Die Namensgebung der Schiffe
Vor einigen Wochen habe ich hier im Blog das Schwesterschiff „Plauen“ vorgestellt. Die Zusammenfassung der Geschichte dieses Dampfschiffes finden Sie hier: Schwesterschiffe der „Fürth“: die „Plauen“
Inzwischen habe ich noch ein paar Nachforschungen in Plauen angestellt, über die heute berichte.
Eine Frage, die mich schon lange interessiert, aber auf die ich bislang keine zufriedenstellende Antwort erhalten habe, ist die, wie die Namensgebung der Schiffe vor sich gegangen ist.
Die „Fürth“
Von dem Schiff „Fürth“, dem Hauptthema dieses Blogs, ist aus der Fürther Stadtchronik Paul Käppners nur dieser Eintrag bekannt:
(26.) Die deutsch-australische Dampfschiffahrtsgesellschaft – Sitz in Hamburg – hat auf Anregung der hiesigen Firma Ullmann und Engelmann einem ihrer Frachtdampfer den Namen „Fürth“ gegeben.
Quelle: http://www.dr-alexander-mayer.de/downloads/chronik-1887-1911.pdf, Eintrag vom 26. Februar 1908
Auch im Stadtarchiv ist über das Schiff „Fürth“ nicht zu finden, außer einer Abbildung des Schwesterschiffs „Hagen“, dass sich aber dort ohne eine Bezugnahme auf das Schiff „Fürth“ befindet.

Titelseite des Kataloges der Fa. Ullmann und Engelmann 1902; der vollständige Katalog auf https://optical-toys.com
Die „Reichenbach“
Im Fall des Schiffes „Reichenbach“, ebenfalls einem Schwesterschiff der „Fürth“ liegt die Namengebung noch mehr im Dunkeln. Siehe Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Reichenbach“. Auch in der mit großer Wahrscheinlichkeit namensgebenden Stadt Reichenbach im Vogtland ist das Schiff im Stadtarchiv nicht bekannt. Weitere Nachforschungen in Reichenbach (Vogtland) als auch in Reichenbach am Eulengebirge sind bislang im Sande verlaufen.

Mit freundlicher Genehmigung des © Maritime Museum of Tasmania, Cyril Smith Collection vol. 11., https://ehive.com/collections/3906/objects/842355/reichenbach
Die „Plauen“
Einen neuen Anlauf nahm ich dann in der Stadt Plauen, die erst im Jahr 2013 die Patenschaft für eine Einfahrbesatzung des Unterseebootes U36 der Deutschen Marine übernommen hatte und – so mein Gedanke – sich vielleicht auch noch an diese ältere Schiffspatenschaft erinnert.
Leider ist aber auch im dortigen Stadtarchiv nichts über die Patenschaft mit einem Dampfschiff bekannt gewesen. Eine Mitarbeiterin der Stadt war dann so freundlich, meine Anfrage an die Vogtlandbibliothek weiterzuleiten, die über ein vollständiges Archiv der lokalen Tageszeitungen verfügen.
In der Tat kamen dann im Archiv der Bibliothek zwei Artikel ans Licht. An dieser Stelle herzlichen Dank für die Unterstützung aus Plauen.
Beide Artikel sind vom 6. März 1907, dem Tag als auch die Nachricht in den Altonaer Nachrichten erschienen war. Hier nochmal die Meldung aus Hamburg:
Stapellauf
Am Montag mittag fand auf der Schiffswerft zu Flensburg der Stapellauf eines der für die Deutsch-australische Dampfschiffahrtsgesellschaft in Hamburg erbauten Dampfers statt. Er erhielt in der Taufe durch Fräulein Oeberg-Helsingborg den Namen „Plauen“. Die Tragfähigkeit des Schiffes beträgt 7000 Tons.
Altonaer Nachrichten, Mittwoch 6. März 1907, Nr. 109, Morgen-Ausgabe, S. 3

Das Dampfschiff „Plauen“, © National Library of Australia (State Library of New South Wales), Reference code 456726
Die lokalen Medien
Die Zeitung Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt vom 6. März 1907 berichtete ebenfalls darüber, gibt aber leider keine zusätzlichen Informationen preis:
Plauen auf dem Weltmeere.
Auf der Flensburger Schiffswerft stand am Montag der Stapellauf eines für die Deutsch-Australische Dampfschiffahrtsgesellschaft in Hamburg erbauten Dampfers statt, dessen Tragfähigkeit 7000 Tons beträgt. Das Schiff erhielt den Namen „Plauen“. Quelle: Vogtlandbibliothek Plauen
Interessanter ist der zweite Artikel in der Neuen Vogtländischen Zeitung vom 6. März 1907:
Stapellauf des Dampfers „Plauen“.
Leipziger Blätter bringen nachstehende Nachricht aus Hamburg: „Auf der Flensburger Schiffswerft stand heute der Stapellauf eines für die Deutsch-Australische Dampfschiffahrts-Gesellschaft in Hamburg erbauten Dampfers statt, dessen Tragfähigkeit 7000 Tons beträgt. Das Schiff erhielt den Namen „Plauen“. Da es neben unserer Spitzenstadt Plauen nur noch ein Plauen bei Dresden gibt, das jedoch seine Selbständigkeit vor kurzem aufgegeben hat, indem es Dresden einverleibt worden ist, so liegt die Vermutung nahe, daß man, vorausgesetzt daß die Nachricht richtig ist, mit der Taufe des Schiffes auf den Namen Plauen unsere Stadt ehren will. Sonderbar wäre nur, daß man unsere Stadtverwaltung von der Ehrung nicht in Kenntnis gesetzt hat. Sonst ist es Sitte, daß auf diese Weise zu Ehrenden erst um ihr Einverständnis befragt und auch zur Schiffstaufe eingeladen werden. Das ist in diesem Falle jedoch nicht der Fall gewesen, weshalb die Nachricht für Plauen und seine Stadtverwaltung mindestens eine kleine Überraschung ist.“ Quelle: Vogtlandbibliothek Plauen
Fragen bleiben offen
Der Artikel drückt viel Skepsis und Unglauben aus: „Leipziger Blätter bringen…“ oder „vorausgesetzt, daß die Nachricht richtig ist“; die Redakteure hatten also definitiv noch nichts von dem Schiff „Plauen“ gehört.
Das im Artikel genannte Plauen bei Dresden hatte im Jahr 1900 gerade einmal 12.000 Einwohner, war aber bereits am 1. Januar 1903 zu Dresden eingemeindet worden. Industrie oder Handel, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Australien exportiert haben könnten, konnte ich dort nicht aufspüren.
Außerdem hatte die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft ihre Schiffe nach solchen Städten benannt, „die im Baedeker nicht gerade zu den empfohlenen Reisezielen zählen, dafür aber Standorte großer Industrieunternehmen waren“. Zitat R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888-1926 (1984). Damit fällt die Wahl sehr eindeutig auf Plauen im Vogtland.
Die zu Beginn gestellte Frage, wie denn die Patenschaft und die Schiffsbenennung zustande kam, ist leider nach wie vor unbeantwortet, einzig die Stadtverwaltung und die Lokalpresse können wir nun in diesem Fall ausschließen.

Elsterthalbrücke und Barthmühle bei Plauen, ca. 1890 -1900, Detroit Publishing Co., Views of Germany; Quelle: Library of Congress, https://lccn.loc.gov/2002720601
Das Schiff „Remscheid“
Auch die ausgebliebene Einladung von Stadtvertretern war zumindest kein Einzelfall. Dazu ein dokumentierter Fall aus Remscheid:
„Auf Drängen der Remscheider Kaufmannschaft wandte sich die Stadt Anfang April 1914 an den Norddeutschen Lloyd und bat um die Benennung eines Dampfers mit dem Namen Remscheid.“
Der Norddeutsche Lloyd (NDL) kam dieser Bitte auch nach, jedoch war man bei der Stadt Remscheid nicht damit zufrieden, dass „nur“ ein Frachtschiff im Ostasienverkehr und kein Passagierdampfer den Namen der Stadt tragen sollte.
„In den nächsten Monaten folgen mehrere Schreiben der Stadt an NDL mit der Bitte, doch einen Passagierdampfer mit dem Namen RS zu versehen. Das wurde aber von NDL abgelehnt. Stattdessen folgte im März 1915 die Information an die Stadt, dass der Frachter inzwischen von Stapel gelaufen sei (die Stadt hatte dazu keine Einladung erhalten).“
Quelle der beiden Auszüge: http://www.waterboelles.de/archives/11862-Als-Schiffe-den-Namen-Remscheid-trugen.html
Die Frage nach einem Fracht- oder Passagierschiff stellte sich bei einer Anfrage bei der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft jedoch nicht; die Reederei hatte das Auswanderergeschäft bereits 1894 eingestellt und nur Frachtschiffe in Verkehr. Siehe dazu den Artikel Plakatwerbung
Anm.: Weitere Infos zum Schiff „Remscheid“ mit zahlreichen Abbildungen: www.messageries-maritimes.org/yangtse2.htm (in französischer Sprache) oder hier: http://www.wikiwand.com/de/Remscheid-Klasse

Anzeige zum Stapellauf der „Plauen“ in den Altonaer Nachrichten vom 06. März 1907; Quelle: theeuropeanlibrary.org
Fräulein Oeberg-Helsingborg
Unbeantwortet bleibt im Fall der Benennung des Dampfschiffes „Plauen“ auch die Frage: Wer war Fräulein Oeberg-Helsingborg?
Dieses Fräulein mit dem ungewöhnlichen Namen hatte nach dem Bericht der Altonaer Nachrichten die Schiffstaufe durchgeführt. Wer könnte sie gewesen sein?