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German Australian steamer Mannheim as Lieutenant Saint Joubert Bie

Der Frachtdampfer „Lieutenant Saint Loubert Bie“, exMannheim…

…und die Reederei Messageries Maritimes

Titelbild: „Lieutentant Saint Joubert Bie“, exMannheim im Hafen von Marseille; Aufnahme von Photo-Sport Baudelaire, Marseille, ca. 1930-1945; eigene Sammlung

Über lange Schiffsnamen

Heute kann ich Ihnen eine Fotografie eines Dampfschiffes mit dem außergewöhnlich langen Namen „Lieutenant Saint Loubert Bie“ präsentieren. Denken wir einen Moment an die armen Matrosen, die die Aufgabe hatten, diesen langen Namen mit Farbe auf die Schiffswand zu pinseln. Sie mussten dies dreimal tun: zweimal auf der Back, sowohl backbord als auch steuerbord und schließlich noch auf dem Heck des Schiffes.

Sollten Sie kurz gedacht haben, dass ein noch längerer Schiffsname kaum möglich sei, haben Sie die Rechnung ohne den real existierenden Sozialismus gemacht. In Rostock wurde 1978 tatsächlich ein Frachtschiff auf den rekordverdächtig langen Namen „Fliegerkosmonaut der DDR Sigmund Jähn“ getauft. Der Name musste zweizeilig aufgebracht werden. Nicht auszudenken, wenn man DDR noch ausgeschrieben hätte …

Zurück zu unserem heutigen Schiff „Lieutenant Saint Loubert Bie“.

In Marseille

Das Titelfoto dieses Artikels zeigt das Schiff an einem Quai im Hafen. Es handelt sich um ein „richtiges“ Foto, keine Ansichtskarte und die Rückseite verrät uns, wo es aufgenommen wurde.

Der Stempel „Photo-Sport Baudelaire, 2 pl. Gabriél Péri, Marseille“ ist der entscheidende Hinweis.

„Photo-Sport Baudelaire“ war ein Fotostudio in Marseille, direkt am Vieux Port (Alter Hafen). Die Inhaber waren die Herren Stalars und Baudelaire. Es existierte etwa zwischen 1930 bis 1945. Damit lässt sich die Aufnahme auch in diese Zeitspanne einordnen.

Über Monsieur Baudelaire heißt es, er habe jedes Schiff fotografiert, dass ihm vor die Linse kam. So entstand eine eindrucksvolle Sammlung, die nach der Auflösung des Studios Photo-Sport von dem bekannten Marseiller Studio Detaille aufgekauft wurde.

Quelle zu Photo-Sport Baudelaire : https://pbaudelaire.wordpress.com

Marseille map 1925
Marseille, Plan der Innenstadt (1925), der Alte Hafen (Vieux Port) wird im Westen von der Schwebefähre überspannt (doppelt gestrichelte Linie), der Hafen Bassin de la Joliette ist links oben; am Nordrand befanden sich die Gebäude der Messageries Maritimes; Quelle: Guides Diamant : Marseille, Aix et environs, éditions Hachette, 1925, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Plan_centre-ville_Marseille_1925.jpg

Mehr über die Schwebefähre: https://frachtdampferfuerth.com/2022/04/30/schwebefahre-marseille/

Steine über Steine

Am Hafenkai erkennen wir eine große Menge Steine, die offenbar darauf warten, auf das Schiff verladen zu werden. Unten rechts ist ein LKW erkennbar, auf dem Arbeiter damit beschäftigt sind, weitere Steine abzuladen. Bestimmt sind sie vielleicht für den Bau einer Hafenanlage/-erweiterung in Indo-China. Des Weiteren kann man Metallgestelle, Reifen und andere, unter Planen verborgene Güter ausmachen, wenngleich die Steine den mengenmäßig größten Anteil der potentiellen Fracht ausmachen.

Ein gut erkennbares Detail am Schiff sind die Rattenbleche an den Festmacherleinen. Die dunklen kreisrunden Bleche heben sich gut vom weißen Anstrich des oberen Buges ab. Die Bleche verhindern, dass die ungebetenen Gäste über die Festmacherleinen an Bord klettern können.

Festmacherleinen mit Rattenblechen, Ausschnitt aus der Titelabbildung

Messageries Maritimes

Das Schiff „Lieutenant Saint Loubert Bie“ war 1922 zu der großen französischen Reederei Messageries Maritimes gekommen. Der ursprünglich bei Tecklenborg in Geestemünde im Jahr 1911 als „Mannheim“ für die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft gebaute Frachtdampfer musste 1919 von Deutschland als Reparationszahlung an den französischen Staat abgetreten werden. Dieser wiederum verkaufte das Schiff 1922 an Messageries Maritimes.

Messageries Maritimes betrieb einen weltweiten Linienverkehr. Zum einen stellte die Reederei die Postverbindung in französische Kolonien her, wofür sie vom Staat subventioniert wurde. Zum anderen wurde ein gemischter Passagier- und Frachtverkehr auf rein wirtschaftlicher Basis durchgeführt.

Die „Lieutenant Saint Loubert Bie“ wurde bis 1936 auf der Linie Dünkirchen – Fernost eingesetzt. Danach folgten einige Reisen über das Kap (Südafrika) nach Brisbane.

Affiche Messageries Maritimes
Messageries Maritimes, Plakat aus den Jahren 1919-1939; Quelle: http://www.beeldbankkusterfgoed.be BewaarinstellingStadsarchief Oostende. Objectnummer AF/J0158 über commons.wikimedia.org

„Lieutenant Saint Loubert Bie“ in Adelaide

Aus dem Jahr 1938 gibt es eine bemerkenswerte Zeitungsmeldung in The Advertiser in Adelaide. Der für die Schiffsmeldungen zuständige Redakteur muss über große Sachkenntnis verfügt haben, denn er erkannte, dass es sich bei in zwei im Hafen liegenden Dampfern um Schiffe deutscher Bauart handelte.

„Zwei alte deutsche Schiffe zusammen im Hafen”

In dem Artikel „Two Old German Ships In Port Together“ von Donnerstag, den 10. Februar 1938 erkannte der Journalist in der „Lieutenant Saint Loubert Bie“ die ehemalige „Mannheim“ und in dem Kühlfrachter „Huntingdon“ die ehemalige „Münsterland“.

„Münsterland“ war 1920 auf der Bremer Vulkan fertiggestellt worden und musste als Reparationszahlung an Großbritannien abgetreten werden. Eigentlich hätte es ein HAPAG-Schiff werden sollen. Der Kühlfrachter war ab 1922 für die Federal Steam Navigation Co. zwischen Großbritannien und Südostasien/Australien/Neuseeland in Fahrt. Er wurde im Februar 1941 vom italienischen U-Boot „Michele Bianchi“ vor Schottland versenkt, 67 Mann Besatzung konnten gerettet werden.

Am 9. Februar 1938 lagen die beiden in Deutschland gebauten Frachter nun zusammen am gleichen Kai in Port Adelaide.

Der Redakteur berichtet, dass es die erste Reise der „Lieutenant Saint Loubert Bie“ nach Australien wäre. In verschiedenen australischen Häfen sollten Wolle und Schafhäute geladen werden. Ein Foto mit geschäftiger Ladetätigkeit ist von einer späteren Reise aus Brisbane überliefert (März 1939).

Brisbane 1939 loading wool
„Lieutenant Saint Loubert Bie“ in Brisbane, Laden von 18000 Ballen Wolle für Antwerpen und Dünkirchen; Quelle: The Telegraph, Brisbane, 23. März 1939; trove.nla.gov.au

Zur Namensgebung weiß der Autor, dass die Person Lieutenant Saint Loubert Bié ein Angestellter der Messageries Maritimes war, der im Ersten Weltkrieg gefallen war.

Anmerkung: Der Familienname Bié und damit auch das Schiff wird eigentlich mit Akzent geschrieben und „Biee“ ausgesprochen, also mit Betonung auf dem é. Auf dem Schiff selbst war der Name in Großbuchstaben geschrieben und der Akzent nicht gesetzt. Ich habe ihn daher in diesem Artikel beim Schiffsnamen weggelassen (ebenso wie die zum Teil zwischen den Namensbestandteilen gesetzten Bindestriche).

Außerdem erfahren wir über das Schiff „Lieutenant Saint Loubert Bie“, dass es üblicherweise zwischen Frankreich und dem Fernen Osten sowie zu Pazifischen Inseln verkehrte. Von Indo-China wurden asiatische Arbeiter zu den Neuen Hebriden transportiert, die dort im Bergbau (Mangan, Nickel) arbeiteten bzw. arbeiten mussten.

„Lieutenant Saint Loubert Bie“ konnte im Zwischendeck 1700 Passagiere befördern, in Kabinen lediglich 10. Ursprünglich war die exMannheim als reines Frachtschiff gebaut worden, die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft hatte das Auswanderergeschäft bereits 1894 aufgegeben.

Numerous vessels moored at Woolloomooloo wharf, including MANNHEIM to the left. Mai 1914
Dampfschiffe im Hafen von Wooloomooloo, Mai 1914, links im Bild die „Mannheim“, Deutsch-Australische Dampfschiff-Gesellschaft; Australian National Maritime Museum on The Commons, Object no. 00017565

Im Zweiten Weltkrieg und danach

„Lieutenant Saint Loubert Bie“ kehrte am 23. Juni 1940 von einer Reise nach Südamerika aus Buenos Aires zurück und verblieb sechs Monate im Hafen von Lissabon. Im Dezember 1940 fuhr das Schiff nach Marseille zurück und wurde Teil der französischen Flotte unter der Verwaltung des Vichy-Regimes.

Auf einer Reise nach Indochina wurde der Dampfer am 18. Mai 1941 von Briten aufgebracht und kam unter das Management der Clan Line. Mehr zu dieser Reederei, die 1915-1920 auch die „Kerman“, exFürth unter ihrer Leitung hatte, gibt es hier: https://frachtdampferfuerth.com/2021/07/03/cayzer-irvine/

Nach Kriegsende, am 9. Mai 1945, wurde „Lieutenant Saint Loubert Bie“ an Messageries Maritimes zurückgegeben und als Transporter für den für den französischen Expeditionskorps (Corps expéditionnaire français en Extrême-Orient) eingesetzt. Am 26. Mai 1950 lief das Schiff in Vietnam auf eine Mine, konnte jedoch noch nach Frankreich zurückkehren. Dort wurde es im Oktober 1950 an dem großen Werftstandort La Seyne-sur-Mer bei Toulon abgebrochen.

Messageries Maritimes publicite 1921
Anzeige der Messageries Maritimes in Guides Diamant aus dem Jahr 1921; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:R%C3%A9clame_Compagnie_des_Messageries_Maritimes-1921.jpg

Weitere Informationen zu Messageries Maritimes

Ausführliche Informationen über die Reederei Messageries Maritimes und allen Schiffen der Reederei finden Sie auf einer privaten, sehr empfehlenswerten Internetseite mit dem Titel L’Encyclopédie des Messageries Maritimes. Hier die Adresse https://www.messageries-maritimes.org/p1mm.htm (in französischer Sprache mit kurzer englischer Zusammenfassung).