Von Hamburg nach Fremantle – eine Erfolgsgeschichte
Bildnachweis Titel:
Abbildung zusammengesetzt aus zwei Bildern in: Führende Geschäftsleute Westaustraliens, eine Seite mit 29 Porträts in der Weihnachtsausgabe der Zeitung Western Mail, Perth, Fr. 16. Dez 1898, S. 148, Leading Commercial Men of Western Australia (trove.nla.gov.au)
Abfahrt aus Adelaide
Am frühen Nachmittag des 24. Juli 1914 legte die „Fürth“ in Adelaide ab und versegelte nach Fremantle an der australischen Westküste.
Fremantle war ab etwa dem Jahr 1900 der wichtigste Hafen Westaustraliens direkt bei der Hauptstadt Perth. Heute ist die Agglomeration mit über 2 Millionen Einwohnern das viertgrößte Ballungszentrum Australiens.
1.27 pm am Quai, Schiff los, Anfang d. Reise; Lotse Thomsen, Schlepper „Wato“
1.56 pm Lotse von Bord. Anfang d. Seereise
3.58 Troubridge Sh. Pos. S 71° W
4.35 “ 4 Str. Pos. West
5.10 “ quer Pos. N 45° W 6 sml ab
5.20 Marion Rock quer Pos. N 45° W 4 sml ab
Ruhige See
7.15 Althorp Pos. S 82° W i./d. Kimm
9.23 “ Pos. N 48° W 4,5 sml ab
ab 11.10 Nebel, fahren reduziert und geben Nebelsignale
12 h South Neptunes Pos. N 45° W in 4 Str.
fahren wieder voll
25. Juli 1914
0.45 Neptunes Isl. Pos. N 8 sml ab
2.25 “ Pos. N 67° O i./d. Kimm
Leicht bewegte See.

Der Schlepper „Wato“ in Port Adelaide, Foto, William Charles Brooker Collection, um 1922; Quelle: State Library of South Australia [PRG 1316/10/102]
Anmerkungen:
Das Troubridge Island Lighthouse war von 1856 bis 2001 in Betrieb und heute Teil eines Naturparks. Die Insel liegt im Gulf Saint Vincent, einer großen Meeresbucht, an der auch Adelaide liegt.
Marion Bay und Althorp Island liegen am Ausgang des Gulf Saint Vincent ins offene Meer.
Die South Neptune Islands sind zwei kleine Inseln, sie liegen am Eingang des Spencer Gulf. Seit 1901 gibt es auf South Neptune Island. Die Inseln sind bekannt für Haifischtourismus. Falls es Ihnen Spaß macht, in einen Käfig zu steigen und einem Weißen Hai tief ins Auge zu schauen, sind Sie hier richtig.
Die beiden Inseln sind die letzten Landmarken, die vor dem Durchqueren der Großen Australischen Bucht an der Südküste Australiens eingetragen wurden.
Die drei Tage auf hoher See wurden wieder genutzt, um verschiedene Decksarbeiten durchzuführen:
Hintere Taglaterne wurde gerichtet u. überholt; neue Birne eingesetzt.
Malten Boote u. Bootsdeck
Bootsinventar wurde überholt. Es fehlen 2 Oelbeutel u. 1 Axt
Malten auf Bootsdeck
Luken zur Ventilation geöffnet
Am 27. Juli 1914 wurde das Wetter zunehmend ungemütlich: Regen, grobe See mit Wasser über Deck und Luken und später sogar übers ganze Schiff.

South Neptune Island Lighthouse, um 1910; Quelle: State Library of South Australia Ref. [B 6480]; der Leuchtturm wurde in den 80er Jahren abgebaut und steht heute in Port Adelaide vor dem South Australian Maritime Museum.
In Westaustralien
Am 28. Juli um 3.45 Uhr in der Nacht, kam dann als erste Landmarke Breaksea Island in Sicht, die in der Nähe der westaustralischen Stadt Albany am Ausgang der Frenchman Bucht liegt. Der erste Leuchtturm der Insel wurde 1858 erbaut, der heute noch existierende ist aus dem Jahr 1902.
Grobe See.
3.45 Breaksea Isl. Pos. N 62° W i./d. Kimm
4.22 “ Pos. N 58° W
4.46 “ Pos. N 13° W 14 sml ab
6.45 Eclipse Isl. Pos. N 13° W
7.29 Cap Howe Pos. N 36° W
8.18 “ Pos. N 9° O 9 sml ab
Bewegte See
11.55 Chatham Isl. Pos. N 58° W
Saddle Isl. Pos. N 7° O
1.40 White Topped Rck Pos. N 43° W; 1.58 dass. N 34° W
2.16 “ Pos. N 11° O 3 ½ sml ab
3 h “ Pos. S 87° O, Entrerastreux Pt. N 27° W
6.42 C. Leuwin Pos. N 29° W i./d. Kimm
7.15 “ Pos. N 17° W 4 Str.
8.0 “ Pos. N 19° O
8.12 “ Pos. N 28° O 11 sml ab
10.7 “ Pos. S 64° O i./d. Kimm
SWl. Dünung
11.8 C. Naturaliste Pos. N 26° O i./d. Kimm
Anmerkungen:
Eclipse Island liegt südlich der Stadt Albany, 3,8 Seemeilen vom Festland.
West Cape Howe ist eine Landzunge westsüdwestlich von Albany.
Chatham Island und Saddle Island liegen vor der Südwestküste Australien in unmittelbarer Nähe zum Festland.
White-topped Rocks: Man kann sich denken, dass die weißen Spitzen auf Exkremente von Vögeln zurückzuführen sind:
„consist of two rocks; the higher and western rock is 109 feet (33.2 m.) high, about 200 yards long, and 100 yards broad, having a jagged top whitened by guano deposit.”
Australia Pilot, Vol. 1, South Coast of Australia from Cape Leuwin to Cape Northumberland, 2. Aufl. 1930; United States Navy Department, Hydrographic Office über books.google.fr
Der Entrecasteaux Point ist ein hohes Kliff:
“composed of reddish perpendicular cliffs about 400 feet (121.9 m.) high, is one of the most remarkable projections on this part of the coast.” (gleiche Quelle)
Der Name geht zurück auf Antoine Bruni d’Entrecasteaux oder in voller Länge Antoine Raymond Joseph de Bruni, chevalier d’Entrecasteaux. Der Marineoffizier erkundete 1792 die australische Küste, während er auf der Suche nach seinem verschollenen Landsmann Jean-François de Galaup, compte de Lapérouse war, der es leider aber auch blieb.
Die Landzunge Cape Leuwin bildet den südwestlichsten Punkt des australischen Kontinents mit einem 39 Meter hohen Leuchtturm aus dem Jahr 1895.
Im August 1909 hatte der Leuchtturmwärter von Cape Naturaliste ein von ihm gesichtetes Rettungsboot der „Fürth“ zugeschrieben. Es stellte sich jedoch heraus, dass es ein Boot der französischen Bark „Gaël“ war, die vor der australischen Küste gesunken war. SIEHE: Suche nach der Waratah

Der Hafen von Fremantle um das 1910, Quelle: State Library of Western Australia, Nr. 230753PD
Ankunft in Femantle, 29. Juli 1914
0.45 C. Naturaliste Pos. N 45° O
2.6 “ Pos. Ost 15 sml ab
SWl. Dünung
12 h 0 Ende d. Seereise
0.13 Lotse Williamson an Bord, Schlepper Wyola
1.0 Doktor Visite
1.25 Ende d. Reise. Schiff fest zwischen Schuppen A u. B
Tiefgang v. 20‘3“; h. 22‘2“; Mitte 21‘2 ½“
Schlepper Wyola
Der Schlepper „Wyola“ war 1912 in Dienst gestellt worden:
THE NEW TUG WYOLA.
Further particulars were received yesterday from London in connection with the new tug recently launched for service at Fremantle. The advices state that the tug has a length of 125 ft. by 24ft. 6in. beam, by 13ft. 6in. draught, with triple expansion engines capable of developing 1200 horse-power and driving the vessel at. a speed of 11 1/2 knots. She has also been fitted with a very powerful salvage pump and electric light has been installed stated to be thoroughly up-to-date in all respects, and when she arrives Fremantle will be in the position of having one of the most powerful and efficient tugs in Australia.
Quelle: Daily Commercial News and Shipping List, Sydney, 16. Jul. 1912, S. 4.
Im Ersten Weltkrieg wurde der Schlepper von der Admiralität requiriert und war in Malta im Einsatz. 1920 kehrte er nach Fremantle zurück.

Hafen von Fremantle im Jahr 1910. © Schmelzkopf 1984 aus der Sammlung Vonarb. Im Bild vorne zwei in England gebaute DADG-Schiffe, sog. Glattdecker.
In Fremantle
Die Reise von Adelaide nach Fremantle dauerte gut 5 Tage. Die Distanz von 1358 Seemeilen wurde mit einer Durchschnittsfahrt von 11,4 Knoten zurückgelegt. Die „Fürth“ blieb zum Beladen rund einen Tag und neun Stunden in Fremantle.
Anfg. d. Reise 24./7. 1 h 27 pm
Ende d. Reise 29./7. 1.25 pm
Dauer d. Reise 4 Tage 23 h 58 m
Zt. U. Sch. + 1 h 30 m
wahre Reisedauer 5 Tage 1 h 28 m
Rev. Zt. Adelaide 0 h 29 m
Rev. Zt. Fremantle 1 h 25 m
reduz. Fahrt 24./7. 0h 50 m
[zus.] 2 h 44 m
Dauer d. Seereise 4 Tage 22 h 44 m
Gesamt Distanz 1358 sml
Rev. Dist. Adel. 3 sml
Rev. Dist. Fremantle 6 sml
reduz. Fahrt 7 sml
[zus.] 16 sml
Seedistanz 1342 sml
Durchschnittsfahrt 11.4 kn
Laden v. 2 h pm bis 9.30 h pm mit 5 Gängen
Laden v. 9.30 h pm bis 10.0 pm mit 4 Gängen
Laden v. 10 h pm bis 10.30 pm mit 1 Gang
Wache II. Offz. Nagel
Donnerstag, d. 30. Juli 1914 Schönes Wetter
Laden v. 8 h am bis 5 h pm mit 5 Gängen
Laden v. 5 h pm bis 5.30 pm mit 4 Gängen
Laden v. 7 pm bis 9 h pm mit 2 Gängen
Laden v. 9h pm bis 10 h pm mit 1 Gang
Nahmen ca. 13 Tons Trinkwasser
10 h pm fertig, machten das Schiff seeklar
Tiefgang v. 22‘1“; h. 24‘0“; Mitte 23‘ ½“
Liegezeit Fremantle 1 Tag 8 h 58 m
Deck u. Räume wurden auf Einschleicher abgesucht, niemand gefunden
10.23 Anfang d. Reise, Lotse Williamsen, Schlepper Wyalo
10.50 Lotse von Bord; 11.15 pass. Leuchtboje an B.B. Anfang d. Seereise
SWl. Dünung
Das Absuchen des Schiffes nach blinden Passagieren war nicht erfolgreich. Es blieb eine Person versteckt, die nicht gefunden wurde. SIEHE Dampfschiff „Fürth“: Tagebuch-Spezial – Deserteure, Einschleicher und wechselndes Personal

Karte von Perth und Fremantle, 1900, State Library of Western Australia, Quelle: redbubble.com; Beschriftung „Perth“ und „Fremantle“ zur Verdeutlichung eingefügt
Die Gebrüder Strelitz
In Fremantle/Perth hatte die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) einen Makler: Die Strelitz Brothers
Paul Strelitz
Paul Strelitz war gebürtiger Hamburger und am 8. Juli 1887 mit dem Dampfschiff „Potosi“ der Orient Line von London nach Australien gekommen, genauer gesagt in die Colony of Victoria, nach Melbourne.
Er wohnte in 123 Gipps Street in East Melbourne und hatte eine Arbeit als Büroangestellter („clerk“).
Nach zwei Jahren, am 26. Juni 1889, beantragte Strelitz im Alter von 23 Jahren die Einbürgerung in die Colony of Victoria in Form eines „Memorial for Letters of Naturalization“:
“SIR,
I have the honour to submit a Memorial for Letter of Naturalization, and beg to request that it may be laid before His Excellency the Governor as early as convenient.
I have the honour to be, Sir, Your obedient Servant, Paul Strelitz (Unterschrift)”
Gerichtet werden musste der Einbürgerungsantrag an den Gouverneur von Victoria, im Original lautete der pompöse Wortlaut der Anrede wie folgt:
“To His Excellency SIR HENRY BROUGHAM LOCH, Knight Grand Cross of the Most Distinguished Order of St. Michael and St. George, Knight Commander of the Most Honorable Order of the Bath, Governor and Commander-in-Chief in and over the Colony of Victoria and its Dependencies, &c., &c., &c.”
Nach der Eintragung seiner persönlichen Angaben und vor seiner Unterschrift stand im Einbürgerungsantrag noch der folgende Text, der dafür warb, eine positive Antwort zu erhalten:
“Your Memorialist, therefore, prays that Your Excellency may be pleased to grant to your Memorialist Letters of Naturalization, under the Act of the Parliament of Victoria numbered 256, subject to the provisions therein contained, and subject also to such conditions as Your Excellency may consider necessary or advisable.
And Your Memorialist will ever pray.”
Dem Antrag von Paul Strelitz wurde mit Schreiben vom 12. Juli 1889 stattgegeben. Um die Urkunden „Letters for Naturalization“ zu bekommen, musste er nur noch den Fahneneid („Oath of Allegiance“) leisten und natürlich eine Verwaltungsgebühr bezahlen. Paul Strelitz legte den Fahneneid am 24. Juli 1889 ab:
„I DO sincerely promise and swear that I will be faithful and bear true allegiance to Her Majesty Queen Victoria, as lawful Sovereign of the United Kingdom of Great Britain and Ireland and of this Colony of Victoria – SO HELP ME GOD.”
Quelle: Strelitz, Paul – naturalization, National Archives of Australia, A712, 1889/N8252

Das Victoria Quay in Fremantle, West-Australien, ungefähr 1907, Quelle: State Library of Western Australia, Nr. 129205PD
Paul und Richard – Die Strelitz Brothers
Paul Strelitz hatte einen jüngeren Bruder, Richard. Dieser soll 1892 nach Melbourne gekommen sein und im Jahr darauf einen Posten bei einer Schifffahrtsagentur in Fremantle, Westaustralien erhalten haben.
1894 folgte Paul seinem Bruder dorthin und die beiden gründeten ihr eigenes Unternehmen: Strelitz Brothers, Merchants and Shipping Agents of Fremantle and Kalgoorie.
Die Brüder hatten die Vertretung für die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft und The United Tyser Line, einer Gemeinschaftslinie aus DADG, DDG Hansa und The Tyser line, London. SIEHE: Im Auftrag Rockefellers
Eine weitere Vertretung bestand für die Fa. Nobel in Hamburg. Durch den westaustralischen Goldrausch in den 90-er Jahren des 19. Jahrhunderts sollten Sie vermögende Kaufleute werden, zumal sie auch noch Bergbaumaschinen und Eisenbahnmaterial importierten.

Ausstellungsstand der Gebrüder Strelitz in der Bergbaustadt Coolgardie, Foto von Hemus and Hall, Coolgardie Pioneer, 22. April 1899, S. 18; Coolgardie war damals nach Perth und Fremantle die drittgrößte Stadt Westaustraliens, heute ist sie als „Ghosttown“ nur noch von touristischem Interesse.
Ein weiteres Unternehmen der Gebrüder Strelitz importierte Fotomaterial nach Westaustralien (Optical and Photo Supplies Company); die beiden Brüder waren zusammen mit dem Partner George Gilbert Martin auch Inhaber der General Electric and Engineering Company.
Der wirtschaftliche und gesellschaftliche Aufstieg der Gebrüder Strelitz wurde durch politische Ämter weiter vorangetrieben. Paul wurde zum Konsul von den Niederlanden ernannt und sein Bruder Richard wurde dänischer Konsul und schwedischer Vize-Konsul.
Richard Strelitz hatte ein Faible für Automobile und er importierte eines der ersten Autos nach Westaustralien. Er beschäftigte den ersten Chauffeur und später war er maßgeblich an der Gründung eines Automobilclubs beteiligt, der dann in den RAC – Royal Automobile Club of West Australia aufging. Dieser existiert noch heute und ist nach eigenen Angaben der Automobilclub mit dem weltweit größten geografischen Einzugsbereich.
Privat waren beide Strelitz Brüder mit australischen Frauen verheiratet; die Familien bewohnten luxuriöse Anwesen in Peppermint Grove und Mosham am Unterlauf des Swan River, auch heute noch die begehrtesten (und teuersten) Lagen Westaustraliens.
Geschäftlich ging es ebenfalls weiter bergauf: 1906 errichten die Gebrüder Strelitz ein weiteres Lagerhaus in Fremantle und im Jahr 1912 ein repräsentatives sechsstöckiges Bürogebäude in Perth, das Viking House in der William Street.
Ein erstes Geschäftsgebäude, das die Brüder 1897 ein der Mouat Street in Fremantle errichten ließen, steht noch heute und gehört zu den bekannten Baudenkmälern der Stadt (Strelitz Building). Ein Büro in dem Gebäude sollen die Strelitz-Brüder zeitweise (1904-1906) an einen amerikanischen Bergbauingenieur namens Herbert Hoover vermietet haben. 1929 wurde Hoover Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.
Erster Weltkrieg
Vor dem Beginn des Ersten Weltkrieges hatten die Gebrüder Strelitz eine angesehene Position in der Gesellschaft Westaustraliens.
Mit Kriegsausbruch zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich wurden aus den angesehenen Deutschen potentielle Feinde („enemy aliens“) und mutmaßliche Spione. Alle Deutschen und Deutschstämmigen waren plötzlich verdächtig, ihre Post wurde kontrolliert und auf Anfeindungen folgten gewalttätige Übergriffe, wie zum Beispiel Plünderungen von Geschäften mit deutschem Namen.
Auch wenn Personen, so wie Paul Strelitz schon 25 Jahre Bürger Australiens waren, waren sie plötzlich „naturalized persons of enemy origin“.
Englischstämmige australische Geschäftsleute sahen jetzt auch eine gute Möglichkeit, ihre deutschstämmigen Konkurrenten anzuschwärzen und von der Kolonialregierung Schutz zu verlangen: „protection against these ‘Germans‘ “. Das galt natürlich besonders dann, wenn der deutschstämmige Konkurrent einen günstigeren Preis angeboten hatte.
Ein anderer Angriffspunkt war, die deutschstämmigen Firmen des Handels mit dem Feind zu bezichtigen „trading with the enemy“.
Die Westaustralischen Behörden konnten jedoch bei den Strelitz Brothers trotz mindestens einer Durchsuchung der Geschäftsräume nichts Verbotenes finden. Als Deutschstämmige waren sie aber grundsätzlich verdächtig und Anfeindungen ausgesetzt. In einer handschriftlichen Notiz heißt es:
„Defence Dept advice nothing definite against Strelitz Bros. but they are regarded with suspicion” 17.2.16;
Quelle: National Archives of Australia, Strelitz Bros Ratazzi, 1915-1918, Ser. A3201, TE1599
Rückzug
Die Gebrüder Strelitz taten in dieser Situation sicher das einzig Richtige. Sie zogen sich zurück.
Paul Strelitz war wohl schon seit 1913 mit seiner Familie auf einer ausgedehnten Reise in England und zog diese sehr lange hinaus (eventuell bis 1918). Ein Dokument beweist seine Anwesenheit in London und Kontakte zu Shrimpton & Sons, einem großen Hersteller von Nähnadeln im Februar 1916.
“CONFIDENTIAL
War trade Department inquire Commonwealth Government views as to Richard Strelitz Brothers Perth formerly agents German Steamship Company one brother Strelitz now in London with Shrimpton and Sons presence considered suspicious.”
Copy of cablegram from the High Commissioner’s Office, dated 13th February, 1916.
Quelle: National Archives of Australia, Strelitz Bros Ratazzi, 1915-1918, Ser. A3201, TE1599
Richard Strelitz hingegen hatte sich im Dezember mit seiner Familie in den Raum Sydney zu einem langen „Kuraufenthalt“ (health trip) verabschiedet.
Die Brüder legten ihre konsularischen Ämter nieder und Richard trat auch von der Präsidentschaft des Automobilclubs zurück.
Die Geschäftstätigkeit in Westaustralien wurde derweil, so sieht es zumindest für mich nach den mir vorliegenden Dokumenten aus, von ihren rund 80 Angestellten unter der Leitung des Geschäftsführers R. T. Brown, weitergeführt.
Neuer Anfang in Sydney
Aus dem „health trip“ von Richard Strelitz sollte eine dauerhafte Umsiedlung nach Sydney werden. 1918 ließ er sein Haus, das ganze Inventar, sein Automobil etc. in Peppermint Grove verkaufen oder versteigern.
Sein Bruder Paul sollte Richard um 1918 in den Osten Australiens folgen, wo die beiden Brüder mit ihren Familien den Rest ihres Lebens verbrachten:
“…and the Strelitz family then flourished in the well-known waterside suburbs in and around Potts Point and Elizabeth Bay. Richard died in May 1958, in Mosman, NSW, aged 86, followed two month later by Bebe, aged 82.”
Quelle: fromhoovestohighways.com; R Strelitz, Esq.
Anmerkung: Potts Point und Elizabeth Bay sind Stadtteile von Sydney. Bessie Blanche „Bebe“ Salomon war die Ehefrau Richards. Sie hatten am 23. September 1897 in Albany (Westaustralien) geheiratet.
Paul Strelitz starb vier Jahre später, 1962, im Alter von 94 Jahren.
Quelle: https://www.myheritage.fr/names/paul_strelitz
Offene Fragen
Warum den beiden Strelitz-Brüdern und ihren Familien das Schicksal fast aller deutschstämmigen Australier im Ersten Weltkrieg, nämlich die Internierung in australischen Lagern erspart geblieben ist, muss ich offen lassen. Vielleicht war es ihrem kompletten Rückzug zu verdanken. Es war in jedem Fall sehr außergewöhnlich.
In nicht wenigen Quellen wird allerdings behauptet, dass die Brüder interniert gewesen seien. Ich habe darauf keinen Hinweis gefunden und folge daher den Autoren der Ausstellung „From Hooves to Highways“ aus dem Jahr 2016:
„There are numerous historic references to him having been interned as an enemy alien for the duration of the war but this was not the case. He remainded free but left WA taking his family, his businesses and his tremendous fortune to Hunamurra (soon changed to Turramurra), NSW. In February 1918 he put Ericston and its entire contents up for sale.”
Quelle: fromhoovestohighways.com; R Strelitz, Esq.
Anmerkungen: WA = West Australia, Turramurra = ein bevorzugter Stadtteil von Sydney, Ericston (auch St. Just) = das Wohnhaus der Familie Richard Strelitz in Peppermint Grove, das übrigens noch existiert (2020): https://federationhome.com/2018/09/10/peppermint-grove-w-a-heritage/
Andere deutschstämmige Unternehmerfamilien im Commonwealth hatten dieses Glück nicht. Ich hatte am Beispiel der Familie Freudenberg in Ceylon darüber berichtet: Freudenberg & Co. in Colombo
Nächste Woche im Blog
Der vorerst letzte Teil des Logbuchs der „Fürth“: die Fahrt von Fremantle nach Colombo.
Die Insel Ceylon schon vor Augen, wird die „Fürth“ am 10. August um 14.30 Uhr von der britischen Sloop „Espiègle“ auf offener See angehalten.
Alles über die letzten Tagebucheinträge von Kapitän Richter und seinem ersten Offizier exklusiv hier im Blog.
Außerdem treten in Aktion: Lieutnant-Commander Nunn und sein Chief Mate Mark Singleton.
Zum Logbuch
Die vergangene Folge des Logbuchs der „Fürth“: Die „Fürth“ in Adelaide: Logbuch (16), Juli 1914
Die Artikel über das Logbuch der „Fürth“ beginnen im Januar 2020: Das Schiffstagebuch der „Fürth“ – eine Einleitung