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Hagen, Frachtdampfer, 1909

Schwesterschiffe der „Fürth“: die „Hagen“

Namensgeber der Kleinserie

Titelbild: Dampfschiff „Hagen“, 6990 t, ausgehend auf der Elbe bei Oevelgönne in leichtem Treibeis. Aufnahme vom 13. März 1909; © Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg (1933)

Die „Hagen“ war das erste von sechs baugleichen Schiffen, welche die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG) in weniger als einem Jahr an die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg (DADG) geliefert hat (November 1906 – Oktober 1907). Otto Harms, der ehemalige Geschäftsführer der DADG, spricht deshalb auch von der „Hagen-Klasse“.
Quelle: Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Otto Harms (1933), Schröder & Jeve, Hamburg.

In dieser Kleinserie folgten nach der „Hagen“ in den darauffolgenden Monaten in chronologischer Reihenfolge: die „Reichenbach“, die „Plauen“, die „Neumünster“, die „Fürth“, die „Osnabrück“ und schließlich die „Hanau“.

Zu jedem der sechs Schwesterschiffe der „Fürth“, dem Hauptthema dieses Blogs, existiert jetzt ein Artikel, der die Geschichte des jeweiligen Schiffes zusammenfasst. Die Links finden Sie am Ende dieses Blogbeitrags.

Allen Schiffen gemein ist, dass sie vergessen wurden. Der Erste Weltkrieg hat ihrer Funktion als Botschafter der namensgebenden Städte nach wenigen Jahren ein Ende gesetzt und schon bald hat sich niemand mehr ihrer erinnert. Das ist bis heute so geblieben. Dieser Blog möchte das ein wenig ändern.

In den zwanziger Jahren brachte die DADG wieder neue Schiffe in Fahrt; von den namensgebenden Städten der sechs Schwesterschiffe wurden lediglich die beiden Städte Hagen und Hanau erneut berücksichtigt, beide im Jahr 1921.

Das Schiff „Hagen“ (1906)

Die Bestellung der „Hagen“ bei der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft erfolgte am 21. Oktober 1905, die Kiellegung am 5. Mai 1906 und nach 190 Tagen Bauzeit wurde das Schiff am 11. November 1906 an die DADG übergeben. Der Stapellauf fand einen Monat vorher, am 6. Oktober 1906, statt.

Die Baukosten betrugen 1,158 Millionen Mark. Die „Hagen“ hatte 4210 Brutto-Registertonnen und eine Tragfähigkeit von 6990 Tonnen. (alle Angaben: Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Schröder & Jeve, Hamburg 1933)

Weitere Details finden Sie in den Beiträgen der baugleichen „Fürth“: SIEHE Bau, Stapellauf und Probefahrt der „Fürth“  sowie Die „Fürth“ in Lloyd’s Register

Jungfernfahrt der „Hagen“

Über die „Jungfernfahrt“ der Hagen gibt ein Artikel in The Advertiser (Adelaide) zusammenfassend Auskunft.

The Hagen, a new steamer, belonging to the German-Australian line, arrived from Hamburg on her maiden voyage on Sunday afternoon. She is a facsimile of the Oberhausen, Solingen, and Linden, which arrived last year, and a splendid vessel of her type. She was built at Flensburg, and launched on October 9. Captain Prohn, who was formerly in charge of the Magdeburg, is in command. He reports having left Hamburg on November 15, Rotterdam on November 18, Antwerp on November 22, East London on December 19, and arrived at Fremantle on January 4. She left the western port on January 8. Throughout the trip there was just enough bad weather to justify Captain Prohn coming to the conclusion that the new vessel is a splendid seaboat. After discharging her cargo she will load for Java ports.
The Advertiser, Adelaide (Australien), 14. Jan 1907, S. 6, SHIPPING NEWS.

Anmerkungen:

Die „Oberhausen“, „Solingen” und „Linden“ war sicher ähnliche Schiffe, aber keineswegs baugleich. Nur die „Linden“ war auch in Flensburg gebaut worden, hatte aber leicht abweichende Abmessungen zur „Hagen“. Die „Oberhausen“ war ein Schiff von Swan, Hunter & Wigham Richardson in Newcastle-on-Tyne und die „Solingen“ (II) ein Frachtdampfer der Neptunwerft in Rostock.

Der Stapellauf der „Hagen“ war nach Harms (1933) der 6. Oktober 1906.

Nach der „Klingenstadt“ Solingen war bereits das zweite Schiff der DADG benannt worden. Die bereits 1889 in Dienst gestellte „Solingen” (I) ging 1904 vor Deutsch-Südwestafrika verloren.

Hagen, crew 1909

Mannschaftsliste der Hagen, Seite 1, Sydney 19. Okt 1909; © State of New South Wales through the State Archives and Records Authority of NSW

Die Überlegenheit der Dampfschifffahrt

Der Zeitungsartikel in The Advertiser berichtet im Folgenden von der Sichtung eines Seglers durch die „Hagen“:

“Captain Prohn, of the Hagen, reports having sighted the barque Loch Rannoch in lat. 35.40 deg. S., long. 126 deg. E, at noon on Friday. She was then right in the steamboat track. The Loch Rannoch, which is coming to Port Adelaide from Glasgow, wished to be reported „all well.“ She is 109 days out, and had been anxiously looked for. This well-known Loch liner should arrive early this week.”

109 Tage von Glasgow nach Adelaide bedeuteten für die Bark, einen Segelschifftyp, etwa dreieinhalb Monate auf See, das Dampfschiff „Hagen“ erreichte Adelaide von Hamburg mit Zwischenstopps in nur zwei Monaten.

Diese langen Fahrten hatten auch zwei weitere Barken hinter sich, eine von Archangelsk (Russland), die 147 Tage unterwegs war und eine ab Glasgow mit 123 Tagen Seereise:

“The strong south winds which blew during Sunday brought to the Semaphore anchorage two barques. One was the Norwegian barque which was here in 1904. She is from Archangel, which port she left on August 19, and was, therefore, 147 days out. The Woodburn, formerly a Glasgow barque, but now under the Russian flag, arrived from Bo’ness (Scotland) with a consignment of superphosphates. Her sailing date was September 12, and she accomplished the passage in 123 days. Both vessels may be expected to enter the harbor within the next day or two.”
(alle Zitate aus der gleichen Quelle)

Die Segelschifffahrt konnte sich in den Folgejahren nur noch für „zeitunkritische“ Frachten behaupten, verlor aber nach und nach endgültig an Bedeutung.

Die folgende Abbildung ist symbolisch dafür: Gestrandete Segelschiffe in Port Elizabeth. Die im Hafen liegenden Dampfschiffe waren in der Lage, den Sturm abzuwettern. SIEHE: Logbuch (10): Die „Fürth“ in Mossel Bay und Port Elizabeth (Südafrika)

Hurricane in Algoa Bay 1902

Port Elizabeth, 30 August and 1 September 1902. Aftermath of a storm in Algoa Bay; Quelle: DRISA-Archiv, Johannesburg; http://atom.drisa.co.za/collections/P_Collection_lo-res/P1143_06.jpg

Verdächtige Umladung auf See – „A Mysterious Cargo“

Im Sommer 1908 erregte eine außergewöhnliche Umladung von Dynamit im Ärmelkanal einige Aufmerksamkeit in der britischen Presse und sogar der Verdacht von Schmuggel kam auf. Der Kapitän der „Hagen“, zu diesem Zeitpunkt F. Parran, erklärt den Vorfall anschließend einem australischen Journalisten:

ARRIVAL OF THE STEAMER HAGEN.
THE GOODWIN SANDS INCIDENT.
EXPLOSIVES SHIPPED ON THE OPEN SEA.

Early yesterday morning the German steamer Hagen arrived from Hamburg, and anchored in Gage Roads. Considerable interest has been evinced in the present voyage of this vessel, owing to an unusual incident which occurred at its commencement. Towards the end of April, it will be remembered, the cables announced that the steamer Hagen had shipped a cargo of German-manufactured explosives while lying off the Goodwin Sands, in the English Channel. The goods, it was stated, were transhipped to the Hagen from a German tug-boat, and the extraordinary nature of the procedure excited much comment in commercial and shipping circles in London. All sorts of conjectures were indulged in as to the destination of the cargo, some journals going so far as to hint that it was contraband.

In view of the explanation volunteered to a representative of the „West Australian“ by Captain Paran, when the matter was brought under his notice yesterday it is surprising that such an incident should have caused so much speculation in English shipping circles.

It appears that when the vessels of the German-Australian line leave Antwerp explosives are transhipped from a lighter just outside the port. On this occasion, however, the lighter was delayed, and Captain Paran was instructed to wait off the Dutch coast for the cargo. A course which is often carried out when lighters are delayed. On arrival off the Dutch coast the weather would not permit of the work being carried out, and as a consequence the Hagen proceeded to seek a sheltered spot off the Goodwin Sands, to await the arrival of a German tug-boat, which brought out the transhipment cargo.

Captain Paran was greatly surprised and amused, that the incident should have received such world-wide attention.
The West Australian, Perth, 5. Jun 1908, S. 5

Anmerkung: Dynamit war eine häufige Fracht der DADG-Schiffe nach Südafrika und Australien. Es kam aus verschiedenen europäischen Produktionsstätten. Siehe dazu auch den Blogartikel: Plakatwerbung

Coolgardie, Strelitz

Dynamit auf einem Ausstellungsstand der Gebrüder Strelitz in der Bergbaustadt Coolgardie, Foto von Hemus and Hall, Coolgardie Pioneer, 22. April 1899, S. 18; Coolgardie war damals nach Perth und Fremantle die drittgrößte Stadt Westaustraliens, heute ist sie als „Ghosttown“ nur noch von touristischem Interesse.

Sommer 1914

Im Sommer 1914 kam die „Hagen“ auf der Linie New-York – Java nach Tjilatjap an die Südküste Javas. Die Insel gehörte das damals zur niederländischen Kolonie Niederländisch-Indien, die folgenden Quellen sind daher niederländische Tageszeitungen.

Het ss. Hagen, van de Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft vertrok op 3 Juni van Durban komende van New Vork direct naar Tjilatjap en wordt den 21sten a.s. aldaar verwacht.
Het nieuws van den dag voor Nederlandsch-Indië, 13-06-1914

(Die ss. Hagen von der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft verließ Durban am 3. Juni und kam von New Vork direkt nach Tjilitjap und wird dort am 21. erwartet.)

Zu der Linie New York – Java mehr hier: Devoe’s und Sylvan Arrow – Petroleum für Java

Aangekomen:

Duitsch ss. Hagen, gez. Wilm, van Tjilatjap, agt. Maintz & Co.
Het nieuws van den dag voor Nederlandsch-Indië, 27-06-1914

In der Folgezeit war die „Hagen“ in Niederländisch-Indien unterwegs, bis sie vom Ausbruch des Ersten Weltkrieges Ende Juli/Anfang August 1914 überrascht wurde.

VERTROKKEN SCHEPEN.

Duitsch ss. Hagen, gez. Wilm, naar Pekalongan.

Bataviaasch nieuwsblad, 06-07-1914

Anmerkung: Pekalongan ist eine Hafenstadt an der Nordküste Javas.

Anfang August lag die „Hagen“ in Soerabaya (Insel Java), um eine Ladung Zucker aufzunehmen, wurde aber angewiesen, diesen wieder zu entladen.

Het duitsche stoomschip „Hagen“, dat te Soerabaja een lading suiker kad ingenomen, heeft orde gekregen de lading weder telossen.
Sumatra-bode, 4.8.1914

(Das deutsche Dampfschiff ‚Hagen‘, das in Surabaya eine Ladung Zucker aufgenommen hat, wurde beauftragt, die Ladung wieder zu entladen.)

Die „Hagen“ lief anschließend von Soerabaya nach Tandjong Priok, dem Hafen Batavias.

AANGEKOMEN SCHEPEN.

Duitsch ss. Hagen, gez. Wilm, van Soorabaja, agt. Maintz en Co.

Bataviaasch nieuwsblad, 6. Aug 1914

Batavia 1907

Ankunft eines Dampfers im Hafen Tandjong Priok (Batavia), 1907, Stereographische Aufnahme, Tropenmuseum Amsterdam, Inventarnummer TM-60060778, collective.wereldculturen.nl

Eine zusammenfassende Beschreibung von Tandjong Priok liefert ein britisches Handbuch:

„The port of Tandjong Priok is in communication with Batavia by railway and by a canal. The outer harbour is formed by two piers 1,850 metres long; the entrance is 125 m wide, and the depth is 8 metres. The inner harbour has a quay 1,100 metres long and 175 metres wide; the water has a depth of 7.50 metres. There is extensive accommodation for coaling, and in the docks and workshops all kinds of repairs to vessels can be made. The expenses for the construction of the harbour and annexed works amounted to 26½ millions of guilders.”

The Directory & Chronicle for China, Japan, Corea, Indo-China, Straits Settlements, Malay States, Sian, Netherlands India, Borneo, the Philippines; Hongkong Daily Press Office, 1910, 48. Ausgabe

In diesem Hafen sollte die „Hagen“ während des Ersten Weltkrieges bleiben. Noch im August 1914 fand im Kaiserlich Deutschen Generalkonsulat eine Verklarung statt:

Steam ship Hagen, Batavia 1914

Bekanntmachung in der Zeitung Bataviaasch Nieuwsblad, 26. Aug 1914, Quelle: http://www.delpher.nl

Die Verklarung

Was es mit einer Verklarung auf sich hat, erklärt uns das Seerecht:

Paragraph 522
Der Schiffer hat über Unfälle, die sich während der Reise ereignen, sie mögen den Verlust oder die Beschädigung des Schiffes oder der Ladung, das Einlaufen in einen Nothafen oder einen sonstigen Nachteil zur Folge haben, mit Zuziehung aller Personen der Schiffsbesatzung oder einer genügenden Anzahl von ihnen eine Verklarung abzulegen.
Die Verklarung ist ohne Verzug zu bewirken, und zwar…

im Nothafen, sofern in diesem repariert oder gelöscht wird;

„Ihr Zweck ist nicht die Wahrung öffentlicher, sondern diejenige privater Interessen (…), nämlich neben der Entlastung (Verklarung = Reinigung) des Schiffers die Schaffung einer Unterlage für die Regelung der aus einem Seeunfall erwachsenen privatrechtlichen Verhältnisse (…). Sie dient also als eine Art Beweissicherung.“

Das deutsche Seerecht, Kommentar und Materialsammlung, 2. Bd.; Schaps, Abraham, Berlin 1962 (books.google.fr).

Die Verklarung musste im Ausland in einer diplomatischen Vertretung stattfinden (falls vorhanden), deswegen erfolgte die Anzeige vom Kaiserlichen Deutschen Generalkonsulat in Batavia.

Der Begriff der Verklarung führt uns zum nächsten seerechtlichen Fachbegriff: der großen Haverie.

Große Haverie (auch Haverie grosse oder Große Haverei)

Große Havarie liegt dann vor, wenn Schiff und Ladung in gemeinschaftlicher Gefahr sind und vom Schiffskommando vorsätzlich zur Rettung von Schiff und Ladung Maßnahmen getroffen werden, deren Kosten und außerordentliche Opfer im Interesse aller Beteiligten von diesen gemeinschaftlich getragen werden müssen.
Die Praxis des Seefrachtgeschäfts H.-J. Leue, Springer, 1958 (books.google.fr)

Zu einer Großen Haverie gehören neben den Kosten für tatsächliche Beschädigungen an Schiff und Ladung auch die zusätzlich anfallenden Gebühren in einem Nothafen (Liegegebühren, Be- und Entladungskosten), die dann auf alle Ladungseigner umgelegt werden.

Eine anschauliche Einführung in dieses versicherungsrechtlich sehr komplexe Konstrukt bekommen Sie zum Beispiel hier: https://at.kuehne-nagel.com/fileadmin/country_page_structure/EE/Austria/Documents/General_Average_ee_region_de.pdf

Wie hängen nun Verklarung und Große Haverie zusammen? Ich fand diese Darstellung hilfreich:

„Auf der Grundlage des Berichts des Kapitäns (Verklarung) erstellt ein öffentlich bestellter Sachverständiger (Dispacheur) nach Ankunft des Schiffs im Ziel- oder Nothafen ein Dokument (Dispache) über Hergang, Beitragswerte, Kosten und Kostenaufteilung. Da der Reeder den Vergütungsberechtigten gegenüber für die Einbringung der Havarie grosse-Beiträge haftet, hat er ein Pfandrecht an den Gütern. Die endgültige Abrechnung der Havarie grosse-Beiträge kann Jahre dauern; deshalb wird der Ladungsempfänger i.d.R. eine unmittelbare Herausgabe gegen Stellung von Sicherheiten (Havarie grosse-Verpflichtungsschein, Bankgarantie oder Bareinschuss) erwirken.“
Gabler Wirtschaftslexikon, https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/havarie-35792

Ich versuche, das mal in einfache Worte zu packen:

Diejenigen, die Ladung an Bord hatten und diese in Empfang nehmen wollten, mussten sich anteilig an den erhöhten Liegekosten beteiligen, da die „Hagen“ durch Ausbruch des Krieges viel länger in Batavia lag, als vorgesehen.

Über die Modalitäten informierte eine Anzeige der Fa. Maintz & Co., dem Vertreter der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) in Batavia. Sie betraf außer der „Hagen“ auch das Dampfschiff „Freiberg“ der DADG, das auf der Fahrt nach Indramajoe (heute: Indramayu, Nordküste Java) auf ein Riff aufgelaufen war:

Große Haverie, 1914, Batavia

Anzeige der Vertretung der DADG in Batavia, der Fa. Maintz & Co. in Bataviaasch nieuwsblad vom 21. August 1914; http://www.delpher.nl

Anmerkung: W. v. K. = Wetboek van Koophandel (niederländisches Handelsrecht)

International waren das Regelwerk der großen Havarie auf dem Kongress der Gesellschaft für die Reform und Kodifikation des Völkerrechts zu Liverpool im Jahr 1890 überarbeitet worden und als York-Antwerp-Rules 1890 bekannt (siehe in: Theorie und Praxis des Seehandels-Geschäfts, R. Stern, 1903, in Sammlung Kaufmännischer Lehrbücher, Handels-Akademie Leipzig; http://storage.lib.uchicago.edu/pres/2015/pres2015-0761.pdf)

Viele Schiffe der DADG waren beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges in Niederländisch-Indien „gestrandet“ und die für den Hafenbetrieb verantwortliche B.O.W. machte deutlich, dass für diese Schiffe die vollen Hafengebühren fällig seien (Quelle: Mitteilung von Maintz & Co. in De Sumatra post, 16. Nov. 1914)

Anmerkung: Die B.O.W. (Burgerlijke Openbare Werken) war in Niederländisch-Indien verantwortlich für den Bau und Unterhalt der Infrastruktur (Bewässerungsanlagen, Straßen, Schienenwege, Brücken, Trinkwasserversorgung, Hafenanlagen).

Lange Jahre in Batavia

Die „Hagen“ und ihre Besatzung mussten fünf lange Jahre in Niederländisch-Indien verbringen. Im August 1919 lag das Dampfschiff noch immer in Tandjong Priok:

Thans liggen nog in de haven van Tandjong Priok de Iselohn (sic), Hagen, Hohenfels en Marie;…
Bataviaasch nieuwsblad, 20. Aug 1919

Die „Iserlohn“ war ebenfalls ein Schiff der DADG und die „Hohenfels“ ein Frachtdampfer der DDG Hansa, Bremen.

Die „Marie“ war ein Sperrbrecher der Kaiserlichen Marine und hatte 1916 die deutschen Truppen in Ostafrika versorgt. Anschließend lief das Schiff nach Batavia und wurde dort von den Behörden interniert.

Über die Zeit der deutschen Besatzungen in Niederländisch-Indien während des Ersten Weltkrieges hatte ich am Beispiel des Schiffes „Ulm“ berichtet: Die „Ulm“ in Ambon (Teil 1 von 2) und Die „Ulm“ in Ambon (Teil 2 von 2)

Batavia Tandjong Priok, no date

Hafen von Tandjong Priok (Batavia), undatiert, Tropenmuseum Amsterdam, Inventarnummer TM-10007988, collective.wereldculturen.nl

Erst im September verließ die „Hagen“ Batavia in Richtung Singapur, jetzt unter der Flagge der Alliierten („onder geallieerde vlag“). Zuvor legte sie noch in Probolinggo/Kraksaan und Semarang an der Nordküste Javas an.

Vertrokken:

– N. I. ss. Hagen, gez. Porter, naar Probolinggo, onder geallieerde vlag.
Het nieuws van den dag voor Nederlandsch-Indië, 20. Sept. 1919

SEMARANG.
Aangekomen :

13 Oct. Geall. ss. Hagen gez. G.L. Porter, van Krakssau, agt. Mc Neill Co.
De locomotief, 13. Okt. 1919

Probolinggo: Hafenstadt an der Nordküste im Osten der Insel Java (ca. 100 Kilometer östlich von Soerabaja). Krakssau (richtig Kraksaan) gehört zu Probolinggo; es dürfte sich um den gleichen Hafen handeln.

15 Oct. Geall. ss. Hagen gez. G.L. Porter naar Singapore agt. Mac Neill en Co.
De locomotief, 16. Okt. 1919

Shipping Controller

Neuer Eigentümer der „Hagen“ war der Shipping Controller, eine Behörde die 1916 von der britischen Regierung gegründet worden war mit der Aufgabe, die Handelsmarine zu organisieren, um die Versorgung der Streitkräfte und der Bevölkerung während des Ersten Weltkriegs sicherzustellen. Die Behörde verwaltete außerdem die von den feindlichen Nationen übernommenen Schiffe.

Bereedert wurde die „Hagen“ in dieser Zeit von der British India Steam Navigation Co., zu diesem Zeitpunkt bereits Teil der Peninsular and Oriental Steam Navigation Company (P&O), eine der weltweit größten Reedereien. (Quelle: BISHIP, biship.com)

Die „Aegeon“, exHagen

Der Shipping Controller wurde im Jahr 1921 aufgelöst und alle Schiffe abgegeben.

Die „Hagen“ wurde an die griechische Regierung verkauft und in „Aegeon“ umbenannt (Schmelzkopf, 1984). Das Schiff fuhr für den griechischen Service of Maritime Transport.

Aus der Zeit als „Aegeon“ habe ich das Schiff nur einmal wiedergefunden, ansonsten bin ich bei Shakespeare gelandet: Aegeon von Syrakus ist eine der Hauptfiguren in der Komödie der Irrungen.

Griechische Quellen würden hier sicher weiterhelfen, genauso wie bei der weiteren Geschichte der ex-Hagen bis zum Abbruch. Die Suche dort überlasse ich jedoch anderen.

Deshalb an dieser Stelle nur ein Schiffsunfall der „Aegeon“ aus dem Jahr 1924 in Portugal:

GEMENGD.

AEGEON. Oporto, 26 Nov. Het Grieksche stoomschip Aegeon is inkomend te Leixoes in aanvaring geweest met het Duitsche stoomschip Steigerwald, van Hamburg naar Buenos Ayres. De Aegeon bekwam schade aan stuurboordsboeg; of de Steigerwald beschadigd werd, is niet bekend.
Nieuwe Rotterdamsche Courant, 29. Nov 1924, http://www.delpher.nl

Übersetzt: Das griechische Dampfschiff „Aegeon“ ist bei seiner Ankunft in Leixoes mit dem deutschen Dampfschiff „Steigerwald“ von Hamburg nach Buenos Aires zusammengestoßen. Die „Aegeon“ wurde am Steuerbordbug beschädigt. Es ist nicht bekannt, ob die „Steigerwald“ beschädigt wurde.

Anmerkungen:

Leixões ist der Seehafen von Porto, er liegt wenige Kilometer nördlich der Stadt am Atlantik.

Die „Steigerwald“ (1921) war ein Schiff der Hamburg-Amerika-Linie im Dienst nach Nord- und Südamerika. Gebaut wurde die „Steigerwald“ auf der Deutschen Werft in Hamburg, sie hatte 4535 BRT bei einer Länge von 119,0 Metern (Quelle: schiffe-maxim.de)

„Michael N.“

Die Geschichte der exHagen bleibt griechisch. Im Jahr 1931 ist die „Aegeon“ an eine Reederei in Piräus übergegangen. Die Ausgabe 1931-32 von Lloyd’s Register nennt als neuen Eigentümer Mrs. I. M. Nicolaou. Als Manager der Reederei ist M. N. Nicolaou eingetragen:

exHagen in Lloyd's Register 1931

Lloyd’s Register, Ausgabe 1931-32; Quelle: Southampton City Library, https://plimsoll.southampton.gov.uk/shipdata/pdfs/31/31b1425.pdf

„Petrakis Nomikos“

Bereits im Jahr darauf erfolgt ein weiterer Verkauf. Die ex-Hagen bleibt in Piräus, neuer Eigentümer ist P. M. Nomikos, der neue Name des Schiffes wird „Petrakis Nomikos“.

ex-Hagen, Lloyds, 1932

Lloyd’s Register, Ausgabe 1932-33; Quelle: Southampton City Library, https://plimsoll.southampton.gov.uk/shipdata/pdfs/32/32b1063.pdf

Im Dezember 1932 taucht die „Petrakis Nomikos“ wieder in Westeuropa auf:

BUITENLANDSCHE SCHEPEN.
Van en naar Nederlandsche havens.

STRATONI V. 3/12 Petrakis Nomikos, Vlaardingen.

Algemeen Handelsblad, 11. Dez 1932

Anmerkung: V. = vertrokken (abgefahren); Stratoni liegt im Nordosten der Halbinsel Chalkidiki (Griechenland).

Am 21. Dezember 1932 ist die „Petrakis Nomikos“ mit Rohphosphat in Vlaardingen bei dem Unternehmen ENCK (Eerste Nederlandse Coöperatieve Kunstmestfabriek) angekommen:

VLAARDINGEN. Aangekomen,

21 December

Grieksch stoomschip Petrakis Nomikos, met ruwe phosphaat, van Stratoni, aan de E.N.C.K.µ

Nieuwe Vlaardingsche courant, 23. Dez 1932

Eine Woche später lief die „Petrakis Nomikos“ nach Rendsburg (Quelle: Algemeen Handelsblad, 30. Dez. 1932) und im März 1933 erreichte die „Petrakis Nomikos“ erneut die Niederlande, diesmal vom Schwarzen Meer (Noworossijsk, Scheepvart, 20. März 1933) bevor sie anschließend nach Narvik versegelte (De Standaard, 20. März 1933).

Die Route vom Schwarzen Meer nach West- und Nordeuropa (Niederlande, Großbritannien, Skandinavien) wurde anschließend häufiger befahren. Die Fracht vom Schwarzen Meer für Nordwesteuropa war Getreide.

Getreide (Weizen) könnte auch im Januar 1935 an Bord gewesen sein, als die „Petrakis Nomikos“ aus Rosario in Rotterdam ankam. Rosario liegt in der LaPlata-Region in Argentinien am Paraná, eine der weltweit wichtigsten Weizen produzierenden Regionen.

Petrakis Nomikos, 1935

Anzeige Scheepvart, 04. Februar 1935, http://www.delpher.nl

Die Anschlussladung waren Kohlen für Piräus (Scheepvart, 20. Feb 1935).

Abbruch

Mit dieser Fahrt verschwindet die „Petrakis Nomikos“ aus den niederländischen Medien und erst im Mai 1936 erscheint eine Meldung über den Verkauf der ex-Hagen für 7650 Britische Pfund:

ZEEVART.

The Union, recently acquired, has been sold to North-East Coast shipbreakers, and the Spilsby has been purchased by British buyers under the scheme and resold to the Hughes Bolckow Shipbreaking Company, Ltd., Blyth, for about £5500, as she lies in the Tyne. Messrs. Hughes Bolckow have also acquired from British buyers the Petrakis Nomikos for about £7650 delivered Blyth, and a British firm has purchased he Weir steamer Dunafric. …
Scheepvart 18. Mai 1936

Die „Petrakis Nomikos“, ex-Michael N., ex-Aegeon, ex-Hagen ist zuletzt in der Ausgabe 1935-36 von Lloyd’s Register verzeichnet (allerdings noch ohne den Zusatz „Broken up“).

Verwirrung um die „Petrakis Nomikos“

Es wurden sowohl unter dem Namen „Aegeon“ als auch unter „Petrakis Nomikos“ wieder Schiffe in Fahrt gebracht, die jedoch nicht mit der ex-Hagen identisch sind.

Bei dem schweren Explosionsunglück des Tankschiffes (!) „Petrakis Nomikos“ in Rotterdam im Oktober 1936 mit vielen Toten kann es sich nicht mehr um die ex-Hagen handeln, auch wenn Pressemitteilungen dies teilweise so wiedergegeben haben (z. B. in Haagsche courant vom 31. Oktober 1936). Eine Abbildung des Hecks des Schiffes in dem Artikel zeigt eindeutig, dass es nicht die ex-Hagen ist: der Schornstein ist viel weiter in Richtung Heck des Schiffes als bei der ex-Hagen).

Andere Schwesterschiffe der „Fürth“

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