli 1914

Die Artikel über das Logbuch der „Fürth“ beginnen im Januar 2020: Das Schiffstagebuch der „Fürth“ – eine Einleitung

 

 

Margaret Brock

Die „Fürth“ in Adelaide: Logbuch (16), Juli 1914

An der australischen Südküste nach Adelaide

Am Morgen des 22. Juli 1914 war die „Fürth“ in Melbourne zu ihrer Fahrt nach Adelaide aufgebrochen. Bis zum Abend verlief die Route bis Cape Otway, das die „Fürth“ schon auf der Reise von Südafrika nach Melbourne passiert hatte. Siehe dazu: Tagebuch (12): Die „Fürth“ in Melbourne

Bei Cape Otway änderte sich der Kurs von Südwest auf Nordwest und die „Fürth“ lief die australische Südküste entlang nach Adelaide.

23. Juli 1914

 

1.43 C. Nelson F. N 44° W

2.10           “          N 33° W

3.11            “         N 12° O 9 sml ab

Bewegte See

5.7 Cap Nelson F. Pos. N 70° O i.d. Kimm

Stark bewegte See

7.33 C. Northumberland Pos. N 5° W 4 Str.

8.38                “               quer Pos. N 40° O ½ sml ab

9.52 Carpenter Rck Pos. N 40° O 6.5 sml ab

Stark bewegte See

12 h 0 m Cap Martin Pos. N 6° W i.d. Kimm

 

Anmerkungen:

Cap Nelson befindet sich 13 Kilometer südlich der Stadt Portland (Victoria). Das Gelände des seit 1884 bestehenden weißen Leuchtturms mit roter Haube wird von einem langen 1,75 Meter hohen Bruchsteinwall umgeben, der den Wärter vor den starken Winden schützen sollte.

Cape Nelson about 1910

Kap Nelson, Postkarte, ca. 1910-1919; Quelle: State Library Victoria ID H90.160/290

 

Der mit einer Petroleumlampe betriebene Leuchtturm von Cape Northumberland wurde 1882 erbaut; er ersetzte einen 1859 gebauten Turm, der zu nahe an die Abbruchkante gekommen war.

Cape Northumberland about 1910

Cape Northumberland, Foto, ca. 1910 ; Quelle : State Library of South Australia, ID B 2011

 

Carpenter Rocks ist eine Kleinstadt in Südaustralien. 2,5 Kilometer außerhalb befindet sich dort seit 1883 das Cape Banks Lighthouse.

Kap Martin liegt bei Beachport, es hatte 1914 noch kein Leuchtfeuer (installiert 1960).

 

0.18 Cap Martin N 8° O ; 0.46 dass. N 53° O Pos. 5 sml ab

2.39 Robe Isl. N 9°O ; 3.8 dass. N53° O Pos. 5 sml ab

Mäßig bewegte See

4.0 Robe Isl. S 64° O u. Margarete Brok N 13° O

4.30 Margarete Brok quer 7 sml ab Pos. N 48° O

5.15                 ‘’                   4 Str. Pos. S 87° O

Mäßig bewegte See

11.15 Willoughby Pos. N 36° W i./d. Kimm

12.0              ‘’        Pos. N 41° W

 

Robe ist eine Kleinstadt an der südaustralischen „Limestone Coast“. Der Tagebuch-Zusatz „Isl.“ für Island ist allerdings nicht korrekt.

Margaret Brock ist ein Felsriff, auf dem das Cape Jaffa Lighthouse steht. Der Name geht auf eine 1852 an dieser Stelle gesunkene Bark gleichen Namens zurück.

Margaret Brock

Cape Jaffa Lighthouse mit Anleger, um 1910, das Felsriff Margaret Brock ist im Vordergrund gut zu sehen; Quelle: State Library of South Australia, ID B-2016

 

Willoughby ist eine Kleinstadt am Ostende von Kangaroo Island, an der Landspitze steht das Cape Willoughby Lighthouse, der älteste Leuchtturm Südaustraliens (1852). Er leitet Schiffe durch die Backstairs Passage zwischen Kangaroo Island und dem Festland.

Cape Willoughby

Cape Willoughby Lighthouse, Foto, um 1910; State Library of South Australia, ID B23578

 

24. Juli 1914

0.55 Willoughby Pos. N 56° W; 1.8 dass. Pos. N 75° W u. St Alba N 50°W

1.21                 “           Pos. S 61° W St Alban N 70° W u. C. Cadts N 56° W

2.11 Jervis F. Pos. N 15° O; dass. N 60° O 3 sml ab

Leicht bewegte See.

5.45 Wong a Shl. Pos. N 43° O i./d. Kimm.

5.50 ½ Kraft Ende d. Seereise.

6.55 Lotse Thomsen an Bord. 8.15 Schiff fest an Schuppen 3 Outer Harbour

Tiefgang b. Ankunft 21‘0“ v.; 22‘3“ h. Mitte 21‘7 ½“

Anmerkungen:

Cape Jervis liegt auf der Fleurieu Halbinsel gegenüber von Kangaroo Island. Seit 1871 gibt es dort einen Leuchtturm (ersetzt 1972), der Schiffe durch die gefährliche Backstairs Passage leitet.

Saint Albans ist ein Kap auf Kangaroo Island unweit von Willoughby.

Wonga Shoal war ein Leuchtfeuer im Meer vor Adelaide. Es existierte nur von 1901 bis 1912, als es von einem Segelschiff gerammt und zerstört wurde. Eventuell wurden 1914 die Überreste der Struktur gepeilt, in Betrieb war das Feuer nicht mehr.

Adelaide harbour, about 1910

Der Hafen von Adelaide, ca. 1910, State Library of South Australia, Originalbeschreibung: Port Adelaide: ocean steamers wharf in the foreground, looking south west across the Port River. Birkenhead wharf on the other side is in course of construction. Referenz Nr. [B 2156].

Outer Harbour

Eigentlich war Adelaide als Hafen auf der Route der „Fürth“ nicht vorgesehen, auch sollte das Schiff zuerst nicht im Outer Harbour sondern in Semaphore anlegen:

The Fuerth’s Brief Visit.
To complete loading, the German-Australian steamer Fuerth signalled her appearance at the Semaphore yesterday morning from Brisbane. Contrary to expectations, she went to the Outer Harbour, but her stay was only of short duration. Having loaded a small quantity of cargo for Antwerp and Hamburg, she left in the afternoon.
Daily Herald, Adelaide, Sa 25. Jul 1914, S. 6, NAUTICAL NOTES

Semaphore ist ein Stadtteil von Adelaide und liegt südlich vom Outer Harbour, hier gab und gibt es eine Pier, die von Schiffen der DADG ebenfalls genutzt wurde, wenn nicht der Inner Harbour angelaufen wurde. Durch die Eröffnung von Outer Harbour verlor der Anleger in Semaphore allerdings nach und nach an Bedeutung.

Adelaide Outer Harbour liegt etwa 22 Kilometer außerhalb des Stadtzentrums am Nordende der Lefevre Halbinsel. Die Anleger wurden zu Beginn des 20. Jahrhundert errichtet (Eröffnung am 16. Januar 1908), es gab 275 Meter Kaianlagen.

Der Outer Harbour ersparte die Fahrt durch den Adelaide River zum Inner Harbour und ermöglichte auch größeren Schiffen das Anlegen. Auch für kurze Zwischenstopps, wie im Fall des Dampfschiffes „Fürth“ im Juli 1914 war der Outer Harbour die bessere Wahl.

Die Gesamt-Reisezeit der „Fürth“ von Melbourne nach Adelaide betrug gut 2 Tage für 510 Seemeilen.

Anfang d. Reise 22./7.14 7 h am
Ende d. Reise 24./7.14 8.15 am
Dauer d. Reise 2 Tage 1 h 15 m
Rev. Zt. Melbourne 5 h 32 m
Rev. Zt. Adelaide 2 h 25 m = 7 h 57 m
Dauer d. Seereise 1 Tag 17 h 18 m
Zeit Untersch. + 0 h 30 m
wahre Dauer d. Seereise 1 Tag 17 h 48 m

Gesamtdistanz 510 sml
Rev. Dist. Melb. 48 sml
Rev. Dist. Adelaide 11 sml = 59 sml
Seedistanz 451 sml

Durchschnittsfahrt 10.8 kn

Laden

45 Minuten nachdem das Schiff fest am Kai lag begann das Beladen:

Laden von 9 h am bis 12 h m mit 2 Gängen

Laden von 12 h m bis 12.15 pm mit 1 Gang

12.15 pm Schiff fertig

Mannschaft machte das Schiff seeklar

Hafenzeit 0 Tage 5 Std. 12 m

Tiefgang bei Abgang v. 21‘0“; h. 22‘3“ Tank 3 lenz

 

Unter der wenigen in Adelaide aufgenommenen Ladung befand sich auch ein schönes Musikinstrument: Ein Blüthner-Konzertflügel an Bord der „Fürth“

Bootsmanöver

Die kurze Liegezeit in Adelaide wurde von Kapitän Richter dazu genutzt, ein Bootmanöver durchzuführen

Machten Bootsmanöver:

sämtliche Rettungsboote wurden ausgeschwungen, die B.B. Boote zu Wasser gelassen, bemannt u. die Mannschaft im Rudern unterrichtet. Alles in Ordnung.

Der Eintrag erfolgte in roter Farbe.

Bootsmanöver 24. Juli 1914

Logbuch der „Fürth“, nummerierte Seite 94 (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

 

George Wills & Co. in Adelaide

Der Agent der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) in Adelaide war George Wills & Co., ein Tochterunternehmen des Textilgroßhändlers und -importeurs G. & R. Wills & Co. Ltd.

Das Textilunternehmen war eines der ältesten Unternehmen in Adelaide (gegr. 1849) und hatte Niederlassungen in Broken Hill, Perth, Fremantle und Kalgoorlie. 1859 wurde auch eine Einkaufs-Niederlassung in London gegründet.

Wills and Co Adelaide

Das 1852 gebaute Gebäude der Fa. G. & R. Wills in der Rundle Street No. 80. um 1880. Quelle: State Library of South Australia, BRG 304/1/2

 

Wie andere führende Unternehmen hatte auch G. & R. Wills & Co. Ltd seinen Sitz in der zentralen Rundell Street. Dort waren auch zwei hier bereits vorgestellte Firmen, das Kaufhaus Jas. Marshall & Co.: siehe Die Fuerth in australischer Werbung und das Musikgeschäft Allen’s Ein Blüthner-Konzertflügel an Bord der „Fürth“

Deutlich imposanter ist die Fabrik und das Lagerhaus im Stadtteil North Terrace. Dieses Gebäude existiert noch. Zurzeit wird geplant, auf den Altbau einen Hochhausturm mit Studentenwohnungen aufzusetzen: https://www.saplanningcommission.sa.gov.au/__data/assets/pdf_file/0010/585064/2.2.4_203_North_Terrace_203-205_North_Terrace_Adelaide_-_Report_and_Attachments.pdf (Achtung: sehr große Datei mit langer Ladezeit).

Wills and Co North Terrace Adelaide

Lagerhaus und Fabrik der Fa. G. & R. Wills & Co, City Acre 21, North Terrace, Adelaide, errichtet 1853, erweitert Mitte der 1870er. Quelle: State Library of South Australia, BRG 304/1/4

 

1914 wurde dann gleich daneben ein repräsentativer Firmensitz gebaut:

 

Wills and Co, Adelaide

Firmensitz von G. & R. Wills & Co., Ecke Gawler Place/Fisher Place, Adelaide, gebaut 1914, Foto von 1935; Quelle: State Library of South Australia, BRG 304/1/5

 

1946 wurde G. & R. Wills eine Aktiengesellschaft und in den 80er Jahren ist das Unternehmen an Investoren verkauft worden:

“It was taken over by Industrial Equity ca. 1983, then on sold to Southern Farmers which was taken over by Independent Holdings Ltd ca.1989.” Quelle: State Library of South Australia

 

Nächste Woche im Blog

Die Fahrt der „Fürth“ nach Westaustralien und der Aufenthalt im Hafen von Fremantle.

Außerdem: Die beeindruckende Karriere zweier Hamburger in Australien: Paul und Richard Strelitz, die „Strelitz Brothers“, Agenten der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft in Fremantle.

Es erwartet Sie eine sehr ausführliche Beschreibung der Lebensläufe der beiden Brüder und es ist mit Hilfe von Originaldokumenten sehr schön dokumentiert, wie einer der beiden die „Naturalisation“, also die Annahme der Staatsbürgerschaft beantragt hat.

 

Copyright-Hinweis

Auf dem Logbuch ist ein © Copyright, das nach dem Zeitpunkt des Todes des Verfassers für 70 Jahre fortbesteht. Der erste Teil des Logbuches ist von Kapitän Richter, aber in großen Teilen auch von seinem ersten Offizier.

Kapitän Richter starb am 19. Februar 1917, somit sind die 70 Jahre lange abgelaufen. Jedoch ist mir für den ersten Offizier R. Hoffmann das Todesdatum nicht bekannt. Ich weise deshalb pflichtgemäß darauf hin, dass deshalb noch ein © Copyright auf dem Logbuch bestehen könnte.

Über alle Hinweise zu dem 1. Offizier R. Hoffmann bedanke ich mich herzlichst im Voraus. Bislang kann ich nur als Hinweis geben, dass er für diese Fahrt neu auf die „Fürth“ gekommen und im Sommer 1914 32 Jahre alt war: siehe Drei Mannschaftslisten der „Fürth“ aus dem Jahr 1914

Den ersten Beitrag zum Tagebuch finden Sie im Januar 2020: Das Schiffstagebuch der „Fürth“ – eine Einleitung

 

Allan's Adelaide

Ein Blüthner-Konzertflügel an Bord der „Fürth“

Ein edles Instrument

Adelaide, im Juli 1914

Am 24. Juli 1914 wurde in Adelaide, Südaustralien eine Kiste mit einem Flügel auf die „Fürth“ verladen.

Um genau zu sein, geht aus dem Artikel The Week’s Shipments in der Zeitung Daily Commercial News and Shipping List in Sydney, vom 4. Aug 1914 auf Seite 19 nur hervor, dass eine Kiste mit einem „Piano“ verladen wurde:

Hamburg: … 1 cs piano

Der Begriff „Piano“ kann im Englischen allerdings sowohl für ein Klavier „upright piano“ oder einen Flügel stehen „grand piano“.

Ein Telegramm klärt auf

Diese Ungewissheit wird durch ein Dokument im Britischen Nationalarchiv beseitigt, dass nähere Angaben zu diesem „Piano“ gibt und es eindeutig als Konzertfügel, also „grand piano“ ausweist (Quelle: The National Archives, Kew, Referenznummer CO323/651/14).

Es handelt sich um ein Telegramm vom Governeur Ceylon’s, Robert Chalmers, an den Minister für Kolonialangelegenheiten, Lord Harcourt, vom 29. Januar 1915:

Die Londoner Niederlassung der Firma Blüthner hatte sich an Chalmers gewandt, um den Konzertflügel zu erhalten, der sich an Bord der „Fürth“ befunden hatte und beschlagnahmt worden war.

Die zeitliche Verzögerung, mit der diese Bitte an den Gouverneur herangetragen wurde, wäre dadurch zu Stande gekommen, so die Angaben im Telegramm, dass der Flügel irrtümlicherweise an die Niederlassung in Hamburg adressiert war und die Londoner Blüthner-Niederlassung nicht darüber informiert war, dass sich das Musikinstrument an Bord der „Fürth“ befunden hatte.

Im Original:

Telegram

The Governor of Ceylon to the Secretary of State for the Colonies.
(Received Colonial Office 4.3 pm 29th January 1915)

S.S. “Furth” condemned cargo contains grand piano consigned Bluthner and Company of Wigmore Street; London Bluthner’s write that this piano consigned by mistake to their agents Hamburg instead of London no claim has been made because they had no knowledge that piano was on “Furth” Attorney General satisfied from papers produced that bona fide mistake made and no enemy interest in piano authority is requested to restore piano subject to payment charges.
CHALMERS

Das Ministerium für Kolonialangelegenheiten fand die Erklärung schlüssig und schenkte der Darstellung der Blüthner-Niederlassung in der Wigmore Street in London Glauben. Dementsprechend kurz viel die Antwort aus, die am 3. Februar 1915 verschickt wurde:

Draft Telegram
to Governor of Colombo

Your telegram of 29 January
piano ex Furth
proposals approved

Damit war der Weg frei, dass die Londoner Niederlassung den Flügel ausgeliefert bekommen konnte.

International Exhibition 1880 Melbourne, German Court, pianos

Ausstellungshalle mit deutschen Klavieren/Flügeln auf der International Exhibition in Melbourne 1880; Fotograf: Ludovico Hart, Quelle: Museums Victoria Collections

 

Die Firma Blüthner – Klavierbautradition seit 1853

Julius Blüthner gründete im Jahr 1863 in Leipzig eine Pianofortefabrik. Die Stadt gehörte zu dieser Zeit zu den Zentren des europäischen Geistes-, Kultur- und Wirtschaftslebens und der Jungunternehmer schaffte es schnell, mit seinen qualitativ hochstehenden Instrumenten große Bekanntheit zu erlangen.

Julius Blüthner wurde Hoflieferant von Queen Victoria, Zar Nikolaus II., dem dänischen König, dem deutschen Kaiser, dem türkischen Sultan wie auch dem König von Sachsen und bereits 1868 begann er, ein internationales Vertriebsnetz zu installieren.

Im Jahr 1914 gehörte zu diesen Vertriebspartnern die Firma Allan’s Ltd. in Adelaide.

Allan's Adelaide

Anzeige der Fa. Allan’s in der Zeitung The Advertiser, Adelaide vom Dienstag den 16. Juni 1914, S. 15 (Ausschnitt), Quelle: trove.nla.gov.au/

Das Musikhaus Allan’s in Adelaide

Allan’s. Ltd. befand sich in der Rundle Street 53 in Adelaide und somit in bester Lage. In dieser Straße befand sich zum Beispiel auch das Kaufhaus Jas. Marshall & Co. SIEHE: Die Fuerth in australischer Werbung

Allan’s Ltd. hatte das Musikhaus 1911 von Howells, Young & Co. übernommen und innerhalb kürzester Zeit seine Verkaufsfläche verdoppelt und auch die Zahl der Angestellten stark vergrößert.

Die Bedeutung eines Klaviers oder eines Flügels in der damaligen Gesellschaft, zumindest in gut bürgerlichen Kreisen, kann daraus abgelesen werden, dass Allan’s in den Tageszeitungen ganzseitige PR-Anzeigen schaltete und auch sonst regelmäßig in großen Anzeigen für sein Haus warb.

So steht eine ganze Seite am Samstag, den 24. Januar 1914 unter dem Titel „A CENTRE OF MUSICAL LIFE “ (The Mail, Adelaide, Seite 7).

Auf dieser Seite macht Allan’s auch vollmundig Werbung für die Klaviere der Firma Blüthner, die er neben anderen Marken in seinem Musikhaus zum Verkauf anbot. In einem Artikel unter dem Titel THE ROMANCE OF PIANOS heißt es:

“The making of the really good pianos is almost a science, some carefully guarded secrets of which are handed down from father to son. Among these stands the Bluthner, recognised through out the world as one of the greatest pianos that human ingenuity has ever produced”

Anzeige Allan’s: The Advertiser Adelaide Di 16. Jun 1914, S. 15,

Rundle Street with shops, department stores and street traffic. Some of the shops from the extreme left are: Barlows Shoes; Coudrey's Chemist; E.S.Wigg & Son, Stationers; The Coliseum, Donaldson's and James Marshall department stores. People are patronising the street fruit and vegetable barrows and strolling past the shop windows. There is one motor car to be seen amongst the horse-drawn traffic (in front of Marshall's). [On back of photograph] 'Rundle street, looking east from King William Street / Nov. 1909 / Near side of Barlow's (on extreme left) is 30 yards east of King William St.'

Rundle Street, Adelaide, Aufnahme Nov. 1909. Quelle: State Library of South Australia, B3542.

Ein Konzert von Mischa Elman in Adelaide

Die Frage, die sich natürlich stellt, ist, warum ein Konzertflügel der Firma Blüthner von Adelaide nach Hamburg bzw. London transportiert wurde.

Eine Verbindung könnte zu einem Konzert bestehen, dass einer der damals bekanntesten Violinisten  der Welt, Mischa Elman, am 16. Juni 1914 in Adelaide gegeben hatte.

Bei diesem Konzert stand ein „Bluthner grand“ auf der Bühne, wie Zeitungsartikel belegen. Allerdings ist es rein hypothetisch, dass es genau dieser Flügel war, der später auf das Dampfschiff „Fürth“ verladen wurde, aber immerhin eine Möglichkeit.

Ein langer, überschwänglicher Artikel im Advertiser ist am Tag nach der Vorstellung voll des Lobes für ein herausragendes Konzertereignis in Adelaide:

THE ELMAN CONCERT.
A MAGNIFICENT RECEPTION.

Mischa Elman, the world-famed young violinist, swayed an immense audience in the Exhibition Building last night by his heaven-sent genius and strong musical personality. …

Offensichtlich war nicht nur der Redakteur des Advertisers vom Konzert überwältigt, sondern auch das ganze Publikum:

Numerous encores were demanded and freely given.

Am Ende des Artikels bekommt auch der begleitende Pianist viel Lob und der Blüthner-Flügel findet Erwähnung:

The accompanist, Mr. Percy Kalin, was a centre of attraction all the evening. He played with masterly intuition, through a programme which would distress many a solo pianist. He was all that could be desired in a difficult position. There was inspiration for him in the shape of a magnificent Bluthner grand worth 400 guineas.

Der Wert des Konzertflügels war also 400 Guineen, wobei 1 Guinee 21 Shilling entsprach oder wenn man dezimal rechnet, wie wir das heute tun, 1,05 englischen Pfund. Auch wenn es die Guinee als Münze bereits 1914 lange nicht mehr gab, hatte sich der Begriff für die Wertangabe von Luxusgütern erhalten.

Die 400 Guineen waren jedoch eine bescheidene Summe, wenn man den Wert der beiden Geigen, eine Stradivari und eine Amati, zum Vergleich nimmt, wie es im Artikel der Zeitung „The Mail“ gemacht wurde:


WEALTH ON THE CONCERT PLATFORM
Five thousand pounds would be a conservative estimate of the ‚capital‘ worth of the Mischa Elman concerts. His Strad was valued, at £2,500, his Amati scarcely a penny less, and the great new Bluthner, a noble instrument recently imported by Allan’s, cost £400.
The Mail Adelaide Sa 20.
Juni 1914

Zum Vergleich dazu lag das Gehalt eines Frachtschiffskapitäns im Überseeverkehr, also eines sehr gut verdienenden Mannes, zu dieser Zeit bei etwa 30 Pfund pro Monat.

Nachtrag

Mischa Elman wurde 1891 im Russischen Kaiserreich geboren. 1923 siedelte er in die USA über und wurde amerikanischer Staatsbürger. Er starb 1967 in New York City. Er galt als einer der großen Violinisten seiner Zeit.

Die Firma Blüthner verlor bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges mit dem British Empire ihren wichtigsten Exportmarkt. Das traditionsreiche Familienunternehmen meisterte jedoch diese Krise genauso wie spätere und so finden sich auch heute noch Blüthner-Konzertflügel auf den großen Bühnen der Welt: https://www.bluethnerworld.com/de/

Auch heute hat die Fa. Blüthner noch eine Niederlassung in London: 6 Baker Street, Portman Sq. In acht Übungsräumen kann man dort einen Flügel oder ein Klavier spielen https://www.bluthner.co.uk/.

Die Fa. Allan’s fusionierte 2010 mit einem anderen großen Musikhaus, der Fa. Billy Hyde. Das Geschäft in Adelaide wurde im Januar 2018 endgültig geschlossen. Die Gruppe, die Geschäfte in ganz Australien betrieb, meldete im Sommer 2018 Konkurs an. Damit ist ein über 100 Jahre altes Unternehmen vom Markt verschwunden.

Quellen zu Allan’s: http://www.adelaidenow.com.au/business/sa-business-journal/iconic-adelaide-music-store-allans-billy-hyde-closing/news-story/ef1ce1f49ea88ca89f3086cf994f912a und smartcompany.com.au/industries/retail/music-retailer-allans-billy-hyde-collapses-voluntary-administration/ (beide abgerufen am 8.11.2019)

 

Bluthner, Glens, Melbourne

Blüthner-Flügel bei einem Konzert in Melbourne, 30-er Jahre des 20. Jhdts., Glens war der Vertriebspartner von Blüthner in Melbourne, Quelle: State Library of Victoria, Id H2009.21/75

Brisbane, Dalgety's Wharf, about 1911

Die letzte Australienfahrt der „Fürth“

– Reise ohne Wiederkehr –

Am 25. April 1914 verlässt das Dampfschiff „Fürth“ Hamburg zu seiner vierzehnten Australienfahrt.

Was zu diesem Zeitpunkt noch keiner wissen konnte: die „Fürth“ wird nicht mehr nach Deutschland zurückkehren. Erst 11 ½ Jahre später wird das Schiff, längst mit anderem Eigentümer, unter anderem Namen, unter der Leitung eines anderen Kapitäns und mit anderer Mannschaft, noch einmal in den Hafen Hamburg einlaufen.

Für den Moment bleiben wir aber noch im Frühjahr und Sommer 1914. Während die „Fürth“ auf der Linie 1 der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft nach Melbourne, Sydney und Brisbane unterwegs ist, brauen sich in Europa dunkle Wolken zusammen.

Alle Details zur vierzehnten und letzten Australienfahrt der „Fürth“ jetzt im Blog: Unvollendete Fahrt

Informationen zum Titelbild:

Dalgety’s Wharf, Brisbane, ca. 1911; Verladung von gefrorenem Rindfleisch für London; Quelle: John Oxley Library, State Library of Queensland, https://trove.nla.gov.au/version/167844183

Es lebe die Kühlkette! Der Export von gefrorenem australischem Rindfleisch nach Europa begann übrigens bereits im Jahr 1879.

Die „Fürth“ verfügte übrigens nicht über Kühlräume: Hatte die Fürth eine Kühlanlage?

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Telegrafie per Funk

An der Küste

Das spurlose Verschwinden der „Waratah“ (Suche nach der Waratah) Ende Juli 1909 führte dazu, dass der Ausbau der Funktechnologie an der australischen Küste beschleunigt wurde.

Bereits im August 1909 kam das Thema auf die Tagesordnung:

In view of the Waratah’s disappearance and numerous shipping casualties, the South African Union delegates are consulting the Admiralty with a view to securing the installations of wireless telegraphy along the coast.
Coolgardie Miner, Fr 13. Aug 1909, Seite 3

Und weiter:

WIRELESS TELEGRAPHY.
The Commonwealth Government is anxious to establish wireless telegraphy stations at Sydney and Fremantle, but is in a difficulty as to the particular system that should be adopted. Vice Admiral Fawkos, when consulted by the Federal authorities, said that the Admirality would not object to any system, so long as communication with the Marconi installation on war vessels was possible. Vice-Admiral Poore makes a definite recommendation that the Marconi system should be adopted in Australia. Sir John Quick has opened up communication with the Commonwealth representatives in London as to the best system to be installed. When this question has been settled tenders for Australian stations are to be called. Mr. Deakin has, at the request of the Postmaster-General, cabled to the Commonwealth officer in London, asking him to obtain the best professional and scientific advice on the question whether Australian tenders for wireless installations should be Iimited to the Marconi system or should be made general.
The Daily Telegraph, Sydney, Sa 16. Okt 1909, S. 12.

Bau der Anlagen

Der Bau der Anlagen wurde 1910 begonnen:

Wireless Telegraphy
The tender of the Australian Wireless Limited, of £4150 per station, has been accepted for the erection of wireless stations at Sydney and Fremantle. The range of communication of the accepted system will be 1250 miles in the day time, and probably double that distance at night.
The Inverell Times, Di 5. Apr 1910, S. 2

Der Vorstand der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG), Otto Harms, nahm an, dass Niederländisch Indien „bald folgen würde“.

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Cape Borda, Telegrafenstation, um 1910
Quelle: State Library of South Australia, Referenznummer B8424

Auf den Schiffen

In der Tat machte die neue Technologie zu dieser Zeit große Fortschritte und ein Jahr später waren im Lloyd’s Schiffsregister diejenigen Schiffe gekennzeichnet, die über Telefunken-Anlagen verfügten.

WIRELESS TELEGRAPHY.
The increasing extent to which wireless telegraphy and submarine signalling are being used in passenger steamers is shown by the fact that there are now recorded in Lloyd s Register Book 702 vessels fitted with wireless telegraphic installations and 459 with submarine signalling apparatus.The Sydney Morning Herald, Mi 16 Nov 1910, S. 10, WIRELESS TELEGRAPHY.

Die Zuverlässlichkeit der Anlagen weltweit und ihre Reichweite wurde immer besser.

WIRELESS TELEGRAPHY
The Norddeutscher Lloyd is fitting 15 of their steamers engaged in the Far Eastern trade with Telefunken wireless installations. Some of the wireless installations are now in Hongkong and will be installed on those vessles which do not make the home trip. It is expected that the Coblenz, Prinz Sigismund, and Prinz Waldemar will be equipped at Hongkong. The telefunken system is said to be one of the best wireless systems in the world, and recent installations on some of the German steamers have made record despatches.
The longest distance was covered by the German mail steamer Klist, which sent a message from the Mediterrean Sea to North Sea, across the Alps of Switzerland, 2500 kilometers distant. Another steamer, the A(?)*, of the Roland Line, of Bremen, has made another record by sending a message from Valparaiso across the Andes to Buenos Ayres.
Newcastle Morning Herald and Miners‘ Advocate, Sa 13. Aug 1910, S. 4.
*Name des Schiffes unleserlich

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Morsetaste für Funktelegrafie, ca. 1899
© Museums Victoria (Australien), https://collections.museumvictoria.com.au/items/404170

Die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG)

Auch die DADG stattete ab 1911 ihre Schiffe mit Anlagen zur „drahtlosen Telegraphie“ aus:

„Der erste unserer Dampfer, welcher sie erhalten hatte, war „Adelaide“, 13. Juli 1911. Im Mai 1912 waren es sieben. Auf den ersten Reisen waren die Schiffe auf 2400 Seemeilen Entfernung mit Südafrika in Verbindung. Das war mehr als die Hälfte des Abstandes von beiden Kontinenten und damit war die Brauchbarkeit dargetan.“

Aber nicht nur alle neuen Schiffe erhielten Funkanlagen, sondern auch ältere wurden nachgerüstet:

„Es wurden dann nicht nur alle Neubauten mit den Anlagen ausgerüstet, sondern auch nach und nach die älteren Schiffe, soweit es ohne erhebliche Mehrkosten anging.“

Nach anderen Informationen im Buch waren es aber zahlenmäßig nur wenige der älteren Schiffe, die noch eine Funkanlage erhielten, zum Beispiel „Wismar“, „Eßlingen“ oder „Fremantle“, Schiffe die im Zeitraum zwischen November 1910 und Mai 1911 an die Reederei abgeliefert wurden.

Das Dampfschiff „Fürth“

Das Dampfschiff „Fürth“ wurde von der Reederei nicht nachgerüstet. Inwieweit dies beim Kriegsausbruch 1914 Konsequenzen hatte, kann heute nicht mehr beantwortet werden. Wir werden aber noch einmal darauf zurückkommen.

Ungekennzeichnete Zitate aus dem Buch von Otto Harms: Fundstueck

 

Die Fuerth in australischer Werbung

Jas. Marshall & Co.

Eine für uns heute sehr ungewöhnliche Anzeigenwerbung machte der erfolgreiche Kaufmann James Marshall in Adelaide. In seinen beiden Kaufhäusern verkaufte er Textilien, Eisenwaren und Möbel.

In der abgebildeten Anzeige kündigte er neue Waren für seinen Frühjahrsverkauf an (zur Erinnerung: in Adelaide auf der Südhalbkugel beginnt der Frühling im September). Er listete darin Schiffe auf, mit denen er neue Produkte geliefert bekommen hatte und nannte pro Schiff die Ladungsmenge. So hatte er von der kurz zuvor (am 30. August 1909) in Adelaide eingelaufenen „Fürth“ 32 Kisten neue Ware für seinen „SALE“ bekommen.

Jas. Marshall & Co. advertisement September 1909

Anzeige von Jas. Marshall & Co in: The Express and Telegraph, Adelaide, Fr 3. Sep 1909, S. 3.

Der Erfolg gab ihm recht: Der schottische Einwanderer hatte das größte Geschäft seiner Art in Südaustralien und beschäftigte bis zu 800 Mitarbeiter, quasi der „Gustav Schickedanz von Adelaide“. Für Nicht-Fürther: Gustav Schickedanz war der Begründer des Kauf- und Versandhauses Quelle in Fürth.

Außerdem war James Marshall Stifter und Wohltäter und engagierte sich in zahlreichen sozialen Einrichtungen seiner Stadt. Er verstarb im Jahr 1925 und hinterließ ein Vermögen von damals stattlichen £26.000.

Quelle: Marshall, James Waddell (1845-1925), Australian Dictionary of Biography, National Centre of Biography, Australian National University, http://adb.anu.edu.au/biography/marshall-james-waddell-4158/text6673, published first in hardcopy 1974, online abgerufen am 10. April 2018.

View looking down a street, with horse-drawn vehicles parked along the curb and pedestrians walking along the footpath. A sign on a building reads: 22. James Marshall & Co. 24-26.

Bild in die Rundle Street, Adelaide. Rechts vorne am Gebäude steht 22. James Marshall & Co. 24-26.
Quelle: State Library Victoria, Image H86.98/435, ca. 1900-1910

Am Straßenrand sehen wir parkende Pferdefuhrwerke und Verkaufsstände. Der aufmerksame Leser stellt fest: die Hausnummern in der Anzeige (34-38) stimmen nicht mit den Hausnummern am Gebäude überein (22-26).

In der Tat hat Jas. Marshall & Co. am 7. Dezember 1908 neue Verkaufsräume in der Rundle Street eröffnet, das oben stehende Foto muss also älter sein.

Rundle Street with shops, department stores and street traffic. Some of the shops from the extreme left are: Barlows Shoes; Coudrey's Chemist; E.S.Wigg & Son, Stationers; The Coliseum, Donaldson's and James Marshall department stores. People are patronising the street fruit and vegetable barrows and strolling past the shop windows. There is one motor car to be seen amongst the horse-drawn traffic (in front of Marshall's). [On back of photograph] 'Rundle street, looking east from King William Street / Nov. 1909 / Near side of Barlow's (on extreme left) is 30 yards east of King William St.'

Rundle Street, Adelaide, Aufnahme Nov. 1909. Quelle: State Library of South Australia, B3542.

In der zweiten Aufnahme der Rundle Street vom November 1909 ist das Kaufhaus von Jas. Marshall & Co. am neuen Ort und zwar einige Häuser weiter. Laut Angaben zum Foto ist das einzige Auto, das wir auf dem Foto im Hintergrund am linken Straßenrand sehen, vor dem Geschäft der Fa. Marshall geparkt. Es ist das Gebäude mit der imposanten Kuppel, das ehemalige Globe Hotel in Adelaide.