Titelbild: Vollbeladener Zug mit Wollballen in Sydney, Postkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, 1913, ungelaufen, eigene Sammlung
Eindrucksvolle Bilder vom Wolltransport
Der Transport von Wolle von Australien nach Kontinentaleuropa gehörte zum Kerngeschäft der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG).
So wurden im Geschäftsjahr 1908/1909 allein von dieser Reederei 196.847 Ballen Wolle von australischen Häfen nach Europa transportiert. Als zweite deutsche Reederei hatte der Norddeutsche Lloyd Bremen fast das gleiche Frachtaufkommen. Mit 190.954 Ballen lag die transportierte Menge nur geringfügig darunter.
Damit hatten die beiden deutschen Reedereien über 30 % Marktanteil am Gesamtvolumen des Wolltransports von Australien nach Europa.
Um die Zahl von 196.000 Ballen Wolle besser einordnen zu können: Das Dampfschiff „Fürth“ hatte im November/Dezember 1912 eine Einzelladung von etwa 13.500 Ballen mit etwas Beifracht nach Antwerpen und Hamburg transportiert:
Ein Nilpferd und viel Wolle
Das Hauptaugenmerk der DADG lag immer darauf, während der Wollsaison genügend Raum für diese Heimfahrten nach Europa zu haben, auch wenn dafür Schiffe unter Ballast oder mit wenig Fracht nach Australien geschickt werden mussten.
„Wir sind aber immer darauf bedacht gewesen, reichlich Schiffsraum hinauszulegen, um in der Wollezeit besonderen Anforderungen genügen zu können. So hatten wir schon 1908 außer den in der regelmäßigen Fahrt befindlichen Schiffen folgende Nebendampfer für die Wollezeit zur Verfügung:
im September 1 Dampfer
im Oktober 2 Dampfer
im November 4 Dampfer
im Dezember 1 Dampfer
im Januar 2 Dampfer“
Quelle: Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Otto Harms (1933), Schröder und Jeve, Hamburg.
In dem Ansichtskartenheft der DADG sind dementsprechend gleich mehrere Ansichtskarten dem Wollgeschäft gewidmet.
Die Herden
Die Darstellung des Wollgeschäfts beginnt mit einer geradezu idyllischen Szenerie: Eine sehr überschaubare Schafherde grast in einer offenen Parklandschaft mit saftigen Wiesen am Rande einer kleinen Wasserfläche. Hinter der Herde sehen wir einige berittene Hirten.

Schafherde in New South Wales, Australien, Postkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, 1913, ungelaufen, eigene Sammlung
Pferdekutschen
Die zweite Karte aus dem „Wollzyklus“ zeigt drei hoch beladene Gespanne, die von jeweils zehn Pferden gezogen werden. Solche Zehnspänner dürften auch zu Zeiten, als das Pferd noch das Haupttransportmittel war, ein seltener Anblick gewesen sein. Nach Informationen der Karte ging die Fahrt von den Farmen zu den Bahnstationen.

Transport von Wolle von der Farm zum Bahnhof, Postkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, 1913, ungelaufen, eigene Sammlung
Weniger spektakulär ist dieser „gemütliche“ Woll-Transport in Hahndorf, einem bekannten Ort deutscher Siedler in Südaustralien.

Mit Wolle beladenes Fuhrwerk in Hahndorf bei Adelaide; Hahndorf ist eine der ältesten deutschen Siedlungen Australiens, Aufnahme 1901, © State Library of Sout Australia, B-18258.
Per Bahn
Von den Eisenbahnstationen auf dem Land erfolgte dann der Transport per Bahn nach Sydney. Hier ein Detail mit posierendem Bahnpersonal aus der Titelabbildung dieses Blogartikels.

Vollbeladener Zug mit Wollballen in Sydney, Ausschnitt mit posierendem Bahnpersonal, Postkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, 1913, ungelaufen, eigene Sammlung
Laut der Pyrmont History Group (siehe unten), die das gleiche Foto auf ihrer Internetseite zeigt, datiert das Foto bereits aus dem Jahr 1901.
Muster und Auktionen
In Sydney angekommen, wurden die Ballen zu Verkaufslosen ähnlicher Qualität zusammengefasst. Dann wurden Muster genommen und die Wolle auf ihre Merkmale getestet.
Im Anschluss erfolgte und erfolgt auch noch heute der Verkauf über Auktionen.

Musterraum für Wolle, Postkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, 1913, ungelaufen, eigene Sammlung
Verschiffung
Für die anschließende Verschiffung der Ballen bedeutet der Verkauf auf Auktionen, dass jeder einzelne Ballen identifizierbar sein muss:
„Bei Wolle muß jeder einzelne Ballen nach Marke und Gegenmarke und Nummer ausgesucht werden.“ (Zitat: Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, 1933)
Die folgende Karte zeigt die Verladung von Wolle im Hafen von Sydney.

Verladen der Wolle in Sydney auf einen der typischen „Zweischornsteiner“ der Reederei, Postkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, 1913, ungelaufen, eigene Sammlung
Aus dieser Karte noch ein Detail:
Ein Ladungskontrolleur („Tallymann“, unten Mitte) beaufsichtigt das Laden der Wolle. Auf dem Welldeck des Schiffes (dort wo die Bordwand niedriger ist) posieren drei Personen. An der Schiffswand ist ein Schild zur Orientierung für die Verlader angebracht (Deutsch-Australische Dampfschiff-Gesellschaft).

Detail aus der Aufnahme von oben
Ausführlicher habe ich den Wollhandel in Australien in diesem Artikel vorgestellt:
Wolle und Wollhandel in Australien um 1910
Lagerhäuser für Wolle
Viele historische Aufnahmen und Informationen über den Wollhandel in Sydney finden Sie auch bei der Pyrmont History Group auf der Seite Wool Stores.
Pyrmont war ein Industrieviertel Sydneys.
Demnach wurden ab den 1880er Jahren bis in die 1930er Jahre auf der Halbinsel Pyrmont zwanzig Lagerhäuser für Wolle mit einer Fläche von über 40 Hektar errichtet, die rund ein Drittel der Halbinsel einnahmen. Erst in den 1970er Jahren verschwanden die alten Lager und die Lagerung der Wolle wurde nach Liverpool in das Hinterland Sydneys verlagert.
Die Wollballen hatten ein Standardformat von etwa 120 cm x 76 cm x 76 cm, davon wurden je vier übereinandergestapelt. Fenster und Glasdächer spendeten Licht, damit die Wolle von den Käufern beurteilt werden konnte (siehe dazu auch die Postkarte „Musterraum für Wolle“ oben).
In den größten Lagerhäusern Pyrmonts konnten bis über 50.000 Wollballen gelagert werden.
Großbrand bei Goldbrough, Mort und Co.
Das in der Wolle enthaltene Wollfett oder Wollwachs (Lanolin) macht Wolle wasser- und schmutzabweisend. Es ist aber auch leicht entzündlich. Zahlreiche Lagerhäuser in Pyrmont fielen deshalb immer wieder Brandkatastrophen zum Opfer.
Ein Großbrand ereignete sich bei Goldbrough, Mort und Co. am 25. September 1935.
Nach Ausbruch des Feuers waren in kurzer Zeit zwanzig Löschzüge und 230 Feuerwehrmänner vor Ort. Das Feuer wurde jedoch durch Winde derartig angefacht, dass das Lagerhaus Nr. 1 nicht gerettet werden konnte und vollständig abbrannte.
Die Hitzeentwicklung war so groß, dass selbst in 100 Metern Entfernung abgestellte Bahnwagons mit Weizen sich entzündeten.
Ein Übergreifen des Brandes auf zwei benachbarte Lagerhäuser konnten die Feuerwehren verhindern.
Umbau der Lagerhäuser
Neben den Lagerhäusern für Wolle war Pyrmont Standort anderer Industrien: Gießereien, Werften, Schlachthöfe und Zuckerraffinerien. Außerdem wurde in einigen Brüchen Sandstein in großer Menge gewonnen.
Ab den 1970er Jahren begann sich das Gesicht Pyrmonts grundlegend zu wandeln und einige der ehemaligen Wolllager wurden zu Apartmenthäusern und Bürokomplexen umgebaut.
Aus dem geschäftigen, aber oft gemiedenen Industriestandort wurde nach und nach eines der beliebtesten Viertel Sydneys, dass heute durch sein pulsierendes Leben bei Einheimischen und Touristen gleichermaßen beliebt ist.
Mehr über die Geschichte Pyrmonts erfahren Sie hier: https://pyrmonthistory.net.au/