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Makassar harbour, about 1910

In Makassar

Titelbild: Ladebrücke im Hafen von Makassar, Ansichtskarte, ungelaufen, undatiert, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Aufnahme ca. 1910-1913; eigene Sammlung

Mit dem Dampfschiff „Fürth“ in Niederländisch-Indien

Die Hafenstadt Makassar (Macassar, Mangkasar) war die Hauptstadt des gleichnamigen Distriktes auf der Insel Celebes (indonesisch: Sulawesi). Zu den Zeiten des Dampfschiffes „Fürth“ gehörte die Insel und damit auch die Stadt zu Niederländisch-Indien (heute Indonesien).

Laut Encyclopedia Britannica (Ausgabe 1911) lebten dort 17.925 Menschen, davon 940 Europäer, 2618 Chinesen und 168 Araber.

Die Stadt liegt an der Westküste einer südlichen Halbinsel von Celebes (zur Lage siehe Karte unten). Die Makassarstraße trennt die Insel von der westlich gelegenen Insel Borneo.

Heute hat die Stadt etwa 1,5 Mio. Einwohner, der Ballungsraum rund 3 Mio.

Celebes and Macassar map

Die Lage von Celebes und Makassar in Niederländisch-Indien; die Lage der Städte Singapur und Batavia (heute: Jakarta) habe ich zur Orientierung eingefügt; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Sulawesi_Locator.svg (Wiedergabe in Sepia); Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported

Macassar pier and quays, before1912

Makassar, Hafen, Aufnahme aus dem 1912 veröffentlichten Buch „Scented Isles and Coral Gardens“ von C. D. Mackellar; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:The_Pier_and_Quays,_Macassar,_Celebes.jpg

Kopra

Die Handelsgüter für die Schiffe der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG), die in Makassar geladen wurden, waren Kopra, Kaffee, Gummi, Gewürze und Hölzer.

Von diesen Gütern war Kopra (getrocknetes Kokosnussfleisch) mit Abstand das wichtigste, es diente in Europa zur Herstellung von Margarine und Seife. 70 % der Ausfuhr im östlichen Teil Niederländisch-Indiens lief über den Hafen von Makassar.

Siehe dazu auch den Artikel: Die Fracht der „Fürth“ – Kopra

Im Zeitraum von 1909 bis 1913 war Niederländisch-Indien weltweit der wichtigste Exporteur von Kopra mit 2,38 Mio. Tonnen, gefolgt von den Philippinen, Britisch-Malaya (heute Malaysia) und Ceylon (heute Sri Lanka).

Wichtigstes Abnehmerland für Kopra war zu dieser Zeit Frankreich, das etwa 50 % der Weltproduktion von Kopra importierte. Haupteinfuhrhafen war Marseille. Über die beeindruckende Schwebefähre im Hafen von Marseille habe ich kürzlich ausführlich berichtet. SIEHE: Die Schwebefähre in Marseille

Aber auch Deutschland fragte Kopra in großer Menge nach. So wurden in Bremen und Hamburg allein täglich 60-200 Tausend Tonnen Margarine hergestellt, für die große Mengen Kopra benötigt wurden.

Informationen nach: The globalizing of copra and coconut oil industry of Makassar before the second world war, Abd. Rasyid Asba et al., 2020 IOP Conf. Ser.: Earth Environ. Sci. 575 012094;

the white meat of coconutsis dried to get kopra

Kopra ist das getrocknete weiße Fruchtfleisch der Kokosnuss, die Nüsse sind ca. 1-2,5 Kilo schwer; Bild: Pixabay

Verträge mit niederländischen Linien

Nachdem Makassar in Niederländisch-Indien lag, musste die DADG ihr Frachtaufkommen vertraglich mit den holländischen Linien regeln.

Dies waren die folgenden drei Reedereien:

– Stoomfahrt Maatschappij Nederland, Amsterdam
– Rotterdamsche Lloyd, Rotterdam und
– Stoomvaart Maatschappij Ocean, Amsterdam/Ocean S. S. Co. Holt, Liverpool

Nach einem Vertrag vom 12. Oktober 1900 erhielt die DADG einen Frachtanteil von 21 Prozent der Ladung aus Java und von Padang (Sumatra). Der Hafen Makassar hingegen wurde zunächst ganz der DADG überlassen. Das dürfte daran gelegen haben, dass er im östlichen Teil Niederländisch-Indien und damit „weit ab vom Schuss“ lag. Für die DADG bedeutete er auf der Rückfahrt über die australische Ostküste und die Torres-Straße hingegen keinen Umweg.

Bei den vereinbarten Frachtanteilen waren Regierungsgüter und Zucker ausdrücklich ausgenommen. Diese beide Kategorien waren ausschließlich den niederländischen Linien vorbehalten.

Spätere Änderungen der Vereinbarung erhöhten den Frachtanteil der DADG auf 25 %. Makassar musste dafür wieder mit den niederländischen Linien geteilt werden.

Insgesamt waren die Absprachen mit den niederländischen Reedereien für die DADG eine gute Geschäftsgrundlage. Der damalige Geschäftsführer der DADG, Otto Harms schrieb dazu:

„So hat der Vertrag denn auch gut gearbeitet und die Verbindung mit den holländischen Linien hat sich immer freundschaftlicher gestaltet.“
Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft Hamburg, Otto Harms (1933), Schröder & Jeve, Hamburg.

Macassar harbour about 1910

Makassar , Pirogenhafen, Aufnahme um 1910; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Macassar._Prauwenhaven._Lighter_harbour.,_KITLV_1403280.tiff

Direktfahrten nach Niederländisch-Indien

Im Jahr 1909 wurde mit den niederländischen Reedern eine Übereinkunft über Direktfahrten nach Niederländisch-Indien getroffen. Das war neu, denn bislang wurden die Häfen Niederländisch-Indien von der DADG nur auf der Rückfahrt von Australien bedient. Die neuen Direktfahrten liefen stattdessen von Europa direkt durch den Suezkanal.

An dem Vertrag mit je einem Drittel beteiligt waren die DADG, die Stoomvaart Maatschapij Nederland und der Rotterdamsche Lloyd.

Die zweiwöchentlichen Abfahrten erfolgten von Hamburg und Amsterdam bzw. Hamburg und Rotterdam.

Für die DADG bedeutete der Vertrag eine weitere Ausweitung des Südostasiengeschäfts:

„Das war ein sehr bedeutender und wichtiger Vertrag, welcher unsere Stellung in der Fahrt weiter befestigte und insbesondere uns erleichterte von Makassar 14tätige Gelegenheit zu bieten.“ (gleiche Quelle)

Frachtdampfer „Fürth“ in Makassar

Die Bedeutung Makassars für die DADG spiegelt sich auch in den Fahrten des Dampfschiffes „Fürth“ wider. Bei 15 Australienfahrten liefen fünf Reisen über Makassar.

Allerdings hatte der Erfolg des Warenumschlagsplatzes Makassar auch seine Schattenseiten. Die Anleger im Hafen waren mehr und mehr überlastet, was zu längeren Wartezeiten bei der Abfertigung führte. Im August 1911 waren die „Fürth“ und ein weiterer Frachter davon betroffen:

„…
En wat dat zeggen wil, konden we dezer dagen alen toen twee groote vrachtschepen, de Deucalion en de Fürth eenige dagen op de ree moesten wachten brj gebrek aan ruimte aan de steigers.
…“
Bataviaasch nieuwsblad, 10. Aug 1911, Quelle: delpher.nl

Muskatnüsse, Makassar vor 1942

Arbeiter und Arbeiterinnen in Makassar sortieren Muskatnüsse und trennen sie von den Blüten; Sammlung Tropenmuseum (National Museum of World Cultures), Aufnahme vor 1942; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:COLLECTIE_TROPENMUSEUM_Arbeiders_selecteren_nootmuskaat_en_ontdoen_de_noten_van_de_foelie_Makassar_Celebes_TMnr_10012350.jpg

Demnächst im Blog

Historische Aufnahmen geben interessante Einblicke in die Häfen, die Wirtschaft und in die Kultur Niederländisch-Indiens. Bleiben Sie dran!

Die Fürth in Tellicherry

Die achte Fahrt der „Fürth“ ist jetzt online!

Vom 8. November 1910 bis 3. April 1911 geht es auf der Linie 2 der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft nach Fremantle, Adelaide, Java, Singapur, Penang und Indien.

Ein neuer Hafen ist Tellicherry in Indien. Kein Wunder, dass in Amsterdam 1116 Ballen Pfeffer abgeladen werden!

Mit an Bord ebenfalls eine große Menge Kopra.

the white meat of coconutsis dried to get kopra

Kopra ist das getrocknete weiße Fruchtfleisch der Kokosnuss, die Nüsse sind ca. 1-2,5 Kilo schwer

Alle Details jetzt im Blog: Pfeffer aus Tellicherry

Die Fracht der „Fürth“ – Kopra

Wo ist die Kokosnuss?

Im Blogtitel heißt es „… eine Spurensuche“. Deshalb möchte ich in loser Folge auch den Spuren der Waren nachgehen, die auf der „Fürth“ transportiert wurden und was aus ihnen hergestellt wurde.

Fangen wir mit Kopra und in Marseille an, dem ersten europäischen Hafen, der auf der Rückfahrt von Australien und Niederländisch-Indien angelaufen wurde.

Im Bericht über die erste Fahrt ist folgendes Zitat vermerkt, aus dem hervorgeht, dass eine große Menge Kopra im Marseiller Hafen gelöscht wurde. Hier noch einmal der Wortlaut:

Le mouvement des navires dans les ports de Marseille a été, hier, de dix-huit vapeurs et de quatre voiliers, entrées et sorties comprises.
SONT ARRIVES. – …
…le Fürth, de Makassar, avec 6.200 tonnes de coprah, peaux, etc., dont 1.200 tonnes pour Marseille
Le Petit Marseillais, 6.
Jan 1908, S. 2, MOUVEMENTS DES PORTS (www.retronews.fr)

Marseille - Le Phare Sainte Marie

Hafeneinfahrt in Marseille mit dem Leuchtturm Sainte-Marie; Postkarte (gelaufen 1906), eigene Sammlung.

Marseiller Seife

Was wird also in Marseille aus dieser Kopra? Die Antwort: die berühmte „Savon de Marseille“, also Marseiller Seife!

Die Seifenherstellung war in Marseille, zumindest bis zum Ersten Weltkrieg, ein bedeutender Wirtschaftszweig. Schauen wir uns daher bei einem Seifenhersteller um, um mehr zu erfahren:

Marius Fabre ist Seifenhersteller seit 1900 und könnte daher durchaus über unsere „Fürth“ beliefert worden sein. Auf seiner Internetseite lesen wir zunächst, dass es zwei Typen Marseiller Seife gibt, die grüne und die weiße. Die grüne ist ein Körperpflegeprodukt und besteht aus Olivenöl und Kopra. Die weiße Seife wurde dagegen fürs Wäschewaschen verwendet, diese bestand aus Palmöl und wiederum Kopra, welche damit in allen beiden Produkten enthalten ist. Auch wenn die „Savonniers“, also die Seifenhersteller am liebsten über das verwendete Olivenöl sprechen, von dem eine höhere Wertigkeit ausgeht, als von den beiden anderen Ölen. Der pflanzliche Ölanteil in den Seifen beträgt übrigens 72 %, eine Zahl die oft auf den Seifenstücken eingeprägt ist (der Rest ist Wasser).

Die typische Würfelform der Marseiller Seife

Savon de Marseille, Marseiller Seife besteht aus 72 % pflanzlichen Fetten; Kokosnussfett ist immer enthalten.

Warum die Kopra in der Seife war, erklärt uns ebenfalls das Haus Fabre: „Das Kopraöl hat schäumende Eigenschaften, ohne Kopraöl würde die Seife nur wenig schäumen.“

(Informationen von der Seite http://www.marius-fabre.com/fr/, eigene Übersetzung aus dem Französischen).

Kunstbutter (Margarine)

Nach der Abfahrt unserer „Fürth“ aus Marseille ist aber noch viel Kopra für die anderen Häfen übrig. Was wurde also noch aus Kopra hergestellt? Hier eine weitere Antwort:

„1902 fand der Chemiker Wilhelm Norman (1870 – 1939) ein Verfahren, welches eine Margarinefabrik in Emmerich am Niederrhein zur industriellen Reife entwickelte. Das Prinzip bestand darin, an die ungesättigten Öle Wasserstoff anzulagern, was deren Schmelzpunkt erhöhte. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten wurden immer mehr Pflanzen und Öle für die Margarineherstellung erschlossen: Öle aus Kopra, Palmkernen, Erdnüssen, Soja; später kamen Wal- und andere Fischöle dazu. Damit gewann die Margarineindustrie erheblich an Flexibilität.“
(Geschichte der Konsumgesellschaft, Wolfgang König, Franz Steiner Verlag, 2000, 509 Seiten, Zitat von S. 168.; http://google.books.fr)

Anm.: Vor dieser Zeit wurde der Butterersatz-Stoff Margarine ausschließlich aus tierischen Fetten hergestellt (Zitat aus der gleichen Quelle); falls jemand Herrn König trifft, sagen Sie ihm bitte, er möge das Wort „andere“ in der letzten Zeile des Zitates streichen, man könnte sonst meinen, er hält den Wal für einen Fisch.
Sanella Margarine Werbung

Sanella-Werbung zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Bildquelle: http://www.industriemuseum.lvr.de

Im Anschluss an obenstehendes Zitat wird auch der Herstellungsprozess von Margarine aus der Zeit um den ersten Weltkrieg beschrieben. Diese Beschreibung möchte ich Ihnen hier ersparen, appetitlich war das nicht. Ich weiß schon, warum mein Kühlschrank eine „margarinefreie Zone“ ist.

Das Zentrum der deutschen Margarineherstellung lag am Niederrhein, viele Familien haben hier im Raum Kleve „op de Botter“ gearbeitet. Diese Gründungen ging von holländischer Seite aus, wo Margarine schon vorher industriell produziert wurde. Beide Gebiete haben ihre Kopra über den Amsterdamer oder Rotterdamer Hafen erhalten:

„Kleve war wegen seiner Nähe zum Rotterdamer Hafen ein optimaler Standort.“
LVR-Industriemuseum, Oberhausen
(http://www.industriemuseum.lvr.de/de/verbundseiten/sammlung/sammlung_entdecken/unternehmen___ihre_produkte/reklamemarke__sanella_/reklamemarke_sanella_1.html#!prettyPhoto)

Palmin-Werk in Hamburg

Eine dritte Spur für die Verwendung der Kopra führt uns nach Hamburg, genauer gesagt nach Hamburg-Wilhelmsburg. Hier wurde im Jahr 1908 das Palmin-Werk erbaut und der Fabrikant Julius Schlinck verlegte den Firmensitz von Mannheim im darauffolgenden Jahr hierher. Die Kopra diente der Herstellung des bekannten Speisefettes „Palmin“, auch heute noch ein bekanntes Markenprodukt. Neben Speisefetten wurde aber auch Kernseife in Wilhelmsburg produziert. Der ausführliche Markenname „Dr. Schlinck´s Palmin 100% Cocosfett“ weist darauf hin: hier wurde als Fettbestandteil ausschließlich Kokosnuss, also Kopra verwendet.

Kokosfett Palmin Werbung

Palmin-Werbung zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Zahlenspiele

Eine Vorstellung über die verarbeiteten Mengen bekommen wir hier:

„Die Anbindung an den Hamburger Hafen erleichterte den Import des Produktrohstoffes aus den deutschen Kolonien und die Verteilung des Palmins über die Schiene. Bereits 1911 arbeiteten dort ca. 1.000 Personen und verarbeiteten den Ernteertrag von ca. 7 Mio. Kokospalmen der Jahre 1910/1911.

Aus dem getrockneten Kokosnussfleisch – Kopra – wurde das Öl herausgepresst, anschließend entsäuert, bedampft, sterilisiert, filtriert und in Behältnisse abgefüllt. Das Öl verlor hierdurch den typischen Kokosgeruch.“

(Quelle: Ausstellung „Das Kochbuch in Baden 1770 – 1950“, Mannheimer Cocosbutter, https://ausstellungen.blb-karlsruhe.de/ausstellung/mannheimer-cocosbutter.html)

Anm: Eine deutsche Kolonie mit hoher Kopra-Produktion war zu dieser Zeit Deutsch-Samoa.

Versuchen wir die Menge verarbeiteter Kokosmasse mit folgenden Angaben noch etwas näher zu bestimmen:

„Die eiförmigen bis runden Kokosnüsse mit einem Gewicht von 1 – 2,5 kg gehören zu den größten Früchten im Pflanzenreich. … Eine erwachsene Palme liefert jährlich 50 – 80 Früchte.“
Infoblatt Kokospalme, Ernst Klett Verlag, TERRASSE-Archiv, https://www.klett.de/sixcms/detail.php?template=terrasse_artikel__layout__pdf&art_id=1006639, 16.2. 2018)

Anm: Manchen Quellen zufolge liefert eine Kokospalme auch über 100 Kokosnüsse pro Jahr.

Und:

„Ein Einzelbaum liefert zwischen 5 und 20 kg Kopra pro Jahr.“
(www.deacademic.com, http://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/783636)

Das macht dann für die oben zitierten 7 Millionen Kokospalmen mindestens 350 Millionen verarbeitete Kokosnüsse pro Jahr und wenn wir konservativ mit nur 10 kg Kopra pro Palme rechnen, kommen wir damit auf 70 Mio. kg oder 70 tausend Tonnen verarbeitete Kopra allein im Palmin-Werk Hamburg (für das Jahr 1910/1911, s. o.).

Eine wahrlich beachtliche Menge und viele Schiffsladungen Kopra für die „Fürth“ und andere Schiffe!