Über Straußenfedern und einen Zyklon
Nach dem Anlaufen von Kapstadt waren zwei weitere südafrikanische Häfen auf der Fahrtroute der „Fürth“: Mossel Bay und Algoa Bay (Port Elizabeth).
Auf dem Weg dorthin mussten zwei berühmte Landmarken umfahren werden: zunächst das Kap der Guten Hoffnung und dann Kap Agulhas, der südlichste Punkt Afrikas, an dem Atlantik und Indischer Ozean aufeinander treffen.
Die „Fürth“ hatte den Hafen Kapstadt am 28. Mai 1914 um 7 Uhr verlassen, assistiert von dem neuen und beeindruckenden Schlepper „Ludwig Wiener“. SIEHE: Tagebuch (9): Die „Fürth“ in Kapstadt
Danach begann die Fahrt entlang der südafrikanischen Küste:
steuerten nach Peilungen
Hohe Westl. Dünung. Bewegte See.
11.40 h Cap Hoffnung F.T. N 78° O p. K. 6 sml ab
Anmerkung: p. K. = per Kompass
Grobe See, Schiff stampft stark.
Wasser über Back, Deck und Luken
5.22 Danger Pt. Pos. N 50° O
6.45 Danger Pt. Pos. N 24° O i./d. Kimm
7.45 C. Agulhas Pos. N 62° O, 7.48 dasselb. Pos. N68°O
8.5 C. Agulhas S 89° O p. K.
9.38 “ N 46° O p. K. 13 sml ab
11.57 “ N 43° W p. K. i/d. Kimm
Wind u. Wetter unverändert
Anmerkung: in der Kimm = am sichtbaren Horizont

Cape Agulhas Lighthouse und Umgebung, Aufnahme von 1945, DRISA-Archiv, Johannesburg; http://atom.drisa.co.za/collections/N_Collection_lo-res/N49358.jpg
29. Mai 1914 – Ankunft in Mossel Bay
Bis zum frühen Morgen bleibt die See sehr unruhig, später hat Kapitän Richter mit Nebel zu kämpfen:
Grobe See, Schiff schlingert heftig
Hohe durcheinanderlaufende Dünung
Schiff schlingert
Tank 9 voll
8.9 Dichter Nebel fahren reduziert; drehten bei bis 10.58 etwas aufklarend; volle Kraft. 11.31 C. Blaize F.T. N 15° O p. K.
11.43 “ N 40° O p. K. Ende der Seereise
0.4 Cap Blaize S 70° W p. K.
0.30 Ankerten mit B.B. Anker u. 50 Faden Kette Ende d. Reise
Ankerpeilung Seal Isl. N 35° W p. K. Blaize F.T. S 15° W p. K.
Anmerkungen:
Tank 9 voll: Den Eintrag interpretiere ich so, dass auf See mit Hilfe des Destillationsapparates zur Trinkwassergewinnung der Tank 9 aufgefüllt wurde bis er voll war.
Die Ankerpeilung wird beim Ankern vorgenommen, um zu einem späteren Zeitpunkt überprüfen zu können, ob der Anker auch wirklich hält. Hält er nicht, werden sich die Werte der Peilungen verändern.
Mossel Bay
Von Kapstadt nach Mossel Bay legte die „Fürth“ 255 Seemeilen zurück bei einer Durchschnittsfahrt von 9,6 Knoten, sie brauchte für die Strecke 1 Tag 5 Std 30 Min.
Nachts Ankerwache u. Ankerlampen aus
Anmerkungen:
Ankerlampen ausgebracht; Ankerlampen bzw. -laternen kennzeichnen ein vor Anker liegendes Schiff bei Dunkelheit
Seal Island ist eine kleine Insel vor Mosselbay, es gibt dort eine Kolonie der Kap-Pelzrobbe.
Das Cape St Blaize Lighthouse war ab 1864 in Funktion.
Eine halbe Stunde nach der Ankunft am Freitag begann das Entladen und wurde bis Sonntag fortgesetzt:
29. Mai 1914
Schönes Wetter Südl. Dünung
Löschen von 1 pm bis 3 pm mit 2 Gängen
Löschen von 3 pm bis 5 pm mit 3 Gängen
Wache III. Offz. Wodarz
Sonnabend d. 30. Mai 1914. Schönes Wetter
Löschen von 7 am bis 1 pm mit 4 Gängen
Löschen von 1 pm bis 5 pm mit 3 Gängen
Berichteten die Chronometer nach astr. Beobachtung
Std. d. Chr. No 1451 – 1 m 16 s tgl. Gg ab 1./5.14 -0,3 s
Std. d. Chr. No 1453 – 12 m 28 s tgl. Gg ab 1./5.14 -1,3 s
Ankerpeilung per Komp. Seal Isl. N 36° W; F.T. C.S. Blaiz S 12° W
Wache II. Offz. Nagel
Sonntag, d. 31. Mai 1914. Diesige feuchte Luft
Löschen von 7 h am bis 11 h am mit 3 Gängen
11h Ladung aus dem Schiff. Stauten Ladung fest, und machten das Schiff seeklar.

Mossel Bay, 1925. Cape St Blaize lighthouse; Quelle: © DRISA, Johannesburg, Reference code ZA 0375-N-N37088; http://atom.drisa.co.za/collections/N_Collection_lo-res/N37088.jpg
Südafrikanische Im- und Exporte
Mossel Bay war von den Importhäfen Südafrikas vom Umschlagvolumen der kleinste.
Von Gesamtimporten nach Südafrika im Wert von 38 Mio. £ wurden 11,4 Mio. über Durban, 8,8 Mio. über Port Elizabeth, 7,4 über Kapstadt, 4,1 Mio. über East London und nur 0,5 Mio. über Mossel Bay eingeführt.
Offensichtlich hatte die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) aber einen festen Liefervertrag, denn Mossel Bay wurde zwar nicht häufig, aber regelmäßig angelaufen.
Dominanz des Commonwealth
Ähnlich wie in Australien kamen auch in Südafrika die Importe hauptsächlich aus dem Commonwealth (69 %), deutsche Importe machten nur 9,1 % (3,46 Mio. £) aus, lagen damit aber vor Importen aus den USA an zweiter Stelle. Die aus Deutschland importierten Waren entsprachen in ihrer Zusammensetzung grob der Warenpalette, die auch nach Australien exportiert wurde. Siehe dazu: Deutsche Exporte nach Australien 1908
Auf südafrikanische Exporte gehe ich nicht näher ein, da sie in Zusammenhang mit der „Fürth“ keine Rolle spielen (die „Fürth“ hatte in den drei südafrikanischen Häfen nur gelöscht, nicht geladen).
Zuvor hatten die Schiffe der DADG in der Saison Futtermittel (Mais und Hafer) von Südafrika nach Australien verschifft, allerdings verhängte Australien 1908 darauf einen Importstopp.
Straußenfedern
Ein interessantes Detail zu südafrikanischen Exporten sei dennoch erwähnt: Nach Gold, Diamanten und Schafwolle standen Straußenfedern wertmäßig an vierter Stelle. Hauptausfuhrhäfen der Federn waren Port Elizabeth und Mossel Bay (9/10 der Exporte).
Händler erzielten für das beliebte Modeaccessoire der Belle Époque bis zu 50 £ (!) für ein Pfund (454 gr) in Spitzenqualität, das heißt die besten Federn der Kategorie „super primes“, die aus den Flügeln der männlichen Tiere gewonnen wurden.
‘Ostrich feathers were valuable commodities at the beginning of the 20th century, their value per pound almost equal to that of diamonds‘
Zitat: Sarah Abrevaya Stein, aus einem interessanten Artikel auf der Webseite der Stadt London über den Handel mit Straußenfedern in London, dem weltweit wichtigsten Umschlagplatz: http://www.cityoflondon.gov.uk/things-to-do/london-metropolitan-archives/the-collections/Pages/ostrich-feather-trade.aspx
1911 wurden aus Südafrika rund 827.000 Pfund Straußenfedern im Gesamtwert von etwa 2,25 Mio. £ ausgeführt. Im Vergleich dazu erzielten knapp 89 Millionen (!) Pfund Schafwolle einen Betrag von 2,49 Mio. £.
Beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges stürzten die Preise ab und viele Straußenfarmer waren ruiniert: Straußenfedern passten schlecht zu Feldgrau.
Quellen:
The Fancy Feather Trade, Daily Consular and Trade Reports Washington, 27. Nov 1912; No. 280; abgerufen über books.google.fr
Statistical Tables Relating to British Self-governing Dominions, Crown Colonies, Posessions, and Protectorates, Board of Trade, Colonial Statistics 1911, abgerufen über books.google.fr

Werbegrafik des Händlers J.A. Stein, Ostrich Feathers, New York, 1896; Quelle: Library of Congress https://www.loc.gov/resource/ppmsca.43655/
Von Mossel Bay nach Port Elizabeth
Die Liegezeit der „Fürth“ in Mosselbay war 1 Tag 22 h 45 m. Am Sonntag, den 31. Mai 1914 ging es weiter:
11.15 fierten Anker; Anfang der Reise
11.25 Anfang der Seereise. Nach Verlassen des Ankerplatzes hakte das Ruder verschiedentlich; zur Beseitigung des Fehlers mußte für kurze Zeit gestoppt werden.
Nach dem Haken des Ruders, konnte die Fahrt fortgesetzt werden und verlief in der zweiten Tageshälfte ohne besondere Vorkommnisse:
Mäßig bewegte See; zeitweise Regen
5.6 Seal Pt. Pos. N 6° O 8 sml u. Walker Pt. Pos. N 65° W ./. 60
Südl. Dünung, mäßig bewegte See
9.50 Cap Francis p. K. S 74° O
10.41 “ N 87° O
11.40 “ N 42° O 9 sml ab
Mäßig bewegte See, Südl. Dünung
Anmerkung: Cape St. Francis liegt in der Region Ostkap. Dort gibt es das Seal Point Lighthouse (seit 1886 in Betrieb).

Cape St Francis. Lighthouse, undatiert, DRISA-Archiv Johannesburg, http://atom.drisa.co.za/collections/PB_Collection_lo-res/PB2975_004.jpg
1. Juni 1914
ab 12 h fahren reduziert
2.17 Cap Francis p. K. N 69° W i./d. Kimm
Südl. Dünung
4.30 C. Recive p. K. N 52° O i/d. Kimm
6.47 “ Pos. N 48° W 3 ¾ sml ab
7.20 Ende d. Seereise
8.0 h Ankerten mit St.B. Anker u. 45 Faden Kette in 7 ½ Faden Wasser
Ende d. Reise. Ankerpeilung F.T. S 85° W Pier Hd S 40°W u. Bake S 18° O
Tiefgang v. ca. 18’8’’; h. 21‘2‘‘; Mitte 19‘11‘‘
Anmerkung:
Das Cape Recife Lighthouse ist seit 1851 in Betrieb, der 8-eckige Turm hat 24 m Höhe. Er war ursprünglich rot-weiß gebändert, seit 1929 sind die Streifen schwarz-weiß.
Hd = Head, Ende der Pier
Port Elizabeth
Die Fahrt von Mossel Bay nach Algoa Bay (Port Elizabeth) dauerte 20 Std 45 Min., die Gesamtdistanz betrug 195 Seemeilen, die Durchschnittsfahrt war 11,0 Knoten.
Direkt nach der Ankunft konnte das Entladen beginnen und schon am Nachmittag des 1. Juni 1914 brach die „Fürth“ zu der langen Überquerung des Indischen Ozeans nach Melbourne auf:
Löschen von 8 h am bis 3.30 pm mit 3 Gängen
3.30 pm fertig Stauten Ladung fest u. machten das Schiff seeklar
Liegezeit Algoa Bay 8 h 4 m
Tiefgang ca. v. 18‘4‘‘; h. 19‘8‘‘; Mitte 19‘0‘‘
4.4 fierten Anker, Anfang d. Reise
4.11 Anker auf, schwaiten
4.15 Anfang d. Seereise
5.10 Cap Receive p. K. N 50° W 5 sml ab
Schiff schlingert heftig in hoher westl. Dünung
Anmerkung:
schwaien oder schwojen = Kurs-/Positionsänderung zur Deviationsbestimmung, SIEHE DAZU: Tagebuch der „Fürth“ (7): von Antwerpen nach Lissabon
Der Zyklon in Port Elizabeth im Jahr 1902 – ein Rückblick

Port Elizabeth, 30 August and 1 September 1902. Aftermath of a storm in Algoa Bay; Quelle: DRISA-Archiv, Johannesburg; http://atom.drisa.co.za/collections/P_Collection_lo-res/P1143_06.jpg
Ende August 1902 war die Region um Port Elizabeth von einem schweren Zyklon heimgesucht worden.
„Ein Sturm von unerhörter Heftigkeit hat die ganze Südküste von Kapland am Abend des 30. August heimgesucht und furchtbaren Schaden, sowie grosse Verluste an Menschenleben veranlasst.“
Port Elizabeth wurde als schlechter Hafen angesehen, vor allem bei den Segelschiffkapitänen, da er den Schiffen wenig Schutz bot.
„Die Reede gewährt nur gegen Nordweststürme Schutz, während ein Orkan von Südosten mit fürchterlicher Gewalt darüber hinwegfegt.“
Verlust von vielen Schiffen, darunter sechs deutsche Segler
Der Zyklon führte zur Strandung von 18 Schiffen und forderte über 50 Todesopfer, darunter auch Personen, die von Land aus versuchten, Seeleute zu retten. Trotz schwierigster Bedingungen konnten jedoch mehr als 170 Seeleute aus der schweren Brandung geborgen werden.
„Gegen Mittag waren sämtliche Segelschiffe gestrandet mit Ausnahme von vier, die mit der ganzen Mannschaft untergingen.“
Unter den auf den Strand geworfenen Seglern waren auch sechs deutsche Schiffe:
„Von den gestrandeten deutschen Schiffen war der Papenburger Schuner „Thekla“, Schnieders, am 14. Juli von Rio Janeiro, das deutsche Schiff „Coriolanus“, Götting, war am 6. Juli von Wallaroo, die deutsche Bark „Nautilus“, Assing, am 5. Juli von Adelaide, die deutsche Bark „Emmanuel“, Tuitjer, am 26. Juni von Port Pirie, die deutsche Bark „Hans Wagner“, Thomas, am 14. Juli von Melbourne, die deutsche Bark „Arnold“, Ahlers, am 16. Juli von London in Port Elizabeth angekommen.“
Zur Ursache heißt es weiter:
„Die furchtbare Katastrophe in Port Elizabeth, in welcher die obigen Schiffe ihren Untergang fanden, ist infolge eines plötzlichen „Black South Easter“ (Schwarzer Südost-Orkan) entstanden, in welchem die auf der Reede unter Dampf liegenden Dampfer zur rechten Zeit in See gehen konnten, während die vor zwei Ankern liegenden Segelschiffe direkt auf Land getrieben wurden.“
Unter den Dampfern war auch ein Schiff der DADG, die „Chemnitz“. Sie konnte der Katastrophe entkommen und den Sturm abwettern:
IN THE ALGOA BAY GALE.
The steamer Chemnitz, of the German-Australian line, which is now berthed at Woolloomooloo Bay, was at Algoa Bay during the great gale which swept over the port and caused so many disasters. The Chemnitz rode the storm out with both anchors down, the engines being kept going ahead to ease the strain on the cables. The storm is described as one of the cruellest and fiercest that ever swept over Algoa Bay. …
The Daily Telegraph, Sydney, Di 7. Okt 1902, S. 4
Alle deutschsprachigen Zitate nach:
Ueber den Sturm an der südafrikanischen Küste, Artikel nach einem Telegramm aus Kapstadt an die Londoner Daily Mail, deutsche Übersetzung in HANSA, Deutsche Nautische Zeitschrift, September 1902, S. 441-442; Quelle: digishelf.de

Port Elizabeth, 30 August and 1 September 1902. Aftermath of a storm in Algoa Bay with debris and site-seeing crowd; DRISA-Archiv, Johannesburg; http://atom.drisa.co.za/collections/P_Collection_lo-res/P1143_07.jpg
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