Seminole, 1865, full-rigged ship, Mystic

Das älteste Schiff der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft

Der Klipper „Seminole“

Titelbild: Reklamekarte für den Klipper „Seminole“, um 1865, Quelle: Westward by Sea: A Maritime Perspective on American Expansion 1820 – 1890; über https://commons.wikimedia.org/wiki/File:SEMINOLE_(Ship)_(c112-02-26).jpg

Bleiben wir bei den Segelschiffen! Nachdem ich Ihnen im vergangenen Blogartikel den Segler „Loch Ness“ vorgestellt hatte, präsentiere ich Ihnen heute das (mit allergrößter Wahrscheinlichkeit) älteste Schiff der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) und darüber hinaus das einzige, welches in Nordamerika hergestellt worden ist: Den Klipper „Seminole“ aus dem Jahr 1865.

Die im Titel dieses Artikels abgebildete Werbemarke preist das Schiff als neuen und eleganten Klipper der besten Kategorie:

The New and Elegant A1 Mystic Built Clipper Ship

A 1 ist die beste Kategorie in der Klassifikation von Lloyd’s Register: Siehe dazu auch den Artikel: Die „Fürth“ in Lloyd’s Register

Mystic Built heißt, dass die „Seminole“ 1865 als Vollschiff an dem bedeutenden Werftstandort Mystic in Connecticut gebaut wurde und zwar von Maxon, Fish and Company. Das elegante Schiff hatte eine Länge von 59,9 Metern, 12,7 Meter Breite und eine Seitenhöhe von 7,6 Metern. „Seminole“ hatte einen Rumpf aus Holz und 1511 Bruttoregistertonnen. Die Baukosten beliefen sich auf 125.000 USD.

Anmerkung: Vollschiff heißt, dass die drei Masten des Schiffes alle rahgetakelt waren, wie auf der Abbildung unten zu sehen ist.

seminole, 1865, full-rigged ship, later barque

„Seminole“ als Vollschiff um 1880; Foto aus der A. D. Edwardes Collection, Quelle: State Library of South Australia, Ref. V66No81

In späterer Zeit wurde die Besegelung des hinteren Mastes der „Seminole“ auf Schratsegel geändert und aus dem Vollschiff wurde eine Bark. Bei dem Schiff “Loch Ness” war genauso verfahren worden.

This splendid Ship is of the Sharp Clipper Model, and built expressly for the California trade, with thorough ventilation, and every requisite for delivering cargo at the earliest possible day in fine order.

Der schnelle Klipper war für den Warentransport von der nordamerikanischen Atlantikküste nach Kalifornien gebaut worden. 1866 unternahm die „Seminole“ eine Reise von New York nach San Francisco in 97 Tagen: eine rekordverdächtige Fahrt! Auf dieser Reise transportierte „Seminole“ eine Dampflokomotive der berühmten Central Pacific Eisenbahngesellschaft.
Quelle: Central Pacific Railroad Photographic History Museum, http://cprr.org/Museum/RR_Shipped_by_Sea.html

Die Leistung kann man besser einschätzen, wenn man weiß, dass die durchschnittliche Reisedauer 145 Tage, also fast fünf Monate betrug.

Being constructed in the best manner with extra copper fastening, she is rated A1 for NINE YEARS, and is probably the BEST SHIP AFLOAT. Shippers will please examine her, and judge for themselves.

Die vollmundige Werbung auf der Reklamekarte war nicht unberechtigt, denn die „Seminole“ war über 20 Jahre zwischen der amerikanischen Ost- und Westküste im Einsatz, in der Regel zwischen New York/Boston und San Francisco.

Holmes, (formerly Master of the Twillght,) Master, at Pier 12 E. R.
Sutton & Co., 58 South Street, Corner Wall.

In der Fußzeile der Karte wirbt schließlich Kapitän Holmes um Vertrauen, immerhin hatte er schon den Klipper „Twilight“ (gebaut 1857 in Mystic) kommandiert. Außerdem gibt er seinen Liegeplatz am East River (E. R.) an.

Suttons & Co. (Sutton’s California Dispatch Line) war einer der zahlreichen Anbieter, die Transportdienste an die Westküste anboten. Die beiden abgebildeten Reklamekarten waren ein beliebtes Werbemittel der damaligen Zeit. Heute sind sie ein begehrtes Sammlerobjekt.

In diesem Artikel können Sie mehr über die Geschichte dieser Karten erfahren (in englischer Sprache): The Story of Clipper Ship Sailing Cards, Allen Forbes, American Antiquarian Society, Oct.1949; https://www.americanantiquarian.org/proceedings/44807197.pdf

Cremorne Sutton & Co.

Reklamekarte für den Klipper „Cremorne“, Sutton & Co.‘s Dispatch Line; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:CREMORNE_Clipper_ship_sailing_card_3065.jpg

Die „Seminole“ in den 1890er Jahren

In späteren Jahren transportiere die „Seminole“ über 12 Jahre Hölzer und Holzprodukte von der amerikanischen Nordwestküste in die Südsee und nach Australien. Auf dem Rückweg waren Kohlen die übliche Fracht, die meist nach Honolulu auf Hawaii geliefert wurden.

Seminole, 1865, Galionsfigur

Galionsfigur des Segelschiffes „Seminole“, ein nordamerikanischer Indianer der Ethnie der Seminolen, Foto aus der A. D. Edwardes Collection, um 1910; Quelle: State Library South Australia, PRG 1373/79/109, gemeinfrei

Im Februar 1901 kaufte die DADG die mittlerweile 36 Jahre alte „Seminole“ für 1200 £ und ließ sie anschließend im Jubilee Dock, einem großen Trockendock in Sydney, gründlich überholen. Das Schiff sollte anschließend in Adelaide als schwimmendes Lager für Bunkerkohlen zum Einsatz kommen (Kohlenhulk). Ein trauriges Schicksal vieler Segelschiffe, die nicht mehr auf See gebraucht wurden.

THE SEMINOLE SOLD.

The barque Seminole has been purchased by the German-Australian line for use as a hulk at Adelaide. She is now undergoing an extensive over haul at the Jubilee Dock prior to leaving for the South Australian capital.
Newcastle Morning Herald and Miners’ Advocate, 14. Feb. 1901.

Bevor es allerdings nach Adelaide ging, stand ein Umweg über Newcastle NSW auf dem Programm, dem wichtigsten Kohlehafen Australiens, weil dort Kohlen am billigsten zu bekommen waren.

Jubilee Dock Sydney 1903

Jubilee Dock, Balmain Sydney Harbour, schöne detailreiche Aufnahme aus dem Jahr 1903; © Australian National Maritime Museum, ANMS1092[244] über trove.nla.gov.au

Duplizität der Ereignisse

Von Newcastle NSW sollte die „Seminole“ vom DADG-Dampfer „Kiel“ nach Adelaide geschleppt werden.

Wie beim Schlepp der „Loch Ness“ sieben Jahre später, kam auch „Kiel“ mit der „Seminole“ in einen schweren Sturm, die Schlepptrosse riss und konnte nicht wieder übergeben werden.

Die „Seminole“ war nun auf sich allein gestellt, hatte aber Mannschaft und auch die Segel noch an Bord. Der Vorfall ereignete sich bereits 200 Seemeilen nach der Abfahrt am 21. März auf Höhe der Jervis Bay und es vergingen neun lange Tage der Ungewissheit, in denen das Schicksal des alten Klippers in Frage stand.

Am 1. April 1901 schließlich passierte das Schiff um sechs Uhr abends Wilson’s Promontory, von wo aus die Passage der „Seminole“ telegrafiert wurde.

SAFETY OF THE SEMINOLE.

The anxiety that had been felt for the safety of the barque Seminole, which is en route from Sydney to Adelaide, was relieved last night by the receipt of a message from Wilson’s Promontory stating that the vessel passed there at 6 p.m.
Quelle: The Australian Star, 2. April 1901; trove.nla.gov.au

THE SENTINEL THAT STANDS GUARD AT THE SOUTHERN POINT OF THE AUSTRALIAN CONTINENT. WILSON'S PROMONTORY

WILSON’S PROMONTORY. Originaltitel des Bildes: THE SENTINEL THAT STANDS GUARD AT THE SOUTHERN POINT OF THE AUSTRALIAN CONTINENT. WILSON’S PROMONTORY, Aufnahmedatum unbekannt (zwischen 1885 und 1946), State Library Victoria, Referenz H99.220/1845

Die “Seminole” in Adelaide

Ab April 1901 lag der Klipper oder was von ihm nach dem Umbau zur Kohlenhulk noch übrig war in Port Adelaide.

Diese Zeit blieb nicht ereignislos:

Am 18. Januar 1902 starb der Arbeiter Henry Kohler beim Bunkern des Dampfers „Apolda“ als er sich bei einem Sturz aus 14 Fuß (4,27 m) Höhe auf das Deck der „Seminole“ tödliche Verletzungen zuzog.

Am 25. April 1903 riss sich „Seminole“ bei starken Windböen von ihrem Liegeplatz los, wurde quer über den Fluss getrieben und beschädigte am Kai das Segelschiff „Mayflower“ und einen Leichter.

Am Morgen des 19. Juli 1906 brach auf der Hulk ein Feuer aus. Versuche, den Brandherd durch Übergabe von Kohlen an den Dampfer „Oberhausen“ zu erreichen, blieben erfolglos. Schließlich wurde die Hulk in Ufernähe gebracht und durch das Hineinpumpen von Wasser geflutet. Später wurden bei Niedrigwasser etwa 300 Tonnen Kohle geborgen und die Hulk wieder flott gemacht.

Dampfschiff Essen

Die „Essen” am Kai Nr. 1 in Port Adelaide, detailreiche Aufnahme aus dem Jahr 1914; Quelle: Searcy Collection, State Library of South Australia [PRG 280/1/14/75]

Eine Kohlenhulk in einem Hafen wurde nicht unbeaufsichtigt gelassen. Ein sogenannter Hulk-Keeper wohnte auf dem schwimmenden Lager, bewachte es und hielt es in Stand. Am 2. Juli 1908 bekam der Hulk-Keeper der „Seminole“ Besuch vom australischen Zoll. Der Zollbeamte listete minutiös alle verdächtigen Gegenstände auf, die mehrheitlich deutschen Ursprungs waren. Darunter befand sich neben Bootszubehör auch Hundekuchen, ein leeres Fass Margarine, Alkohol, Tabak und noch vieles mehr. All das war doch tatsächlich ohne Zollpapiere an Bord gebracht worden. Der Hulk-Keeper sagte zwar aus, dass vieles Geschenke von den Offizieren der deutschen Schiffe wären und andere Gegenstände schon vor ihm an Bord gewesen wären, aber der pingelige Zollbeamte bezifferte die entgangenen Zollgebühren auf etwas über zwei Pfund und leitete seinen Bericht nach Melbourne weiter. Wie die Geschichte für den Hulk-Keeper ausgegangen ist, habe ich in den Medien nicht mehr gefunden.

Interessant war in dem Artikel zu erfahren, dass der Hulk-Keeper schon sechs Jahre auf dem schwimmenden Lager lebte. Zuerst hatte er auch seine Familie noch mit an Bord, aber nachdem die Hulk immer mehr leckte, zog er es vor, seine Familie an Land unterzubringen.

Lang kann unser Hulk-Keeper nicht mehr auf der „Seminole“ verbracht haben, denn noch im Jahr 1908 verkaufte die DADG die Hulk und ersetzte sie durch die „Loch Ness“. Vielleicht hat sie den Mann dort wieder eingestellt.

Adelaide harbour, about 1910

Der Hafen von Adelaide, ca. 1910, State Library of South Australia, Originalbeschreibung: Port Adelaide: ocean steamers wharf in the foreground, looking south west across the Port River. Birkenhead wharf on the other side is in course of construction. Referenz Nr. [B 2156].

Im Jahr 1909 wurde die „Seminole“ dann von ihrem neuen Eigentümer in Adelaide abgebrochen. Am 16. März 1909 brach erneut ein Feuer aus, dass diesmal allerdings schnell gelöscht werden konnte.

Anschließend wurde das Wrack am Strand von Garden Island sich selbst überlassen.

Die „Seminole“ war damit das erste Schiff an einer Stelle, die heute als Garden Island Ship Graveyard bekannt ist. Der Schiffsfriedhof wurde die letzte Ruhestätte von mindestens 25 Schiffen, die hier entsorgt wurden. Er kann heute auf einem maritimen Kulturlehrpfad des Ministeriums für Umwelt und Wasser erkundet werden.

Auch die Reste der „Seminole“ sind bei Niedrigwasser noch erkennbar, wenngleich vom Rumpf nur noch sehr wenig erhalten ist. Ein Bild vom traurigen Erhaltungszustandes des ehemaligen Klippers können Sie sich hier machen:

https://www.environment.sa.gov.au/topics/heritage/maritime-heritage/visiting-maritime-heritage-places/shipwreck-trails/garden-island#Seminole

seminole 1865, Galionsfigur

Galionsfigur des Segelschiffes „Seminole“ in einem Garten, Foto aus der A. D. Edwardes Collection, um 1910; Quelle: State Library South Australia, PRG 1373/79/109, gemeinfrei

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