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distances Europe Australia in nautical miles

Die weiten Reisen des Dampfschiffes „Fürth“

54000 Kilometer in fünf Monaten

Titelbild: Entfernungstabelle Linie 2 aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Vor der kommenden Feriensaison zeige ich Ihnen heute eine Entfernungstabelle der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) aus dem Jahr 1914.

Sie kennen diese Art von Tabellen vielleicht noch aus dem Pränavizän, also dem Erdzeitalter vor der Erfindung des Navigationsgerätes, als ein Autoatlas zur Standardausrüstung für die automobile Urlaubsreise gehörte.

Mein betagtes Exemplar von der Kraftstofffirma mit der Muschel weist beispielsweise für die Reise von Hammerfest nach Malaga stolze 5533 Straßenkilometer aus.

Mit ungleich größeren Entfernungen rechnete die DADG in ihren Entfernungstabellen.

Die Tabelle der DADG aus dem Jahr 1914

Wie es sich für eine Reederei gehört, sind alle Entfernungen in Seemeilen (= nautische Meilen) angegeben, das heißt, für eine Angabe in Kilometern muss jeder Wert mit 1,852 multipliziert werden (1 Seemeile entspricht 1852 Meter).

Die Gesamtdistanz einer gut fünfmonatigen Rundreise von Hamburg nach Hamburg, in der Tabelle 29245 Seemeilen, entspricht also gut 54000 Kilometern. Die Strecke Hammerfest-Malaga würde dagegen, in Seemeilen ausgedrückt, auf 2988 Seemeilen zusammenschrumpfen.

Zugegebenermaßen habe ich die umfangreichste Tabelle mit den weitesten Entfernungen herausgesucht (Linie 2 der DADG), aber die anderen Übersichten stehen diesem Tableau nicht viel nach.

Warum der Text in Englisch ist, habe ich hier erklärt: Die Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft 1914

distances Europe Australia in nautical miles

Entfernungstabelle Linie 2 aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Die Häfen der Linie 2

Von links nach rechts sind die Häfen in der Reihenfolge angegeben, wie sie auf der Linie 2 der Reederei angelaufen wurden: von Europa über Südafrika nach Australien. Sydney war die „Endhaltestelle“. Von dort ging es zurück über Süd- und Westaustralien, also Port Adelaide und Fremantle nach Batavia (Jakarta).

Anmerkung: In Klammern habe ich die heute gültigen Namen der Städte gesetzt.

Die weiteren Häfen auf Java waren Samarang (Semarang), Soerabaya (Surabaya) und Tjilatjap (Cilacap). Anschließend liefen die Schiffe in die beiden britischen Besitzungen, die Strait Settlements Singapur und Penang auf der Malayischen Halbinsel und von dort an die indische Malabarküste nach Cochin (Kochi). Zu Cochin siehe: Das Dampfschiff „Fürth“ an der indischen Malabarküste

Suez (Sues) und Port Said schließlich sind die beiden Endpunkte des Suezkanals, bevor Marseille der erste europäische Hafen auf der Rückreise war (in der Tabelle wird die englische Schreibweise Marseilles verwendet).

Durch den Umweg über Südostasien wuchs die Entfernung zwischen Sydney und Hamburg auf 15335 Seemeilen an. Auf der Hinreise waren es dagegen „nur“ 13910 Seemeilen, obwohl die Reise um den Afrikanischen Kontinent herumlief.

Eine andere Tabelle (Linie 1) weist für die direkte Rückreise von Sydney über Colombo nach Hamburg eine Entfernung von 12790 Seemeilen aus (siehe Abbildung).

Distances in nautical miles, Europe, Australia

Entfernungstabelle Linie 1 aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Nah und fern

Die kürzeste Entfernung in der Tabelle ist die von Suez nach Port Said mit 87 Seemeilen, was der Länge des Suezkanals zur damaligen Zeit entspricht (genau waren es 87,7 Seemeilen oder 162,5 Kilometer).

Die weitesten Distanzen, die das Schiff zwischen zwei Häfen ohne Landberührung zurücklegte, waren die Strecke Antwerpen – Kapstadt (6250 Seemeilen) und East London (Südafrika) nach Fremantle (Westaustralien, 4320 Seemeilen).

In Zeit ausgedrückt dauerte die Reise von Antwerpen nach Kapstadt etwa 3 ½ Wochen, die von East London nach Fremantle rund 2 ½.

Es kam aber auch vor, dass die Strecke Antwerpen – Fremantle (oder Melbourne) nonstop zurückgelegt wurde. Die Mannschaften blieben dann sechs Wochen oder mehr ohne Landberührung (und ohne Nachrichten, wenn keine drahtlose Telegrafie an Bord war – heute unvorstellbar!).

United Tyser Line

Interessant finde ich auch die Tabelle der United Tyser Line, einer Gemeinschaftslinie aus DADG, DDG Hansa (Bremen) und der Tyser Line Ltd. (London). Von New York nach Sydney (über Südafrika) legten die Frachtdampfer eine Strecke von 14010 Seemeilen, knapp 26000 Kilometer zurück. Nicht in der Tabelle verzeichnet ist Durban in Südafrika, ein Hafen der zwischen New York und Fremantle zur Aufnahme von Bunkerkohlen angelaufen wurde.

United Tyser Line, distances

Entfernungstabelle United Tyser Line aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Zurückgelegte Gesamtdistanz

Für das Dampfschiff „Fürth“ habe ich versucht, die zurückgelegten Seemeilen abzuschätzen, die das Schiff von der Jungfernfahrt im August 1907 bis zum Ersten Weltkrieg bei der Festsetzung in Colombo (August 1914) zurückgelegt hat.

Allein sechsmal bediente das Schiff die in der Entfernungstabelle angegebene Linie 2.

Bei insgesamt fünfzehn durchgeführten Reisen komme ich an Hand der Entfernungstabellen und mit zusätzlicher Ergänzung einiger Strecken durch die Internetseite searoutes.com auf etwa 425 000 Seemeilen oder 787 000 Kilometer.

Zurück zu eingangs erwähnter Strecke: die Distanz von Hammerfest nach Malaga hätte das Schiff in den sieben Jahren insgesamt mehr als 142-mal zurückgelegt.

Anders ausgedrückt hat die „Fürth“ in dieser Zeit die Erde über neunzehnmal umrundet.

Auf das Kalenderjahr gerechnet gibt das eine Fahrdistanz des Dampfschiffes „Fürth“ von 61 000 Seemeilen oder 112 000 Kilometern.

Bei einer angenommenen Durchschnittsgeschwindigkeit von 10,5 Knoten dürfte das Schiff im Schnitt somit rund 242 Tage pro Jahr auf See gewesen sein.

Wenn man bedenkt, dass das Be- und Entladen vor Erfindung des Containers eine aufwändige Angelegenheit war, ist das eine gute Auslastung.

steam ship Furth, 10th travel to Australia

Beispiel für eine Linienfahrt der „Fürth“ auf der Linie 2 der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft; eigene Tabelle; jedes Datum ist durch mindestens eine Zeitungsmeldung belegt

Zuverlässige Dampfmaschine

Die Maschinisten der „Fürth“ müssen gute Arbeit geleistet haben, denn in den sieben Jahren ist kein einziger Maschinenschaden dokumentiert, zumindest keiner, der eine lange Verzögerung bedeutet hätte und eine Meldung in den damaligen Tageszeitungen wert gewesen wäre.

SS Great Britain Bristol, engine room

SS Great Britain, Maschinenraum, Bristol (England), eigene Aufnahme Februar 2019

Allgemeine Gültigkeit

Die vorgestellten Werte dürften ein Durchschnitt gewesen sein, der für alle anderen Schiffe der Reederei ebenfalls Gültigkeit hat. Die Höchstgeschwindigkeit der Schiffe lag sehr einheitlich zwischen 11,5 und 12,5 Knoten (21,30 -23,15 km/h).

Mit einer Maschinenleistung von 2200 PS lag die „Fürth“ zu Beginn des Jahres 1914 bereits am unteren Ende der Skala aller eingesetzten Schiffe, neuere Frachtdampfer ähnlicher Baugröße hatten bereits 3100 PS, die großen Schiffe bis zu 4500 PS.

Auch alle anderen Frachtschiffe der großen deutschen Reedereien im Überseeverkehr (HAPAG, Norddeutscher Lloyd, DDG Hansa oder Hamburg Süd) dürften um das 1910 auf ähnliche Werte gekommen sein.

Für Kombi- oder Passagierschiffe galten andere Werte, diese Schiffe waren deutlich schneller unterwegs und konnten dementsprechend größere Distanzen bei gleicher Fahrzeit zurücklegen.

shipping review 1912

Shipping Review, Daily Commercial and Shipping News, Sydney 31.12.1912

Von der Tageszeitung zum Live-Tracking

Vor dem Ersten Weltkrieg waren Tageszeitungen für ein breites Publikum die einzigen Nachrichtenquellen, um zu erfahren, wo sich ein Schiff gerade aufhielt, beziehungsweise am Tag oder an den Tagen zuvor aufgehalten hatte. In den Zeitungen der großen Hafenstädte nahmen diese Meldungen durchaus eine ganze oder sogar mehrere Seiten ein. Zwei Beispiele sind abgebildet.

Heute können Sie den weltweiten Schiffverkehr live von zu Hause aus mitverfolgen. Wenn Sie zum Beispiel Apps oder Homepages von MarineTraffic oder ShipFinder ansehen, bekommen Sie einen Eindruck vom globalen Schiffsverkehr.

Schiffsmeldungen Tageszeitung 1913, Beispiel

Suchbild: In welchem Hafen ist die „Fürth“ am 6. November 1913 angekommen? Schiffsmeldungen, Ausschnitt, De Maasbode, Rotterdam, 7. Nov 1913 (Abendblatt, 2. Ausgabe)

German Australian Line map 1912

Die Weltkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft

Titelbild: Weltkarte mit dem Linienverkehr der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft aus dem Jahr 1912; Digitalisierung: Peter Tamm Sen. Stiftung (Hamburg), Objektnr. 161789; Lizenz CC BY-NC 4.0 DEED, http://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/deed.de

Die Fahrtgebiete auf einen Blick

Auf der oben abgebildeten Karte aus dem Jahr 1912 hat die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) ihr Fahrtgebiet veranschaulicht. Keine leichte Aufgabe, wenn der Linienverkehr einer Reederei in fünf Kontinente führt (Europa, Afrika, Australien, Asien und (Nord-)Amerika).

Die Linien in der Karte zwischen den Kontinenten bezeichnen zum einen die wichtigsten Unterseekabel, die bis heute das Rückgrat der weltweiten Kommunikation bilden. Über ihre Geschichte und die Rolle der Firma Siemens & Halske hatte ich in dem Blogartikel über den Rohstoff Guttapercha berichtet: https://frachtdampferfuerth.com/2023/06/03/guttapercha-2/

Zum anderen stellen die Linien der Schiffsverbindungen der Reederei dar, ergänzt mit einigen Verbindungslinien („connecting lines“) anderer Reedereien, wie zum Beispiel die Linie des Norddeutschen Lloyd, die zwischen Sydney und Hongkong bis nach Japan verlaufend, die deutschen Kolonien an die Außenwelt angebunden hatte (Austral-Japan-Linie).

Vignette auf der Weltkarte, diesmal aus: Harm, O. (1933): Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg und den Untertitel Ihre Gründung und Entwicklung bis zum Kriege. Schröder & Jeve, Druckerei und Verlag, Hamburg 8

Der Linienverkehr der DADG

Die Kartenlegende weist sechs Linien aus, wobei noch eine zusätzliche Linie ohne Nummerierung angegeben ist (America – Australia and back). Dazu später mehr.

Linien 1 und 3

Die Linie 1 bediente ausgehend von Hamburg Rotterdam und Antwerpen, bevor die Fahrt nach Südafrika ging. Hier war Kapstadt der erste Anlaufhafen, dann Algoa Bay (Port Elizabeth). Die zwischen beiden Häfen liegende Bucht Mosselbay wurde in der Regel bei jeder zweiten Fahrt bedient.

Von Südafrika verlief die Linie 1 nach Melbourne, Sydney und Brisbane. Von dort ging es zurück über Sydney, Melbourne und Fremantle nach Colombo (Ceylon, heute Sri Lanka) und von dort nach Antwerpen und Hamburg.

Soweit der Fahrplan. Die Reederei handelte jedoch sehr flexibel und passte den Linienverkehr an die tatsächliche Ladungsmenge an. So konnte Brisbane entfallen und die Rückfahrt direkt ab Sydney erfolgen. Oder von Colombo aus noch Häfen an der indischen Malabarküste bedient werden, um dort noch zusätzliche Fracht aufzunehmen.

Wichtig war, dass das Schiff im Fahrplan blieb, um den lange im Voraus festgelegten Fahrplan einhalten zu können.

Die Abbildung zeigt den Fahrplan der Linie 1 ausgehend, das heißt von Europa nach Australien. Ein entsprechender Fahrplan existierte für die Rückfahrt („heimkehrend“).

Die Ankünfte in Südafrika als auch in Australien tragen den Zusatz „an etwa“, wohl wissend, dass eine taggenaue Angabe bei den zurückgelegten Fahrtstrecken unmöglich war. Immerhin legten die Schiffe zwischen Hamburg und Brisbane 13.695 Seemeilen zurück. In Kilometern klingt die Strecke noch eindrucksvoller: gut 25.300 Kilometer.

timetable German Australian Line 1912
Fahrplan der Linie 1 (ausgehend) der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft aus dem Jahr 1912; Digitalisierung: Peter Tamm Sen. Stiftung (Hamburg), Objektnr. 161789; Lizenz CC BY-NC 4.0 DEED, http://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/deed.de;

Die Linie 3 war in ihrem Verlauf weitgehend identisch, nur dass auf der Ausreise statt Rotterdam Lissabon angefahren wurde. Antwerpen wurde von beiden Linien bedient. Erster Anlaufhafen der Linie 3 in Australien war Adelaide, dann wie bei Linie 1 Melbourne, Sydney und Brisbane. Von dort startete auch die Linie 3 ihre Heimfahrt.

Die Linie 3 war im Lauf der Zeit deutlich verändert worden. Als das Dampfschiff „Fürth“ auf Linie zwischen 1907 und 1909 fuhr, verlief die Linie auf der Heimfahrt von Brisbane noch die australische Ostküste nach Norden und dann durch die Torres Straße über Makassar und Batavia (heute Djakarta) zurück nach Europa. Dies war jetzt der Linie 4 vorbehalten.

Linie 2

Auch die Linie 2 hatte die DADG umgestellt. Ursprünglich verlief sie von Hamburg über Rotterdam und Antwerpen nach Adelaide in Südaustralien und von dort über Java zurück nach Europa.

Eine direkte Rückfahrt von Adelaide hatte jedoch einen großen Nachteil: Bunkerkohle musste aufwändig aus dem Südosten Australien herangeschafft werden und auf sogenannten Kohlenhulks zwischengelagert werden. So weist der Fahrplan für 1912 eine Schleife auf, die von Adelaide über Sydney bis nach Newscastle NSW führt, dem wichtigsten Kohlehafen Australiens.

Für die Heimfahrt wurde Batavia (heute Djakarta) angelaufen und von dort aus andere Häfen auf Java bedient, wie Soerabaya oder Tjilatjap, bevor es über Singapur, Penang (ein britisches Straits Settlement, heute Teil Malaysias) und Cochin (indische Malabarküste) zurück nach Europa ging. Hier war der erste Anlaufhafen Marseille in Südfrankreich, dann Amsterdam und schließlich der Heimathafen Hamburg.

German Australian Line timetable 1912
Fahrplan der Linie 2 (heimkehrend) der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft aus dem Jahr 1912; Digitalisierung: Peter Tamm Sen. Stiftung (Hamburg), Objektnr. 161789; Lizenz CC BY-NC 4.0 DEED, http://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/deed.de;

Linie 4

Wie bereits oben angedeutet, war aus der alten Linie 3 die Linie 4 geworden. Nach Brisbane wurde noch Townsville an der australischen Ostküste angelaufen, weniger häufig auch Rockhampton und Cairns. Von dort gingen die Schiffe nach Makassar, dass die DADG zu einem wichtigen Standort in Niederländisch-Indien ausbauen konnte.

Für die niederländischen Reedereien lag von Batavia kommend Makassar bereits „ab vom Schuss“, so dass diese der DADG ein relativ hohes Frachtvolumen zugestanden, was die Reederei gerne annahm.

Anmerkung: Die Entfernung von Batavia nach Makassar beträgt rund 1000 Seemeilen.

Linie 5

Die Linie 5 hatte die Besonderheit, dass sie nicht über Südafrika, sondern durch den Suezkanal verlief. Sie bediente Java und Padang (West-Sumatra) in Niederländisch-Indien. Die Linie wurde in Zusammenarbeit mit den Reedereien Stoomvaart Maatschappij Nederland und dem Rotterdamsche Lloyd durchgeführt. Die DADG stellte ein Drittel der Schiffe auf der Linie, was 1912 den monatlichen Einsatz eines Schiffes erforderte.

Linie 6

Auch die Linie 6 war ungewöhnlich. Sie verlief im vierwöchentlichen Rhythmus von Skandinavien (Gothenburg in Schweden und Frederikstad in Norwegen) direkt nach Australien. Der Transport von Holzprodukten verschaffte der Reederei ein gewisses Zusatzgeschäft. Wichtiger war es jedoch, mehr Ladevolumen für die lukrative Rückfahrt von Australien nach Europa zu bekommen.

Linie 7

Noch nicht in der Übersichtskarte der Reederei für das Jahr 1912 eingezeichnet war die neue Linie 7, die zu dem wichtigen Erzhafen Port Pirie in Südaustralien führte. Von dort wurden vor allem Blei- und Zinkerze nach Europa verschifft. SIEHE dazu: https://frachtdampferfuerth.com/2019/11/30/erze-fuerth/

Der in der untenstehenden Anzeige vorgesehene Frachtdampfer „Fürth“ konnte die Reise jedoch nicht durchführen. Nach seiner Rückkehr nach Hamburg Ende August mussten zunächst Reparaturarbeiten in der Werft von H. Brandenburg durchgeführt werden, die durch Seeschäden notwendig geworden waren. Die Reparatur dauerte von 3. bis 14. September 1912.

German Australian Line timetable 1912
Umfangreicher Fahrplan mit den sieben Linien aus HANSA, Deutsche nautische Zeitschrift, 1912; Quelle: digishelf.de

Nordamerika

Überraschenderweise führte der Linienverkehr der DADG auch nach Nordamerika. Seit 1907 bestand eine Linienverbindung von New York mit Australien in Zusammenarbeit mit Hansa in Bremen und Tyser in London:

United Tyser Line
Artikel über die Linie New York – Australien in der Zeitschrift Hansa, März 1907

Eine Rückfahrt von Australien nach Nordamerika (New York und Boston) erfolgte jedoch nur in der australischen Wollsaison.

Eine weitere Verbindung von New York ist in der Übersichtskarte nicht erwähnt. Sie bestand zwischen New York und Java. Diese Linie wurde ausschließlich in dieser Fahrtrichtung durchgeführt. SIEHE: Im Auftrag Rockefellers

Das Dampfschiff „Fürth“ im Linienverkehr

Die sechs eigenen Linien der Reederei, die Zusatzlinien in Zusammenarbeit mit anderen Reedereien, Sonderfahrten, vor allem zur australischen Wolle- und Weizensaison und die langen Fahrtstrecken verlangten ein Höchstmaß an Flexibilität bei der Disposition der Schiffe.

Diese waren daher nicht „linientreu“, sondern bedienten im Wechsel die verschiedenen Linien. Für das namensgebende Schiff dieses Blogs, der Frachtdampfer „Fürth“, ergeben sich bei fünfzehn durchgeführten Fahrten von 1907 bis 1914 die folgenden Einsätze.

Eine Fahrt auf der Linie 1, deren sechs auf der Linie 2 und fünf auf der Linie 3. Die Skandinavien-Linie (Linie 6) und die Linie New York – Java bediente die „Fürth“ jeweils einmal. Komplettiert wurden die fünfzehn Reisen durch zwei außerplanmäßige Sonderfahrten.

Extra boot naar Sydney, ss Fürth, 19 Februari 1913, direct van Rotterdam
Ausschnnitt einer Anzeige von Wambersie und Sohn, Makler der DADG in Rotterdam, in der Zeitung Nieuwe Rotterdamsch Courant vom 2. Februar 1913
distances Europe Australia in nautical miles

Die weiten Reisen des Dampfschiffes „Fürth“

54000 Kilometer in fünf Monaten

 

Titelbild: Entfernungstabelle Linie 2 aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

 

Passend zur Urlaubszeit zeige ich Ihnen heute eine Entfernungstabelle der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) aus dem Jahr 1914.

Sie kennen diese Art von Tabellen vielleicht noch aus dem Pränavizän, also dem Erdzeitalter vor der Erfindung des Navigationsgerätes, als ein Autoatlas zur Standardausrüstung für die automobile Urlaubsreise gehörte.

Mein betagtes Exemplar von der Kraftstofffirma mit der Muschel weist beispielsweise für die Reise von Hammerfest nach Malaga stolze 5533 Straßenkilometer aus.

Mit ungleich größeren Entfernungen rechnete die DADG in ihren Entfernungstabellen.

 

Die Tabelle der DADG aus dem Jahr 1914

Wie es sich für eine Reederei gehört, sind alle Entfernungen in Seemeilen (= nautische Meilen) angegeben, das heißt, für eine Angabe in Kilometern muss jeder Wert mit 1,852 multipliziert werden (1 Seemeile entspricht 1852 Meter).

Die Gesamtdistanz einer gut fünfmonatigen Rundreise von Hamburg nach Hamburg, in der Tabelle 29245 Seemeilen, entspricht also gut 54000 Kilometern. Die Strecke Hammerfest-Malaga würde dagegen, in Seemeilen ausgedrückt, auf 2988 Seemeilen zusammenschrumpfen.

Zugegebenermaßen habe ich die umfangreichste Tabelle mit den weitesten Entfernungen herausgesucht (Linie 2 der DADG), aber die anderen Übersichten stehen diesem Tableau nicht viel nach.

Warum der Text in Englisch ist, habe ich hier erklärt: Die Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft 1914

distances Europe Australia in nautical miles

Entfernungstabelle Linie 2 aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

 

Die Häfen der Linie 2

Von links nach rechts sind die Häfen in der Reihenfolge angegeben, wie sie auf der Linie 2 der Reederei angelaufen wurden: von Europa über Südafrika nach Australien. Sydney war die „Endhaltestelle“. Von dort ging es zurück über Süd- und Westaustralien, also Port Adelaide und Fremantle nach Batavia (Jakarta).

Anmerkung: In Klammern habe ich die heute gültigen Namen der Städte gesetzt.

Die weiteren Häfen auf Java waren Samarang (Semarang), Soerabaya (Surabaya) und Tjilatjap (Cilacap). Anschließend liefen die Schiffe in die beiden britischen Besitzungen, die Strait Settlements Singapur und Penang auf der Malayischen Halbinsel und von dort an die indische Malabarküste nach Cochin (Kochi). Zu Cochin siehe: Das Dampfschiff „Fürth“ an der indischen Malabarküste

Suez (Sues) und Port Said schließlich sind die beiden Endpunkte des Suezkanals, bevor Marseille der erste europäische Hafen auf der Rückreise war (in der Tabelle wird die englische Schreibweise Marseilles verwendet).

Durch den Umweg über Südostasien wuchs die Entfernung zwischen Sydney und Hamburg auf 15335 Seemeilen an. Auf der Hinreise waren es dagegen „nur“ 13910 Seemeilen, obwohl die Reise um den Afrikanischen Kontinent herumlief.

Eine andere Tabelle (Linie 1) weist für die direkte Rückreise von Sydney über Colombo nach Hamburg eine Entfernung von 12790 Seemeilen aus (siehe Abbildung).

Distances in nautical miles, Europe, Australia

Entfernungstabelle Linie 1 aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

 

Nah und fern

Die kürzeste Entfernung in der Tabelle ist die von Suez nach Port Said mit 87 Seemeilen, was der Länge des Suezkanals zur damaligen Zeit entspricht (genau waren es 87,7 Seemeilen oder 162,5 Kilometer).

Die weitesten Distanzen, die das Schiff zwischen zwei Häfen ohne Landberührung zurücklegte, waren die Strecke Antwerpen – Kapstadt (6250 Seemeilen) und East London (Südafrika) nach Fremantle (Westaustralien, 4320 Seemeilen).

In Zeit ausgedrückt dauerte die Reise von Antwerpen nach Kapstadt etwa 3 ½ Wochen, die von East London nach Fremantle rund 2 ½.

 

United Tyser Line

Interessant finde ich auch die Tabelle der United Tyser Line, einer Gemeinschaftslinie aus DADG, DDG Hansa (Bremen) und der Tyser Line Ltd. (London). Von New York nach Sydney (über Südafrika) legten die Frachtdampfer eine Strecke von 14010 Seemeilen, knapp 26000 Kilometer zurück. Nicht in der Tabelle verzeichnet ist Durban in Südafrika, ein Hafen der zwischen New York und Fremantle zur Aufnahme von Bunkerkohlen angelaufen wurde.

United Tyser Line, distances

Entfernungstabelle United Tyser Line aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

 

Zurückgelegte Gesamtdistanz

Für das Dampfschiff „Fürth“ habe ich versucht, die zurückgelegten Seemeilen abzuschätzen, die das Schiff von der Jungfernfahrt im August 1907 bis zum Ersten Weltkrieg bei der Festsetzung in Colombo (August 1914) zurückgelegt hat.

Allein sechsmal bediente das Schiff die in der Entfernungstabelle angegebene Linie 2.

Bei insgesamt fünfzehn durchgeführten Reisen komme ich an Hand der Entfernungstabellen und mit zusätzlicher Ergänzung einiger Strecken durch die Internetseite searoutes.com auf etwa 425 000 Seemeilen oder 787 000 Kilometer.

Zurück zu eingangs erwähnter Strecke: die Distanz von Hammerfest nach Malaga hätte das Schiff in den sieben Jahren insgesamt mehr als 142-mal zurückgelegt.

Anders ausgedrückt hat die „Fürth“ in dieser Zeit die Erde über neunzehnmal umrundet.

Auf das Kalenderjahr gerechnet gibt das eine Fahrdistanz des Dampfschiffes „Fürth“ von 61 000 Seemeilen oder 112 000 Kilometern.

Bei einer angenommenen Durchschnittsgeschwindigkeit von 10,5 Knoten dürfte das Schiff im Schnitt somit rund 242 Tage pro Jahr auf See gewesen sein.

Wenn man bedenkt, dass das Be- und Entladen vor Erfindung des Containers eine aufwändige Angelegenheit war, ist das eine gute Auslastung.

steam ship Furth, 10th travel to Australia

Beispiel für eine Linienfahrt der „Fürth“ auf der Linie 2 der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft; eigene Tabelle; jedes Datum ist durch mindestens eine Zeitungsmeldung belegt

 

Zuverlässige Dampfmaschine

 

Die Maschinisten der „Fürth“ müssen gute Arbeit geleistet haben, denn in den sieben Jahren ist kein einziger Maschinenschaden dokumentiert, zumindest keiner, der eine lange Verzögerung bedeutet hätte und eine Meldung in den damaligen Tageszeitungen wert gewesen wäre.

SS Great Britain Bristol, engine room

SS Great Britain, Maschinenraum, Bristol (England), eigene Aufnahme Februar 2019

 

Allgemeine Gültigkeit

Die vorgestellten Werte dürften ein Durchschnitt gewesen sein, der für alle anderen Schiffe der Reederei ebenfalls Gültigkeit hat. Die Höchstgeschwindigkeit der Schiffe lag sehr einheitlich zwischen 11,5 und 12,5 Knoten (21,30 -23,15 km/h).

Mit einer Maschinenleistung von 2200 PS lag die „Fürth“ zu Beginn des Jahres 1914 bereits am unteren Ende der Skala aller eingesetzten Schiffe, neuere Frachtdampfer ähnlicher Baugröße hatten bereits 3100 PS, die großen Schiffe bis zu 4500 PS.

Auch alle anderen Frachtschiffe der großen deutschen Reedereien im Überseeverkehr (HAPAG, Norddeutscher Lloyd, DDG Hansa oder Hamburg Süd) dürften um das 1910 auf ähnliche Werte gekommen sein.

Für Kombi- oder Passagierschiffe galten andere Werte, diese Schiffe waren deutlich schneller unterwegs und konnten dementsprechend größere Distanzen bei gleicher Fahrzeit zurücklegen.

 

shipping review 1912

Shipping Review, Daily Commercial and Shipping News, Sydney 31.12.1912

 

Von der Tageszeitung zum Live-Tracking

Vor dem Ersten Weltkrieg waren Tageszeitungen für ein breites Publikum die einzigen Nachrichtenquellen, um zu erfahren, wo sich ein Schiff gerade aufhielt, beziehungsweise am Tag oder an den Tagen zuvor aufgehalten hatte. In den Zeitungen der großen Hafenstädte nahmen diese Meldungen durchaus eine ganze oder sogar mehrere Seiten ein. Zwei Beispiele sind abgebildet.

Heute können Sie den weltweiten Schiffverkehr live von zu Hause aus mitverfolgen. Wenn Sie zum Beispiel Apps oder Homepages von MarineTraffic oder ShipFinder ansehen, bekommen Sie einen Eindruck vom globalen Schiffsverkehr.

 

Schiffsmeldungen Tageszeitung 1913, Beispiel

Suchbild: In welchem Hafen ist die „Fürth“ am 6. November 1913 angekommen? Schiffsmeldungen, Ausschnitt, De Maasbode, Rotterdam, 7. Nov 1913 (Abendblatt, 2. Ausgabe)