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Internment Camp Durban 1915

Neujahrsgrüße aus Südafrika (1915)

Titelbild: Karte zu Neujahr 1915 aus dem Kriegsgefangenenlager für Offiziere in Durban, Südafrika, Kartentext: „Am Ende seines Lebens wurde das arme Luder blödsinnig!“, unbekannter Autor; Quelle: Sammlung Herbert von Rapacki-Warnia, via Europeana 1914-1918, https://1914-1918.europeana.eu/en/contributions/18325, item 6; Lizenz: CC BY-SA 3.0; http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

Allen Bloglesern ein gesundes und friedliches Jahr 2023!

Ich wünsche Ihnen ein gesundes und friedliches Jahr 2023. Außerdem wünsche ich Ihnen, dass Sie den Jahresanfang an einem Ort feiern konnten, den Sie sich selbst ausgesucht haben.

Ihren Aufenthalt definitiv nicht selbst ausgewählt hatten sich deutsche Offiziere im Lager Durban. Einer von ihnen war Herbert von Rapacki-Warnia.

Herbert von Rapacki-Warnia

Der 1891 in Görlitz geborene Herbert von Rapacki-Warnia hatte sich im Mai 1914 entschlossen, als Offizier nach Deutsch-Südwest-Afrika zu gehen. Dort sollte er jedoch nie ankommen.

„Er wurde am 28. September 1914 in Kapstadt als Leutnant der feindlichen Armee des Deutschen Kaiserreichs gefangen genommen. Zunächst wurde Herbert in Durban für kriegsgefangene Offiziere interniert, da die Südafrikanische Union unter britischer Kontrolle stand. Später wurde er in Fort Napier, im dortigen britischen Internierungslager in Pietermaritzburg (Natal) gefangen gehalten.“

Zitat aus Europeana, https://1914-1918.europeana.eu/en/contributions/18325#prettyPhoto

Zwei Mannschaften der Deutsch-Australischen-Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg

Ebenfalls in Kapstadt festgesetzt wurden die Mannschaften zweier Schiffe der Deutsch-Australischen-Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg (DADG).

Der Frachtdampfer „Apolda“

Das Dampfschiff „Apolda“ verließ Hamburg am 19. Juli 1914 auf der Linie 3 der DADG, das heißt über Zwischenstopps in Südafrika sollten Waren nach Melbourne, Sydney und Brisbane transportiert werden.

Angelaufene Häfen zwischen Hamburg und Kapstadt waren Antwerpen, das am 25. Juli verlassen wurde, sowie Madeira mit einer Abfahrt am 31. Juli 1914.

Das Schiff war nicht mit drahtloser Telegrafie ausgerüstet und somit lief „Apolda“ unter Leitung von Kapitän Suhr ohne Nachricht vom Ausbruch des Ersten Weltkrieges am 17. August in Kapstadt ein (die Kriegserklärung Großbritanniens an das Deutsche Reich erfolgte am 4. August 1914).

Die ahnungslose und überraschte Mannschaft der „Apolda“ wurde von den südafrikanischen Behörden festgesetzt. Das Schiff hatte etwa 7000 Tonnen Ladung für Südafrika und Australien an Bord.

Dampfschiff Apolda 1901, DADG

“Apolda”, Foto aus der Arbon Le Maistre Collection, keine Datumsangabe (1901-1914), Quelle: State Library of South Australia, Referenznr.: PRG 1324/1515A, https://collections.slsa.sa.gov.au/resource/PRG+1324/1515A, gemeinfrei

Das Dampfschiff „Hamm“

Ganz ähnlich erging es der Mannschaft der „Hamm“. Das Schiff hatte unter Leitung von Kapitän Davidsen Hamburg am 11. Juli mit Fahrtziel Fremantle (Westaustralien) verlassen. Letzte Nachrichten erhielt die Mannschaft in Antwerpen, wo das Schiff am 18. Juli ablegte. Danach erfolgte die lange Fahrt durch den Atlantik. Wie „Apolda“ hatte auch „Hamm“ keine Telegrafie an Bord und erreichte Kapstadt ohne Nachricht vom Krieg.

Somit waren über 80 Seeleute der DADG in südafrikanische Gefangenschaft geraten.

Zu den beiden DADG-Schiffen gesellte sich noch der Dampfer „Birkenfels“ der Deutschen Dampfschifffahrts-Gesellschaft Hansa (Bremen). Er kam am 20. August 1914 in Kapstadt an.

Pietermaritzburg, Fort Napier, WW1

Aufnahme aus dem Lager Fort Napier in Pietermaritzburg, unbekannter Fotograf; Quelle: Sammlung Herbert von Rapacki-Warnia, via Europeana 1914-1918, https://1914-1918.europeana.eu/en/contributions/18325, item 3; Lizenz: CC BY-SA 3.0; http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

Fort Napier in Pietermaritzburg

Das Lager in Durban, von wo die Postkarte der Titelabbildung versandt wurde, hatte nicht lange Bestand. Es beherbergte in einem kurzen Zeitraum von November 1914 bis März 1915 ausschließlich eine relativ kleine Anzahl an Reserveoffizieren.

Daneben existierten zu Beginn des Ersten Weltkrieges Transitcamps in Kapstadt, Kimberley, Winburg, Johannesburg und Pretoria.

Das Hauptlager in Südafrika, in das vermutlich auch die Schiffsbesatzungen der „Apolda“, „Hamm“ und „Birkenfels“ gebracht wurden, befand sich im Fort Napier in Pietermaritzburg. Dort waren während des Ersten Weltkrieges 2500-3000 „enemy aliens“, also feindliche Ausländer, interniert. Ein Bericht vom August 1915 nennt 2608 Gefangene, unter denen sich 267 Österreicher und sechs Türken befanden.

Die meisten unter ihnen waren deutsche Zivilisten, die vor dem Krieg nach Südafrika ausgewandert waren. Einige andere waren aus Deutsch-Südwest, Rhodesien, Belgisch-Kongo oder Deutsch-Ostafrika nach Pietermaritzburg gebracht worden.

Fort Napier liegt westlich von Pietermaritzburg auf einem Hügel. Es war 1843 als Hauptsitz des Britischen Militärs in Natal errichtet worden. Die militärische Nutzung endete im Jahr 1914. Nach der Nutzung als Gefangenenlager stand das Fort bis 1927 leer. Dann wurde in einem Teil eine psychiatrische Klinik eingerichtet, die bis heute existiert.

Fort Napier, Internment Camp, World War 1

Waschräume in Fort Napier, wahrscheinlich aus dem Lagerbereich für Offiziere, unbekannter Fotograf; Quelle: Sammlung Herbert von Rapacki-Warnia, via Europeana 1914-1918, https://1914-1918.europeana.eu/en/contributions/18325, item 3; Lizenz: CC BY-SA 3.0; http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

Im Lager Fort Napier

Das große Lager in Fort Napier war in vier Lagerbereiche aufgeteilt.

Der Lagerbereich 1 bestand aus einem großen Gebäude mit 18 Mannschaftsräumen, gebaut aus Holz und Eisen auf einem Ziegelfundament. Das Gebäude verfügte über eine Veranda und war mit einer Küche, 26 WCs, zwölf Duschen und zwei Badezimmern ausgestattet.

Eine Skizze von Lager 2 zeigt 15 Wohnbaracken, ein Verwaltungsgebäude, ein Wasch- und Badehaus, eine Kegelbahn, ein Versammlungslokal, eine Schlachterei, eine Bäckerei, das Café Hindenburg und einen Sportplatz.
Quelle: http://www.stobscamp.org/wordpress/wp-content/uploads/2019/09/Stobs-South-African-Education-Pack-1914-1919.pdf

Lager 4, das Bessergestellten und Älteren vorbehalten war, verfügte über 136 Zimmer mit 51 kleinen Küchen.

Jeder Gefangene in Pietermaritzburg hatte eine Matratze, Decken, einfaches Geschirr und Besteck erhalten.

Alle vier Kampbereiche hatten eine eigene Küche mit einem (weißen) Koch, der von indischem und afrikanischem Personal unterstützt wurde. Jedem Lagerbereich stand außerdem ein sogenannter „Camp Captain“ als Sprecher der Gefangenen vor.

Eine Krankenstation war mit einem Militärarzt und zwölf Sanitätern besetzt, die von einem Gefangenen unterstützt wurden.

Im Lager selbst waren nur Männer untergebracht. Für Frauen und Kinder existierten außerhalb des eigentlichen Lagers zusätzliche Unterkünfte.

Einige der Gefangenen konnten die Lager auf Ehrenwort (parole) wieder verlassen. Vor allem ältere, kränkliche aber auch bekannte Personen, die bereits lange in Südafrika lebten, waren darunter.

Wie in den anderen Lagern, über die ich hier im Blog schon berichtet hatte, war die Langeweile das drückendste Problem.

Die Gefangenen begegneten der Monotonie mit zahlreichen Aktivitäten: Sport und Sportfeste, Theater, handwerkliche Tätigkeiten, Malerei, von Gefangenen selbst organisierte Weiterbildungskurse. Die Herausgabe einer Lagerzeitschrift mit dem Titel der „Der Hunne“ ist ebenfalls belegt.

Der Gefangene Hugo Bode schreibt dazu:

… ich benutze das Unvermeidliche zu meinem Vorteil, in dem ich mich bemühe gesund zu werden. Ich turne so gut es geht, aber als „alter Herr“, und treibe französisch, außerdem male ich und schnitze Spielsachen für die Kinder. …“
Auszug eines Briefs von Hugo Bode, POW 4283, Camp II, C9 an seine Eltern vom 17. Mai 1917

Anmerkung: POW = Prisoner of War (Kriegsgefangener)

In einem anderen Brief schreibt Bode:

„… Das Essen ist ganz leidlich, was ich mir dazu kaufe ist wohl Milch u. Frucht u. Wurst. …“

Quelle: http://www.stobscamp.org/wordpress/wp-content/uploads/2019/09/Stobs-South-African-Education-Pack-1914-1919.pdf

Neben der Verpflegung scheint auch die Behandlung der Gefangenen in Ordnung gewesen zu sein:

„Laut meiner sehr entfernten Cousine, Carol Hobson, die heute in Kapstadt lebt, wurden die Gefangenen gut behandelt, konnten abends ausgehen und erhielten eine praktische Ausbildung, Herbert lernte Zimmermann.“
Zitat aus Europeana, https://1914-1918.europeana.eu/en/contributions/18325#prettyPhoto

Fort Napier Internment Camp, Herbert von Rapacki-Warnia

Gefangene im Lager Fort Napier beim Kartenspielen, links Herbert von Rapacki-Warnia und zweiter von links Dr. Hans Merinsky, unbekannter Fotograf; Quelle: Sammlung Herbert von Rapacki-Warnia, via Europeana 1914-1918, https://1914-1918.europeana.eu/en/contributions/18325, item 4; Lizenz: CC BY-SA 3.0; http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

Nach dem Krieg

Nach Kriegsende war die Abschiebung Deutscher und Deutschstämmiger weniger rigoros als in Australien, was auf den Widerstand der niederländisch stämmigen Afrikaners zurückzuführen war.

Anders als in Australien, wo die Briten die große Bevölkerungsmehrheit stellten, war die weiße Bevölkerungsstruktur in der Südafrikanischen Union durch die Eingliederung der Burenrepubliken im Jahr 1910 wesentlich komplexer. Die deutsche Minderheit genoss bei der großen Gruppe der Afrikaners zahlreiche Sympathien.

So konnten sich viele Deutsche, die nach dem Ersten Weltkrieg in Südafrika bleiben wollten, wieder in die Gesellschaft eingliedern.

Auch für Herbert von Rapacki-Warnia lag trotz der Internierung in Pietermaritzburg die Zukunft in Südafrika. Er starb am 2. September 1952 in Kapstadt.

Cape Town, Darling Street, about 1905

Kapstadt, Darling Street, frühes 20. Jhdt. nach 1905 (die Town Hall in der Bildmitte wurde 1905 gebaut; Foto ohne Datumsangabe), DRISA Archiv Johannesburg, Ref. code ZA 0375-LS-LS_01_116 http://atom.drisa.co.za/collections/LS_Collection_lo-res/LS_01_116.jpg

Weitere Informationen

Viele Informationen über die Internierung Deutscher in Südafrika während des Ersten Weltkrieges habe ich dieser Quelle entnommen:

Prisoners of War and Internees (Union of South Africa), Version 1.0, letztes Update am 14. Juli 2015, Tilman Dedering, University of South Africa, in 1914-1918 online, International Encyclopedia of the First World War; https://encyclopedia.1914-1918-online.net/article/prisoners_of_war_and_internees_union_of_south_africa

Bei Interesse empfehle ich die Lektüre dieser sehr viel ausführlicheren Quelle.

Weitere Informationen, Bilder und Zeichnungen gibt es in dem Unterrichtsmaterial Minorities and Internment in South Africa during the Great War 1914-1919 herausgegeben vom Internment Research Center (IRC) in Hawick (UK) , www.stobscamp.org/IRC

22 historische Fotos aus dem Lager Pietermaritzburg finden Sie auf einer privaten Webseite über die deutschen Kolonien und die Zeit während des Ersten Weltkriegs mit dem Titel Kolonialarchiv:

https://www.kolonialarchiv.de/gefangenenlager/pietermaritzburg-fort-napier-s%C3%BCdafrika/

Kursk 1919 German deportees

Die Abschiebung Deutscher aus Australien

Rücktransport nach Deutschland (1919/1920)

Titelbild:
Abgeschobene Deutsche auf der “Kursk“, 1919, Quelle: Australian War Memorial, HO4148, public domain

Deutsche in Australien am Ende des Ersten Weltkrieges

Nach dem Ersten Weltkrieg wurden 6150 Personen, überwiegend Deutsche und Deutschstämmige, aus Australien abgeschoben. Ebenso betroffen waren Staatsangehörige Österreich-Ungarns.

Von den 6150 Menschen waren 5414 in Lagern interniert gewesen. Die übrigen waren Familienmitglieder (Frauen, Kinder), die vom Verteidigungsministerium (Defense Department) ebenfalls aufgefordert wurden, das Land zu verlassen.

Über 1000 Personen legten Beschwerde gegen die Abschiebung beim Commonwealth Alien Board ein, allerdings wurde nur 306 Anträgen stattgegeben.

Darunter waren 179 Personen, die vorher die australische Staatsbürgerschaft angenommen hatten oder in Australien geboren waren.

Alle anderen mussten das Land verlassen.

Quelle: http://www.migrationheritage.nsw.gov.au/exhibition/enemyathome/holsworthy-internment-camp/index.html

Darling Harbour, German deportees, 1919

Darling Harbour, Sydney, australische Soldaten bewachen die Ankunft eines Zuges mit deutschen Gefangenen am Kai bei der Einschiffung auf die „Kursk“; Quelle: Australian War Memorial, HO4144; public domain.

Die Abschiebung

Für den Rücktransport der unerwünschten Personen nach Europa waren von der australischen Regierung zehn Schiffe vorgesehen.

Offiziell trugen die Schiffe die Bezeichnung H.M.A.T., also His Majesty’s Australian Transport, zum Beispiel H.M.A.T. „Rugia“. Der Einfachheit halber lasse ich diese Bezeichnung in der Folge weg.

Ships for transport of German deportees 1919

Liste der Schiffe für den Rücktransport Deutscher aus Australien in den Jahren 1919/1920; Quelle: Australian War Memorial, AMW2019.8.46

Zielhafen der Schiffe war zunächst Rotterdam, da die britische Seeblockade deutscher Häfen bis über die Mitte des Jahres 1919 hinaus andauerte.

In der Folge gebe ich einige Informationen zu den Schiffen und den Fahrten. Es handelt sich dabei um ausgewählte Beispiele. Weder sind alle Schiffe erwähnt, noch alle Fahrten. Diese sollten sich bis in die Mitte des Jahres 1920 hinziehen und einige Schiffe unternahmen mehrere Fahrten.

Ferner habe ich darauf verzichtet, die Ankunftsmeldungen der Schiffe in den niederländischen Medien zu übersetzen. Ich denke, man kann den Inhalt auch ohne Kenntnisse des Niederländischen zumindest grob verstehen.

Das Lager Holsworthy, in dem viele Deutsche gefangen waren, bestand noch bis in das Jahr 1920 fort, der letzte Gefangene verließ das Lager am 5. Mai 1920.
Quelle: Holsworthy Internment Camp during Word War I, Beverley Donald 2014; dictionaryofsydney.org

Der Krieg war zu diesem Zeitpunkt fast achtzehn Monate vorbei.

„Willochra“

Das erste Schiff, dass Gefangene nach Rotterdam brachte, war die „Willochra“. Die Abfahrt aus Sydney war am 22. Mai 1919.

Dieses Schiff ist in australischen Unterlagen ebenfalls als His Majesty’s Australian Transport bezeichnet, dabei muss es eigentlich H.M.N.Z.T. heißen, also His Majesty’s New Zealand Transport.

Die „Willochra“ diente im Ersten Weltkrieg nämlich als Truppentransporter für neuseeländische Soldaten.

Auch im Sommer 1919 war das Schiff in Wellington abgefahren und hatte etwa 300 Gefangene an Bord, die aus Neuseeland abgeschoben worden waren. In Sydney wurde die „Willochra“ mit Deutschen „aufgefüllt“.

Zuvor mussten zahlreiche Österreicher, die von Neuseeland mit der „Willochra“ gekommen waren, das Schiff verlassen und wurden per Zug ins Holsworthy Camp gebracht. Für sie war ein anderer Transport nach Europa vorgesehen. (Quelle: The Sun, Sydney, 27. Mai 1919)

Austrian Internees 1919 Sydney harbour

Österreichische Gefangene gehen in Sydney von Bord der „Willochra“, The Sun, Sydney, 27. Mai 1919, S. 8. Die schwarzen senkrechten Streifen an der Schiffswand sind Teil des „Dazzle Painting“, einem Camouflage-Anstrich mit geometrischen Mustern.

Willochra

„Willochra“ in Camouflage, Quelle: Mackrell Papers, Manawatuheritage.pncc.govt.nz; ID 2018P_Mackrell-PapersS5F2_024577

Die Zeitung De Maasbode berichtete am 18. Juli 1919 über die Ankunft der „Willochra“ in Rotterdam und kündigt das nächste Schiff, die „Kursk“ an:

Willochra, Rotterdam, 1919

Zeitungsartikel über die Ankunft der „Willochra“ und die erwartete Ankunft der „Kursk“ in Rotterdam; De Maasbode, 18. Juli 1919, S. 3; http://www.delpher.nl

Die „Willochra“ fuhr am 20. Juli von Rotterdam nach London weiter, die begleitenden britischen Wachmannschaften gingen am 21. Juli 1919 in Tilbury von Bord.

Willochra

Die „Willochra“ in „zivilem Anstrich“, Aufnahme von Allan C. Green, Datum unbekannt (wahrscheinlich vor 1914), Quelle: State Library Victoria, BIB ID 1651329.

„Kursk“

Eine Woche nach der „Willochra“, am 29. Mai 1919, verließ die „Kursk“ den Hafen von Sydney. Sie erreichte Rotterdam am 28. Juli 1919.

Die „Kursk“ war ursprünglich ein russischer Passagierdampfer der Russian American Line. Nach der Oktoberrevolution kam das Schiff unter britische Flagge. Im Jahr 1921 wurde die „Kursk“ ein Schiff der Baltic American Line und in „Polonia“ umbenannt.

An Bord der „Kursk” befand sich auch Professor Erich Hupka, über den ich hier im Blog berichtet hatte, da er kurze Zeit im Hafen von Colombo auf dem Frachtdampfer „Fürth“ festgesetzt worden war: Wie ein bekannter deutscher Physikprofessor auf die „Fürth“ kam

„… Familie Hupka verließ Australien zusammen mit vielen weiteren Kriegsgefangenen am 29. Mai 1919 auf dem Truppentransporter „Kursk“, einem ehemaligen russischen Auswandererschiff. Auf dem überbelegten Schiff waren die hygienischen Zustände katastrophal. An den Folgen einer auch aus diesen Gründen an Bord ausgebrochenen Lungenpest verstarb unter anderem auch Dr. Erich Hupka. Er wurde zwei Stunden später in Höhe der südafrikanischen Stadt Durban dem Meer übergeben.“
Zitat aus: Deutsche im Ersten Weltkrieg in Ostasien und Australien von Gerhard Dannemann, 2018, Book on Demand (abgerufen über books.google.fr).

Ehefrau Therese kehrte mit ihrem Sohn Herbert über Rotterdam nach Oberschlesien zurück.

Kursk 1919, at sea

Die „Kursk“ auf See. Das Foto wurde während der Stunde aufgenommen, an denen die Männer einmal täglich ihre Ehefrauen (und Kinder) besuchen konnten. Quelle: Australian War Memorial, HO4145; public domain.

Kursk 1919, Durban, Johann Petersen, Gneisenau

Trauerfeier für den an Bord der „Kursk“ gestorbenen Torpedomatrosen von SMS „Gneisenau“ Johann Petersen in Durban; Quelle: Australian War Memorial, HO4149, public domain.

Petersen (geboren in Kiel am 14.3.1892) wurde auf dem Friedhof in Durban begraben; neben ihm Georg Boysen aus Flensburg. Insgesamt waren an Bord sechzehn Todesopfer zu beklagen.
Siehe dazu auch : https://historischer-kreis.de/erinnerungen-an-die-spanische-grippe-vor-101-jahren/

Kursk, Durban 1919

Während des Aufenthalts der „Kursk“ im Hafen von Durban wurden die deutschen Gefangenen täglich an den Strand „Bluff Beach“ begleitet. Quelle: Australian War Memorial, HO4146, public domain.

„Tras-os-Montes“

Das Schiff “Tras-os-Montes“ ist hier im Blog unter seinem alten Namen „Bülow“ hier im Blog schon einmal kurz erwähnt worden.

Die „Bülow“ war ein Schiff des Norddeutschen Lloyd Bremen, das bei Ausbruch des Krieges in Portugal festgehalten worden war und dann 1916 von Portugal übernommen wurde und den neuen Namen „Tras-os-Montes“ erhielt.

Der von der „Bülow“ abgemusterte Schlachter Max Heigold hatte sich mit dem Schmied Max Benkert Anfang Juli 1914 in Antwerpen an Bord der „Neumünster“ geschlichen. Die beiden blinden Passagiere hatten sich am 5. Juli 1914 bei Kapitän Herrmann gemeldet. SIEHE: Aus dem Logbuch des Schiffes „Neumünster“

Die erste Abfahrt der „Tras-os-Montes“ aus Sydney scheiterte, da kurz danach die Spanische Grippe an Bord ausbrach und das Schiff nach Sydney zurückkehren musste.

Tras os montes, spanish flu, 1919

Nach einem Influenza-Ausbruch musste die „Tras-os-Montes“ nach Sydney zurückkehren, Algemeen Handelsblad, 24. Juni 1919; http://www.delpher.nl

Die „Tras-os-Montes“ verließ Sydney schließlich am 9. Juli 1919. Über Albany und Port Natal (Durban) lief sie nach Rotterdam und schließlich nach London (Tilbury). Die Wachmannschaften verließen dort am 6. September 1919 das Schiff.

“Ypiranga”

Die “Ypiranga” verließ Sydney am 12. August 1919 und erreichte Rotterdam am 10. Oktober mit 943 Deutschen, davon 839 Männer, 60 Frauen und 44 Kinder.

Ypiranga 1919 in Rotterdam

Ankunft der “Ypiranga” in Rotterdam, Nieuwe Rotterdamsche Courant, 10. Okt. 1919; http://www.delpher.nl

Weitere Schiffe

Zum Abschluss dieses Artikels noch einige Meldungen aus der niederländischen Presse über die Ankunft anderer Schiffe mit deutschen Gefangenen in Rotterdam. Es sind dies die „Windhuk“, die „Rio Negro“, die „Valencia“ und die „Rugia“.

Die Abschiebung dauerte bis in den Sommer 1920 an. Laut The Australasian vom 12. Juni 1920 verließen 29 Deutsche mit dem Schiff „Main“ Australien.

Windhuk ship 1919

De Tijd: godsdienstig-staatkundig dagblad, 11.12.1919

Rio Negro 1919

La gazette de Hollande, 27. Okt. 1919

Valencia 1919

Haagsche Courant vom 12. Dez. 1919

SS Rugia 1919

La gazette de Hollande, 12.12.1919

Demnächst im Blog

Rückkehr nach Deutschland

Die Mannschaften der Deutschen Handelsmarine kehrten nach etwa fünf Jahren zu ihren Familien zurück.

Schwieriger war die Lage für diejenigen, die vor dem Krieg in Australien gewohnt hatten und jetzt in ein für sie fremd gewordenes Land zurückgeschickt worden waren.

Deutschland war nicht mehr das Land, das sie verlassen hatten und unter Millionen Vertriebenen und durch die Wirren des Krieges Geflüchteten waren die aus Australien Abgeschobenen eine kleine Minderheit.

Ihre Schicksale sind im Nachkriegsdeutschland untergegangen.

steamer Augsburg 1896

Verschollen und vergessen: Der Frachtdampfer „Augsburg“

Eine Erinnerung an die verschwundenen Seeleute der „Augsburg“

Beitragsbild: Der Frachtdampfer „Augsburg“, Aufnahmedatum unbekannt (zwischen 1896-1912); © R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, S. 30, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984, Aufnahme aus der Sammlung A. Kludas.

Im Jahr 1912

Das Jahr 1912 wird in der Schifffahrtsgeschichte für immer und ewig mit dem Untergang der „Titanic“ verbunden bleiben. Sie erinnern sich sicher an einige Fakten: größtes Schiff der Welt – Eisberg – Kollision – White Star Line – Jungfernfahrt – 14. April 1912 – über 1500 Opfer usw.

Ich werde mich nicht in die Legionen einreihen, die über dieses bekannteste Schiffsunglück der Geschichte etwas zu sagen hatten oder auch nicht.

Zwei Monate zuvor, also im Februar 1912, war auf der Fahrt von New York nach Durban (Südafrika) ein anderes Schiff verunglückt und danach verschwunden, der Frachtdampfer „Augsburg“ der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG), Hamburg.

Dieser Schiffsuntergang hat es nicht einmal in die sonst recht umfangreiche Liste der bedeutenden Seeunfälle 1911 – 1920 bei Wikipedia gebracht, obwohl dort auch kleinere Havarien verzeichnet sind (Stand November 2020; https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_bedeutender_Seeunf%C3%A4lle_1911%E2%80%931920).

Das Schiff „Augsburg“, um das es hier geht, finden Sie ebenfalls nicht auf der Begriffsklärungsseite von Wikipedia, Stichwort Augsburg (Stand November 2020): https://de.wikipedia.org/wiki/Augsburg_(Begriffskl%C3%A4rung)

Auch sonst werden Sie über das Schiff nicht viel finden, und falls Sie doch auf mehr Informationen stoßen, als in diesem Artikel zu lesen ist, bitte ich um Ihre Mitteilung!

Der Frachtdampfer „Augsburg“ scheint also völlig vergessen zu sein; dieser Artikel möchte das Schiff wieder in Erinnerung bringen.

Vor allem aber soll der Artikel eine Erinnerung sein an die rund vierzig Seeleute, die mit dem Schiff „Augsburg“ bis heute verschollen sind. Ihre Namen sind unten im Text aufgeführt.

Anmerkung: Der hier beschriebene Frachtdampfer „Augsburg“ ist ein Dampfschiff der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG). Er ist nicht zu verwechseln mit SMS Augsburg, einem Kleinen Kreuzer der Kaiserlichen Marine, der 1909 vom Stapel lief.

Andere Schiffsunglücke im Blog

Über einen anderen Verlust eines Dampfschiffes der DADG hatte ich hier berichtet:

Der Untergang des Dampfers „Bergedorf“

Auch zwei andere, recht bekannte Schiffskatastrophen waren bereits ein Thema:

Die Explosion der „Sultana“ im Jahr 1865: SIEHE Gedenken an eine vergessene Katastrophe

und das mysteriöse Verschwinden der „Waratah“ im Jahr 1909. In die Suche nach dem australischen Schiff war auch der Frachtdampfer „Fürth“ eingebunden. SIEHE dazu: Suche nach der Waratah und Waratah – Suche Teil 2

Augsburg 1909 Steroscopic Card

Die Patenstadt: Ansicht von Augsburg mit Rathaus und Perlachturm, Stereoskopkarte 1909, Quelle: Library of Congress, https://www.loc.gov/item/2019643656/

Die „Augsburg“ (1896)

Die „Augsburg“ lief bei Charles Connell & Co. in Glasgow vom Stapel (Bau-Nr. 226) und wurde am 27. Juni 1896 an die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft ausgeliefert.

Es wurde bestellt am 18. Oktober 1895 ein Neubau bei Charles Connell & Co., Glasgow. Preis 39 500 £ – 6500 t d./w., elf Knoten; Lieferung 18. April 1896. Das war wieder ein Schritt vorwärts, 500 tons mehr d./w. und ½ Knoten mehr an Fahrt. Das Schiff wurde am 27. Juni 1896 geliefert und erhielt den Namen „Augsburg“. (Harms, 1933)

Anmerkungen:

d./w. = deadweight, Tragfähigkeit

39 500 £ entsprachen etwa 790 000 Mark. Die Einstandskosten der „Augsburg“ beliefen sich auf insgesamt 849 000 Mark (Harms, 1933).

Mit 4287 Bruttoregistertonnen, einer Länge von gut 115 Metern und einer Dreifachexpansions-Dampfmaschine mit 2000 PS hatte es eine vergleichbare Größe und Motorisierung wie das Dampfschiff „Fürth“. Die Bauweise des Schiffes war jedoch eine ganz andere. Siehe dazu zum Vergleich ein Bild der „Plauen“, eines Schwesterschiffs der „Fürth“, aus ähnlicher Perspektive.

Mehr über die „Plauen“ hier: Schwesterschiffe der „Fürth“: die „Plauen“

steamer Augsburg 1896

Der Frachtdampfer „Augsburg“, Aufnahmedatum unbekannt (1896-1912); © R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, S. 30, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984, Aufnahme aus der Sammlung A. Kludas.

Dampfschiff

Das Dampfschiff „Plauen“, © National Library of Australia (State Library of New South Wales), Reference code 456726

Die Höchstgeschwindigkeit der „Augsburg“ ist mit 11 Knoten angegeben, die Stärke der Besatzung mit 37 Mann.

Vor der „Augsburg“ war nur das Schiff „Sommerfeld“ bei Charles Connell & Company bestellt worden. Danach wurde auf dieser Werft kein Schiff mehr für die DADG gebaut. Ein drittes Schiff, dass in Glasgow am Clyde gebaut wurde, war die „Chemnitz“ (1889). Die Werft war in diesem Fall Alexander Stephen & Sons.

A “poor man’s ship“

Die Einrichtungen für die Besatzung waren auf der Glasgower Werft sehr einfach gehalten. Das belegt das folgende Zitat:

Um für die getrennten Taxen bei der Kasko-Versicherung zuverlässige Unterlagen zu haben, hatten wir die Erbauer der Dampfer „Augsburg“ und „Flensburg“ um ihre Abschätzungen ersucht. Die Auskünfte lauteten für die Kajüte mit Zubehör:
auf 1080 £ für „Augsburg“ (6500 t d./w.)
auf 3200 £ für „Flensburg“ (6000 t d./w)
und zeigen, daß die Wohneinrichtungen usw. in Glasgow wesentlich einfacher als in Flensburg gehalten und mehr dem „poor man’s ship“ angepaßt waren.
Harms, 1933

Anmerkung: Die „Flensburg“ war von der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG) erbaut worden, die Werft, welche die meisten Schiffe für die DADG herstellte.

Im Linienverkehr für die DADG

Von 1896 bis 1912 war die „Augsburg“ im Linienverkehr der DADG eingesetzt. Die Reederei bediente mit ihren Schiffen von Europa aus Südafrika, Australien und Niederländisch-Indien (das heutige Indonesien), hatte aber auch Linien von Nordamerika (New York) nach Java und nach Australien.

Feuer an Bord

Über ein Feuer an Bord der „Augsburg“ im Jahr 1904 hatte ich an anderer Stelle berichtet: Das Dampfschiff „Fürth“ an der indischen Malabarküste. Hier nochmal der Artikel aus The Sydney Morning Herald:

… The fire has been extinguished, cargo in No. 3 hold, Rolls of coir yarn, casks coconut oil, bags of poonac, bales of coir yarn, bags of copra for Hamburg and Antwerp; capacity of holds 23,800 cubic feet, about a half damaged more or less by fire and water. Most this cargo from Volkart Brothers. Stormy weather prevent work. All cargo No. 3 hold is being discharged, two-thirds already out. …
The Sydney Morning Herald, 16. März 1904, S. 10, Accidents to German Steamers

Anmerkungen: 23800 Kubikfuss sind rund 674 Kubikmeter; coir yarn ist Kokosfaser und poonac ist ein Rückstand der Kokosölgewinnung, also ein Ölkuchen, der noch als Viehfutter verwendet wird. Kopra ist getrocknetes Fruchtfleisch der Kokosnuss: Die Fracht der „Fürth“ – Kopra

Die im Artikel erwähnte Entladung der „Augsburg“ fand in Ferrol (spanische Nordwestküste) statt.

Ein Hurrikane und zwei Eisberge

Im Herbst 1907 hatte die „Augsburg“ einen schweren Hurrikane zu überstehen, bei dem zwei Eisberge gesichtet wurden. Das Schiff erreichte Fremantle (Westaustralien) mit erheblichen Schäden an Deck. Der Schweinestall mit zwei Schweinen und der Hühnerstall mit etwa einem Dutzend Hühnern wurden von Deck gespült. Schweine und Hühner dienten als Vorrat für die Bordküche.

Augsburg at Fremantle.
A HEAVY GALE.
ICEBEEGS SIGHTED.

FREMANTLE. Saturday, The Tyser liner Augsburg arrived last night from New York. The captain reports fine weather till October 2. When near Kerguelen she passed two large icebergs, five miles off. Next day the southerly gale increased to a hurricane. During the night the vessel was swept by heavy seas, and portion of the rails on the starboard side was carried away. The hand wheel aft was smashed, the iron stanchions supporting the awnings of poop broken and bent, and a large derrick weighing 1000 lb unshipped from the main mast. The pigstye with two pigs and hencoop with a- dozen fowls broke adrift, and striking the back stays on the port side were broken open and all the live stock were carried overboard. Next day the weather moderated, and continued fine to port. The ship sails tor Sydney this afternoon.
Evening News, Sydney, Sa 12. Okt. 1907

Die „Augsburg” unter Führung von Kapitän Paulsen (Evening Mail, 11. Okt 1907) war auf dieser Fahrt für die United Tyser Line unterwegs, einer Gemeinschaftslinie der DADG mit DDG Hansa, Bremen und der Tyser Line Ltd., London.

United Tyser Line

Artikel über die Linie New York – Australien in der Zeitschrift Hansa, März 1907

Februar 1912

Im Februar 1912 war die „Augsburg“ auf der Linie New York – Java eingesetzt. Eine Linie, die auch die „Fürth“ einmal bedient hatte und zwar im August 1913. SIEHE: Petroleum für Java

Die Abfahrt aus dem Heimathafen Hamburg erfolgte zuvor am 16. Dezember 1911 und das Schiff erreichte New York unter Ballast am 5. Januar 1912. Kapitän war Wilhelm Winter.

Augsburg arrives in New York, January 1912

Ankunft der „Augsburg“ in New York; The New York Herald, 6. Jan 1912; Quelle: Library of Congress, Washington DC

Über den Makler der DADG in New York, die Firma Funch, Edye & Co. siehe den Blogartikel: Im Auftrag Rockefellers

In der gleichen Ausgabe von The New York Herald wird berichtet, dass die „Augsburg“ am Tag zuvor in einem Sturm bei Sandy Hook einen Anker verloren hatte, der nun ersetzt wurde.

steamer Augsburg, January 1912

Augsburg verliert Anker; The New York Herald, 6. Jan 1912; Quelle: Library of Congress, Washington DC

Die Sandy Hook Bay liegt an der südlichen Einfahrt zum Hafen New York auf dem Gebiet von New Jersey. Die „Augsburg“ lag dort vielleicht auf Reede, bevor sie an Pier 3 in den Bush Docks in Brooklyn anlegen konnte.

Bush Docks 1914, Brooklyn, New York

Bush Terminal, Brooklyn, um 1914, Library of Congress; über Wikipedia (https://en.wikipedia.org/wiki/File:Bush_Terminal_Brooklyn_historic.jpg)

Der auch als Industry City bekannte Hafenkomplex Bush Docks/Bush Terminal bestand aus sieben Landungsstegen, die mit Lagerschuppen überbaut waren.

Die Liegezeit der „Augsburg“ in New York betrug genau vier Wochen und der Frachtdampfer verließ den Hafen von New York am Freitag, den 2. Februar 1912 mit Petroleum in Kanistern (“cased oil“) und Stückgut nach Batavia. Der nächste Hafen, der für die Aufnahme von Bunkerkohle angelaufen werden sollte, war Durban (Südafrika).

Nach dem Verlassen von New York wurde die „Augsburg“ nie mehr gesehen. Der Frachtdampfer mit etwa 40 Mann Besatzung gilt bis heute (November 2020) als verschollen.

meer_still_pixabay

Bild: Pixabay

Der Untergang der „Augsburg“

Es gibt keine letzte Gewissheit, wann was passiert ist.

Eine Vermutung ist, dass die „Augsburg“ bereits zwei Tage nach dem Verlassen von New York in einen schweren Sturm geraten ist und in diesem Sturm oder in Folge davon untergegangen ist.

Diese Vermutung basiert auf dem Bericht eines anderen Kapitäns:

Am gleichen Tag wie die „Augsburg“ hatte auch die „Magdeburg“, ebenfalls ein Schiff der DADG den Hafen New York mit Ziel Australien (über Durban nach Fremantle, Adelaide, Melbourne, Sydney und Brisbane) verlassen. Die Routen beider Schiffe waren bis Durban identisch.

Augsburg, Magdeburg, New York Tribune, February 1912

Abfahrt der „Augsburg” und der „Magdeburg” am 2. Februar 1912; New York Tribune, 3. Februar 1912, Quelle: Library of Congress, Washington DC

Kapitän Orgel berichtete nach dem Eintreffen der „Magdeburg“ in Australien von einem schweren Sturm, der zwei Tage nach dem Ablegen von New York etwa vierundzwanzig Stunden andauerte. Die anschließende Fahrt wäre dann ruhig verlaufen.

… Two days after leaving New York the Magdeburg ran into very bad weather. However, it only lasted for twenty-four hours and the remainder of the voyage was characterised by smooth seas …
Fate of the steamer Augsburg, The Mercury, Hobart, 16. April 1912, S. 4

Zu diesem Zeitpunkt war die „Augsburg“ bereits lange überfällig und Kapitän Orgel hatte die Befürchtung, dass die „Augsburg“ dem Sturm zum Opfer gefallen war.

FEARS FOR THE AUGSBURG.
The German-Australian steamer Magdeburg, from New York, via Adelaide, which arrived at Melbourne on Friday, left New York on February 12, and two days afterwards encountered a fierce storm. The steamer battled through without injury, but Captain Orgel fears that the Augsburg, of the same line, which left New York on the same day for Batavia, via Durban, was unable to weather the gale, and foundered. The Augsburg is two months overdue at Durban.
The Sydney Morning Herald, 8. April 1912, S. 10 (trove.nla.gov.au)

Über zwanzig Jahre später hat Otto Harms in seinem Buch über die Reederei bis zum Ersten Weltkrieg, das Verschwinden des Schiffes wie folgt zusammengefasst:

Für den Verlust des Dampfers „Augsburg“, welcher auf der Reise von New York nach Java verschollen ist, haben wir keine Erklärung, sondern nur eine Vermutung. Das Schiff war unter Führung eines tatkräftigen, tüchtigen Kapitäns, welcher nicht nur „Augsburg“ schon mehrere Reisen gefahren, sondern genau dieselbe Reise schon vorher gemacht hatte, das Schiff also gut kannte. Wir wissen auch von seinen Vorgängern in der Führung, daß „Augsburg“ ein gutes Seeschiff war. Von einem andern unserer Dampfer, welcher ungefähr zur selben Zeit New York verlassen hatte, ist berichtet worden, daß zu jener Zeit sehr schwere Stürme im Atlantischen Ozean gewütet haben. Dieser Dampfer hat darunter so gelitten, daß er St. Vincent anlaufen mußte, um den Kohlenvorrat zu ergänzen. Es ist sicher, daß „Augsburg“ diese Stürme ebenfalls durchzumachen hatte und es muß angenommen werden, daß er darin Schaden erlitten, welcher ihn betriebsunfähig gemacht hat, und daß er dann dem schweren Wetter zum Opfer gefallen ist. Besonders zu beklagen ist der Verlust vieler Menschenleben. Die Besatzung bestand aus 37 Mann.
Otto Harms (1933), Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft Hamburg, Schröder & Jeve, Hamburg.

Harms war vor dem Ersten Weltkrieg Geschäftsführer der Reederei.

Anmerkung: St. Vincent war eine bedeutende Kohlenstation auf den Kapverdischen Inseln.

Hoffen und Bangen

Die Distanz zwischen New York und Durban beträgt 7565 nautische Meilen (nach Searoutes.com). Bei einer angenommenen Durchschnittsfahrt von 10 Knoten entspricht das 31 Tagen und 12 Stunden.

Die „Fürth“ hatte im Sommer 1913 ziemlich genau diese Zeit gebraucht (Abfahrt von New York am 20. August 1913 und Ankunft in Durban am 21. September 1913).

Auf die Fahrt der „Augsburg“ übertragen, ist mit einem Eintreffen in Durban um den 5. März 1912 gerechnet worden.

Die ersten Meldungen in den Zeitungen über die überfällige „Augsburg“ erschienen ab dem 23. März 1912:

In den USA:

steamer Augsburg, March 1912

Fear Steamer Is Lost: The Evening World, New York, 22. März 1912; Quelle: Library of Congress, Washington DC

In Niederländisch-Indien:

steamer Augsburg, De Sumatra-Post; 22.03.1912

De Sumatra-Post vom 22. März 1912; http://www.delpher.nl

Natal war britische Kolonie und ab 1910 Teil der Südafrikanischen Union. Wichtigste Hafenstadt war Durban (Port Natal).

In Deutschland:

steamer Augsburg, Altonaer Nachrichten March 28th, 1912

Augsburg überfällig, Altonaer Nachrichten vom 28. März 1912 (europeana.eu)

Im April 1912 kam noch einmal Hoffnung auf. Die treibende „Augsburg“ wäre im Atlantik auf 38° nördlicher Breite und 56 ° Länge gesichtet worden. Zwei deutsche Schiffe, die „Caledonia“ und die „Bremen“ (1897) machten sich auf die Suche, aber ohne Erfolg. Die Nachricht stellte sich später aber als Falschmeldung heraus.

steamer Augsburg, April 1912

To Hunt The Augsburg: The Sun, New York, 22. April 1912; Quelle: Library of Congress, Washington DC

Zeitungen in Niederländisch-Indien brachten Meldungen, dass die treibende „Augsburg“ in der Nähe der Insel Ceylon gesichtet worden oder auf der Fahrt verbrannt wäre. Die große Ladung Petroleum ließ das eine nahe liegende Ursache sein. Keiner dieser Meldungen lagen jedoch Tatsachen zugrunde, es handelte sich um Gerüchte.

Die verschollenen Seeleute

Die Besatzung der „Augsburg“ geht aus einem Artikel im Hamburger Anzeiger vom 30. März 1912 hervor. Einleitend heißt es:

Von dem Hamburger Australdampfer „Augsburg“, der wie berichtet, schon lange überfällig ist, und auf den bereits 60 Prozent Rückversicherung abgeschlossen worden sind, fehlt auch bis heute jede Nachricht, so daß die Befürchtung, daß er auf der Reise von Neuyork über Südafrika nach Australien mit der ganzen Besatzung verloren gegangen ist, nicht von der Hand zu weisen ist. Würde er infolge Schaftbruchs oder schweren Maschinenschadens manövrierunfähig geworden sein, so hätte man ihn jedenfalls bereits angetroffen, da die Route, welche er fährt, stark belebt zu sein pflegt. …

Anschließend folgen die Namen der Seeleute, die ich zur besseren Übersicht untereinander geschrieben habe. Es sind Kapitän Winter und 37 Besatzungsmitglieder.

Die Besatzung besteht, laut Musterrolle, aus nachstehenden Personen:
Kapitän Wilhelm Winter – Altona
erster Steuermann Robert Th. C. Herrlich – Lübeck
zweiter Steuermann Walter F. G. H. Reckling – Zelle
dritter Steuermann Johannes K. Abam – Hildesheim

Zimmermann C. Heinrich Dankwerts – Cranz
Bootsmann Carl J. F. Lange – Kustrow

Matrosen
Chr. G. R. Lange – Stettin
Aug. Nyström – Stockholm
F. H. Carl Lorenz – Aken
Paul J. C. Hidde – Berlin
Ferdinand Boschke – Danz. Heisternest
Anton Jerschewitz – Herrwilk, Rußland

Leichtmatrosen
Georg K. H. Schwarz – Lauterbach
G. Emil Kühn – Deuben
C. Jackel

Koch Carl J. F. Großmann – Bärnsdorf
Kochsmaat Heinrich Blanck – Markt Bergel
erster Steward Hermann H. J. Alwes – Hamburg

erster Maschinist Maximilian D. Russe – Neu-Lewin
zweiter Maschinist Carl A. Chr. Friedland – Hamburg
dritter Maschinist C. Richard Becker – Altona

Assistenten
Ludw. A. M. K. Burmeister – Lübeck
A. Sukopp

Heizer
August Zoller, Mosnang
Max Drunkenpolz – Kötzling
J. J. Richard Putz – Berlin
Rich. E. Stubbe – Birken
Emil Steiner – Utzensdorf
Henry Szameitpreugsch – Memel
Jakob Baudy – Grafenhausen

Schmierer
J. Peter Reis – Frickenhausen

Trimmer
Rudolf Prozell – Plömnitz
Franz P. Knak – Wiedeloh
Johann H. F. Ehrich – Kiel
Christian Carstensen – Bollersleben
Ernst M. C. Barth – Hamburg
W. Dages
R. Willbrecht

Quelle: Hamburger Anzeiger vom 30. März 1912; Quelle: europeana.eu

Mögliche Desertionen

Die im Hamburger Anzeiger vom 30. März 1912 veröffentlichen Seeleute von der Musterrolle der „Augsburg“ müssen am 2. Februar 1912 beim Ablegen des Schiffes in New York nicht alle zwangsläufig an Bord gewesen sein.

Ich hatte über das Thema Desertionen einen ausführlichen Artikel veröffentlicht. Darin wurde deutlich, dass die Zahl der Desertionen auf Dampfschiffen zu dieser Zeit zwischen 15 – 25 % pro Reise lag und dass New York mit Abstand der beliebteste Hafen für Desertionen in Hamburg angemusterter Seeleute war. SIEHE: Dampfschiff „Fürth“: Tagebuch-Spezial – Deserteure, Einschleicher und wechselndes Personal

Das Seemannsamt Hamburg verzeichnete für das Jahr 1912 die sehr hohe Zahl von 899 Desertionen im Hafen New York.

Die „Augsburg“ hatte immerhin vier Wochen im Hafen von New York gelegen und die Gelegenheiten zu desertieren dürften zahlreich gewesen sein.

Letzte Sicherheit über die Seeleute, die tatsächlich an Bord waren, kann nur eine Mannschaftsliste der Hafenpolizei New York vom 2. Februar 1912 bei der Abfahrt der „Augsburg“ geben.

Ob diese Outward crew list in den National Archives oder an einem anderen Ort überliefert ist, habe ich jedoch nicht recherchiert.

Oktober 1912

Im Oktober 1912 erschienen noch einmal einige Artikel in australischen Medien, die das Verschwinden und die Suche im April thematisierten.

Ich schließe diesen Blogbeitrag mit den letzten Worten eines mehrfach in gleichem Wortlaut erschienenen Artikels (zum Beispiel in Daily Commercial and Shipping List, Sydney vom 31. Oktober 1912:

… Since then hope has gradually dwindled down until now even the most optimistic persons have realised that the good old steamer has gone to the “port of missing ships”.

Im „Hafen der vermissten Schiffe“ ist die „Augsburg” bis heute.

sea gull

Bild: Pixabay.