Diyatalawa camp. Ceylon

Gefangenschaft auf Ceylon – Mannschaftsmitglieder der „Fürth“ berichten

Das Lager Ragama bei Colombo

Strenge Vorschriften

Am 18. August 1914 wurde die Mannschaft der „Fürth“ bis auf einige wenige Besatzungsmitglieder von bewaffneten Truppen vom Schiff, das im Hafen von Colombo lag, geholt und ins das Lager Ragama gebracht. Siehe: Die „Fürth“ in Colombo: 11. bis 18. August 1914

ceylon, Ragama Camp and Diyatalawa Camp (yellow dot)

Karte von Ceylon, heute Sri Lanka, Südteil, etwa 1914. Ragama (auf der Karte gelb eingekreist) liegt an der Westküste in der Nähe von Colombo. Der gelbe Punkt ist der Ort des größten Lagers auf Ceylon: Diyatalawa. Baedeker, Karl: Indien. Handbuch für Reisende. Verlag Karl Baedeker, Leipzig, 1914, p. 6 f. Quelle: commons.wikimedia.org/wiki/File:Ceylon_(ca_1914).jpg

Zunächst lassen wir Kapitän W. Richter zu Wort kommen, der das Gefangenenlager Ragama in seinem Bericht kurz beschreibt (Hamburger Nachrichten, 16. Dezember 1914, S. 3):

„Ragama ist ein auf einem hohen Hügel liegender Truppenübungsplatz, umgeben von Reisfeldern. Es herrscht daher dort feuchte und ungesunde Luft, so daß unter den dort festgehaltenen Leuten einige Fälle von Malaria vorkamen. Ragama ist bekannt aus dem Burenkriege, weil die gefangenen Deutschen, die zusammen mit den Buren gekämpft hatten, dort gefangen gehalten wurden. Die Behandlung der Gefangenen durch die englische Regierung war nicht schlecht. Sie wurden von eingeborenen Truppen bewacht. Das Essen, das meine Leute erhielten, war gut, da es mir, der ich als Nichtmilitärpflichtiger an Bord der Fürth zurückgeblieben war, auf mein Ersuchen gestattet worden war, ihnen Proviant vom Schiffe zukommen zu lassen. Meine Leute hatten daher genug zu essen. Sonst war das gelieferte Essen sehr knapp und mäßig.“

Diyatalawa camp. Ceylon

Diyatalawa camp. Ceylon. Blick nach Süden. Quelle: The National Archives UK, Ref.: CO 1069-588-1.

Eine andere Einschätzung

Die Beschreibung des Lagers klingt dann von den direkt betroffenen Mannschaftsmitgliedern ganz anderes, vor allem was die Versorgungslage betrifft. Die Zitate stammen aus dem Bericht eines Assistenten und des dritten Maschinisten der „Fürth“ (Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 31. Oktober 1914, S. 3).

„Im Lager von Ragama wurden wir in Hütten untergebracht, die zum Teil noch aus der Zeit des Burenkrieges herrührten, und in Gruppen eingeteilt, die sich einen Vorstand zu wählen hatten. Wir wurden mit Eß-, Koch- und Waschgeschirr ausgerüstet und erhielten als Proviant rohes Fleisch, Zwiebeln, Kartoffeln, etwas Reis, eine Dose Milch pro Tag und Tisch, Brot, Tee und ein wenig schlechten Zucker. Als Kochstätte improvisierten wir einen Herd im Erdboden aus Ziegeln, und als Heizmaterial lieferte man uns Holz in großen Blöcken. Die Rationen waren sehr klein, und wenn uns der Kapitän der „Fürth“ nicht anfangs mit Lebensmitteln versorgt hätte, wären wir halb verhungert. Qualvoll war auch das ewige Einerlei der Speisekarte. Täglich bekamen wir genau das Gleiche. Eine Abwechslung im Fleisch trat erst in den letzten Tagen ein, als man uns auf unter Bitten Lammfleisch verabreichte. Außer der Mittagsmahlzeit genossen wir nur Tee und trockenes Brot. Von der Kantine, die auf unsere Beschwerden eingerichtet wurde, konnten wir keinen Gebrauch machen, da die Preise lächerlich hoch waren. Als Lagerstätte war jedem von uns ein Feldbett zugewiesen worden, mit einem Kissen, einer Seegrasmatratze und einer Decke.“

Ragama Camp, Ceylon

Postkarte an einen Gefangenen, kurz POW oder „Prisoner of War“ im Lager Ragama, Burenkrieg, 1902, Quelle: commons.wikimedia.org

Weiter berichten die beiden Besatzungsmitglieder der „Fürth“ von ihrem eintönigen Aufenthalt im Gefangenenlager Ragama:

„Die Vorschriften, nach denen wir uns zu richten hatten, waren außerordentlich streng, aber über die Behandlung durch die schwarzen Aufseher haben wir uns nicht zu beklagen und Bestrafungen kamen in unseren Abteilungen nicht vor. Mit den schwarzen Polizeisoldaten standen wir auf gutem Fuß. Sie zeigten sich eher deutsch- als engländerfreundlich und erleichterten uns unsere Lage nach Möglichkeit. Das ging sogar manchmal so weit, daß sie von ihren Vorgesetzten bestraft wurden. Auch wir versuchten alles, um über die Trübsal unserer Lage hinwegzusetzen, indem wir Spiele arrangierten. Mit Genauigkeit wurde die Ordnung des Tages eingehalten, die mit Weckruf, Aufruf, Proviantverteilung, Kochen der Mahlzeiten, wieder Aufruf wechselte. Um 6 ½ Uhr mußte alles in den Hütten sein und um 10 Uhr wurde das Licht gelöscht. Unter unseren Leidensgefährten, die es um nichts besser hatten als wir, befanden sich auch ein Sohn des Generalobersten v. Kessel, ein Freiherr v. Massenbach und ein Freiherr v. Vetter. Sie waren als Pflanzerangestellte drüben tätig gewesen und waren auf der Reise in die Heimat von den Engländern abgefaßt worden. Auch ein österreichischer Ober-Stabsingenieur, der aus der Heimat kommend seine Dienststelle auf dem Kreuzer Kaiserin Elisabeth“ hatte antreten wollen, war unter ihnen. Uns wurde als Warnung für unser Verhalten erzählt, der englische Kommandant des Gefangenenlagers habe gedroht, wenn die Engländer in Deutschland noch weiter so schlecht behandelt würden, wie es ihm zu Ohren gekommen sei, so werde er mal zehn Mann von uns auslosen! Was daß heißen sollte, war uns klar.

Von den wahren Kriegsereignissen erfuhren wir nichts; nur schlimme Botschaften wurden uns vorgelogen, auch Briefe gelangten nicht in unsere Hände.“

Die Bezeichnung „drüben“ in dem Bericht dürfte sich auf Niederländisch-Indien, das heutige Indonesien, beziehen.

Diyatalawa Camp Ceylon

Diyatalawa Camp auf Ceylon, Zeitungsartikel mit Verwendung des Fotos von A. W. Andree (s.o.) Quelle: www.angloboerwar.com/other-information/89-prisoner-of-war-camps/1839-camp-for-boers-ceylon-sri-lanka

Ende der Gefangenschaft

Die Leidenszeit der beiden Besatzungsmitglieder der „Fürth“ war dann nach sechs Wochen beendet:

„Erst nach sechs trostlosen Wochen der Ungewißheit über unsere Zukunft und über das Schicksal des Vaterlandes, unter drückenden Beschränkungen der Lebensweise bei mangelhafter Beköstigung und umgeben von ungesundem Klima erlöste uns der Nachweis unserer Militäruntauglichkeit aus unseren Nöten.

Auf Bemühen des amerikanischen Konsuls, an den wir uns gewandt hatten, wurde uns von der englischen Regierung endlich die Rückreise in die Heimat gestattet.“

Die beiden Mannschaftsmitglieder der „Fürth“ mussten bis zum 1. Oktober 1914 in dem Gefangenenlager Ragama verbringen.

Über die Fahrt der beiden Augenzeugen nach Europa berichte ich demnächst hier im Blog.

4 Gedanken zu „Gefangenschaft auf Ceylon – Mannschaftsmitglieder der „Fürth“ berichten

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