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Internment Camp Durban 1915

Neujahrsgrüße aus Südafrika (1915)

Titelbild: Karte zu Neujahr 1915 aus dem Kriegsgefangenenlager für Offiziere in Durban, Südafrika, Kartentext: „Am Ende seines Lebens wurde das arme Luder blödsinnig!“, unbekannter Autor; Quelle: Sammlung Herbert von Rapacki-Warnia, via Europeana 1914-1918, https://1914-1918.europeana.eu/en/contributions/18325, item 6; Lizenz: CC BY-SA 3.0; http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

Allen Bloglesern ein gesundes und friedliches Jahr 2023!

Ich wünsche Ihnen ein gesundes und friedliches Jahr 2023. Außerdem wünsche ich Ihnen, dass Sie den Jahresanfang an einem Ort feiern konnten, den Sie sich selbst ausgesucht haben.

Ihren Aufenthalt definitiv nicht selbst ausgewählt hatten sich deutsche Offiziere im Lager Durban. Einer von ihnen war Herbert von Rapacki-Warnia.

Herbert von Rapacki-Warnia

Der 1891 in Görlitz geborene Herbert von Rapacki-Warnia hatte sich im Mai 1914 entschlossen, als Offizier nach Deutsch-Südwest-Afrika zu gehen. Dort sollte er jedoch nie ankommen.

„Er wurde am 28. September 1914 in Kapstadt als Leutnant der feindlichen Armee des Deutschen Kaiserreichs gefangen genommen. Zunächst wurde Herbert in Durban für kriegsgefangene Offiziere interniert, da die Südafrikanische Union unter britischer Kontrolle stand. Später wurde er in Fort Napier, im dortigen britischen Internierungslager in Pietermaritzburg (Natal) gefangen gehalten.“

Zitat aus Europeana, https://1914-1918.europeana.eu/en/contributions/18325#prettyPhoto

Zwei Mannschaften der Deutsch-Australischen-Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg

Ebenfalls in Kapstadt festgesetzt wurden die Mannschaften zweier Schiffe der Deutsch-Australischen-Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg (DADG).

Der Frachtdampfer „Apolda“

Das Dampfschiff „Apolda“ verließ Hamburg am 19. Juli 1914 auf der Linie 3 der DADG, das heißt über Zwischenstopps in Südafrika sollten Waren nach Melbourne, Sydney und Brisbane transportiert werden.

Angelaufene Häfen zwischen Hamburg und Kapstadt waren Antwerpen, das am 25. Juli verlassen wurde, sowie Madeira mit einer Abfahrt am 31. Juli 1914.

Das Schiff war nicht mit drahtloser Telegrafie ausgerüstet und somit lief „Apolda“ unter Leitung von Kapitän Suhr ohne Nachricht vom Ausbruch des Ersten Weltkrieges am 17. August in Kapstadt ein (die Kriegserklärung Großbritanniens an das Deutsche Reich erfolgte am 4. August 1914).

Die ahnungslose und überraschte Mannschaft der „Apolda“ wurde von den südafrikanischen Behörden festgesetzt. Das Schiff hatte etwa 7000 Tonnen Ladung für Südafrika und Australien an Bord.

Dampfschiff Apolda 1901, DADG

“Apolda”, Foto aus der Arbon Le Maistre Collection, keine Datumsangabe (1901-1914), Quelle: State Library of South Australia, Referenznr.: PRG 1324/1515A, https://collections.slsa.sa.gov.au/resource/PRG+1324/1515A, gemeinfrei

Das Dampfschiff „Hamm“

Ganz ähnlich erging es der Mannschaft der „Hamm“. Das Schiff hatte unter Leitung von Kapitän Davidsen Hamburg am 11. Juli mit Fahrtziel Fremantle (Westaustralien) verlassen. Letzte Nachrichten erhielt die Mannschaft in Antwerpen, wo das Schiff am 18. Juli ablegte. Danach erfolgte die lange Fahrt durch den Atlantik. Wie „Apolda“ hatte auch „Hamm“ keine Telegrafie an Bord und erreichte Kapstadt ohne Nachricht vom Krieg.

Somit waren über 80 Seeleute der DADG in südafrikanische Gefangenschaft geraten.

Zu den beiden DADG-Schiffen gesellte sich noch der Dampfer „Birkenfels“ der Deutschen Dampfschifffahrts-Gesellschaft Hansa (Bremen). Er kam am 20. August 1914 in Kapstadt an.

Pietermaritzburg, Fort Napier, WW1

Aufnahme aus dem Lager Fort Napier in Pietermaritzburg, unbekannter Fotograf; Quelle: Sammlung Herbert von Rapacki-Warnia, via Europeana 1914-1918, https://1914-1918.europeana.eu/en/contributions/18325, item 3; Lizenz: CC BY-SA 3.0; http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

Fort Napier in Pietermaritzburg

Das Lager in Durban, von wo die Postkarte der Titelabbildung versandt wurde, hatte nicht lange Bestand. Es beherbergte in einem kurzen Zeitraum von November 1914 bis März 1915 ausschließlich eine relativ kleine Anzahl an Reserveoffizieren.

Daneben existierten zu Beginn des Ersten Weltkrieges Transitcamps in Kapstadt, Kimberley, Winburg, Johannesburg und Pretoria.

Das Hauptlager in Südafrika, in das vermutlich auch die Schiffsbesatzungen der „Apolda“, „Hamm“ und „Birkenfels“ gebracht wurden, befand sich im Fort Napier in Pietermaritzburg. Dort waren während des Ersten Weltkrieges 2500-3000 „enemy aliens“, also feindliche Ausländer, interniert. Ein Bericht vom August 1915 nennt 2608 Gefangene, unter denen sich 267 Österreicher und sechs Türken befanden.

Die meisten unter ihnen waren deutsche Zivilisten, die vor dem Krieg nach Südafrika ausgewandert waren. Einige andere waren aus Deutsch-Südwest, Rhodesien, Belgisch-Kongo oder Deutsch-Ostafrika nach Pietermaritzburg gebracht worden.

Fort Napier liegt westlich von Pietermaritzburg auf einem Hügel. Es war 1843 als Hauptsitz des Britischen Militärs in Natal errichtet worden. Die militärische Nutzung endete im Jahr 1914. Nach der Nutzung als Gefangenenlager stand das Fort bis 1927 leer. Dann wurde in einem Teil eine psychiatrische Klinik eingerichtet, die bis heute existiert.

Fort Napier, Internment Camp, World War 1

Waschräume in Fort Napier, wahrscheinlich aus dem Lagerbereich für Offiziere, unbekannter Fotograf; Quelle: Sammlung Herbert von Rapacki-Warnia, via Europeana 1914-1918, https://1914-1918.europeana.eu/en/contributions/18325, item 3; Lizenz: CC BY-SA 3.0; http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

Im Lager Fort Napier

Das große Lager in Fort Napier war in vier Lagerbereiche aufgeteilt.

Der Lagerbereich 1 bestand aus einem großen Gebäude mit 18 Mannschaftsräumen, gebaut aus Holz und Eisen auf einem Ziegelfundament. Das Gebäude verfügte über eine Veranda und war mit einer Küche, 26 WCs, zwölf Duschen und zwei Badezimmern ausgestattet.

Eine Skizze von Lager 2 zeigt 15 Wohnbaracken, ein Verwaltungsgebäude, ein Wasch- und Badehaus, eine Kegelbahn, ein Versammlungslokal, eine Schlachterei, eine Bäckerei, das Café Hindenburg und einen Sportplatz.
Quelle: http://www.stobscamp.org/wordpress/wp-content/uploads/2019/09/Stobs-South-African-Education-Pack-1914-1919.pdf

Lager 4, das Bessergestellten und Älteren vorbehalten war, verfügte über 136 Zimmer mit 51 kleinen Küchen.

Jeder Gefangene in Pietermaritzburg hatte eine Matratze, Decken, einfaches Geschirr und Besteck erhalten.

Alle vier Kampbereiche hatten eine eigene Küche mit einem (weißen) Koch, der von indischem und afrikanischem Personal unterstützt wurde. Jedem Lagerbereich stand außerdem ein sogenannter „Camp Captain“ als Sprecher der Gefangenen vor.

Eine Krankenstation war mit einem Militärarzt und zwölf Sanitätern besetzt, die von einem Gefangenen unterstützt wurden.

Im Lager selbst waren nur Männer untergebracht. Für Frauen und Kinder existierten außerhalb des eigentlichen Lagers zusätzliche Unterkünfte.

Einige der Gefangenen konnten die Lager auf Ehrenwort (parole) wieder verlassen. Vor allem ältere, kränkliche aber auch bekannte Personen, die bereits lange in Südafrika lebten, waren darunter.

Wie in den anderen Lagern, über die ich hier im Blog schon berichtet hatte, war die Langeweile das drückendste Problem.

Die Gefangenen begegneten der Monotonie mit zahlreichen Aktivitäten: Sport und Sportfeste, Theater, handwerkliche Tätigkeiten, Malerei, von Gefangenen selbst organisierte Weiterbildungskurse. Die Herausgabe einer Lagerzeitschrift mit dem Titel der „Der Hunne“ ist ebenfalls belegt.

Der Gefangene Hugo Bode schreibt dazu:

… ich benutze das Unvermeidliche zu meinem Vorteil, in dem ich mich bemühe gesund zu werden. Ich turne so gut es geht, aber als „alter Herr“, und treibe französisch, außerdem male ich und schnitze Spielsachen für die Kinder. …“
Auszug eines Briefs von Hugo Bode, POW 4283, Camp II, C9 an seine Eltern vom 17. Mai 1917

Anmerkung: POW = Prisoner of War (Kriegsgefangener)

In einem anderen Brief schreibt Bode:

„… Das Essen ist ganz leidlich, was ich mir dazu kaufe ist wohl Milch u. Frucht u. Wurst. …“

Quelle: http://www.stobscamp.org/wordpress/wp-content/uploads/2019/09/Stobs-South-African-Education-Pack-1914-1919.pdf

Neben der Verpflegung scheint auch die Behandlung der Gefangenen in Ordnung gewesen zu sein:

„Laut meiner sehr entfernten Cousine, Carol Hobson, die heute in Kapstadt lebt, wurden die Gefangenen gut behandelt, konnten abends ausgehen und erhielten eine praktische Ausbildung, Herbert lernte Zimmermann.“
Zitat aus Europeana, https://1914-1918.europeana.eu/en/contributions/18325#prettyPhoto

Fort Napier Internment Camp, Herbert von Rapacki-Warnia

Gefangene im Lager Fort Napier beim Kartenspielen, links Herbert von Rapacki-Warnia und zweiter von links Dr. Hans Merinsky, unbekannter Fotograf; Quelle: Sammlung Herbert von Rapacki-Warnia, via Europeana 1914-1918, https://1914-1918.europeana.eu/en/contributions/18325, item 4; Lizenz: CC BY-SA 3.0; http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

Nach dem Krieg

Nach Kriegsende war die Abschiebung Deutscher und Deutschstämmiger weniger rigoros als in Australien, was auf den Widerstand der niederländisch stämmigen Afrikaners zurückzuführen war.

Anders als in Australien, wo die Briten die große Bevölkerungsmehrheit stellten, war die weiße Bevölkerungsstruktur in der Südafrikanischen Union durch die Eingliederung der Burenrepubliken im Jahr 1910 wesentlich komplexer. Die deutsche Minderheit genoss bei der großen Gruppe der Afrikaners zahlreiche Sympathien.

So konnten sich viele Deutsche, die nach dem Ersten Weltkrieg in Südafrika bleiben wollten, wieder in die Gesellschaft eingliedern.

Auch für Herbert von Rapacki-Warnia lag trotz der Internierung in Pietermaritzburg die Zukunft in Südafrika. Er starb am 2. September 1952 in Kapstadt.

Cape Town, Darling Street, about 1905

Kapstadt, Darling Street, frühes 20. Jhdt. nach 1905 (die Town Hall in der Bildmitte wurde 1905 gebaut; Foto ohne Datumsangabe), DRISA Archiv Johannesburg, Ref. code ZA 0375-LS-LS_01_116 http://atom.drisa.co.za/collections/LS_Collection_lo-res/LS_01_116.jpg

Weitere Informationen

Viele Informationen über die Internierung Deutscher in Südafrika während des Ersten Weltkrieges habe ich dieser Quelle entnommen:

Prisoners of War and Internees (Union of South Africa), Version 1.0, letztes Update am 14. Juli 2015, Tilman Dedering, University of South Africa, in 1914-1918 online, International Encyclopedia of the First World War; https://encyclopedia.1914-1918-online.net/article/prisoners_of_war_and_internees_union_of_south_africa

Bei Interesse empfehle ich die Lektüre dieser sehr viel ausführlicheren Quelle.

Weitere Informationen, Bilder und Zeichnungen gibt es in dem Unterrichtsmaterial Minorities and Internment in South Africa during the Great War 1914-1919 herausgegeben vom Internment Research Center (IRC) in Hawick (UK) , www.stobscamp.org/IRC

22 historische Fotos aus dem Lager Pietermaritzburg finden Sie auf einer privaten Webseite über die deutschen Kolonien und die Zeit während des Ersten Weltkriegs mit dem Titel Kolonialarchiv:

https://www.kolonialarchiv.de/gefangenenlager/pietermaritzburg-fort-napier-s%C3%BCdafrika/

Hot Springs internment camp 1917

Angelpartie in Hot Springs

Titelbild:
Angelpartie, Hot Springs, North Carolina, Aufnahme vermutlich aus dem (Spät-)Sommer 1917, Press Illus. Service über commons.wikimedia.org
Originaltext: A beautiful river forms the western boundary of the camp affording the German fishermen to try their luck

Nur fast ein Idyll

Die letzten beiden Blogartikel über Sabotageakte in New York handelten von Explosionen, Bränden und anderen massiven Zerstörungen.

SIEHE: Sabotage in New York (Teil 1) und Sabotage in New York (Teil 2)

Zum Ausgleich dazu zeige ich Ihnen heute ein sehr friedliches Bild: Eine Angelpartie dreier Herren an einem Fluss.

Und doch steht die Aufnahme der drei Angler in direkten Zusammenhang mit den beiden Artikeln über New York.

Dazu gleich mehr.

Lassen wir uns zunächst die malerische Flusslandschaft auf uns wirken:

Der Hintergrund lässt erahnen, dass wir uns in einer Hügellandschaft oder den Bergen befinden. Auch die vielen Steine weiter hinten im Flussbett lassen darauf deuten, dass es sich um den Oberlauf eines Flusses handelt. An der Stelle, die sich die Herren zum Angeln ausgesucht haben, scheint der Fluss etwas angestaut zu sein. Ganz rechts blitzt über dem kleinen Steilufer die helle Wand eines Gebäudes durch die Bäume hindurch.

Der vordere der drei Herren lässt an einen Schiffsoffizier denken, dem Alter nach sehr wahrscheinlich ein Kapitän. Das Hemd mit hochgekrempelten Armen deutet auf angenehme Temperaturen hin. In der einen Hand hält er seine Pfeife, in der anderen Hand seine Angel. Die Angel ist allerdings ein Provisorium. Ein einfacher Stock, den er sich bestimmt selbst von einem der zahlreichen Bäume und Sträucher geschnitten hat.

Bei den beiden Herren dahinter fällt die Einordnung schwer, beide sind in Zivil. Ihre Angeln sind deutlich kürzer. Auch sie bestehen nur aus einfachen Stöcken.

In den Blue Ridge Mountains

Der Ort an dem diese Angelpartie stattfindet ist Hot Springs im westlichsten Teil des amerikanischen Bundesstaat North Carolina nur wenige Meilen von der Grenze zu Tennessee.

Die Berge, in den sich der Ort auf etwa 400 Metern Meereshöhe befindet, sind die Blue Ridge Mountains.

Hot Springs hatte sich Ende des 19. Jahrhunderts zu einem beliebten Ferien- und Badeort entwickelt. Der Name Hot Springs geht auf warme Quellen zurück, die hier genutzt wurden und die einen Bade- und Ferienort entstehen ließen.

Der Fluss, an dem die drei Herren auf Fische hoffen, trägt den ungewöhnlichen Namen French Broad River, ein Hinweis, dass der Fluss früher einmal in französisches Gebiet westlich der Blue Ridge Mountains floss. Aber das war lange vor der Zeit, zu der diese Aufnahme entstand.

Hot Springs Mountain Park Hotel 1902

Mountain Park Hotel in Hot Springs, North Carolina, Aufnahme aus dem Jahr 1902; Quelle: Library of Congress, Washington D. C., https://www.loc.gov/resource/det.4a09534/

Das Mountain Park Hotel in Hot Springs

Das einst mondäne Mountain Park Hotel in Hot Springs war seit 1913 nicht mehr gut gelaufen und so entschied sich sein Besitzer es an den amerikanischen Staat zu verpachten.

Dieser nahm das Angebot per Entscheidung vom 26. Mai 1917 an und nutzte das Hotel und das großzügige Areal darum herum, um deutsche Zivilgefangene, zum großen Teil Seeleute der beschlagnahmten deutschen Handelsschiffe hier unterzubringen.

Die Schiffoffiziere wurden in dem ehemaligen Hotel einquartiert. Für die Mannschaften wurden auf dem Gelände, das früher einen der ersten Golfplätze der Region beheimatete, in Windeseile 16 Holzbaracken errichtet. Außerdem Küchen-, Sanitärgebäude, eine Speisehalle und andere Bauten.

Die ersten Gefangenen erreichten Hot Spings am 8. Juni 1917. Eine offizielle Zahl vom Folgejahr, genauer gesagt vom 29. Juni 1918, gibt für das Internierungslager Hot Springs die Zahl von 2314 Gefangenen an.

Diese waren aus amerikanischen Häfen wie New York, New Orleans, Boston, San Francisco nach Hot Springs gebracht wurden, aber auch aus Manila von den Philippinen, die damals eine amerikanische Kolonie waren.

Manila ist aus Sicht des Blogs, der sich mit der Geschichte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) befasst, besonders interessant, da nach Kriegsausbruch auch drei DADG-Schiffe in Manila Schutz gesucht hatten: „Bochum“, „Elmshorn“ und „Esslingen“ (insgesamt waren es in Manila 18 deutsche Schiffe).

450 Personen, wahrscheinlich die Seeleute der 1917 beschlagnahmten Schiffe, kamen im Dezember 1917 im Immigrationszentrum Angel Island (San Francisco) an und wurden einen Monat später weiter nach Hot Springs gebracht.
Quelle: National Archives, When the „Enemy“ landed at Angel Island, Maria Sakovich, publications 2009, Vol. 41, No. 2

Ein anderes interessantes Detail ist, dass sich im Ort Hot Springs 27 deutsche Frauen mit 19 Kindern einmieteten, die in der Nähe ihrer internierten Männer sein wollten.

Neben den vielen Seeleuten war auch das komplette kaiserliche Orchester des dritten Seebataillon aus dem chinesischen Protektorat Tsingtao im Jahr 1918 in Hot Springs angekommen. Ihre Konzerte brachten den Gefangenen einige Abwechslung, waren aber auch bei der einheimischen Bevölkerung äußerst beliebt (die den Konzerten von der Plattform des Bahnhofs außerhalb des Lagers zuhören und zusehen konnten). In dem kleinen Ort, der aus nicht einmal 500 Einwohnern bestand, dürfte es sonst nur wenig kulturelle Angebote gegeben haben.

Eine sehr ausführliche Abhandlung über das Orchester finden Sie bei dem Musikwissenschaftler Paul Banks:
http://pwb101.me.uk/mahler-in-china-1907-2/ (in englischer Sprache)

Die Gefangenen bauten in der Zeit ihrer Internierung etliche Holzhäuser, die vom Stil an die Alpen erinnerten. Eine Kirche und auch eine Kapelle, ebenfalls aus Holz komplettierten die Szenerie. Besonders stolz dürften die Deutschen auf ein selbst gebautes Karussell gewesen sein. Eine Abbildung zeigt eine Gruppe der Gefangenen, die vor dem Fahrgeschäft posieren. Darunter sind auch einige Frauen, die offenbar zeitweise Zugang zum Lager hatten.

Eine andere Abbildung zeigt das Lager in verschneiter Winterlandschaft, es muss hier im Winter 1917/1918 also recht kalt geworden sein.

Trotzdem muss man Hot Springs im Vergleich zu vielen anderen Internierungslagern, als absolute Ausnahme ansehen. Zumindest war es in einen sehr idyllischen Rahmen gebettet und viele Bilder lassen eher an einen Ferienaufenthalt, als an ein Lager denken.

Begrenzte Idylle

Im Frühjahr 1918 entschied sich die amerikanische Regierung jedoch, alle Zivilgefangenen dem Verteidigungsministerium zu unterstellen. Für das Lager Hot Springs, das vom Arbeitsministerium geleitet worden war, bedeutete dies die Auflösung noch vor Kriegsende.

Alle Gefangenen sollten dann im Sommer 1918 nach Fort Oglethorpe im Bundesstaat Georgia gebracht werden. Den Internierten war klar, dass sie dort nicht die angenehmen Rahmenbedingungen vorfinden würden, wie in Hot Springs.

Ein Typhusausbruch verzögerte die Verlagerung und so dauerte es bis zum 31. August 1918, als alle Internierten mit Ausnahme der Erkrankten nach Fort Oglethorpe gebracht worden waren. Insgesamt waren 26 Todesfälle durch Typhus zu beklagen, 13 weitere Gefangene starben in Hot Springs an anderen Ursachen.

Hot Springs French Broad River 1902

French Broad River bei Hot Springs, Aufnahme von 1902; Quelle: Library of Congress, Washington D. C., https://www.loc.gov/resource/det.4a09538/

Kurzporträts von Gefangenen

Adolf Thierbach

Einer der Internierten war Adolf Thierbach. Er wurde am 17. Mai 1883 in Berlin geboren. Seit etwa 1908 war er Hoboisten-Unteroffizier im Orchester des III. Seebataillons.

Anmerkung: Hoboist war der Name eines Musikers in Infanterie und Marine unabhängig vom gespielten Instrument.

Thierbach hatte eine Plattenkamera und offenbar die Rolle eines (inoffiziellen) Lagerfotografen übernommen. Er machte während seiner Gefangennahme zahlreiche Fotoaufnahmen in Hot Springs. Ihnen ist es zu verdanken, dass heute noch ein visueller Eindruck des Lagers überliefert ist.

Die Aufnahmen befinden sich im Archiv der Madison County Public Library, der Hauptstadt des Countys, in dem sich der Ort Hot Springs befindet. Über die Seite http://ibiblio.org/ww1gd/Index.html sind sie online abrufbar.

Ein Porträt des Fotografen Adolf Thierbach gibt es hier: http://ibiblio.org/ww1gd/AboutThisProject.html

Thierbach wohnte nach dem Krieg in Berlin, der Adresseintrag weist ihn als Musiker aus. Zuletzt wohnte er am Prenzlauer Berg, er starb am 18. Februar 1956.

Mehr Informationen zu Adolf Thierbach: http://www.tsingtau.info/

Charles August Polack

Stellvertretend für die vielen internierten Kapitäne deutscher Handelsschiffe stelle ich hier Charles Pollack kurz vor. Der aus Grimma stammende Kapitän der „Kronprinzessin Cecilie“ war ein angesehener Handelsschiffskapitän des Norddeutschen Lloyd in Bremen.

Polack hatte New York am 28. Juli 1914 mit Ziel Bremerhaven verlassen. An Bord des NDL-Dampfers waren 1216 Passagiere und Gold im Wert von rund 15 Millionen Dollar. Nach Kriegsausbruch ließ Polack das Schiff auf dem Atlantik wenden und fuhr in die USA zurück um den Schutz des neutralen Landes zu suchen. Um der Kaperung durch britische Schiffe zu entgehen lief die „Kronprinzessin Cecilie“ zunächst nach Bar Harbor (Maine). Vor dem Winter wurde sie dann nach Boston gebracht.

Ein ausführlicheres Porträt von ihm finden Sie bei dem allseits bekannten Online-Lexikon.

Charles August Polack 1914 Norddeutscher Lloyd

Kapitän Charles August Polack (*1860 †1934) war Nautiker und Kapitän des Norddeutschen Lloyd (NDL) und für die Führung einiger der bedeutendsten Transatlantik-Passagierdampfer vor dem Ersten Weltkrieg verantwortlich. Er gehörte in jener Zeit zu den bekanntesten und angesehensten deutschen Handelsschiffsführern, Aufnahme von 1914; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Charles_Polack_by_Bain.jpg

Die Brüder Johann Orgel und Siegfried Orgel

Insgesamt müssen die Besatzungen (oder zumindest ein Teil davon) von sechs Schiffen der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) in Hot Springs gewesen sein:

„Harburg“ und „Magdeburg“ wurden in New York beschlagnahmt, die Schiffe „Esslingen“, „Elmshorn“ und „Bochum“ in Manila. Hinzu kam noch der Frachtdampfer „Kiel“, der in Southport, North Carolina, lag.

Wie es der Zufall will, waren unter den Kapitänen dieser Schiffe zwei Brüder: Johann Orgel, Kapitän der „Bochum“ und sein Bruder, Siegfried Orgel, Kapitän der „Magdeburg“.

Die beiden Brüder waren Söhne des Kapitäns Johann Christian Orgel aus Zingst.

Johann Orgel wurde 1870 in Zingst geboren und starb 1936 in Hamburg.

Das Familiengrab befindet sich auf dem Peter-Pauls-Friedhof in Zingst. Auf der Seite der Gemeinde finden Sie auch kurze Lebensläufe der Familie Orgel.

https://www.ev-kirche-zingst.de/friedhof/lebenslaeufe_orgel_johann-christian_und_charlotte.html

https://www.ev-kirche-zingst.de/friedhof/lebenslaeufe_orgel_liesbeth_johann.html

Demnächst im Blog

Wie von den Gefangenen bereits geahnt, bot Fort Oglethorpe nicht mehr die Annehmlichkeiten des Lagers Hot Springs.

Der für deutsche Zungen schwer auszusprechende Name Oglethorpe wurde von seinen deutschen Bewohnern schnell zu Orgelsdorf verballhornt.

Zeitdokumente, die Informationen über das Lager Oglethorpe und seine Bewohner bewahrt haben, sind Ausgaben der Lagerzeitugen Die Bombe und Orgelsdorfer Eulenspiegel.

Schlussbemerkung

Ich bin dabei, eine Genehmigung der Madison County Public Library einzuholen, um hier weitere Bilder aus Hot Springs zeigen zu können. Wenn ich diese bekommen sollte, wird ein zweiter Artikel über dieses Internierungslager folgen.

Holsworthy riots 1916

Die Verbrechen der Schwarzen Hand

Bandenkriminalität und Selbstjustiz im Gefangenenlager Holsworthy (Liverpool/NSW Wales/Australien)

Holsworthy war während des Ersten Weltkrieges das größte Gefangenlager in Australien, in dem Angehörige feindlicher Nationen (enemy aliens) festgehalten wurden. Die große Mehrheit unter ihnen waren Deutsche.

Auch Mannschaftsmitglieder des Dampfschiffes „Fürth“ waren darunter. Sie waren nach ihrer Festsetzung in Ceylon im Herbst 1915 nach Australien transportiert worden, nachdem die Briten die Internierungslager in ihren Besitzungen in Süd- und Südostasien geschlossen hatten und die Gefangenen in Australien konzentrierten.

Von den Besatzungen der Handelsschiffe kamen die Offiziere nach Trial Bay und die Mannschaften nach Holsworthy.

Allerdings wurde das Lager Trial Bay im Jahr 1918 geschlossen und auch diese Internierten wurden dann im Lager Holsworthy untergebracht, allerdings in verschiedenen Lagerbereichen, zwischen denen jeder Kontakt bei Strafe verboten war.

Holsworthy riots 1916

Holsworthy Internment Camp, Aufnahme vor den Unruhen vom 19. April 1916; Quelle: Australian War Memorial Collection, Accession No. H11699A; awm.gov.au

„dessen Namen wir nur nannten, indem wir uns gleichzeitig innerlich bekreuzigten“

Unter allen australischen Gefangenenlagern im Ersten Weltkrieg hatte Holsworthy, das oft auch nach der nahen Stadt Liverpool (Großraum Sydney, New South Wales) einfach Liverpool genannt wurde, den schlechtesten Ruf. Hier wurden bis zu über 5000 Personen gefangen gehalten.

Das Lager war überfüllt und die sanitären Einrichtungen ungenügend. Hitze (tagsüber), Kälte (nachts), Wind, Staub, Langeweile, Ungewissheit und Meinungsverschiedenheiten führten zur sogenannten Stacheldrahtkrankheit (barbed wire disease), ein Ausdruck, den der Schweizer Mediziner Adolf Lukas Vischer prägte.

Hinzu kamen in Holsworthy Aufstände wegen mangelhafter Essensrationen und Übergriffe von Wachsoldaten.

Einen entscheidenden Anteil an der schlechten Reputation von Holsworthy hatten darüber hinaus Vorkommnisse von November 1915 bis April 1916, einer Zeit, in der die lagerinterne Verbrecherbande der Schwarzen Hand viele Gefangene drangsalierte.

Wie schlecht der Ruf des Lagers Holsworthy war, lässt sich am besten an einem Zitat des Augenzeugen Otto Wortmann verdeutlichen.

Wortmann war Pflanzer in Rabaul (Deutsch-Neuguinea) gewesen, wurde dort nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges von australischen Truppen gefangengesetzt und anschließend in das Lager Trial-Bay überstellt. Dieses Lager wurde im Mai 1918 geschlossen, eine Entscheidung, die für die Gefangenen plötzlich und unerwartet kam. Danach ging es für Wortmann und alle anderen nach Holsworthy.

Wortmann schrieb dazu in sein Tagebuch:

„… Unser schönes, idyllisch faules, langweiliges Lager in Trial-Bay wurde jäh aufgehoben, und ohne eine Ahnung zu haben sausten wir nachts im Zuge – nach 2 Jahren wiedermal Eisenbahn! – sausten wir also gerade aus nach dem Platze, den wir alle fürchteten, dessen Namen wir nur nannten, indem wir uns gleichzeitig innerlich bekreuzigten, nach dem Platze, mit dem uns unsere Gastgeber oft drohten, wie man kleinen ungezogenen Kindern mit dem „schwarzen Manne“ droht – na also nach Liverpool. …“
Quelle: Otto Wortmann internment camp papers, 28 August 1917 – 8 September 1918, State Library New South Wales, Call no. MLMSS 261/Box 6/Item 51; https://archival.sl.nsw.gov.au/Details/archive/110348980

Holsworthy riots 1916

Holsworthy Internment Camp, Aufnahme vor den Unruhen vom 19. April 1916; Quelle: Australian War Memorial Collection, Accession No. H11700A; awm.gov.au

Die Aufnahme zeigt auch, wie dicht die langen schmalen Hütten im Lager Holsworthy beieinanderstanden. Ebenfalls sieht man, dass sie auf einer Seite offen waren. An dieser offenen Seite war lediglich eine Plane befestigt.

 

Die Schwarze Hand

Der Name “Schwarze Hand” war nicht neu. Andere politisch und kriminell motivierte Gruppen trugen diesen Namen, wie zum Beispiel ein serbischer Geheimbund zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ein Zusammenhang zu der Bande in Holsworthy bestand jedoch nicht.

Als Rädelsführer der Schwarzen Hand gilt ein gewisser Hans Portman(n), zweiunddreißigjähriger Seemann deutscher Abstammung aus Melbourne, der zunächst in Langwarrin bei Melbourne interniert war und dann im Oktober 1915 nach Holsworthy überstellt wurde.

Ihm gelang es, andere Mitgefangene für seine Sache zu gewinnen, andere Gefangene um Geld, Wertgegenstände oder Dienste zu erpressen und nach und nach die Kontrolle über das Lager Holsworthy zu erhalten. Vor allem wohlhabendere Mitgefangene wurden wiederholt bedroht, geschlagen und ausgebeutet.

Das Lagerkomitee, ein aus Gefangenen zusammengesetztes Gremium, das die internen Aktivitäten des Lagers steuerte, schien nichts gegen die Machenschaften der Schwarzen Hand zu unternehmen. Eventuell war es selbst von der Schwarzen Hand unterwandert. Demzufolge sah sich auch die australische Armee nicht genötigt, einzugreifen.

So konnte die Schwarze Hand ungestört ihre kriminellen Handlungen bis in den April 1916 fortsetzen.

Holsworthy riots 1916

Holsworthy Internment Camp, Aufnahme von den Unruhen des 19. April 1916; Quelle: Australian War Memorial Collection, Accession No. P00595.059; Quelle: awm.gov.au

Der Aufstand

Am 19. April 1916 kam es dann zu einem Aufstand im Lager Holsworthy, bei dem der Anführer der Schwarzen Hand, Hans Portmann, getötet wurde. Er wurde anschließend von Lagerinsassen über das Haupttor nach außen geworfen.

In der Folge durchsuchten die Internierten das Lager nach weiteren Mitgliedern der Schwarzen Hand. Die australischen Wachsoldaten griffen nicht ein. Colonel Sands, der Kommandant begründete seine Passivität später. Der Aufstand hätte zwar gestoppt werden können, dies wäre jedoch nicht verhältnismäßig gewesen, weil dabei eine große Zahl Gefangener ums Leben gekommen wäre.

‘by shooting a great number of prisoners, which would not have been justified as the Germans intentions, although brutal, were to rid themselves of this criminal element in the camp’.
Zitat nach „The Enemy at Home” des Migration Heritage Centre;  https://www.migrationheritage.nsw.gov.au/exhibition/enemyathome/holsworthy-internment-camp/index.html

Weitere Mitglieder der Schwarzen Hand wurden bei dieser Durchsuchung des Lagers von anderen Lagerinsassen aufgegriffen, verwundet und ihre Körper wie zuvor der Portmanns über das Tor des Haupteingangs nach außen geworfen. Wachen brachten die Verletzten anschließend in das Krankenhaus des Camps.

Später wurden noch vierzehn weitere Mitglieder der Schwarzen Hand gefangen gesetzt und ins Camp-Gefängnis gesteckt.

Holsworthy riots 1916

Holsworthy Internment Camp, nach den „Schwarze Hand“-Unruhen vom 19. April 1916, Wachen und Offiziere untersuchen einen der verwundeten Gefangenen, Quelle: Australian War Memorial Collection, Accession No. P00595.086; awm.gov.au

Das Gerichtsverfahren

Eine gerichtliche Untersuchung verlief anschließend ergebnislos. Sie kam nur zu dem Schluss, dass Portmann an Verletzungen starb, die ihm von einer oder mehreren unbekannten Personen zugefügt wurden. Einen Vorsatz unterstellte der Untersuchungsrichter dieser Person/diesen Personen jedoch nicht:

„I feel no difficulty in coming to the conclusion that there was no intention on the part of the Germans to kill Portmann, and all that was intended was to give him a severe trashing.”

Zahlreiche Zeugenbefragungen waren zuvor ohne Ergebnis geblieben, was allerdings nicht weiter verwundert.

Zu Portmann selbst sagt der Untersuchungsrichter:

“The deceased was a man of no character, and was one of a secret society called “The Black Hand”, which was composed of the very worst men in the camp, who seem to have joined together in blackmailing and terrifying their fellow Germans, who were either rich or influential, or physically weak. Hans Portmann was one of them.”
Beide Zitate nach Western Mail, Perth, 9. Juni 1916, S. 16; „The Black Hand“.

Nach den Aussagen des Untersuchungsrichters hatte, wenn ich seine Worte richtig interpretiere, Portmann seine gerechte Strafe erhalten.

Das Gerichtsverfahren war damit abgeschlossen. Im Lager Holsworthy war wieder Ruhe eingekehrt.

Die letzten Gefangenen konnten Holsworthy erst im Frühsommer 1920 verlassen.

Holsworthy riots 1916

Holsworthy Internment Camp, nach den „Schwarze Hand“-Unruhen vom 19. April 1916, Quelle: Australian War Memorial Collection, Accession No. P00595.087; awm.gov.au

Mehr über das Lager Holsworthy

Mehr Informationen und Bilder über Holsworthy gibt es in diesen Blogartikeln:

Gefangen in Australien – das Liverpool Internment Camp

Im Lazarett – Tagebuch einer Operation im Jahr 1918

Tagebuch Friedrich Meier: Die letzten Monate im Holsworthy Internment Camp (NSW, Australien)

Anmerkung: In den Tagebucheinträgen Friedrich Meiers kommt die „Schwarze Hand“ nicht vor. Er hatte Holsworthy am 4. Dezember 1915 in Richtung Trial Bay verlassen können und war erst im Mai 1918 dorthin zurückgekehrt.

Langwarrin Camp, gate 1915

Deutsche Seeleute im Langwarrin Internment Camp

Interniert in Australien

Titelbild: Eingang zum Langwarrin Camp, 1914-1915; Museums Victoria Collection, Item MM 140043
Anmerkung: Die in diesem Beitrag gezeigten Aufnahmen vom Lager Langwarrin stammen meist aus dem Jahr 1917. Zu diesem Zeitpunkt war Langwarrin kein Internierungslager mehr, sondern eine Krankenstation des australischen Militärs. 1914/1915 dürfte das Lager weit primitiver und weniger „aufgeräumt“ ausgesehen haben.

7000 Internierte

Im Ersten Weltkrieg gab es in Australien verschiedene Internierungslager für Deutsche, Österreicher, Ungarn und Verbündete, wie Türken oder Bulgaren.

Insgesamt waren im Ersten Weltkrieg in Australien etwa 7000 Personen interniert. Das größte dieser Lager war Holsworthy in New South Wales in der Nähe von Sydney.

Zu Beginn des Krieges hatte es noch in jedem Bundesstaat kleinere Lager gegeben, die meist bereits im Jahr 1915 aufgelöst wurden. Eines davon war in Victoria etwa 30 Meilen südöstlich von Melbourne: Das Langwarrin Internment Camp.

Friedrich Meiers Tagebuch

Die Tagebucheinträge eines Offiziers der Kaiserlichen Handelsmarine geben einen Eindruck von den Bedingungen, unter denen die deutschen Seeleute lebten.

Der vierte Offizier Friedrich Meier war zunächst auf seinem Schiff, der „Lothringen“ des Norddeutschen Lloyd verblieben, kam kurzzeitig in eine Polizeikaserne und konnte dann auf Ehrenwort (parole) relativ frei in Melbourne leben. SIEHE: In australischer Gefangenschaft

Ab März 1915 wurden die Bedingungen für die Kriegsgefangenen wieder verschärft und Meier musste zusammen mit anderen deutschen Seeleuten in das Lager Langwarrin.

Das Lager Langwarrin

In Victoria waren die ersten Kriegsgefangenen in die Polizeikaserne an der St. Kilda Road in Melbourne und in eine Artilleriekaserne nach Maribyrnong, einem Vorort von Melbourne, gebracht worden. Als klar war, dass die Kapazitäten dort ungenügend sind, entschied die Militärbehörde, das Camp Langwarrin einzurichten.

Langwarrin liegt auf der Mornington Halbinsel südöstlich von Melbourne.

Bis zu 500 Personen waren hier zu Beginn des Jahres 1915 im Wesentlichen in Zelten untergebracht. Einige Gefangene bauten sich aus eigenen Mitteln einfache Hütten.

Die Internierten hatten die Möglichkeit, zu arbeiten: Verbesserung der Infrastruktur, Zäune bauen oder Flächen roden; sie wurden für diese Arbeiten bezahlt.

Im November 1915 war die Zahl der Internierten stark angestiegen: es sollen 769 Deutsche, 104 Österreicher und 72 Türken im Camp gelebt haben.

Ankunft in Langwarrin

Der vierte Offizier Friedrich Meier kam Anfang März 1915 nach Langwarrin und berichtet von seiner Ankunft:

Langwarrin, den 9. März 1915
Seit 8 Tagen sind wir hier im German Prisoners‘ Camp interniert; wie uns gesagt wurde, aus politischen Gründen sind wir hier eingesperrt worden. Am Montag, den 1. März, um 4 Uhr p.m. mußten wir, d. h. die Kapitäne, Offiziere und Ingenieure der verschiedenen Dampfer, uns beim Military-Intelligence Department am St. Kilda Road melden und wurden von da aus unter militärischer Bedeckung zur Bahn gebracht. Um 5h9 fuhren wir ab nach Langwarrin, wo wir um 6 ½ Uhr ankamen und sogleich nach dem „German Prisoners‘ Camp“ geführt wurden, welcher etwa 20 min. von der Bahnstation liegt. Langwarrin liegt an der Bahnlinie Melbourne-Frankston-Mornington, etwa 30 sml von Melbourne und 4 sml von der See entfernt. Unser Camp liegt auf einer kleinen Anhöhe, ist mit Stacheldrahtzäunen umgeben und von dem der Mannschaft getrennt. Wir wohnen in runden Zelten, die Kapitäne zu Zweien, alle übrigen zu Dreien und Vieren in einem Zelt. Ein größeres Zelt mit Tischen und Bänken dient uns als Messe.

Melbourne, Langwarrin, map 1907

Sands & McDougall’s Melbourne, suburban & country directory map of Victoria, 1907, State Library of Victoria; BIB ID 659032, Ausschnittsvergrößerung

Zur Karte: Der Großraum Melbourne liegt oben links im Norden der großen Bucht Port Phillip. Langwarrin liegt am Ostufer der Bucht (gelb umrandet). Ganz unten rechts Wilson’s Promontory, der südlichste Punkt Victorias.


Ich hatte das Glück, ein Zelt zu Dreien zu bekommen. Jeder bekam ein wasserdichtes Gummilaken, einen Strohsack und zwei wollene Decken, und da unser Gepäck noch nicht angekommen war, mußten wir uns die erste Nacht damit behelfen. Wegen Kälte und Sturm schliefen wir sehr schlecht. Am folgenden Abend kam unser Gepäck und unsere selbst gekauften Feldbetten, sodaß wir jetzt schon etwas menschlicher hausen. Das Essen ist zwar nicht besonders reichhaltig, aber es genügt. Es gibt täglich drei Mahlzeiten, zum Frühstück gibt es Fleisch mit Sauce (zuweilen auch mit Kartoffeln), Brot, Marmelade und schwarzen Kaffee; mittags gibt es Suppe und einen Gang Fleisch, Sauce und Kartoffeln (ab und zu auch mit Gemüse) u. Brot; nachmittags um 3 ½ Uhr gibt es schwarzen Kaffee und zum Abendbrot gibt es Fleisch mit Sauce, Brot, Marmelade und Tee. Zuweilen gibt es auch zum Frühstück oder Abendbrot statt des Fleischgangs Reis, Käse oder kaltes Fleisch. Butter, Milch und Eier u.s.w. gibt es nicht, man kann es aber kaufen, – wenn man Geld hat. An Brot bekommen wir nur Weizenbrot. Gemüse bekommen wir nur einmal in der Woche.
Solange hier gutes Wetter ist kann man es ganz gut aushalten. Wenn es stürmisch und trocken ist, so ist hier ein fürchterlicher Staub der manchmal in einen Samum ausartet. Bei starkem Regen ist es nicht minder ungemütlich, da die Zelte nicht recht wasserdicht sind, besonders bei starkem Winde geht der Regen auf der Windseite in dicken Tropfen hindurch, und man kann sich freuen wenn das Zelt nicht auch noch überkopf geht, wie es uns vor ein paar Tagen passierte. Jeden Tag darf die Hälfte von uns aus der Umzäunung heraus auf das Gelände zwischen unserem Camp und dem Bahnhof. Wir spielen viel Schlagball dort und sonstige Spiele um uns die Zeit zu vertreiben und uns auszuarbeiten. Briefe können wir so viel schreiben wie wir wollen, doch müssen die deutschgeschriebenen möglichst kurz gehalten sein. Die Briefe brauchen nicht mit Briefmarken versehen werden.

Quelle dieses und der folgenden Tagebucheinträge: © mit freundlicher Genehmigung der Mitchell Library, State Library of New South Wales and Courtesy copyright holder; Call No. MLMSS 261 / Box 6 / Item 54 (Friedrich Meier diary)
Siehe auch den Copyright-Hinweis am Ende des Artikels.

Anmerkung: Der von Meyer erwähnte Samum ist ein heißer Wüstenwind, oft mit Sandverwirbelungen; der Begriff wird in Nordafrika und im Nahen Osten verwendet.

Langwarrin camp, WW1

Langwarrin Camp, Rotkreuz-Baracke und Rotunde, Aufnahme von 1917, zu dieser Zeit diente das Camp bereits als Krankenstation des australischen Militärs für Geschlechtskrankheiten; Museums Victoria Collection, Item MM 140042

Rege Bautätigkeit und ein „Unterseeboot“

Meier gehörte zu den Internierten, die sich auf eigene Rechnung eine kleine Hütte gebaut hatten. Außerdem wurde von den Gefangenen ein großer Gemeinschaftsraum in die Erde gegraben.

Langwarrin, den 6. April 1915.
Unser Camp liegt auf einer kleinen Anhöhe, ist 100 x 140 m groß und beherbergt 43 Personen sowie 8 Mann zur Bedienung. Die zwei Lloydkapitäne haben sich auf eigene Kosten ein Wellblechhaus errichten lassen und 9 von uns bauen sich zu je Dreien ein Blockhaus, wozu dieselben sich das Holz selber fällen müssen in der Umgebung. Hier herum ist viel Busch, und fast nur Eucalyptusbäume sind hier zu finden. Letzte Woche haben wir uns mit vereinten Kräften eine Höhle gebaut für die kommenden kalten Tage. Es ist eine runde Ausschachtung von 7 m Durchmesser und etwa 1,7 m Tiefe. Das Dach haben wir aus rohen Stämmen gebaut, mit Busch bedeckt und darüber Erde geworfen. In der Mitte der Höhle haben wir einen alten würfelförmigen Wassertank als Ofen aufgesetzt und mit einem Schornstein versehen. Die Höhle faßt etwa 50 Personen und bietet einen sehr schönen, warmen Aufenthaltsort. Sie wurde „Unterseeboot“ getauft. Diese Höhle scheint eine Sehenswürdigkeit zu werden, denn jeden Tag kommen der Mayor Lloyd, der das Campkommando hat, oder die Offiziere und Soldaten, auch mit Freunden, alle wollen die Höhle sehen. Letzte Woche habe ich ein Paar derbe Stiefel bekommen, wie die Soldaten sie hier tragen. Im Camp der Mannschaft, welcher neben dem unserigen liegt, sind etwa 400 Deutsche, ein paar Österreicher und ein Türke.

Anschließend listet Meier alle Personen auf, die sich zu diesem Zeitpunkt im Camp der Offiziere befanden. Nur wenige waren darunter, die nicht zu den Schiffsbesatzungen gehörten.

Die Höhle wurde später für gemeinsame Abende verwendet, die einmal die Woche veranstaltet wurden. Sie hatten die passende Bezeichnung: „Höhlenabend“.

Meier berichtet, dass es insgesamt 4 Camps gab: Mannschafts-Camp, Offiziers-Camp, Verbrecher-Camp und Trippary-Camp.

Meier schreibt, im Verbrecher-Camp hat man „einige rüpelhafte Matrosen und Feuerleute eingesperrt, die im anderen Camp stets Unfrieden stifteten.“

Mit Trippary-Camp ist die Krankenstation für geschlechtskranke australische Soldaten gemeint, dass ebenfalls auf dem Gelände war.

Langwarrin camp, about 1917

Langwarrin Camp, Soldaten und Rotkreuz-Baracke, Aufnahme vermutlich von 1917; Museums Victoria Collection, Item MM 140043

Die Stimmung kippt

Die hohen Verluste australischer Truppen bei der Schlacht um Gallipoli in der Türkei und die Versenkung der „Lusitania“ am 7. Mai 1915 vor der irischen Küste durch ein deutsches U-Boot verstärkten die antideutsche Stimmung in Australien erheblich. Meier notiert am 30. Mai 1915:

Die Australier sind Ende April auf Gallipoli gelandet zur Eroberung der Dardanellen, sie haben schon viel Verluste gehabt. Diese Verluste und vor allen Dingen das Sinken der „Lusitania“ haben die Bevölkerung sehr aufgeregt. Die deutschen Klubs und Turnvereine in Melbourne sind geschlossen worden.

Die neue Hütte

Im Mai 1915 ist auch die Hütte fertiggeworden, dessen Miteigentümer Meier war:

Langwarrin, den 30. Mai 1915

Vor 8 Tagen bin ich zusammen mit Herrn Kamenz und Kreth in unser neuerbautes Häuschen eingezogen, welches wir nach der neuesten Mode aus Buschwerk erbaut haben. Es ist 4 m lang und 4 m breit, die Wände sind aus Busch hergestellt und mit Lehm bedeckt, das Dach ist mit Wellblech gedeckt. Drei Fenster geben die nötige Helligkeit und da es hier oft sehr kalt ist, haben wir auch einen Ofen eingebaut. Dieser wurde aus einem kleinen Ölfaß hergestellt, welches mit Tür, Aschfall, Rost und Schornstein versehen einen sehr praktischen Dauerbrenner gab. Der Schornstein wurde aus ineinander gesteckten Konservenbüchsen gemacht. Einen Tisch, 4 Bänke und eine Garderobe haben wir aus Kistenholz angefertigt. So wohnen wir jetzt warm und gemütlich, nachdem wir 12 Wochen im Zelt gewohnt hatten.

Seit 1. Mai bekamen Kapitäne, Offiziere und Ingenieure ein Taschengeld: 4 Shilling/Woche so dass sie kleine Ausgaben tätigen konnten. Meier notiert im gleichen Eintrag vom 30. Mai weiter:

Da wir von der Regierung nur einen Blechteller und Becher bekamen, so hat die Mehrzahl von uns selbst Porzellanteller und Tassen angeschafft.
Ebenfalls müssen wir zwei Stewards für unser Meßzelt selbst bezahlen, die anderen beiden bezahlt der Mayor Lloyd. Die Stewards bekommen 1 S (1 M) pro Tag.

Anmerkung: Mayor Lloyd war der Lagerkommandant.

Im Mai wurde gegen die Langeweile im Camp ein Turnverein gegründet.

Am 3. Juni notiert Meier, dass das Lesen von Zeitung wieder erlaubt war. Daraus erfuhren die Camp-Bewohner im Juli auch, dass geplant war, alle Deutschen nach New South Wales zu verlegen.

Langwarrin Camp 1917

Langwarrin Camp, Rotkreuz-Baracke, Aufnahme von 1917, zu dieser Zeit diente das Camp bereits als Krankenstation des australischen Militärs für Geschlechtskrankheiten; Quelle: Australian War Memorial, AO3662

Tödlicher Zwischenfall

Am 30. Juni 1915 kam es im Matrosen-Lager Langwarrin zu einem tödlichen Zwischenfall, wörtlich schreibt Meier von einem tragischen Vorfall.

Ein Matrose kam der Aufforderung, sich von einem Frischwassertank in der Nähe des Lagereingangs zu entfernen, nicht nach, was eventuell auf Sprachproblemen beruhte. Die Lagerwache legte daraufhin mit dem Gewehr an und der Matrose erlitt einen Durchschuss des Unterleibes. Er wurde schwer verwundet, überlebte die Verletzung jedoch. Die durchgeschlagene Kugel traf aber einen Österreicher in seinem Zelt in die Brust; er starb noch am gleichen Abend im Hospitalzelt.

Lagerkommandant Mayor Lloyd bedauerte gegenüber den Gefangenen den Zwischenfall; er ließ alle Wachen ersetzen.

Verlegung nach New South Wales

Im August wurden die Pläne der Verlegung der Gefangenen konkret:

Langwarrin, den 17. August 1915.

Nachdem wir 7 Wochen in Ungewißheit waren, ob wir von hier fortkommen oder nicht, wurde und am letzten Sonntag mitgeteilt, daß wir am Donnerstag, den 19. d. M. mittels Eisenbahn nach den Concentration Camps von New-South-Wales transportiert werden sollen. Die Mannschaften sollen nach Liverpool und die Schiffsoffiziere nach Berrima.

Der vierte Offizier Meier sollte allerdings enttäuscht werden. Das Lager Berrima war zu diesem Zeitpunkt schon völlig überfüllt und so kamen nur die höheren Dienstgrade dorthin. Er selbst musste vorläufig im Mannschaftslager in Liverpool (Holsworthy) bleiben.

Im Dezember 1915 wurde Meier dann in das Lager Trial Bay überstellt. Dieses Lager war ebenfalls in New South Wales, hier waren meist höhergestellte Deutsche oder Deutschstämmige interniert, wie Geschäftsleute, Akademiker und Schiffsoffiziere.

Eine gute Übersicht über die australischen Internierungslager gibt es hier (in englischer Sprache):
http://www.migrationheritage.nsw.gov.au/exhibition/enemyathome/the-enemy-at-home/index.html

Demnächst im Blog

Das Lager Liverpool/Holsworthy bei Sydney war das größte Kriegsgefangenenlager in Australien und hatte die Einwohnerzahl einer Kleinstadt. In einem Eintrag Ende November 1915 spricht Meier von 3300 Mann.

Seine Tagebucheinträge zwischen August und Dezember 1915 geben einen Eindruck von diesem Lager, in dem auch Seeleute der „Fürth“ interniert waren, die im Herbst 1915 von Ceylon dorthin gebracht worden waren.

Copyright-Hinweis

Nachtrag vom 7. Mai 2022:

Friedrich Meier starb am 7. November 1974 in Bremerhaven. Auf seinem Tagebuch ist daher ein Copyright, das bis Ende des Jahres 2044 fortbesteht.

Die Veröffentlichung der Tagebuchauszüge hier im Blog erfolgt mit freundlicher Genehmigung seiner Familie. Dafür auch an dieser Stelle herzlichen Dank.

Mehr über Friedrich Meier erfahren Sie hier:
Gestatten: Meier, Friedrich Meier