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Clan Line, house flag

Die „Kerman“, ex Fürth bei Cayzer, Irvine und Co. (Clan Line)

Nach Chittagong (Bengalen, Britisch Indien)

Titelbild:
Clan Line (Cayzer, Irvine und Co.), Hausflagge, Royal Museums Greenwich Collections, https://collections.rmg.co.uk/collections/objects/195.html

Torpedotreffer im Mittelmeer und Reparatur in Birkenhead

Am 27. Februar 1918 war das Dampfschiff „Kerman“, exFürth im Mittelmeer vor der spanischen Küste von SM U 35 torpediert worden. SIEHE: Die „Kerman“, exFürth wird torpediert

Ein zweites Torpedo von SM U 35 traf den Dampfer „Marconi“.

Beide Schiffe erreichten aus eigener Kraft den nächsten Hafen. Für die „Marconi“ war dies Malaga, über die „Kerman“, exFürth habe ich bislang keine Quellenangabe über einen Nothafen gefunden.

Einträge in Lloyd’s Register weisen auf einen Special Survey der „Kerman“ in Birkenhead (Kürzel Bkn) im Zeitraum von März bis November 1918 hin. Das würde bedeuten, dass das Schiff trotz Beschädigung durch den Torpedotreffer noch nach Birkenhead (Hafenstadt am Mersey gegenüber von Liverpool) laufen konnte und erst dort umfassend repariert und überholt worden ist.

Eine Abfahrt aus Birkenhead/Liverpool wäre demnach erst im November 1918 erfolgt.

Die erste Quelle, in der ich die „Kerman“, exFürth wieder in Fahrt lokalisieren konnte, datiert vom Februar 1919, allerdings bereits auf der Rückfahrt aus dem Indischen Ozean.

Am 21. Februar 1919 erreichte die „Kerman“, exFürth Suez am südlichen Ende des Suezkanals; sie kam zu diesem Zeitpunkt über Aden aus Chittagong in Bengalen (Britisch Indien).

Bay of Bengal map

Bucht von Bengalen, Karte von 1915 (Ausschnitt), die beiden (von mir) gelb umrandeten Städte sind Calcutta (links) und Chittagong (rechts), Survey of India; National Library of Australia, https://nla.gov.au/nla.obj-414723816/view

Am 24. Februar verließ das Schiff Port Said und erreichte Gibraltar, von aus es am 10. März nach London versegelte. Die Ankunft in London ist für den 16. März 1919 dokumentiert.

Das belegt eine Passagierliste im Britischen Nationalarchiv. Es handelt sich um Passagiere, die in Port Said an Bord gegangen waren und in London das Schiff wieder verließen.

Aus dem Dokument geht ebenfalls hervor, dass das Management der „Kerman“ zu diesem Zeitpunkt der Reederei C Irvine und Company Ltd. oblag.
Quelle: The National Archives, London (Kew), Ref. BT 26/659/147

Cayzer, Irvine & Co.

Die Geschichte der großen Reederei Cayzer, Irvine & Co. beginnt mit Charles Wiliam Cayzer, 1st Baronet of Gartmore.

Charles William Cayzer wurde 1843 in London als Sohn eines Lehrers geboren. Als Jugendlicher fuhr er zur See und mit 18 Jahren erhielt er eine Anstellung bei dem Agenten der British India Steam Navigation Company in Bombay, wo er 12 Jahre lang arbeitete und lebte.

Charles Cayzer 1904

Karikatur von Charles William Cayzer in der Zeitschrift „Vanity Fair“ (1904); Titel der Abbildung: Chief of the “Clans“; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Charles_Cayzer_Vanity_Fair_9_June_1904.jpg

Zurück in England machte er sich daran, eine Linienverbindung zwischen Glasgow und Liverpool mit Britisch Indien aufzubauen, die es bislang nicht gegeben hatte. So entstand 1878 die Firma Cayzer, Irvine & Co. in Glasgow mit einer Flotte von sechs Schiffen.

Das erste war SS „Clan Alpine“. Die Benennung der Schiffe nach schottischen Clans wurde beibehalten und sollte zum Markenzeichen der Reederei werden.

1881 teilte Cayzer das Geschäft auf zwei Gesellschaften auf. Eigner der Schiffe war nun die neugegründete Clan Line Association Steamers, das Management aller Schiffe übernahm Cayzer, Irvine & Co.

1890 wurde aus der Clan Line Association Steamers die Clan Line Steamers Ltd., in die Cayzers ältester Sohn als Partner einstieg. Zwei weitere Söhne, Herbert und August, sollten später folgen.

Clan Macarthur 1912

SS „Clan Macarthur“ (II), 5815 BRT, Baujahr 1912, Quelle : State Library of Queensland (John Oxley Library) über commons.wikimedia.org

1894 erwarb Clan Line die Persian Gulf Steam Ship Company in Bombay mit vier Schiffen. Dieses Detail ist deshalb interessant, weil die „Kerman“, exFürth im Jahr 1920 an diese Tochtergesellschaft der Clan Line verkauft werden sollte. Dazu in einem späteren Blogartikel mehr.

ERRATUM: Hier muss ich mich korrigieren: Die Persian Gulf Steam Ship Company war eine Reederei mit Sitz in London und nicht identisch mit der Persian Gulf Steam Navigation Company in Bombay.

Das ursprüngliche Fahrtziel der Reederei, nämlich Britisch Indien war inzwischen längst erweitert worden und die Schiffe der Clan Line waren weltweit anzutreffen.

Clan Line, advertisement, 1918

Nachstellung einer Anzeige von Cayzer, Irvine & Co. vom 7. September 1918 in der Birmingham Daily Post (das Original darf ich Ihnen hier aus Copyrightgründen nicht zeigen)

Gesellschaftlich hatte sich Cayzer einen festen Platz in der schottischen Gesellschaft erarbeitet. 1897 wurde er zum Ritter geschlagen und 1914 erhielt er den Titel 1st Baronet of Gartmore.

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges hatte die Clan Line 62 Schiffe. Davon wurden 28 Schiffe während des Krieges verloren, 329 Besatzungsmitglieder fanden den Tod.

Ende der 30er Jahre war die Clan Line eines der größten Schifffahrtsunternehmen weltweit und nach eigenen Angaben die größte Frachtschiffreederei (The World’s Largest Cargo Carrying Line, Quelle: cayzer.com).

Seeleute bezeichneten ihre Reederei scherzhaft „The Scottish Navy“.

Im Jahr 1956 gab es einen Zusammenschluss mit der Union-Castle Line.

Mit der „Containerisierung“ des Schiffsverkehrs begann der Niedergang der Reederei. Das letzte Schiff wurde 1981 verkauft.

Clan Munroe 1918

SS „Clan Munroe” (III), 5919 BRT, Baujahr 1918; Quelle : State Library of Queensland (John Oxley Library) über commons.wikimedia.org

Caledonia Investments

Heute ist das Unternehmen eine Investmentgesellschaft: Caledonia Investments.

Das Firmengebäude befindet sich in der Nähe des Buckingham Palast in 30 Buckingham Gate. Das überaus sehenswerte Familienarchiv (The Cayzer Family Archive) und die im Gebäude ausgestellten Exponate können es mit einem Museum leicht aufnehmen. Es ist nach Anmeldung während der Bürostunden zu Forschungszwecken zugänglich.

Viele Informationen liefert auch die Webseite von The Cayzer Family Archive:
www. cayzer.com

Anmerkung: Im September 2019 hatte ich bei einem London Aufenthalt die Gelegenheit, das Archiv zu besuchen. Ein echtes Highlight, das mir in bester Erinnerung bleiben wird. Die Exponate sind wirklich sehr sehenswert, auch weil die verwandtschaftlichen Beziehungen der Familie bis in die britische Admiralität hineinreichten.

Leider sind im Archiv über das kurze Management der „Kerman“, exFürth keine Unterlagen vorhanden.

Clan Line 1917

Anzeige von Cayzer, Irvine & Co. im Year-Book of Wireless Telegraphy and Telephony, Quelle: https://www.gracesguide.co.uk/Cayzer,_Irvine_and_Co

Chittagong

Die erste Verbindung von Cayzer, Irvine & Co. führte von Glasgow und Liverpool nach Britisch Indien und dort bis nach Calcutta und später bis Chittagong (siehe Anzeige oben).

Die Informationen zu Chittagong sind im Vergleich zu anderen Städten Britisch Indiens sehr spärlich:

Im Jahr 1901 hatte Chittagong gerade einmal 22,140 Einwohner. Die Stadt liegt am Karnaphuli River etwa 12 Meilen von der Mündung entfernt. Der Fluss war für große Seeschiffe bis Chittagong schiffbar, für die Flussschifffahrt deutlich weiter flussaufwärts.

Chittagong war nicht nur Hafenstadt, sondern auch Endbahnhof der Assam-Bengal-Eisenbahn. Die Gesellschaft war 1892 gegründet worden und verband die Teeanbaugebiete in Assam mit dem Seehafen Chittagong.

Exportprodukte aus Chittagong waren vor allem Jute, daneben Tee, Rohbaumwolle, Reis und Häute. Über Jute hatte ich hier geschrieben: Die „Kerman“, exFürth in Calcutta

Der gleichnamige Distrikt Chittagong lag zwischen dem Meer und der burmesischen Grenze. Hier lebten 1901 gut 1,3 Millionen Menschen.

Gerne hätte ich Ihnen Bilder der Stadt Chittagong zu Beginn des 20. Jahrhunderts präsentiert, muss Sie aber leider enttäuschen – ich habe schlicht keine gefunden.

Map of Bengal 1880

Karte von Bengalen, 1880, G. U. Pope, Textbook of Indian History; https://en.wikipedia.org/wiki/File:Pope1880BengalPres2.jpg

Seit April 2018 heißt Chittagong offiziell Chattogram. Die Stadt liegt in Bangladesh, der Ballungsraum hat etwa 4 Mio. Einwohner (2021). Der Hafen von Chattogram ist der drittgrößte in Südasien nach Mumbai und Colombo.

International bekannt ist Chattogram vor allem durch die Textilindustrie und das Abwracken von Schiffen an der Küste. Das sogenannte Beachen bezeichnet das Auffahren der Schiffe auf den Strand und das Zerlegen ohne jegliche Sicherheitsstandards für Arbeiter und Umwelt.

Die „Kerman“, exFürth in der Liste der Britischen Handelsmarine

Ein Dokument aus dem Jahr 1918, in dem wir die „Kerman“, exFürth wiederfinden, ist die Mercantile Navy List, also eine Liste der Britischen Handelsmarine aus dem Jahr 1918.

Kerman, exFürth 1918

Mercantile Navy List, 1918, S. 302, Great Britain, Registrar General of Shipping and Seamen, Memorial University of Newfoundland, Digital Archives Initiative; https://collections.mun.ca/digital/collection/mha_mercant/id/18226/rec/42

Die beiden Sternchen vor dem Namen verweisen auf den alten Namen (foreign name) „Fürth“, der in der Fußzeile unten rechts wiedergegeben ist.

Mit der neuen Registrierung in London im Jahr 1915 hatte die „Fürth“ auch ein neues Unterscheidungssignal erhalten: J.H.T.K. Über das Unterscheidungssignal hier mehr: Das Unterscheidungssignal der „Fürth“

Anschließend folgen in der Liste Bauort (Flensburg), Baujahr (1907), Material (Steel), Maße, Registertonnen (netto und brutto) sowie die Motorisierung (290). Sc. steht für Screw, also Schraubenantrieb.

Anmerkung: Die Motorisierung ist hier mit 290 angegeben, das ist die nominale Pferdestärke (nominal horse power). Die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft hatte die „Fürth“ mit 2200 PS angegeben. Zur komplexen Umrechnung der nominalen Pferdestärke in PS siehe: https://www.paxmanhistory.org.uk/nhp-defn.htm#NHPtoHP

In der rechten Spalte schließlich ist der Eigentümer vermerkt, die British Tanker Co. Lim. im Gresham House in der Old Broad Street in der Londoner City. Charles Greenway war Geschäftsführer der Anglo-Persian Oil Company und auch der Tochtergesellschaft British Tanker Co., in die die Tankerflotte 1915 ausgelagert worden war.
SIEHE: Die „Kerman“, exFürth in der Flotte der British Tanker Company…

Über das Management der Schiffe macht die Liste leider keine Angaben.

Demnächst im Blog

erfahren Sie fast alles über die Geschichte der Vaseline.

Das seinerzeit noch in New York City von der Chesebrough Manufacturing Company hergestellte Produkt wurde mit Schiffen nach Europa transportiert.

Eines dieser Schiffe war im Frühjahr 1919 die „Kerman“, exFürth, die eine große Ladung davon von New York in das walisische Swansea beförderte.