Rücktransport nach Deutschland (1919/1920)
Titelbild:
Abgeschobene Deutsche auf der “Kursk“, 1919, Quelle: Australian War Memorial, HO4148, public domain
Deutsche in Australien am Ende des Ersten Weltkrieges
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden 6150 Personen, überwiegend Deutsche und Deutschstämmige, aus Australien abgeschoben. Ebenso betroffen waren Staatsangehörige Österreich-Ungarns.
Von den 6150 Menschen waren 5414 in Lagern interniert gewesen. Die übrigen waren Familienmitglieder (Frauen, Kinder), die vom Verteidigungsministerium (Defense Department) ebenfalls aufgefordert wurden, das Land zu verlassen.
Über 1000 Personen legten Beschwerde gegen die Abschiebung beim Commonwealth Alien Board ein, allerdings wurde nur 306 Anträgen stattgegeben.
Darunter waren 179 Personen, die vorher die australische Staatsbürgerschaft angenommen hatten oder in Australien geboren waren.
Alle anderen mussten das Land verlassen.
Quelle: http://www.migrationheritage.nsw.gov.au/exhibition/enemyathome/holsworthy-internment-camp/index.html

Darling Harbour, Sydney, australische Soldaten bewachen die Ankunft eines Zuges mit deutschen Gefangenen am Kai bei der Einschiffung auf die „Kursk“; Quelle: Australian War Memorial, HO4144; public domain.
Die Abschiebung
Für den Rücktransport der unerwünschten Personen nach Europa waren von der australischen Regierung zehn Schiffe vorgesehen.
Offiziell trugen die Schiffe die Bezeichnung H.M.A.T., also His Majesty’s Australian Transport, zum Beispiel H.M.A.T. „Rugia“. Der Einfachheit halber lasse ich diese Bezeichnung in der Folge weg.

Liste der Schiffe für den Rücktransport Deutscher aus Australien in den Jahren 1919/1920; Quelle: Australian War Memorial, AMW2019.8.46
Zielhafen der Schiffe war zunächst Rotterdam, da die britische Seeblockade deutscher Häfen bis über die Mitte des Jahres 1919 hinaus andauerte.
In der Folge gebe ich einige Informationen zu den Schiffen und den Fahrten. Es handelt sich dabei um ausgewählte Beispiele. Weder sind alle Schiffe erwähnt, noch alle Fahrten. Diese sollten sich bis in die Mitte des Jahres 1920 hinziehen und einige Schiffe unternahmen mehrere Fahrten.
Ferner habe ich darauf verzichtet, die Ankunftsmeldungen der Schiffe in den niederländischen Medien zu übersetzen. Ich denke, man kann den Inhalt auch ohne Kenntnisse des Niederländischen zumindest grob verstehen.
Das Lager Holsworthy, in dem viele Deutsche gefangen waren, bestand noch bis in das Jahr 1920 fort, der letzte Gefangene verließ das Lager am 5. Mai 1920.
Quelle: Holsworthy Internment Camp during Word War I, Beverley Donald 2014; dictionaryofsydney.org
Der Krieg war zu diesem Zeitpunkt fast achtzehn Monate vorbei.
„Willochra“
Das erste Schiff, dass Gefangene nach Rotterdam brachte, war die „Willochra“. Die Abfahrt aus Sydney war am 22. Mai 1919.
Dieses Schiff ist in australischen Unterlagen ebenfalls als His Majesty’s Australian Transport bezeichnet, dabei muss es eigentlich H.M.N.Z.T. heißen, also His Majesty’s New Zealand Transport.
Die „Willochra“ diente im Ersten Weltkrieg nämlich als Truppentransporter für neuseeländische Soldaten.
Auch im Sommer 1919 war das Schiff in Wellington abgefahren und hatte etwa 300 Gefangene an Bord, die aus Neuseeland abgeschoben worden waren. In Sydney wurde die „Willochra“ mit Deutschen „aufgefüllt“.
Zuvor mussten zahlreiche Österreicher, die von Neuseeland mit der „Willochra“ gekommen waren, das Schiff verlassen und wurden per Zug ins Holsworthy Camp gebracht. Für sie war ein anderer Transport nach Europa vorgesehen. (Quelle: The Sun, Sydney, 27. Mai 1919)

Österreichische Gefangene gehen in Sydney von Bord der „Willochra“, The Sun, Sydney, 27. Mai 1919, S. 8. Die schwarzen senkrechten Streifen an der Schiffswand sind Teil des „Dazzle Painting“, einem Camouflage-Anstrich mit geometrischen Mustern.

„Willochra“ in Camouflage, Quelle: Mackrell Papers, Manawatuheritage.pncc.govt.nz; ID 2018P_Mackrell-PapersS5F2_024577
Die Zeitung De Maasbode berichtete am 18. Juli 1919 über die Ankunft der „Willochra“ in Rotterdam und kündigt das nächste Schiff, die „Kursk“ an:

Zeitungsartikel über die Ankunft der „Willochra“ und die erwartete Ankunft der „Kursk“ in Rotterdam; De Maasbode, 18. Juli 1919, S. 3; http://www.delpher.nl
Die „Willochra“ fuhr am 20. Juli von Rotterdam nach London weiter, die begleitenden britischen Wachmannschaften gingen am 21. Juli 1919 in Tilbury von Bord.

Die „Willochra“ in „zivilem Anstrich“, Aufnahme von Allan C. Green, Datum unbekannt (wahrscheinlich vor 1914), Quelle: State Library Victoria, BIB ID 1651329.
„Kursk“
Eine Woche nach der „Willochra“, am 29. Mai 1919, verließ die „Kursk“ den Hafen von Sydney. Sie erreichte Rotterdam am 28. Juli 1919.
Die „Kursk“ war ursprünglich ein russischer Passagierdampfer der Russian American Line. Nach der Oktoberrevolution kam das Schiff unter britische Flagge. Im Jahr 1921 wurde die „Kursk“ ein Schiff der Baltic American Line und in „Polonia“ umbenannt.
An Bord der „Kursk” befand sich auch Professor Erich Hupka, über den ich hier im Blog berichtet hatte, da er kurze Zeit im Hafen von Colombo auf dem Frachtdampfer „Fürth“ festgesetzt worden war: Wie ein bekannter deutscher Physikprofessor auf die „Fürth“ kam
„… Familie Hupka verließ Australien zusammen mit vielen weiteren Kriegsgefangenen am 29. Mai 1919 auf dem Truppentransporter „Kursk“, einem ehemaligen russischen Auswandererschiff. Auf dem überbelegten Schiff waren die hygienischen Zustände katastrophal. An den Folgen einer auch aus diesen Gründen an Bord ausgebrochenen Lungenpest verstarb unter anderem auch Dr. Erich Hupka. Er wurde zwei Stunden später in Höhe der südafrikanischen Stadt Durban dem Meer übergeben.“
Zitat aus: Deutsche im Ersten Weltkrieg in Ostasien und Australien von Gerhard Dannemann, 2018, Book on Demand (abgerufen über books.google.fr).
Ehefrau Therese kehrte mit ihrem Sohn Herbert über Rotterdam nach Oberschlesien zurück.

Die „Kursk“ auf See. Das Foto wurde während der Stunde aufgenommen, an denen die Männer einmal täglich ihre Ehefrauen (und Kinder) besuchen konnten. Quelle: Australian War Memorial, HO4145; public domain.

Trauerfeier für den an Bord der „Kursk“ gestorbenen Torpedomatrosen von SMS „Gneisenau“ Johann Petersen in Durban; Quelle: Australian War Memorial, HO4149, public domain.
Petersen (geboren in Kiel am 14.3.1892) wurde auf dem Friedhof in Durban begraben; neben ihm Georg Boysen aus Flensburg. Insgesamt waren an Bord sechzehn Todesopfer zu beklagen.
Siehe dazu auch : https://historischer-kreis.de/erinnerungen-an-die-spanische-grippe-vor-101-jahren/

Während des Aufenthalts der „Kursk“ im Hafen von Durban wurden die deutschen Gefangenen täglich an den Strand „Bluff Beach“ begleitet. Quelle: Australian War Memorial, HO4146, public domain.
„Tras-os-Montes“
Das Schiff “Tras-os-Montes“ ist hier im Blog unter seinem alten Namen „Bülow“ hier im Blog schon einmal kurz erwähnt worden.
Die „Bülow“ war ein Schiff des Norddeutschen Lloyd Bremen, das bei Ausbruch des Krieges in Portugal festgehalten worden war und dann 1916 von Portugal übernommen wurde und den neuen Namen „Tras-os-Montes“ erhielt.
Der von der „Bülow“ abgemusterte Schlachter Max Heigold hatte sich mit dem Schmied Max Benkert Anfang Juli 1914 in Antwerpen an Bord der „Neumünster“ geschlichen. Die beiden blinden Passagiere hatten sich am 5. Juli 1914 bei Kapitän Herrmann gemeldet. SIEHE: Aus dem Logbuch des Schiffes „Neumünster“
Die erste Abfahrt der „Tras-os-Montes“ aus Sydney scheiterte, da kurz danach die Spanische Grippe an Bord ausbrach und das Schiff nach Sydney zurückkehren musste.

Nach einem Influenza-Ausbruch musste die „Tras-os-Montes“ nach Sydney zurückkehren, Algemeen Handelsblad, 24. Juni 1919; http://www.delpher.nl
Die „Tras-os-Montes“ verließ Sydney schließlich am 9. Juli 1919. Über Albany und Port Natal (Durban) lief sie nach Rotterdam und schließlich nach London (Tilbury). Die Wachmannschaften verließen dort am 6. September 1919 das Schiff.
“Ypiranga”
Die “Ypiranga” verließ Sydney am 12. August 1919 und erreichte Rotterdam am 10. Oktober mit 943 Deutschen, davon 839 Männer, 60 Frauen und 44 Kinder.

Ankunft der “Ypiranga” in Rotterdam, Nieuwe Rotterdamsche Courant, 10. Okt. 1919; http://www.delpher.nl
Weitere Schiffe
Zum Abschluss dieses Artikels noch einige Meldungen aus der niederländischen Presse über die Ankunft anderer Schiffe mit deutschen Gefangenen in Rotterdam. Es sind dies die „Windhuk“, die „Rio Negro“, die „Valencia“ und die „Rugia“.
Die Abschiebung dauerte bis in den Sommer 1920 an. Laut The Australasian vom 12. Juni 1920 verließen 29 Deutsche mit dem Schiff „Main“ Australien.

De Tijd: godsdienstig-staatkundig dagblad, 11.12.1919

La gazette de Hollande, 27. Okt. 1919

Haagsche Courant vom 12. Dez. 1919

La gazette de Hollande, 12.12.1919
Demnächst im Blog
Rückkehr nach Deutschland
Die Mannschaften der Deutschen Handelsmarine kehrten nach etwa fünf Jahren zu ihren Familien zurück.
Schwieriger war die Lage für diejenigen, die vor dem Krieg in Australien gewohnt hatten und jetzt in ein für sie fremd gewordenes Land zurückgeschickt worden waren.
Deutschland war nicht mehr das Land, das sie verlassen hatten und unter Millionen Vertriebenen und durch die Wirren des Krieges Geflüchteten waren die aus Australien Abgeschobenen eine kleine Minderheit.
Ihre Schicksale sind im Nachkriegsdeutschland untergegangen.