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Winston Churchill 1917

Die Rolle Winston Churchills bei der Übernahme der Anglo-Persian Oil Company

Die ersten Jahre der Anglo-Persian Oil Company (bp group) bis zum Juni 1914

Titelbild:
Winston Churchill, 1917; Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz; über commons.wikimedia.org; Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported; Wiedergabe in Sepia

Das Dampfschiff „Fürth“ war im Januar 1915 an die Anglo-Persian Oil Company (heute bp Gruppe) verkauft worden. Über die Geschichte, die zur Gründung des Unternehmens führte, habe ich ausführlich hier berichtet: Die Ursprünge der bp Gruppe (British Petroleum)

In dem heutigen Artikel geht es um die ersten Jahre des Unternehmens bis zur Übernahme der Aktienmehrheit durch die Britische Regierung im Juni 1914. Das wird auch in der Folge für den Verkauf der „Fürth“ von Bedeutung sein.

Eine zentrale Rolle bei der Übernahme des Unternehmens durch die Regierung spielte der damalige First Lord of The Admiralty, zu dieser Zeit der junge Winston Churchill. Auf seinen Part werde ich besonders eingehen.

Well no1 Masjed Soleiman, about 1910

Bohrung Nr. 1 in Masjed Soleiman, die erste Ölquelle im Iran, abgeteuft am 23. Januar 1908; auf Öl gestoßen am 26. Mai 1908; Aufnahme aus den 10er Jahren; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:The_Well_number_one_of_Iran_5.JPG

Die Anfänge der Anglo-Persian Oil Company (heute bp group)

Nach den Erdölfunden in Masjed Soleiman gründete die Burmah Oil Company am 14. April 1909 das Tochterunternehmen Anglo-Persian Oil Company (APOC). William Knox D’Arcy, die zentrale Unternehmer-Persönlichkeit vor der Gründung, erhielt eine Position im Vorstand, die er bis zu seinem Tod im Jahr 1917 begleitete.

Interessantes Detail: In all den Jahren seines Engagements für die Erdölsuche im Iran war William Knox D’Arcy selbst nie im Nahen Osten.

Zunächst werfen wir einen Blick auf die Rahmenbedingungen, unter denen die Firma entwickelt werden musste.

Der Iran zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Im Iran lebten zu dieser Zeit etwa 9 Millionen Menschen auf 1,6 Millionen Km2 (zum Vergleich dazu: das Deutsche Kaiserreich hatte zu dieser Zeit rund 57 Mio. Einwohner auf 540.000 Km2). Große Teile der Landesfläche waren unfruchtbare Wüsten und Bergland. 90 Prozent der Bevölkerung waren im Ackerbau und damit verbundenen Arbeiten tätig. Das Bruttosozialprodukt lag gerade einmal bei geschätzten 70 Mio. £. Über 95 % der Bevölkerung waren Analphabeten, etwa ein Viertel lebt in Stämmen.

Kleine Dörfer und Städten dominierten, nur Teheran, Täbriz und Isfahan hatten mehr als 100.000 Einwohner. Infrastruktur war nur in Ansätzen vorhanden: 8 Meilen Eisenbahn und 800 Meilen Straßen. Meist gab es nur Saumpfade, Verkehr mit Fahrzeugen war fast nicht existent.

Das Staatseinkommen wird für 1900/1901 mit gerade einmal 1,3 Mio. Pfund angegeben, die Importe (1895/96) mit 4,9 Mio. £ und die Exporte mit 2,8 Mio. £.

Alles in allem war der Iran um 1900 ein isoliertes und sehr rückständiges Land.

Informationen nach: The History of the British Petroleum Company, Vol. 1, The Developing Years, 1901 – 1932, R. W. Ferrier, Cambridge University Press 1982; abgerufen über books.google.fr

George B Reynolds, Persia, about 1909

George Bernard Reynolds (links im Bild), Aufnahme undatiert, ev. 1909, Quelle: bp Archiv, abgerufen über abadan.wiki

Harte Arbeitsbedingungen

Der oben dargestellte Abriss mag verdeutlichen, unter welchen Bedingung der Geologe George B. Reynolds bei der Ölsuche und später andere beim Aufbau der Ölindustrie im Iran arbeiten mussten. Der mit der Exploration verbundene Transport des Bohrgestänges und der dazugehörigen Ausrüstung war eine große logistische Herausforderung. Straßen waren nicht immer vorhanden und mussten erst zu den Bohrplätzen gebaut werden, Sprengungen in unwegsamem Gelände eingeschlossen.

Ein Sturzregen konnte die Arbeiten von Wochen zunichtemachen und neu angelegte Straßen für die Pferdefuhrwerke unpassierbar machen, mit denen die Ausrüstung in kleinen Teilen transportiert werden musste, bevor sie vor Ort zusammengebaut und/oder zusammengeschweißt werden konnte.

petroleum transport, Persia 1910

Vor der Fertigstellung der Pipeline erfolgte der Transport von Ölprodukten mit Maultieren/Eseln, Abadan 1910, Quelle: bp Archiv, abgerufen über abadan.wiki

Zu der kompletten Abwesenheit von Infrastruktur, kamen extreme klimatische Bedingungen mit heißen Tagen und bitterkalten Nächten. Lokale Stämme waren den Fremden gegenüber nicht unbedingt wohlgesonnen und ihre Gewogenheit musste erkauft werden, weil die vertraglich vereinbarte Konzession mit dem Schah vor Ort das Papier nicht wert war.

Als 1908 Erdöl in der Nähe von Masjed Soleiman gefunden wurde, gab es dort eine Ansiedlung, aber noch keine Stadt. Diese entstand erst nach der Erschließung der Ölquellen. Masjed Soleiman sollte die erste Industriestadt im Iran werden.

Das gleiche galt auch für Abadan am Persischen Golf, wo der Bau einer Raffinerie geplant war. Der Standort der künftigen Stadt Abadan war auf einer spärlich bewohnten Insel am Fluss Shatt-el-Arab.

Persia 1902

Ausschnitt einer Karte von 1902; Ref. txu-oclc-3257141-persia_afghanistan_beluchistan; mit freundlicher Genehmigung der University of Texas Libraries, The University of Texas, Austin.

Zur Karte: Die 1902 noch nicht existierende Stadt Abadan wurde am nördlichen Ende der mit „Kab-I.“ bezeichneten langgestreckten Insel nördlich des Flusses Shatt-el-Arab, südlich von Mohammerah, errichtet

Die Insel hat eine Länge von 64 Kilometern bei einer Breite von maximal 20, minimal 3 Kilometern. Weiter flussaufwärts ist die Stadt Busrah (Basra/Bussorah) zu erkennen.

1911 hatte die Basra geschätzt ca. 50.000 Einwohner, Mohammerah etwa 5.000 (Encyclopedia Britannica 1911).

Der Name der Stadt Mohammerah änderte sich nach 1924 in Chorramschahr. Die Stadt erlangte durch Kämpfe während des Golfkrieges (1980-1982) traurige Bekanntheit.

Oben rechts die Lage der Ölquellen bei Masjed Suleiman; unten rechts die wichtige Hafenstadt Bushire. Unten links die kleine Stadt Koweit (Kuwait).

Die Nord-Süd verlaufende gelbe Linie ist die Grenze zwischen Mesopotamien (Osmanisches Reich) und dem Iran. Am Unterlauf bildet der Fluss Shatt-el-Arab die Grenze.

Abadan

Bau einer Pipeline

Die Entfernung der gefundenen Ölquellen bei Masjed Suleiman zum Persischen Golf beträgt über 200 Kilometer, das Gelände ist bergig. Die Rohre für die Pipeline kamen mit Dampfschiffen aus den USA und wurden dann mit Lastkähnen so weit wie möglich flussaufwärts transportiert. Anschließend erfolgte der Transport mit Maultieren und wenn das Gelände zu steil wurde auch mit Menschenkraft. Die mühevolle Arbeit zur Errichtung der Pipeline nahm zwei Jahre in Anspruch, sie wurde im April 1911 fertiggestellt.

Raffinerie

Zu diesem Zeitpunkt war die Raffinerie in Abadan noch in Bau. Nach ihrer Fertigstellung sollte sie für lange Jahre die größte Raffinerie der Welt sein. Die erste Rohölverschiffung von Abadan erfolgte im April 1912.

Nach diesen enormen Anstrengungen und Investitionen, die zur Produktionsaufnahme erforderlich waren, hatten die Probleme jedoch kein Ende. Die Anglo-Persian Oil Company konnte jetzt Öl liefern, allerdings fehlten die Kunden. Das Automobil war erst in den Anfangsjahren und noch lange kein Massenmarkt. Für die Petroleumherstellung, zur damaligen Zeit der Hauptumsatzträger der Ölproduktion, war das recht schwefelhaltige iranische Öl nicht geeignet. Außerdem hatten die Konkurrenten, Standard Oil und Royal Dutch Shell sehr starke Marktpositionen.

Kurzum: Die junge Anglo-Persian Oil Company stand vor dem Konkurs.

Abadan refinery 1913

Raffinerie in Abadan, Arbeiter gehen in die Mittagspause, Aufnahme von 1913, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Workmans_of_Abadan_Refinery.jpg

Konkurs abgewendet

Es bestand die Gefahr, dass die Anglo-Persian Oil Company von einem der beiden etablierten Konkurrenten übernommen wurde. Das war weder im Interesse der Geschäftsführung der APOC, noch der Regierung.

„Die Oeltrusts hatten schon lange ein Auge auf Persien geworfen, und wenn die Politik der Regierung in dieser Frage nicht die Zustimmung des Parlaments fände, so würde zweifellos eine Verschmelzung irgendwelcher Art der Anglo-Persian Oil Company mit einer anderen Gesellschaft eintreten.“

aus einer Rede Winston Churchills, Quelle: Berliner Börsenzeitung, 18. Juni 1914, S. 11-12; http://www.europeana.eu (siehe auch weiter unten im Text)

Die Britische Regierung sah es also mit großer Sorge, dass die Konzession ins Ausland gehen könnte und erwarb im Juni 1914 für über 2 Millionen Pfund die Aktienmehrheit.

Öl für die British Navy

Das Einschreiten der Britischen Regierung war auf die Bedürfnisse der Britischen Marine zurückzuführen.

Oberster Befehlshaber der British Navy, der First Lord of The Admiralty, war zu diesem Zeitpunkt, von 1911 bis 1915, Winston Churchill.

HMS Royal Oak, about 1915

Britisches Kriegsschiff (HMS „Royal Oak“) im Ersten Weltkrieg mit einem Zerstörer im Schlepp; Bain News Service photograph collection; Library of Congress, Washington DC, https://www.loc.gov/item/2014705116/

Winston Churchill

Im Oktober 1911 hatte Premierminister Herbert Henry Asquith den 36jährigen Winston Churchill zum First Lord of The Admiralty (Marineminister) ernannt.

Churchill war großer Verfechter der Ölfeuerung:

„The ordeal of coaling ship exhausted the whole ship’s company, … With oil a few pipes were connected with the shore or with a tanker and the ship sucked in its fuel with hardly a man having to lift a finger. … Oil could be stowed in spare places in a ship from which it could be impossible to bring coal.”

Auch der Einsatz von Soldaten als Trimmer (Kohlenzieher) und Heizer war ihn für ein großes Ärgernis:

„As a coal ship used up her coal, increasingly large numbers of men had to be taken, if necessary, from the guns, to shovel the coal from remote and inconvenient bunkers to bunkers nearer to the furnaces or to the furnaces themselves, thus weakening the fighting efficiency of the ship. … For instance, nearly a hundred men were continually occupied in the Lion shoveling coal from one steel chamber to another without ever seeing the light of day or of the furnace fires.”
Winston Churchill, The World Crisis 1911-1918; zitiert nach: Dreadnought, Britain, Germany and the Coming of The Great War, Robert K. Massie, Vintage Books, London 2007.

Anmerkung: HMS Lion war ein 1912 in Dienst gestellter Kreuzer der sog. Lion Klasse.

Vor Churchill hatte bereits John Fisher, der First Sea Lord der Royal Navy von 1904-1910, die Umstellung der Antriebsmaschinen britischer Kriegsschiffe von Kohle auf Öl vorangetrieben.

Das war kein leichtes Unterfangen, denn von den Kohlebefürwortern gab es heftigen Widerstand.

Trumpf der Kohlefraktion waren die reichen Kohlevorkommen Großbritanniens. Die Kohleförderung erreichte dort im Jahr 1913 mit 287 Mio. Tonnen ein Allzeithoch.

Erdöl gab es hingegen auf der Insel nicht und Großbritannien war von Importen aus den USA (Standard Oil) oder den Niederlanden (Royal Dutch Shell) abhängig.

Letztlich konnte Churchill im Juni 1914 das Unterhaus von den Vorteilen des Ölantriebes überzeugen, an der Anglo-Persian Oil Company wurde die Aktienmehrheit übernommen und die Britische Admiralität schloss mit dem Unternehmen einen langjährigen Liefervertrag ab.

Anmerkung: In Britisch Indien wurde zwar Öl gefördert, die Mengen zur breiten Versorgung britischer Schiffe zu gering und der Transportweg zu lang. Die großen Ölvorkommen vor der britischen Küste wurden erst Mitte des 20. Jahrhunderts entdeckt.

Winston Churchill 1900

Sir Winston Leonard Spencer Churchill, 1874-1965, Aufnahme aus dem Jahr 1900; Quelle: Library of Congress, https://www.loc.gov/resource/cph.3b22722/

Churchill im Britischen Unterhaus

Zur Übernahme der Anglo-Persian Oil Company hatte sich Churchill in einer Sitzung des Britischen Unterhauses vom 15. Juni 1914 geäußert. Hier nach einer Meldung der Berliner Börsenzeitung vom 16. Juni 1914 (Quelle: http://www.europeana.eu):

London, 15. Juni (C. T .C.)
Im Unterhause wurden an Churchill verschiedene Anfragen betreffend die Beteiligung der englischen Regierung an der englisch-persischen Oel-Gesellschaft gerichtet. Churchill erklärte, die Prüfung der Gesellschaft habe die Regierung zufriedengestellt, ihr erprobtes Gebiet und ihre Leistungsfähigkeit rechtfertigten vollkommen die zu ihrer Entwicklung im Interesse der Marine gemachten Ausgaben. Die Regierung habe für zwei Millionen Pfund Aktien übernommen, und diese Aufwendung sei notwendig zur Beschaffung, zur Lagerung und zum Transport der von der Flotte gebrauchten Oelmengen.

Zwei Tage später hielt er dann eine lange Rede zur Verteidigung der Übernahme, wieder nach einem Artikel der Berliner Börsenzeitung, diesmal vom 18. Juni 1906:

„In fünfviertelstündiger Rede verteidigte Churchill in erschöpfender Darstellung die Politik der Admiralität in dem Abschluß des Abkommens mit der Anglo-Persian Oil Company von allen Gesichtspunkten, hauptsächlich vom militärischen aus.“

„Er sagte, daß er allein die beste Art und Weise, den nötigen Heizölvorrat für die Flotte zu einem annehmbaren Preise zu sichern, in Betracht zöge, und nicht die Politik, etwa weitere mit Oel geheizte Schiffe zu bauen.“

„Die Admiralität habe schon lange ihr Augenmerk auf Persien gerichtet, das eine Bezugsquelle für den Oelvorrat zu werden versprochen hätte, und sie müßte ein Oelgebiet in Händen haben, das annehmbar wäre, ein im Betriebe befindliches Gebiet mit ganz bestimmten Aussichten und großer Entwicklungsmöglichkeit. Dieses hätte sie allein in Persien gefunden. Er rechtfertigte die Erwerbung der Shares der genannten Gesellschaft und erklärte, daß die jetzt produzierenden Schächte die Bedürfnisse der Admiralität decken würden.“

In voller Länge finden Sie den Artikel aus der Berliner Börsenzeitung vom Donnerstag, den 18. Juni 1914 auf europeana.eu: https://www.europeana.eu/de/item/9200355/BibliographicResource_3000117731045

Der Artikel beginnt auf Seite 11, 2. Spalte unten und geht bis auf Seite 12.

Die Britische Regierung blieb in das Unternehmen British Petroleum bis 1987 investiert. Erst dann wurden die meisten Anteile verkauft.

Winston Churchill 1924

Winston Churchill, Aufnahme aus dem Jahr 1924 nach seiner Ernennung zum Schatzkanzler; Quelle: Library of Congress, Washington DC; https://www.loc.gov/item/2002697673/

Nächste Woche

Der Titel des Blogbeitrags nächste Woche:

Als im Britischen Unterhaus über das Dampfschiff „Fürth“ debattiert wurde

Nicht nur über die Übernahme der Anglo-Persian Oil Company wurde im Britischen Unterhaus debattiert, sondern überraschenderweise auch über das Dampfschiff „Fürth“!

Warum wurde im Februar 1915 im House of Commons über die „Fürth“ diskutiert?

Ging beim Verkauf der „Fürth“ an die Anglo-Persian Oil Company alles mit rechten Dingen zu?

Antworten auf diese Fragen nächste Woche hier im Blog.

William Knox D'Arcy, 1907, Stanmore

Die Ursprünge der bp Gruppe (British Petroleum)

Über William Knox d’Arcy, Jacques de Morgan, Antoine Kitabgi-Khan und George B. Reynolds

Zum Titelbild: William Knox D’Arcy (1849 – 1917), ca. 1907, State Library of Queensland; https://hdl.handle.net/10462/deriv/94660

Der neue Eigentümer des Dampfschiffes „Fürth“ wurde im Januar 1915 die Anglo-Persian Oil Company, die heutige bp Gruppe. Die Firma hatte das Schiff von der Britischen Regierung gekauft und in „Kerman“ umbenannt: Paukenschlag: Das Dampfschiff „Fürth“ wird verkauft

Grund genug, uns den neuen Eigentümer der exFürth einmal genauer anzuschauen.

In diesem Blogbeitrag geht es zunächst um die Vorgeschichte, die am 14. April 1909 zur Gründung der Anglo-Persian Oil Company führte. Allerdings war der Weg dorthin alles andere als einfach und nicht nur einmal drohte die Gründung schon im Vorfeld zu scheitern.

Aber lesen Sie selbst…

William Knox D‘Arcy

Die zentrale Persönlichkeit, deren Unternehmergeist später zur Gründung der Anglo-Persian Oil Company führen sollte, war der Rechtsanwalt, Unternehmer, Investor und Spekulant William Knox D’Arcy.

Drei weitere Akteure, die ebenfalls entscheidenden Anteil an der Gründung hatten, sollen in diesem Blogartikel nicht unerwähnt bleiben: der französische Bergbauingenieur Jacques de Morgan, der iranische Diplomat Antoine Kitabgi-Khan und der britische Ingenieur und Geologe George B. Reynolds.

Anmerkung: Der Kreis der Personen, die einen wichtigen Beitrag zum entstehen der bp Gruppe leisteten, ist noch viel größer. So könnte man zum Beispiel auch über den führenden Petrochemiker seiner Zeit, Sir Thomas Boverton Redwood, vieles berichten. Das würde allerdings den Rahmen eines Blogartikels sprengen und zu weit von eigentlichem Thema wegführen.

William Knox D'Arcy, Rockhampton

Der junge William Knox D’Arcy (1849 – 1917), ohne Jahresangabe (ev. 1875-1880); State Library of Queensland; https://hdl.handle.net/10462/deriv/58686

In Australien

Die Familie D’Arcy war 1866 von England nach Australien ausgewandert und ließ sich in Rockhampton nieder.

Rockhampton liegt in Queensland etwa 650 Kilometer nördlich von Brisbane.

Der junge William Knox D’Arcy studierte Jura und ließ sich als Rechtsanwalt nieder. 1882 beteiligte er sich an einem Goldminensyndikat (Mount Morgan Goldmining Corporation), das vier Jahr später in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. D’Arcy erhielt bei der Gründung ein Aktienpaket, das sich in kurzer Zeit im Wert vervielfachte und ihn sehr, sehr reich werden ließ.

Was ihm in Australien jedoch fehlte, war das gesellschaftliche Parkett.

William Knox D'Arcy, Rockhampton 1885

William Knox d’Arcy mit seiner ersten Frau Elena, mit der er fünf Kinder hatte, vor ihrem Haus in Wandal, einem Vorort Rockhamptons um 1885; State Library of Queensland; https://hdl.handle.net/10462/deriv/113458

Rückkehr nach England

1889 kehrte er daher nach England zurück. Er erwarb dort das Schloss Stanmore Hall und ein Stadthaus in London am prestigeträchtigen Grosvenor Square. Darüber hinaus kaufte er ein Jagdhaus in Norfolk, einen riesigen Jagdgrund inbegriffen.

Auf der Pferderennbahn Epsom Downs hatte er eine eigene Loge, es soll zu dieser Zeit die einzige neben der Loge von König Edward VII. gewesen sein.

Sein Lebensstil war extravagant und aufwändig. Er war daher auf der Suche nach neuen Einnahmequellen.

Stanmore Hall, William Knox D'Arcy

Das Schloss Stanmore Hall; Foto mit freundlicher Genehmigung des Stanmore Tourist Board; http://www.stanmoretouristboard.org.uk/william_knox_darcy.html

Jacques de Morgan

Jacques Jean Marie de Morgan war ein französischer Bergbauingenieur, der an der École Nationale Supérieure des Mines de Paris studiert hatte. De Morgan war 1891 im Iran gewesen und hatte anschließend in einem Artikel über natürliche Erdölaustritte im Westen des Iran berichtet.

Der Artikel erschien 1892 in der Pariser Bergbauzeitschrift Annales des Mines unter dem Originaltitel Note sur les Gites de Naphte de Kend-é-Chirin (Gouvernement de Ser-i-Poul).

De Morgan hatte in seinem Fachartikel jedoch klargestellt, dass es sich nur um eine kurze Übersicht handelt, da er eigentlich in anderer Mission für die französische Regierung in Persien war und er mit der Erkundung der Erdölaustritte lediglich der iranischen Regierung einen Gefallen erweisen wollte:

« …; c’est uniquement pour être utile au Gouvernement de la Perse que j’ai fait ce travail. »

Er betonte, dass es sich bei seinen Arbeiten nur um eine Grundlagenforschung für spätere Erkundungen handelte. Gleichzeitig war er der Ansicht, dass sich die weitere Erkundung wirtschaftlich lohnen würde.

« La présente note, qui pourra dans l’avenir servir de base à des travaux plus complets, en raison de l’importance et de la valeur des gisements auxquels elle a trait, est exempte de toute arrière-pensée industrielle ou financière. »

Beide Zitate aus : Annales des Mines (1892, série 9, volume 1) : M. J. de Morgan, Note sur les Gites de Naphte de Kend-é-Chirin (Gouvernement de Ser-i-Poul)
https://patrimoine.mines-paristech.fr/scripto/transcribe/242/66944

De Morgan hat sich im Anschluss ganz der Archäologie zugewandt: Er war von 1892 bis 1897 oberster Denkmalpfleger in Kairo (Directeur Général du Service des Antiquités) und leitete im Anschluss zehn Jahre Ausgrabungen in der antiken Stadt Susa (Iran).

Über einen Kollegen de Morgans kam der Fachartikel über die Erdölaustritte zu dem französischen Vermittler Edouard Cotte, der über gute Verbindungen in den Iran verfügte und der seinerseits den Artikel im Jahr 1898 an Antoine Kitabgi-Khan weiterleitete.

Jacques de Morgan 1892, Caire

Jacques de Morgan, Porträtaufnahme, Abdullah Frères, Kairo 1892 ; © Bibliothèque Nationale de France (Gallica) ; https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8453513q/f1.item

Antoine Kitabgi-Khan

Der iranische General und ehemalige Direktor des iranischen Zolls, Antoine Kitabgi-Khan, hatte sich 1893 in Paris niedergelassen und begleitete verschiedene diplomatische Ämter.

Nachdem er 1898 den Artikel von Cotte erhalten hatte, machte er sich auf die Suche nach Investoren, denn finanziell war der Iran unter König Muzaffar al-Din Shah Qajar nicht in der Lage, die weitere Erforschung der Lagerstätten selbst zu bestreiten.

Eine Kontaktaufnahme mit der Royal Dutch Petroleum Company blieb erfolglos, diese hatte das Projekt als zu riskant eingestuft und abgelehnt.

Aus Teheraner Zeiten kannte Kitabgi-Khan den britischen Diplomaten Sir Henry Drummond Wolff der von 1888 bis 1891 britischer Gesandter im Iran gewesen war. Kitabgi-Khan wandte sich an ihn, um mögliche Investoren für ihn in Großbritannien zu finden.

Damit kommen wieder auf William Knox D’Arcy zurück. Sir Henry Drummond Wolff kontaktierte ihn und D’Arcy zeigte Interesse.

In der Folge fanden zahlreiche Treffen in Paris und London statt:

In early January 1901 Cotte visited D’Arcy in London and persuaded him to return to Paris with him and Wolff to meet Kitabgi on 8 January for the first time. Over the next two month ten more meetings were held in Paris and London often with D’Arcy’s solicitors, Nicholl Manistry & Company and his geological advisor, Dr. (later Sir) Boverton Redwood.

Quelle: Ferrier (1982) zitiert nach: History of the European Oil and Gas Industry, J. Craig, F. Gerali, F. MacAulauy, R. Sorkhabi; Geological Society of London (2018), 472 S.

General Kitabgi Khan 1900

Antoine Kitabgi-Khan, aus: Exposition universelle de 1900: Portraits des commissaires généraux, Album mit 70 Fotografien der Generalkommissare, Pariser Weltausstellung 1900; © Bibliothèque Nationale de France (Gallica) ; https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8433341s.r=Kitabgi%20Khan?rk=21459;2

Die D’Arcy Konzession

Im März 1901 reisten Kitabgi-Khan, Cotte und Alfred L. Mariott als Vertreter D’Arcys nach Teheran und nahmen Gespräche mit der iranischen Regierung auf. Am 28. Mai 1901 schließlich wurde die sogenannte D’Arcy-Konzession unterzeichnet.

Die Konzession umfasste eine Fläche von 500.000 Quadratmeilen, das war fast der gesamte Iran mit Ausnahme von fünf nördlichen Provinzen, die im russischen Interessengebiet lagen. Die Konzession wurde für eine Dauer von 60 Jahren abgeschlossen.

D’Arcy verpflichtete sich innerhalb von zwei Jahren eine Ölexplorationsfirma zu gründen und erhielt das Alleinrecht Pipelines zu bauen und unbewirtschaftetes Staatsgebiet frei zu nutzen.

Die iranische Regierung verlangte für die Konzession eine Sofortzahlung von 20.000 £, Aktien der zu gründenden Ölfirma im Wert von weiteren 20.000 £ und eine jährliche Gewinnbeteiligung von 16 %. Schließlich war dem iranischen Imperial Commissioner ein Jahresgehalt von 1.000 £ zu zahlen.

Der Imperial Commissioner, der über die Interessen des Iran wachen sollte, war kein anderer als Kitabgi Khan selbst.

Zusätzlich hatte Kitabgi-Khan von D’Arcy Posten für seine drei ältesten Söhne in dem Projekt ausgehandelt.

Kitabgi-Khan sollte von seinem fürstlichen Jahresgehalt allerdings nicht mehr lange profitieren. Er starb bei einem Italienaufenthalt im Dezember 1902 in Livorno.

D'Arcy Konzession 1901

Die D’Arcy-Konzession vom 28. Mai 1901 über 60 Jahre; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Darcy1.jpg

Erfolglose Suche

Der Suche blieb in den ersten Jahren jedoch der Erfolg versagt, obwohl D’Arcy 1904 bereits rund 225.000 Pfund in das Projekt gesteckt hatte. Umgerechnet waren das 4,5 Millionen Mark, eine für damalige Verhältnisse mehr als gewaltige Summe.

D’Arcy hatte sich offenbar verspekuliert und sein ganzes Vermögen stand auf dem Spiel. Er suchte Käufer für seine Konzession und hatte Gespräche mit Baron Rothschild aufgenommen.

Die Britische Regierung bekam Nachricht von D’Arcys Verkaufsabsichten und wollte verhindern, dass die Konzession ins Ausland ging. Sie hat daraufhin den Einstieg der britischen Burmah Oil Company in die Erdölsuche im Iran vorangetrieben.

Am 27. November 1904 kam es zwischen d’Arcy und Burmah Oil zu einer Einigung und die Erdölsuche ging auf das gemeinsam betriebene Concession Syndicate mit Sitz in Glasgow über.

William Knox D'Arcy, Stanmore

William Knox D’Arcy mit seiner zweiten Frau, Nina Boucicault, die er 1899 geheiratet hatte; Foto mit freundlicher Genehmigung des Stanmore Tourist Board; http://www.stanmoretouristboard.org.uk/william_knox_darcy.html

Die Burmah Oil Company Ltd.

Die Burmah Oil Company war ursprünglich unter dem Namen Rangoon Oil Company 1886 in Glasgow gegründet worden. Ziel war die Entwicklung der Ölfelder auf dem indischen Subkontinent, zu dieser Zeit britische Kolonie, die die heutigen Staaten Indien, Pakistan und Myanmar (damals Burmah) umfasste.

Ende des 19. Jahrhunderts wurden knapp 300 Quellen ausgebeutet und zwei Raffinerien waren errichtet worden.

Die Burmah Oil Company existierte nach dem Kauf von Castrol im Jahr 1966 als Burmah-Castrol bis in das Jahr 2000 fort. Dann wurde das Unternehmen von Amoco BP (heute bp Gruppe) aufgekauft.

George B. Reynolds

D’Arcy hatte für die Erdölsuche im Iran den Engländer George Bernard Reynolds eingestellt. Reynolds war Absolvent des Royal Indian Engineering College, einer Hochschule in England, die vom India Office betrieben wurde, um Ingenieure für Infrastrukturprojekte in Britisch Indien auszubilden. Reynolds hatte in Indien und auf Sumatra gearbeitet, dort in den niederländisch-indischen Ölfeldern. Geologisches Wissen hatte er sich selbst angeeignet.

Im Iran war Reynolds aber nicht nur als Geologe gefordert. Er stellte eine technische Mannschaft zusammen, engagierte einheimische Arbeiter und Sicherheitsleute, einen Arzt und seinen Stellvertreter. Lokale Stammesfürsten musste er für ihre Unterstützung bezahlen.

Nach dem Einstieg der Burmah Oil wurde die Suche in die Nähe des Ortes Shardin verlegt. Zwei Bohrungen wurden dort 1906 und 1907 abgeteuft, beide blieben trocken.

Anschließend entschloss sich Reynolds, Bohrungen in einem dritten Gebiet, 90 Kilometer nordöstlich von Ahavaz bei Masjed Soleiman vorzunehmen. Er war bereits früher dort gewesen und hatte ölgetränkte Sedimente beobachtet.

Die Bohrung begann im Januar 1908. Reynolds war optimistisch, der geologische Berater D’Arcys und ein Geologe der Burmah Oil teilten seinen Optimismus.

Die Geschäftsführung der Burmah Oil drängte jedoch darauf, die Bohrungen einzustellen. Nach sieben Jahren war viel Geld investiert, aber immer noch kein Öl gefunden worden, zumindest nicht in wirtschaftlich interessanter Menge.

Reynolds wurde telegrafisch aufgefordert, die Arbeiten einzustellen. Er widersetzte sich jedoch und schrieb zurück, dass die Arbeiten fortgesetzt werden sollten.

Der Durchbruch

Am 16. Mai 1908 wurde starker Gasgeruch in den Sedimenten festgestellt und zehn Tage später, am 26. Mai 1908 um 4 Uhr morgens traf die Bohrung auf Erdöl.

Eine 20 Meter hohe Ölfontäne schoss aus dem Bohrloch.

Reynolds meldete an das Concessions Syndicate nach Glasgow:

“I have the honor to report, that this morning at 4 a.m. oil was struck in the No.1 hole at a depth of 1180 feet.”
Zitat aus dem Originalscheiben, abgebildet auf bp.com (Company History)

Am 5. Juni traf auch eine zweite Bohrung auf Öl.

Mitte Juni erhielt Reynolds einen vom 14. Mai 1908 datierten Brief, dass er, falls er in 1.600 Fuß kein Öl finden sollte, die Bohrungen einstellen, zusammenpacken und die Ausrüstung zurück nach Burma, das heutige Myanmaar, schicken solle.

Lakonisch antwortete er: “The instructions you say you are sending me may be modified by the fact that oil has been struck; so on receipt of them I can hardly act on them.”
Zitat nach: The Centenary of the First Oil Well in the Middle East, Artikel von Rasoul Sorkhabi, GEOExPro, Petroleum Geoscience Magazine; Vol. 5, No. 5 (2008).

Reynolds arbeitete noch bis 1911 im Iran und wurde dann gekündigt. Seine hemdsärmelige Art war bei der Direktion nicht gut angekommen.

Reynolds ging zu Royal Dutch Shell und erschloss 1922 mit seinem Team die Bohrung „Barroso No.2“. im La-Rosa-Ölfeld in Venezuela. Diese Bohrung war der Beginn der Erdölindustrie in Venezuela. Reynolds starb 1925 in Sevilla.

Quelle: George Bernard Reynolds, A forgotten pioneer of oil discoveries in Persia and Venezuela, R. Sorkhabi, Univ. of Utah, 2011; Zusammenfassung: http://archives.datapages.com/data/phi/v11_2010/sorkhabi.htm

Masjed Soleiman gusher 1908

Die erste Ölquelle in Masjed Soleiman 1908, Bild: Archiv bp Group, abgerufen über http://www.sjvgeology.org/history/gushers_world.html#middle_east

Geopolitische Veränderungen

Knapp ein Jahr nach den Ölfunden bei Masjed Soleiman wurde die Anglo-Persian Oil Company am 14. April 1909 gegründet.

Für William Knox D’Arcy hatte sich die Spekulation auf iranisches Öl letztlich ausgezahlt, er wurde reicher als je zuvor.

Das junge Unternehmen jedoch sollte bald in Schwierigkeiten geraten. Darüber wird der nächste Blogartikel berichten.

Der Erdölfund von Masjed Suleiman sollte die Welt verändern. Die wirtschaftlichen und geopolitischen Auswirkungen waren enorm und die Folgen des Ölfundes wirken bis zum heutigen Tag nach.

Quellen des Artikels

Für diesen Blogbeitrag wurden im wesentlichen die folgenden Quellen verwendet:

Stanford Tourist Bord, Famous Residents, William Knox D’Arcy; https://www.stanmoretouristboard.org.uk/william_knox_darcy.html; Stanmore liegt etwa 11 Meilen im Nordwesten des Londoner Stadtzentrums.

The Centenary of the First Oil Well in the Middle East, Artikel von Rasoul Sorkhabi, GEOExPro, Petroleum Geoscience Magazine; Vol. 5, No. 5 (2008).

History of the European Oil and Gas Industry, J. Craig, F. Gerali, F. MacAulauy, R. Sorkhabi; Geological Society of London (2018), 472 S.

The History of the British Petroleum Company, Vol. 1, The Developing Years, 1901 – 1932, R. W. Ferrier, Cambridge University Press 1982; abgerufen über books.google.fr