Über William Knox d’Arcy, Jacques de Morgan, Antoine Kitabgi-Khan und George B. Reynolds
Zum Titelbild: William Knox D’Arcy (1849 – 1917), ca. 1907, State Library of Queensland; https://hdl.handle.net/10462/deriv/94660
Der neue Eigentümer des Dampfschiffes „Fürth“ wurde im Januar 1915 die Anglo-Persian Oil Company, die heutige bp Gruppe. Die Firma hatte das Schiff von der Britischen Regierung gekauft und in „Kerman“ umbenannt: Paukenschlag: Das Dampfschiff „Fürth“ wird verkauft
Grund genug, uns den neuen Eigentümer der exFürth einmal genauer anzuschauen.
In diesem Blogbeitrag geht es zunächst um die Vorgeschichte, die am 14. April 1909 zur Gründung der Anglo-Persian Oil Company führte. Allerdings war der Weg dorthin alles andere als einfach und nicht nur einmal drohte die Gründung schon im Vorfeld zu scheitern.
Aber lesen Sie selbst…
William Knox D‘Arcy
Die zentrale Persönlichkeit, deren Unternehmergeist später zur Gründung der Anglo-Persian Oil Company führen sollte, war der Rechtsanwalt, Unternehmer, Investor und Spekulant William Knox D’Arcy.
Drei weitere Akteure, die ebenfalls entscheidenden Anteil an der Gründung hatten, sollen in diesem Blogartikel nicht unerwähnt bleiben: der französische Bergbauingenieur Jacques de Morgan, der iranische Diplomat Antoine Kitabgi-Khan und der britische Ingenieur und Geologe George B. Reynolds.
Anmerkung: Der Kreis der Personen, die einen wichtigen Beitrag zum entstehen der bp Gruppe leisteten, ist noch viel größer. So könnte man zum Beispiel auch über den führenden Petrochemiker seiner Zeit, Sir Thomas Boverton Redwood, vieles berichten. Das würde allerdings den Rahmen eines Blogartikels sprengen und zu weit von eigentlichem Thema wegführen.

Der junge William Knox D’Arcy (1849 – 1917), ohne Jahresangabe (ev. 1875-1880); State Library of Queensland; https://hdl.handle.net/10462/deriv/58686
In Australien
Die Familie D’Arcy war 1866 von England nach Australien ausgewandert und ließ sich in Rockhampton nieder.
Rockhampton liegt in Queensland etwa 650 Kilometer nördlich von Brisbane.
Der junge William Knox D’Arcy studierte Jura und ließ sich als Rechtsanwalt nieder. 1882 beteiligte er sich an einem Goldminensyndikat (Mount Morgan Goldmining Corporation), das vier Jahr später in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. D’Arcy erhielt bei der Gründung ein Aktienpaket, das sich in kurzer Zeit im Wert vervielfachte und ihn sehr, sehr reich werden ließ.
Was ihm in Australien jedoch fehlte, war das gesellschaftliche Parkett.

William Knox d’Arcy mit seiner ersten Frau Elena, mit der er fünf Kinder hatte, vor ihrem Haus in Wandal, einem Vorort Rockhamptons um 1885; State Library of Queensland; https://hdl.handle.net/10462/deriv/113458
Rückkehr nach England
1889 kehrte er daher nach England zurück. Er erwarb dort das Schloss Stanmore Hall und ein Stadthaus in London am prestigeträchtigen Grosvenor Square. Darüber hinaus kaufte er ein Jagdhaus in Norfolk, einen riesigen Jagdgrund inbegriffen.
Auf der Pferderennbahn Epsom Downs hatte er eine eigene Loge, es soll zu dieser Zeit die einzige neben der Loge von König Edward VII. gewesen sein.
Sein Lebensstil war extravagant und aufwändig. Er war daher auf der Suche nach neuen Einnahmequellen.

Das Schloss Stanmore Hall; Foto mit freundlicher Genehmigung des Stanmore Tourist Board; http://www.stanmoretouristboard.org.uk/william_knox_darcy.html
Jacques de Morgan
Jacques Jean Marie de Morgan war ein französischer Bergbauingenieur, der an der École Nationale Supérieure des Mines de Paris studiert hatte. De Morgan war 1891 im Iran gewesen und hatte anschließend in einem Artikel über natürliche Erdölaustritte im Westen des Iran berichtet.
Der Artikel erschien 1892 in der Pariser Bergbauzeitschrift Annales des Mines unter dem Originaltitel Note sur les Gites de Naphte de Kend-é-Chirin (Gouvernement de Ser-i-Poul).
De Morgan hatte in seinem Fachartikel jedoch klargestellt, dass es sich nur um eine kurze Übersicht handelt, da er eigentlich in anderer Mission für die französische Regierung in Persien war und er mit der Erkundung der Erdölaustritte lediglich der iranischen Regierung einen Gefallen erweisen wollte:
« …; c’est uniquement pour être utile au Gouvernement de la Perse que j’ai fait ce travail. »
Er betonte, dass es sich bei seinen Arbeiten nur um eine Grundlagenforschung für spätere Erkundungen handelte. Gleichzeitig war er der Ansicht, dass sich die weitere Erkundung wirtschaftlich lohnen würde.
« La présente note, qui pourra dans l’avenir servir de base à des travaux plus complets, en raison de l’importance et de la valeur des gisements auxquels elle a trait, est exempte de toute arrière-pensée industrielle ou financière. »
Beide Zitate aus : Annales des Mines (1892, série 9, volume 1) : M. J. de Morgan, Note sur les Gites de Naphte de Kend-é-Chirin (Gouvernement de Ser-i-Poul)
https://patrimoine.mines-paristech.fr/scripto/transcribe/242/66944
De Morgan hat sich im Anschluss ganz der Archäologie zugewandt: Er war von 1892 bis 1897 oberster Denkmalpfleger in Kairo (Directeur Général du Service des Antiquités) und leitete im Anschluss zehn Jahre Ausgrabungen in der antiken Stadt Susa (Iran).
Über einen Kollegen de Morgans kam der Fachartikel über die Erdölaustritte zu dem französischen Vermittler Edouard Cotte, der über gute Verbindungen in den Iran verfügte und der seinerseits den Artikel im Jahr 1898 an Antoine Kitabgi-Khan weiterleitete.

Jacques de Morgan, Porträtaufnahme, Abdullah Frères, Kairo 1892 ; © Bibliothèque Nationale de France (Gallica) ; https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8453513q/f1.item
Antoine Kitabgi-Khan
Der iranische General und ehemalige Direktor des iranischen Zolls, Antoine Kitabgi-Khan, hatte sich 1893 in Paris niedergelassen und begleitete verschiedene diplomatische Ämter.
Nachdem er 1898 den Artikel von Cotte erhalten hatte, machte er sich auf die Suche nach Investoren, denn finanziell war der Iran unter König Muzaffar al-Din Shah Qajar nicht in der Lage, die weitere Erforschung der Lagerstätten selbst zu bestreiten.
Eine Kontaktaufnahme mit der Royal Dutch Petroleum Company blieb erfolglos, diese hatte das Projekt als zu riskant eingestuft und abgelehnt.
Aus Teheraner Zeiten kannte Kitabgi-Khan den britischen Diplomaten Sir Henry Drummond Wolff der von 1888 bis 1891 britischer Gesandter im Iran gewesen war. Kitabgi-Khan wandte sich an ihn, um mögliche Investoren für ihn in Großbritannien zu finden.
Damit kommen wieder auf William Knox D’Arcy zurück. Sir Henry Drummond Wolff kontaktierte ihn und D’Arcy zeigte Interesse.
In der Folge fanden zahlreiche Treffen in Paris und London statt:
In early January 1901 Cotte visited D’Arcy in London and persuaded him to return to Paris with him and Wolff to meet Kitabgi on 8 January for the first time. Over the next two month ten more meetings were held in Paris and London often with D’Arcy’s solicitors, Nicholl Manistry & Company and his geological advisor, Dr. (later Sir) Boverton Redwood.
Quelle: Ferrier (1982) zitiert nach: History of the European Oil and Gas Industry, J. Craig, F. Gerali, F. MacAulauy, R. Sorkhabi; Geological Society of London (2018), 472 S.

Antoine Kitabgi-Khan, aus: Exposition universelle de 1900: Portraits des commissaires généraux, Album mit 70 Fotografien der Generalkommissare, Pariser Weltausstellung 1900; © Bibliothèque Nationale de France (Gallica) ; https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8433341s.r=Kitabgi%20Khan?rk=21459;2
Die D’Arcy Konzession
Im März 1901 reisten Kitabgi-Khan, Cotte und Alfred L. Mariott als Vertreter D’Arcys nach Teheran und nahmen Gespräche mit der iranischen Regierung auf. Am 28. Mai 1901 schließlich wurde die sogenannte D’Arcy-Konzession unterzeichnet.
Die Konzession umfasste eine Fläche von 500.000 Quadratmeilen, das war fast der gesamte Iran mit Ausnahme von fünf nördlichen Provinzen, die im russischen Interessengebiet lagen. Die Konzession wurde für eine Dauer von 60 Jahren abgeschlossen.
D’Arcy verpflichtete sich innerhalb von zwei Jahren eine Ölexplorationsfirma zu gründen und erhielt das Alleinrecht Pipelines zu bauen und unbewirtschaftetes Staatsgebiet frei zu nutzen.
Die iranische Regierung verlangte für die Konzession eine Sofortzahlung von 20.000 £, Aktien der zu gründenden Ölfirma im Wert von weiteren 20.000 £ und eine jährliche Gewinnbeteiligung von 16 %. Schließlich war dem iranischen Imperial Commissioner ein Jahresgehalt von 1.000 £ zu zahlen.
Der Imperial Commissioner, der über die Interessen des Iran wachen sollte, war kein anderer als Kitabgi Khan selbst.
Zusätzlich hatte Kitabgi-Khan von D’Arcy Posten für seine drei ältesten Söhne in dem Projekt ausgehandelt.
Kitabgi-Khan sollte von seinem fürstlichen Jahresgehalt allerdings nicht mehr lange profitieren. Er starb bei einem Italienaufenthalt im Dezember 1902 in Livorno.

Die D’Arcy-Konzession vom 28. Mai 1901 über 60 Jahre; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Darcy1.jpg
Erfolglose Suche
Der Suche blieb in den ersten Jahren jedoch der Erfolg versagt, obwohl D’Arcy 1904 bereits rund 225.000 Pfund in das Projekt gesteckt hatte. Umgerechnet waren das 4,5 Millionen Mark, eine für damalige Verhältnisse mehr als gewaltige Summe.
D’Arcy hatte sich offenbar verspekuliert und sein ganzes Vermögen stand auf dem Spiel. Er suchte Käufer für seine Konzession und hatte Gespräche mit Baron Rothschild aufgenommen.
Die Britische Regierung bekam Nachricht von D’Arcys Verkaufsabsichten und wollte verhindern, dass die Konzession ins Ausland ging. Sie hat daraufhin den Einstieg der britischen Burmah Oil Company in die Erdölsuche im Iran vorangetrieben.
Am 27. November 1904 kam es zwischen d’Arcy und Burmah Oil zu einer Einigung und die Erdölsuche ging auf das gemeinsam betriebene Concession Syndicate mit Sitz in Glasgow über.

William Knox D’Arcy mit seiner zweiten Frau, Nina Boucicault, die er 1899 geheiratet hatte; Foto mit freundlicher Genehmigung des Stanmore Tourist Board; http://www.stanmoretouristboard.org.uk/william_knox_darcy.html
Die Burmah Oil Company Ltd.
Die Burmah Oil Company war ursprünglich unter dem Namen Rangoon Oil Company 1886 in Glasgow gegründet worden. Ziel war die Entwicklung der Ölfelder auf dem indischen Subkontinent, zu dieser Zeit britische Kolonie, die die heutigen Staaten Indien, Pakistan und Myanmar (damals Burmah) umfasste.
Ende des 19. Jahrhunderts wurden knapp 300 Quellen ausgebeutet und zwei Raffinerien waren errichtet worden.
Die Burmah Oil Company existierte nach dem Kauf von Castrol im Jahr 1966 als Burmah-Castrol bis in das Jahr 2000 fort. Dann wurde das Unternehmen von Amoco BP (heute bp Gruppe) aufgekauft.
George B. Reynolds
D’Arcy hatte für die Erdölsuche im Iran den Engländer George Bernard Reynolds eingestellt. Reynolds war Absolvent des Royal Indian Engineering College, einer Hochschule in England, die vom India Office betrieben wurde, um Ingenieure für Infrastrukturprojekte in Britisch Indien auszubilden. Reynolds hatte in Indien und auf Sumatra gearbeitet, dort in den niederländisch-indischen Ölfeldern. Geologisches Wissen hatte er sich selbst angeeignet.
Im Iran war Reynolds aber nicht nur als Geologe gefordert. Er stellte eine technische Mannschaft zusammen, engagierte einheimische Arbeiter und Sicherheitsleute, einen Arzt und seinen Stellvertreter. Lokale Stammesfürsten musste er für ihre Unterstützung bezahlen.
Nach dem Einstieg der Burmah Oil wurde die Suche in die Nähe des Ortes Shardin verlegt. Zwei Bohrungen wurden dort 1906 und 1907 abgeteuft, beide blieben trocken.
Anschließend entschloss sich Reynolds, Bohrungen in einem dritten Gebiet, 90 Kilometer nordöstlich von Ahavaz bei Masjed Soleiman vorzunehmen. Er war bereits früher dort gewesen und hatte ölgetränkte Sedimente beobachtet.
Die Bohrung begann im Januar 1908. Reynolds war optimistisch, der geologische Berater D’Arcys und ein Geologe der Burmah Oil teilten seinen Optimismus.
Die Geschäftsführung der Burmah Oil drängte jedoch darauf, die Bohrungen einzustellen. Nach sieben Jahren war viel Geld investiert, aber immer noch kein Öl gefunden worden, zumindest nicht in wirtschaftlich interessanter Menge.
Reynolds wurde telegrafisch aufgefordert, die Arbeiten einzustellen. Er widersetzte sich jedoch und schrieb zurück, dass die Arbeiten fortgesetzt werden sollten.
Der Durchbruch
Am 16. Mai 1908 wurde starker Gasgeruch in den Sedimenten festgestellt und zehn Tage später, am 26. Mai 1908 um 4 Uhr morgens traf die Bohrung auf Erdöl.
Eine 20 Meter hohe Ölfontäne schoss aus dem Bohrloch.
Reynolds meldete an das Concessions Syndicate nach Glasgow:
“I have the honor to report, that this morning at 4 a.m. oil was struck in the No.1 hole at a depth of 1180 feet.”
Zitat aus dem Originalscheiben, abgebildet auf bp.com (Company History)
Am 5. Juni traf auch eine zweite Bohrung auf Öl.
Mitte Juni erhielt Reynolds einen vom 14. Mai 1908 datierten Brief, dass er, falls er in 1.600 Fuß kein Öl finden sollte, die Bohrungen einstellen, zusammenpacken und die Ausrüstung zurück nach Burma, das heutige Myanmaar, schicken solle.
Lakonisch antwortete er: “The instructions you say you are sending me may be modified by the fact that oil has been struck; so on receipt of them I can hardly act on them.”
Zitat nach: The Centenary of the First Oil Well in the Middle East, Artikel von Rasoul Sorkhabi, GEOExPro, Petroleum Geoscience Magazine; Vol. 5, No. 5 (2008).
Reynolds arbeitete noch bis 1911 im Iran und wurde dann gekündigt. Seine hemdsärmelige Art war bei der Direktion nicht gut angekommen.
Reynolds ging zu Royal Dutch Shell und erschloss 1922 mit seinem Team die Bohrung „Barroso No.2“. im La-Rosa-Ölfeld in Venezuela. Diese Bohrung war der Beginn der Erdölindustrie in Venezuela. Reynolds starb 1925 in Sevilla.
Quelle: George Bernard Reynolds, A forgotten pioneer of oil discoveries in Persia and Venezuela, R. Sorkhabi, Univ. of Utah, 2011; Zusammenfassung: http://archives.datapages.com/data/phi/v11_2010/sorkhabi.htm

Die erste Ölquelle in Masjed Soleiman 1908, Bild: Archiv bp Group, abgerufen über http://www.sjvgeology.org/history/gushers_world.html#middle_east
Geopolitische Veränderungen
Knapp ein Jahr nach den Ölfunden bei Masjed Soleiman wurde die Anglo-Persian Oil Company am 14. April 1909 gegründet.
Für William Knox D’Arcy hatte sich die Spekulation auf iranisches Öl letztlich ausgezahlt, er wurde reicher als je zuvor.
Das junge Unternehmen jedoch sollte bald in Schwierigkeiten geraten. Darüber wird der nächste Blogartikel berichten.
Der Erdölfund von Masjed Suleiman sollte die Welt verändern. Die wirtschaftlichen und geopolitischen Auswirkungen waren enorm und die Folgen des Ölfundes wirken bis zum heutigen Tag nach.
Quellen des Artikels
Für diesen Blogbeitrag wurden im wesentlichen die folgenden Quellen verwendet:
Stanford Tourist Bord, Famous Residents, William Knox D’Arcy; https://www.stanmoretouristboard.org.uk/william_knox_darcy.html; Stanmore liegt etwa 11 Meilen im Nordwesten des Londoner Stadtzentrums.
The Centenary of the First Oil Well in the Middle East, Artikel von Rasoul Sorkhabi, GEOExPro, Petroleum Geoscience Magazine; Vol. 5, No. 5 (2008).
History of the European Oil and Gas Industry, J. Craig, F. Gerali, F. MacAulauy, R. Sorkhabi; Geological Society of London (2018), 472 S.
The History of the British Petroleum Company, Vol. 1, The Developing Years, 1901 – 1932, R. W. Ferrier, Cambridge University Press 1982; abgerufen über books.google.fr