A/S Hertz‘ Garveri & Skotojsfabrik
Eine direkte Verbindung
Die Fracht an Bord des Dampfschiffes „Fürth“ lässt sich immer dann am anschaulichsten darstellen, wenn die Warenlieferung einem ganz bestimmten Unternehmen zugeordnet werden kann. Letzte Woche hatte wir das an Hand von Erzen und Konzentraten gesehen: Die Erze an Bord der „Fürth“
Diesmal führt uns die Geschichte des Dampfschiffes „Fürth“ nach Kopenhagen, zur Gerberei und Schuhfabrik A/S Hertz Garveri & Skotøjsfabrik.
Bildnachweis Titelbild: Anzeige von Hertz Garveri og Skotojsfabrik, Kopenhagen, in Isafold (isländische Tageszeitung) Reykjavik, 4. Oktober 1908, S. 248; Quelle: Timarit.is
Belegt ist diese Verbindung zwischen Häuten auf der „Fürth“ und dem dänischen Schuhhersteller durch einen Anspruch, den die Firma an einem Teil der Fracht der „Fürth“ nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs gestellt hatte.
Ein Anspruch, der sich offenbar sehr lange hingezogen hat, den die Datierung von Dokumenten aus dem Britischen Nationalarchiv in Kew läuft bis in das Frühjahr 1917.
Wenn ich die Kurzbeschreibung aus dem Archiv richtig interpretiere, waren die Häute zu diesem Zeitpunkt durch das lange Lagern längst unbrauchbar und dann vernichtet worden und zu allem Überfluss wurden von dem dänischen Unternehmen anschließend auch noch Gebühren verlangt.
Dieser Archiveintrag ist eine Nachricht von Gouverneur Reginald Edward Stubbs in Ceylon vom 4. April 1917 (Nr. 210):
„Ceylon. Prize proceedings: details of charges payable by the claimants in respect of a consignment of hides from SS Furth which were destroyed as being of no value.”
(Ref. CO 323/738/39)
Häute aus Brisbane und Sydney
Mehrere tausend Häute waren in Brisbane und in Sydney auf die „Fürth“ geladen worden (laut Exportmanifest in Brisbane 7083 Stück und in Sydney 5330, plus 200 Stück in Melbourne). Die Exportmeldungen weisen mehrere Versender auf, so dass sicher nur eine Teilmenge dieser Häute für Kopenhagen bestimmt war. SIEHE dazu: Unvollendete Fahrt
Die Häute wurden nass oder trocken transportiert (wet or dry hides). Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Wer das im Detail wissen möchte, hier ist ein Link zu dem Thema: https://www.cargohandbook.com/Hides_and_skins

Die Gerberei M. Hertz im Jagtvej, Kopenhagen, circa 1888; Quelle: commons.wikimedia.org/wiki/File:M._Hertz%27_Garveri_1888.png
Die Gerberei und Schuhfabrik A/S Hertz‘ Garveri & Skotojsfabrik
Die Firma geht auf eine von Abraham Hertz im Jahr 1821 gegründete Gerberei zurück. Die A/S Hertz‘ Garveri & Skotojsfabrik wurde dann 1891 gegründet und 1897 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.
Für das Jahr 1910 spricht eine amerikanische Marktanalyse der skandinavischen Schuhfabriken von einer täglichen Produktionskapazität von 150 genähten („McKay-sewn“) und 250 Rahmenschuhen (welted).
Das Geschäft befand sich in der Citygade 22 in der Innenstadt Kopenhagens und die Fabrik im Jagtvej 211, ebenfalls in Kopenhagen.
Im Ersten Weltkrieg erfolgt dann ein Zusammenschluss mehrerer dänischer Schuhproduzenten zu einem neuen Unternehmen: M.I. Ballins Sønner & Hertz Garverier og Skøtojsfabriker.
“Consolidation of Danish Leather and Shoe Factories
The earlier talked of consolidation in the leather and shoe industrie; has now been put into effect. The companies joined together are A/S M.I. Ballins Sons, Hertz Tannery & Shoe Factory A/S, the United Shoe factory A/S, and E.F. Jacob and B. Lotinga. The new company that takes over these businesses will have the name M.I. Ballins Sønner & Hertz Garverier og Skøtojsfabriker.”
Commerce Reports, Band 2, United States, Bureau of Foreign and Domestic Commerce 1918, No. 78, Washington DC, 3. April 1918 (zitiert nach books.google.fr).

Citygade in Kopenhagen im Jahr 1899, großflächige Stadtsanierung im linken Bildteil, Quelle: commons.wikimedia.org/wiki/File:Citygade_K%C3%B8benhavn_1899.png
Ein spannender Industriefilm
Auf der Internetseite des Dänischen Filminstituts (Det Danske Filminstitut) kann man sich einen vier-minütigen Film aus dem Jahr 1916 anschauen, der die Produktionsprozesse in der A/S Hertz‘ Garveri & Skotojsfabrik zeigt. Es ist ein Stummfilm, Dänischkenntnisse brauchen Sie dazu also keine.
Der Film zeigt die einzelnen Arbeitsschritte in der Gerberei von der Anlieferung der Häute (auf einem Pferdewagen, einzeln als handliche Pakete verschnürt) und gibt einen spannenden Einblick in die damaligen Arbeitsbedingungen, die sicher in Gerbereien anderer Länder sehr ähnlich waren.
Der Film trägt den Titel: Eine moderne Schuhfabrik.
Den Filmtitel finde ich allerdings etwas missverständlich, denn der Film zeigt ausschließlich Arbeiten in der Gerberei. Sehenswert ist er trotzdem.
https://filmcentralen.dk/museum/danmark-paa-film/film/en-moderne-skotojsfabrik

A/S Hertz‘ Garveri & Skotojsfabrik, Reinigung der Häute, 1906, Quelle: http://www.heilesen.dk/ahertz/ahfabrik.html
Schöne Fotoalben
Andere Dokumente sind aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg: vier Fotoalben des Unternehmers Alfred Hertz, der selbst viele Aufnahmen in der Fabrik, aber auch von seiner Wohnung, einer Italienreise und anderen Szenen gemacht hat (Fabrikaufnahmen aus dem Jahr 1906).
Hier im Blogartikel beschränke ich mich darauf, zwei Aufnahmen aus der Fabrik wiederzugeben. Empfehlen kann ich den Besuch der Seite
http://www.heilesen.dk/ahertz/index.html
wo Sie die ganze Sammlung betrachten können. Ich finde, es lohnt sich!

A/S Hertz‘ Garveri & Skotojsfabrik in Kopenhagen, Bearbeitung der Häute, 1906, Quelle: http://www.heilesen.dk/ahertz/ahfabrik.html
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