Titelbild: Melbourne, Parlamentsgebäude, Postkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft aus dem Jahr 1913, unbekannter Fotograf, eigene Sammlung
Spiegelbild einer reichen Stadt
Heute zeige ich Ihnen eine historische Ansichtskarte des imposanten Parlamentsgebäudes in Melbourne.
Die Karte ist Teil eines Ansichtskartenheftes mit 24 (?) Karten, das die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft Hamburg im August/September 1913 herausgegeben hat. Anlass war sicherlich das 25-jährige Jubiläum der Reederei. Es wurde am 16. September 1913 in Hamburg feierlich begangen: https://frachtdampferfuerth.com/2019/02/02/25-jahre-deutsch-australische-dampfschiffahrts-gesellschaft/
Die Stadt Melbourne ist mit zwei Ansichten in dem Kartenheft vertreten. Die zweite Ansicht, die den Fluss Yarra und die belebte Flinders Street zeigt, habe ich Ihnen hier vorgestellt: https://frachtdampferfuerth.com/2022/10/29/melbourne-flinders-street-edina/
Das mächtige Gebäude spiegelt den Reichtum und den Ehrgeiz des australischen Bundesstaates Victoria im 19. Jahrhundert wider. Sein Bau begann im Jahr 1856 und bis heute unvollendet geblieben.
Die Anfänge des Parlaments
Am 1. Juli 1851 war der Bundesstaat Victoria formell gegründet worden. Im gleichen Jahr führten Goldfunde bei den Orten Ballarat und Bendigo zu einem Goldrausch, der Bevölkerung und Wohlstand sprunghaft ansteigen ließ. Ohne dieses Zusammentreffen der Ereignisse wäre das Parlamentsgebäude sicher deutlich bescheidener ausgefallen.
Die Einwohnerzahlen Melbournes zu dieser Zeit verdeutlichen diese Entwicklung: lag die Zahl im Gründungsjahr Victorias 1851 noch bei bescheidenen 29.000 Einwohnern, so waren 1854 bereits 123.000 Einwohner in Melbourne registriert.
1854 wählte der gesetzgebende Rat das Grundstück für das künftige Parlamentsgebäude am Ende der Bourke Street/Ecke Spring Street aus, ein Jahr später erhielten die Architekten John George Knight und Peter Kerr den Auftrag für Gestaltung und Bau des Gebäudes und bereits im Jahr 1856 waren die beiden gesetzgebenden Kammern als erste Gebäudeteile fertiggestellt. Ein beneidenswertes Tempo!
Auf der anderen Seite bleibt festzuhalten, dass die Besitzergreifung des Grundstückes in kolonialer Manier erfolgte. Die indigenen Wurundjeri hatte niemand gefragt.

Schrittweise Erweiterung
Es war von Anfang an vorgesehen, das Gebäude schrittweise zu erweitern. Bereits 1861 wurde die Parlamentsbibliothek hinter den Kammern eröffnet.

Diese beiden ersten Gebäude waren später von der Bourke Street/Spring Street aus nicht mehr sichtbar, denn 1879 wurde eine große Halle und das Vestibül davorgesetzt und schließlich 1888 die prominente Fassade zur Straße hin, die den Anblick des Gebäudes bis heute bestimmt.
Melbourne war durch den anhaltenden Goldrausch zu einer der reichsten Städte der Welt geworden und die mächtige Fassade spiegelt dies auch wider.
1892 erhält das Parlament noch einen repräsentativen Treppenaufgang und gusseiserne Leuchter.
Drei Jahre zuvor war es jedoch zu einer Immobilienkrise und einigen Bankenpleiten gekommen, die auch die frühen 1890er Jahre noch erschüttern sollte. Das Geld in der Stadtkasse wurde plötzlich knapper und eine geplante große zentrale Kuppel auf dem Gebäude und ein ebenfalls angedachter Südflügel wurden daraufhin nicht realisiert. Beide sind bis heute nicht umgesetzt worden. Der unten abgebildete Holzschnitt zeigt den ursprünglichen Entwurf aus den 1850er Jahren:

Im 20. und 21. Jahrhundert
Aus den 1920er Jahren stammt ein dreistöckiger Gebäudeteil mit Küche und Gastronomie, der die Abgeordneten an den langen Sitzungstagen versorgen kann.
Zuletzt wurde 2018 ein Anbau mit 102 Büros für Parlamentsmitglieder fertiggestellt. Für diese war in dem niemals fertiggestellten Hauptgebäude kein Platz vorhanden.

Quelle und weitere Informationen
Parliament of Victoria, offizielle Webseite: new.parliament.vic.gov.au
Geführte Touren machen das Gebäude der Öffentlichkeit zugänglich. Einen ersten Eindruck vermittelt auch ein virtueller Rundgang, der ebenfalls auf der Seite new.parliament.vic.gov.au angeboten wird.
Mehr historische Aufnahmen sowie Informationen über Melbourne gibt es neben dem erwähnten Artikel über die Flinders Street auch in diesem Blogartikel: Tagebuch (12): Die „Fürth“ in Melbourne.
