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Barry Docks, Walküre, 1908

Das Missgeschick der „Walküre“ und die „Kerman“, exFürth in Barry (Wales)

Ein spektakulärer Unfall im Hafen von Barry im August 1908

Titelbild: Die „Walküre“ in den Barry Docks, Quelle: People’s Collection Wales, © Llyfrgell Genedlaethol Cymru; https://www.peoplescollection.wales/items/400679

Auf der vergangenen Fahrt hatte die „Kerman“, exFürth eine große Ladung Zucker von New Orleans nach Bordeaux gebracht. SIEHE: Zucker für Frankreich: Die „Kerman“, exFürth in New Orleans und Bordeaux

Das Entladen begann nach der Ankunft am 23. September 1916 und dürfte gut zwei Wochen in Anspruch genommen haben.

Die „Kerman“, ex Fürth ist anschließend nach Newport (Wales) gelaufen. Dort ist ihre Ankunft in der Liverpool Daily Post vom 16. Oktober 1916 (S. 2) dokumentiert.

Der Stopp in Newport war allerdings nur kurz, denn am 18. Oktober 1916 berichtet die Western Mail in Cardiff, dass die „Kerman“ nach Barry segelte.

Hier hat die „Kerman“, exFürth 5000 Tonnen Kohlen geladen, bevor sie am 25. Oktober die Barry Docks mit Ziel Marseille verließ.

Die Ankunft in Marseille war dann am 6. November 1916 (Le Petit Provençal vom 7. Nov. 1916).

Aufsehenerregend war ein Schiffsunglück der besonderen Art über acht Jahre zuvor, am 13. August 1908. Beim Beladen des Dampfschiffes „Walküre“ mit Kohlen, kippte dieses zur Seite und musste mit viel Aufwand wieder aufgerichtet werden:

Unfall Walküre, Neue Hamburger Zeitung

Neue Hamburger Zeitung, 15. Aug. 1908, S. 11

Über dieses ungewöhnliche Unglück und die besondere Bauart dieses Schiffes weiter unten im Text mehr.

Barry Docks from the Island

Die Barry Docks von Barry Island aus gesehen. Im Bild das Dock no. 1, das 1889 eröffnet wurde; mit freundlicher Genehmigung der Penarth Dock Collection; http://www.penarth-dock.org.uk/08_15_070_02.html

Der Hafen von Barry (Barry Docks)

Das walisische Barry war zu Beginn des 20. Jahrhunderts einer der größten Kohlehäfen Europas. Sehen wir uns die, zumindest in Deutschland, kaum bekannte Geschichte dieses Hafens kurz an.

Die Barry Docks

Südwales wuchs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem der wichtigsten Kohleabbaugebiete weltweit heran. In der Folge waren die Hafenanlagen für den Kohlenexport in der walisischen Hauptstadt Cardiff immer stärker überlastet.

Einige Bergwerksbesitzer unter Führung von David Davies gründeten daraufhin eine eigene Eisenbahngesellschaft (Barry Railway Company), die das Kohlenrevier Rhondda Valley mit Barry verband, das etwa 8 Meilen südwestlich von Cardiff liegt. Außerdem planten sie in Barry Hafenanlagen (Barry Docks), mit deren Bau 1884 begonnen wurde.

Dock 1 wurde am 18. Juli 1889 eingeweiht: die Hafenanlagen hatten eine Fläche von 73 Acres (0,3 km2, mit einem Hafenbecken von 7 acres) und konnten die damals größten Schiffe aufnehmen. Dock 2 kam im Jahr 1898 hinzu (34 Acres).

Die Barry Docks verfügten über 30 Kohlenkipper und vor dem Ersten Weltkrieg wurden von hier rund 11 Millionen Tonnen Kohle exportiert.

Barry Docks 1889

Barry Docks, Dock No. 1 mit Kohlenkippern (tips) vor der Eröffnung im Jahr 1889; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Barry_Docks4.jpg

By 1913 Barry had become the largest coal exporting port in the world.
Quelle: Barry Town Council/Cyngor Tref Y Barri; http://www.barrytowncouncil.gov.uk/history.php?Action=History

Zum Vergleich: Im Jahr 1907 wurden in Rotterdam und Antwerpen etwa je 10 Millionen Netto-Registertonnen umgeschlagen, in Hamburg 12 Mio. t.

Die Stadt Barry wuchs zu dieser Zeit explosionsartig : Die Encyclopedia Britannica (1911) gibt für das Gebiet von Barry im Jahr 1881 gerade einmal 500 Einwohner an; für das Jahr 1901 hingegen bereits 27.030.

Barry Docks 1901

Die Barry Docks: Dock 1 (links) und Dock 2 (rechts) die Zufahrt erfolgte über das Gezeitenbecken im Bild unten; die fächerförmigen Linien oberhalb der Hafenbecken sind die Bahnschienen zu den Kohlenkippern; Quelle: People’s Collection Wales, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Barry_Docks_1901.jpg

 

Dank: An dieser Stelle danke ich David, dem Betreiber der Internetseite http://www.penarth-dock.org.uk/  für sein Einverständnis, einige Bilder seiner Sammlung über die Barry Docks und das Schiff „Walküre“ hier zu zeigen. Auf seiner Seite finden Sie auch die ganze Geschichte der Barry Docks und der benachbarten Penarth Docks.

 

Das Dampfschiff „Walküre“

Der Frachtdampfer „Walküre“ war erst im März 1908 für die Oceana Reederei in Hamburg fertiggestellt worden.

Das Schiff hatte 3932 BRT (2475 netto) bei einer Länge von 349,1 Fuß (106,4 m). Angetrieben wurde es durch eine Dreifach-Expansionsdampfmaschine mit 310 nhp (nominale Pferdestärke) über eine Schraube.

Im August 1908 kam die „Walküre“ mit einer großen Ladung Holzdielen aus Kovda (Kowda). Die Ladungsmenge wurde in einem Artikel der Barry Dock News mit 1,900 Standard angegeben. Kovda liegt in Russland südlich der Kola-Halbinsel am Weißen Meer, sozusagen in Europa ganz oben.

Die Holzladung war für Durban (Südafrika) bestimmt und das Schiff sollte in Barry 1.500 Tonnen Bunkerkohlen für die Weiterfahrt aufnehmen.

Die „Walküre“ lag am Donnerstag, den 13. August 1908 unter dem Kohlenkipper Nr. 28 in Dock 2 der Barry Docks.

Nachdem 563 Tonnen Kohle an Bord gebracht worden waren, kippte das Schiff plötzlich zur Seite.

Walküre, Barry Docks

Die gekenterte „Walküre“ im Hafen von Barry; mit freundlicher Genehmigung der Penarth Dock Collection; http://www.penarth-dock.org.uk/08_15_070_02.html

Zum Glück für die „Walküre“ und vor allem für die auf und in dem Schiff beschäftigten Arbeiter, blieb das Schiff beim Umkippen mit den Masten an einem nebenan liegenden Frachter, der SS „Trevesa“, hängen.

Das verhinderte ein stärkeres Kippen und rettete sehr wahrscheinlich den Arbeitern das Leben. Alle kamen mit dem Schrecken ohne größere Verletzungen davon. Fünf Arbeiter fielen vom Deck ins Wasser und konnten herausgefischt werden. Alle mit dem Trimmen der Kohlen im Schiffsrumpf beschäftigten Arbeiter konnten ebenfalls aus ihrer misslichen Lage befreit werden.

Walküre, Barry Docks 1908

Postkartenansicht des Barry Docks no. 2 mit der gekenterten „Walküre“, Aufnahme vermutlich von Freitag 14. August 1908, im Bild außerdem die beiden Schlepper „Windsor“ und „Lady Salisbury“; mit freundlicher Genehmigung der Penarth Dock Collection; http://www.penarth-dock.org.uk/08_15_070_02.html

Am Freitag wurde mit dem Rettungseinsatz begonnen. Die beiden Schlepper „Windsor“ und „Lady Salisbury“ kamen zu Hilfe und es wurde begonnen, Wasser aus dem Schiff zu pumpen. Allerdings waren auf der Seite Mannlöcher offen, die jetzt unter den Kohlen lagen. So musste erst Holz und Kohlen abgeladen werden, bevor diese Öffnungen verschlossen werden konnten. Mit zusätzlicher Hilfe von vier Lokomotiven wurde dann am Sonntag versucht, das Schiff wieder aufzurichten. Allerdings musste zunächst weiteres Wasser aus dem Schiff abgepumpte werden und es dauerte schließlich bis Montagmittag, bis das Schiff sich wieder in einer sicheren, aufrechten Position befand.
Informationen zum Rettungseinsatz nach: Barry Dock News, 21. Aug 1908;
Quelle: http://www.penarth-dock.org.uk/08_15_070_02.html

Bei der Entscheidung des Seeamtes Hamburg im Jahr 1909 wurde der Kapitän von einem Verschulden des Unfalls freigesprochen:

Walküre Unfall 1908

Seeamt Hamburg, Entscheid zum Unfall der Walküre (Kurzfassung): HANSA, Deutsche Nautische Zeitschrift 1909, S. 852-853; http://www.digishelf.de

Turmdecker

Die „Walküre“ war ein sogenannter Turmdecker (turret deck ship), ein ungewöhnlicher Schiffstyp, der im letzten Jahrzehnt des 19. und im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in England gebaut wurde.

Das Konzept war eine Weiterentwicklung der sogenannten Walrücken, einem Schiffsdesign, das in den 1880er Jahren auf den Great Lakes in Nordamerika entwickelt worden war.

SS Sagamore, whaleback

SS „Sagamore“, ein Schiff im „Walrückendesign“, Aufnahme zwischen 1892-1901, Obere Seen, USA; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:SS_Sagamore.jpg

Einer dieser Walrücken, die SS „Charles W. Wetmore“ machte im Jahr 1891 eine Reise nach Liverpool und zwei Jahre später lief bei William Doxford and Sons Ltd. in Sunderland der erste Turmdecker vom Stapel. Die Werft hatte ein Patent auf diesen Schiffstyp angemeldet und so wurden 176 der von insgesamt 180 existierenden Turmdeckern bei Doxford gebaut.

Die Schiffe hatten kein Dollbord, der Schiffsrumpf lief vielmehr über der Ladelinie in einer Krümmung nach innen bis zu einer horizontalen Fläche, dem Hafendeck. Von dort wiederum war der Schiffkörper aufwärts gekrümmt bis zum Turmdeck. Dieses hatte nur etwa halbe Schiffsbreite, hier befanden sich auch die Ladeluken (siehe dazu die Abbildung SS „Tulloch Moor“).

SS Tulloch Moor

SS „Tulloch Moor“, typisches Beispiel eines Turmdeckers, Aufnahme aus Encyclopedia Britannica 1911; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:EB1911_Ship,_Turret_Steamer,_Tulloch_Moor.jpg

Ein wesentlicher Vorteil des Designs war ein sehr günstiges Verhältnis zwischen Raummaß (Nettoregistertonnen) und Tragfähigkeit, was bis in das Jahr 1911 deutlich geringe Kanalgebühren beim Passieren des Suezkanals nach sich zog. Mit der Änderung der Vermessungsregeln im Jahr 1911 fiel dieser Vorteil weg und es wurden keine Turmdecker mehr gebaut.

Mehr Informationen über die Kanalgebühren und den Schiffsmessbrief für die Kanalfahrt (Suez Canal Special Tonnage Certificate) finden Sie hier: Der Suezkanal-Messbrief des Dampfschiffes „Fürth“

Der Nachteil war, dass bei hoher Beladung mit Schwergut der Schwerpunkt des Schiffes sehr hoch lag, was zu Instabilitäten führte. Das Kentern der „Walküre“ in den Barry Docks ist das beste Beispiel dafür.

Dennoch hatten zumindest einige Turmdecker eine lange Karriere.

Das letzte Schiff dieser Art soll übrigens unter deutscher Flagge in Erzfahrt nach Nordeuropa unterwegs gewesen sein:

Die 1906 bei Doxton für Bowles Bros. (London) gebaute SS „Nonsuch“, lief ab 1938 als „Hermann Fritzen“ unter der Flagge der Reederei Johs. Fritzen und Sohn (Stettin, später Emden) bis in das Jahr 1959.

Das Schiff wurde im 1. Quartal 1960 bei Eckhardt & Co. in Hamburg abgebrochen.
Quelle: http://sunderlandships.com/view.php?ref=101184

 

Barry Docks um 1900

Barry Docks mit Kohlenkipper (rechts im Bild), Gemälde des Marinemalers William Lionel Wyllie, um 1900; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Barry_Docks,_South_Wales,_c._1900,_William_Lionel_Wyllie.jpg

Rotterdam 1904

Im Hafen von Rotterdam (1908)

Die Zufahrt, der Rheinhafen, die Ausstattungen am Kai und viele Gebühren

 

Titelbild: Panorama von Rotterdam aus dem Jahr 1904, Gemälde von E. Hesmert, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Panorama_van_Rotterdam_door_E._Hesmert,_1904.jpg

Zum Bild: Das Stadtzentrum Rotterdams befindet sich am oberen Bildrand über dem Fluss Nieuwe Maas, der von rechts nach links durch das Bild in Richtung Meer fließt. Ganz unten ist das große Becken des Maashaven zu sehen. Schräg rechts darüber ist das Becken des Rheinhafens (Rijnhaven). In diesem befanden sich die Anleger der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft.

Im Jahr 1908

Heute geht es im Blog mit der Zeitmaschine in das Jahr 1908 und zwar in den Hafen von Rotterdam.

Rotterdam wurde von der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) auf der Ausreise nach Australien bedient und zwar auf den Linien 1, 2 und 7.
Zu den Linien siehe:
Die Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft 1914

Auf der Rückreise von Australien war dagegen Amsterdam die regelmäßige Station in den Niederlanden.

Von Rotterdam liefen die Schiffe der DADG dann regelmäßig nach Antwerpen und von dort nach Südafrika oder auch nonstop nach Australien.

Hamburg, Rotterdam, Antwerpen

Vom Warenumschlag her waren die Häfen Hamburg, Rotterdam, Antwerpen Anfang des 20. Jahrhunderts etwa gleichauf, mit leichten Vorteilen für Hamburg. Im Jahr 1907 wurden in Rotterdam und Antwerpen etwa je 10 Millionen Netto-Registertonnen umgeschlagen, in Hamburg 12 Mio. t.

An einsamer Spitze in Europa lag damals London mit gut 17 Mio. t. In der gleichen Liga wie Hamburg, Rotterdam und Antwerpen spielten Liverpool (11,6 Mio. t) und interessanterweise Cardiff (10,6 Mio t). Hier war der Löwenanteil der Tonnage auf den Kohlenexport zurückzuführen.

Zum Vergleich: Im Jahr 2019 war Rotterdam der größte Hafen Europas. Der Warenumschlag wird mit 469,4 Mio. t angegeben.
Quelle: https://www.portofrotterdam.com/

Der Hafen von Rotterdam 1908

In diesem Blogartikel geht um die Zufahrt zum Hafen, um die Hafenanlagen und Hafeneinrichtungen sowie um eine ganze Reihe verschiedener Abgaben.

Der Hafen befand sich damals unter der Regie der Gemeinde Rotterdam (Gemeentelijke Handelsinrichtingen). Für die Hafennutzung mussten die Reedereien, Makler, Speditionen und andere Hafennutzer an die Gemeinde Gebühren und Steuern zahlen.

H.A. van Ysselstein

Zusammengestellt habe ich die Informationen aus einem Buch, welches 1908 erschienen ist und das ich in der Bibliothek der Technischen Universität Krakau gefunden habe.

Der Hafen von Rotterdam, H. A. van Ysselstein, 345 S., 3. Auflage 1908, Rotterdam (Nijgh & Ditmar’s Verlags Anstalt);
Quelle: Biblioteka Politechniki Krakowskiej, https://repozytorium.biblos.pk.edu.pl/;
Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

Der Autor H. A. van Ysselstein war „Vice-Direktor des Städtischen Bau-Amtes“ in Rotterdam.

Die Tatsache, dass das Buch auch in deutscher Sprache erschienen ist, erleichtert mir die Arbeit. Zu verdanken ist dieser Umstand einem gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Großereignis, das 1908 in Rotterdam stattfand:

Die Internationalen Handels- und Schiffahrtsfeste zu Rotterdam 1908

Hunderte hochrangige geladene Gäste aus dem In- und Ausland nahmen daran teil und die Rotterdamer haben alles darangesetzt, ihre Stadt im besten Lichte erstrahlen zu lassen. Heute nennt man dies nüchterner Standortmarketing.

Die „Deutsche Wochenzeitung für die Niederlande u. Belgien“ in Amsterdam hat zur Erinnerung an dieses Ereignis eine aufwändige Sonderausgabe erstellt. Ein Exemplar findet sich in der Universitätsbibliothek Leiden und ist online über http://www.delpher.nl abrufbar.
(https://www.delpher.nl/nl/boeken/view?coll=boeken&identifier=MMUBL07:000000542:00001)

Alle Zitate im Text sind aus dem Buch von van Ysselstein und kursiv wiedergegeben. Abweichungen davon sind angegeben.

Das Buch ist noch antiquarisch zu bekommen, online kann man es in Krakau einsehen:
Biblioteka Politechniki Krakowskiej (https://repozytorium.biblos.pk.edu.pl/).

Copyrighthinweis: Die Inhalte unterliegen der Creative Commons Lizenz CC BY 4.0, Attribution 4.0 International (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.

Der Zugang zum Hafen Rotterdam

Namensklärung

Rotterdam ist über einen Rheinarm mit dem Meer verbunden. 1866 bis 1872 wurde ein Schifffahrtskanal gebaut, der Nieuwe Waterweg, um den Zugang der Stadt zum Meer zu verbessern.

Verwirrenderweise heißt der Mündungsarm des Rheines der durch Rotterdam fließt Nieuwe Maas. Der Name kommt daher, dass dieser Rheinarm in einem alten Bett der Maas fließt.

Namensgebend für die Stadt Rotterdam ist der Fluss Rotte. Dieser wird heute im Stadtgebiet unterirdisch durch einen Kanal in die Nieuwe Maas geleitet.

Im Folgenden interessiert uns der Nieuwe Waterweg, über den die Schiffe den Hafen von Rotterdam erreichten.

Nieuwe Waterweg 1907

aus: Der Hafen von Rotterdam, H. A. van Ysselstein, 3. Auflage 1908, Rotterdam (Nijgh & Ditmar’s Verlags Anstalt)

Der Nieuwe Waterweg

Die Einfahrt in den Nieuwe Waterweg erfolgte bei Hoek van Holland (in der Abbildung oben links). Die Distanz zum Hafen in Rotterdam betrug etwa 20 Kilometer. Etwa auf halbem Weg liegt die Stadt Maassluis.

Für das Befahren des Kanals wurden Lotsen an Bord genommen:

Die Seelotsen bringen die Schiffe bis vor Maassluis. Die Flusslotsen oder sogenannten „Binnenloodsen“, übernehmen alsdann ihre Aufgabe und begleiten die Fahrzeuge bis in das Grundgebiet der Gemeinde. Dann treten die Hafenlotsen der Gemeinde auf.

Hier im Blog hatte ich über ein Logbuch des Schiffes „Neumünster“ berichtet, einem Schwesterschiff des Frachtdampfers „Fürth“. In diesem Logbuch ist die Passage durch den Nieuwe Waterweg dokumentiert:

Logbuch Neumünster 1914

aus: Schiffstagebuch der „Neumünster“, Juni bis August 1914, © State Archives of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1

In der untersten Zeile heißt es:

11.45 Lotse v. d. Lumzo (?) an Bord.

Anmerkung: Das Befahren des Nieuwe Waterweg erfolgte in der Nacht vom 28. auf den 29. Juni 1914. Der Logbucheintrag 11.45 Uhr ist „pm“, also 23.45 Uhr. Bei den Namen der Lotsen bin ich nicht sicher, daher die Fragezeichen.

Logbuch Neumünster 1914

aus: Schiffstagebuch der „Neumünster“, Juni bis August 1914, © State Archives of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1

Steuern nach Lotsenweisungen. 1 h 28 am wechseln Lotsen bei Maassluis. Lotse Heiligehr (?) übernahm die Führung. 2 h 40 Hafenlotse Anadde (?) an Bord.
3 h 30 fest am Rheinquai. Ende der Reise.
Quelle: Schiffstagebuch der „Neumünster“, Juni bis August 1914, © State Archives of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1

Hafen Rotterdam 1908

aus: Der Hafen von Rotterdam, H. A. van Ysselstein, 3. Auflage 1908, Rotterdam (Nijgh & Ditmar’s Verlags Anstalt)

Der Rijnhaven und die Fa. Wambersie & Zoon

Der Rijnhaven ist ein großes Hafenbecken und liegt am linken Maas-Ufer. Hier hatten die Makler der DADG Lagerschuppen von der Gemeinde Rotterdam angemietet.

Den Makler Wambersie & Zoon hatte ich bereits im Blog vorgestellt.
SIEHE: Ein Revisionsbericht von Lloyds aus dem Jahr 1912

Emanuel Wambersie

Emanuel Wambersie, Gründer des Schiffmaklers Wambersie. Das Unternehmen hatte im Lauf seines Bestehens unterschiedliche Teilhaber und Namen.

Zu ergänzen ist, dass es mit dem Unternehmen Phs. van Ommeren noch einen zweiten Makler der DADG in Rotterdam gab, der allerdings nur die ausgehende Fracht nach Niederländisch-Indien betreute. Dies bezog sich lediglich auf die Linie 5 der DADG, die von Hamburg über den Suezkanal direkt dorthin lief.

In Amsterdam war der Makler für eingehende Fracht die Fa. Wm. H. Müller & Co. Dieses Unternehmen hatte ebenfalls im Rijnhaven einen Schuppen, war aber in Rotterdam nicht für die DADG tätig.

Der Schuppen von Wambersie & Zoon lag an der Südseite des Rheinhafens, die beiden Makler Phs. van Ommeren und Wm. H. Müller & Co. hatten Lagerschuppen an der Nordseite des Rheinhafens (siehe Beschriftungen in der Abbildung unten).

Rheinhafen Rotterdam 1908

aus: Der Hafen von Rotterdam, H. A. van Ysselstein, 3. Auflage 1908, Rotterdam (Nijgh & Ditmar’s Verlags Anstalt)

Rijnhaven

van Ysselstein gibt uns eine Beschreibung des Hafenbeckens:

Der „Rynhaven“, tief 8.5 M. unter R. P., der eine Oberfläche von 30 Hektar hat. Der Eingang ist 140 M. breit und die grösste Breite am Ende beträgt 450 M.
In der Mitte des Hafens stehen 19 Anlegepfähle, an denen 15 grosse Seeschiffe Platz finden können. Ebenso wie an den Bojen im Flusse, können diese dann an beiden Seiten in Rheinschiffe überladen. Wenn der jetzt in Anbau begriffene Teil der Kaimauer längs der Südseite vollendet ist, wird der „Rijnhaven“ ganz mit Kaimauern in einer Gesamtlänge von 2 Km. umgeben sein.

Anmerkung: R. P. steht für Rottepegel, der in Rotterdam in Abweichung vom sonst in den Niederlanden gebräuchlichen Amsterdamer Pegel (N. A. P. = Normaal Amsterdams Peil) verwendet wurde. Der Rottepegel liegt 0.603 M. unter N. A. P. (Angabe von van Ysselstein 1908).

Rheinhafen Rotterdam

aus: Der Hafen von Rotterdam, H. A. van Ysselstein, 3. Auflage 1908, Rotterdam (Nijgh & Ditmar’s Verlags Anstalt)

Die Lagerschuppen

Zu den Lagerschuppen gibt es ebenfalls eine Beschreibung und sogar eine Zeichnung.

Längs der Nord- und der Südseite des „Rijnhaven“ sind von der Gemeinde Schuppen gebaut, die an die Firmen Wm. H. Müller & Co. und Wambersie & Zoon vermietet sind. Diese sind gänzlich von den Firmen gestellten Anforderungen gemäss, gebaut worden.
Sie haben eine innere Breite von 24 M. und Perrons in einer Breite von 3 und 1 M. Sie bestehen aus einer Eisenkonstruktion, mit steinernen Mauern an den Enden, und erforderten eine Ausgabe von ca. f 35.- per Quadratmeter.

Die Größe des an Wambersie & Zoon vermieteten Schuppens ist mit 3.680 m2 angegeben.

Die Zeichnung zeigt einen Schnitt durch diesen Schuppen und den Kai.

Lagerschuppen Rotterdam

aus: Der Hafen von Rotterdam, H. A. van Ysselstein, 3. Auflage 1908, Rotterdam (Nijgh & Ditmar’s Verlags Anstalt)

Für die Verladung standen an der Südseite des Rheinhafens vier Hafenkräne zur Verfügung.

Längs der Südseite des „Rijnhaven“ befinden sich drei transportable elektrische Krahne mit einer Hebekraft von 1.500 bis 2.250 Ko. und ein bewegbarer elektrischer Krahn mit einer Hebekraft von 2.500 Ko.

Für Schwerlasten waren im Rotterdamer Hafen 1908 Dampfkräne mit einem Hebevermögen bis zu 60.000 Kg verfügbar.

Kohlenkipper

Rotterdam lag sehr günstig für die Anlieferung von Kohlen, zum Beispiel aus dem Ruhrrevier über Schiff und Schiene. Das Bunkern dürfte hier billiger gewesen sein, als im Heimathafen Hamburg, denn auch die englischen Kohlenhändler versorgten den Hafen von Rotterdam:

Holland profitiert von der Konkurrenz der englischen und deutschen Steinkohlenhändler.

Auch das Schiff „Neumünster“ der DADG hat im Sommer 1914 in Rotterdam gebunkert. Am 29. und 30. Juni 1914 nahm es 1400 Tonnen Kohlen auf, bevor es nach Australien aufgebrochen ist.

Im Fall der „Neumünster“ gehe ich davon aus, dass die Kohlen über Leichter an Bord kamen, da das Bunkern parallel zum Laden erfolgte.

Der Hafen verfügte im Jahr 1908 aber auch über drei Kohlenkipper, deren interessante Technik ich hier kurz vorstelle.

Bei diesen drei Kohlenkippern handelte es sich um zwei hydraulische und einen elektrischen Kipper. Der jüngste und größte unter ihnen war der elektrische Kipper (s. Abb.) mit einem Hebevermögen von 28000 KG und einer Hebehöhe von 12,5 Metern.

Kohlenkipper Rotterdam 1908

aus: Der Hafen von Rotterdam, H. A. van Ysselstein, 3. Auflage 1908, Rotterdam (Nijgh & Ditmar’s Verlags Anstalt)

Zur Funktionsweise:

Die Kräne verfügten über einen Gleisanschluss. Über eine Drehscheibe wurden die einzelnen mit Kohle beladenen Waggons zum Kipper gezogen. Dort wurden sie auf einer Plattform eingehakt und nach oben befördert, wo die Plattform geneigt wurde. Der Waggon schüttete daraufhin seinen Inhalt in eine große Rinne/Rutsche.

Bei dem zweiten und dritten Kipper hat die Rinne eine Länge von nicht weniger als 7.30 M. und eine Breite an der unteren Seite von 1.8 M.

Auf dem Bild des Kohlenkippers No. II am Binnenhaven sieht man gut, wie der auf der Plattform geneigte Waggon seinen Inhalt in die Kohlenrutsche entleert.

Kohlenkipper II Binnenhaven Rotterdam

aus: Der Hafen von Rotterdam, H. A. van Ysselstein, 3. Auflage 1908, Rotterdam (Nijgh & Ditmar’s Verlags Anstalt)

Waren die Waggons entleert, kamen sie nach unten und über die Drehscheibe auf ein geneigtes Auslaufgleis

… bis sie auf dem horizontalen Teile des Geleises gegen einander stossen und da einen Zug bilden, der entweder von Lokomotiven oder von Pferden gezogen werden kann.

Ein Kipper konnte bis zu 20 Entladevorgänge pro Stunde durchführen, in der Regel wurden jedoch nur zehn erreicht, da die Kohlen nach einem Schüttvorgang im Schiffsraum getrimmt (verteilt) werden mussten.

Die Kohlenkipper gehörten der Gemeinde Rotterdam und ihre Benutzung war kostenpflichtig:

Für den Gebrauch der Kohlen-Kippen muss f 0.10 per 1000 Ko. während des Tages, und f 0.15 während der Nacht bezahlt werden.

Die großen Antriebsmotoren des elektrischen Krans waren in einem Maschinenhaus untergebracht (linke Zeichnung).

Kohlenkipper Rotterdam

aus: Der Hafen von Rotterdam, H. A. van Ysselstein, 3. Auflage 1908, Rotterdam (Nijgh & Ditmar’s Verlags Anstalt)

Lotsengeld, Seehafengeld, Kaigeld und andere Abgaben

Die Gebühren für den Kohlenkipper bringen uns zum Thema Abgaben und Steuern.

Die Benutzung des Hafens und seiner Serviceeinrichtungen unterlag einer festen Gebührenordnung, die von der Gemeinde Rotterdam als Betreiber des Hafens eingefordert wurden.

Hinzu kamen Kosten für private Dienstleistungen, wie zum Beispiel Schiffsassistenz (Schleppdienste).

Anmerkung: van Ysselstein beschreibt und beziffert die Gebührenordnung der Gemeinde. Die DADG und Wambersie & Zoon hatten sicher versucht, mit der Gemeinde Rotterdam Sonderkonditionen zu verhandeln, da die Schiffe der DADG mit den Hauptlinien 1 und 2 Rotterdam regelmäßig anliefen. Die reellen Kosten für Reederei und Makler dürften daher unter den offiziellen Tarifen gelegen haben.

Wambersie & Zoon Rotterdam, advertisement

Anzeige von Wambersie & Zoon, Rotterdam, Nieuwe Rotterdamsche Courant, 30.10.1910

Lotsengeld

Für den Zugang vom Meer zum Hafen waren drei Lotsen notwendig (siehe oben). Deren Dienste waren tariflich gestaffelt.

Es gab verschiedene Tarife für die Fahrt vom Meer nach Rotterdam bzw. umgekehrt. Die Fahrt von Rotterdam zum Meer war günstiger. Zudem waren die Lotsengelder in Sommer- und Wintertarife unterteilt, wobei die Wintertarife verständlicherweise höher lagen.

Nieuwe Waterweg Lotsengeld 1908

aus: Der Hafen von Rotterdam, H. A. van Ysselstein, 3. Auflage 1908, Rotterdam (Nijgh & Ditmar’s Verlags Anstalt)

Anmerkung: Die Tarifangaben in der Tabelle sind nur auszugsweise wiedergegeben sind. Eigentlich waren die Tarife sehr viel detaillierter nach Dezimeter Tiefgang gestaffelt. Aber wir erhalten zumindest einen Anhaltspunkt.

Lotsengeld für das Schiff „Neumünster“ im Juni 1914

Für die oben erwähnte Fahrt der „Neumünster“ ergäbe dies nach den Angaben im Logbuch die folgende Gebühr:

Der größte Tiefgang des Schiffes betrug bei der Ankunft in Rotterdam am 29. Juni 1914 hinten 16“10‘, das entspricht 5,13 m. Laut Tabelle ergibt das ein Lotsengeld in Höhe von f 196,60 (Tiefgang 6 Meter und weniger für Dampfschiff im Sommer).

Der Wechselkurs des Niederländischer Gulden lag bei etwa 1,69 M. f 196,60 waren also 332,25 Mark.

Bei der Abfahrt der „Neumünster“ betrug der größte Tiefgang 21“10“ = 6,65 m, denn das Schiff hatte Kohlen gebunkert und zwei Tage Fracht geladen.

Der Tarif bei Ausfahrt der Schiffe von Massluis nach dem Meere betrug bei einem Tiefgang von über 6 Metern f 210,- (354,90 Mark).

Hafenlotse

Der Hafenlotse war ebenfalls kostenpflichtig, allerdings deutlich günstiger.

Kommt das Schiff in Rotterdam an, so wird es von den Hafenlotsen nach seinem Platze gebracht.

Der Tarif für einfahrende Schiffe über 1000 Tonnen netto lag bei f 4.- und derjenige für ausfahrende Schiffe bei f 2.50.

Nachts wurde ein Zuschlag erhoben und die Fahrtkosten für den Lotsen kamen ebenfalls dazu:

Für Dienste während der Nacht wird das Lotsengeld um f 1.50 erhöht für mehr als eine halbe Nacht, und um f 0.75 für die halbe Nacht oder weniger.
Die Kosten für das Abholen und die Rückkehr das Lotsen kommen zu Lasten desjenigen, der den Lotsen bestellt.

Seehafengeld

Sobald das Schiff Gebrauch macht „von den Häfen, Kais, Pfählen, oder einer dieser zunutzen der Schiffahrt gemachten Gemeindeanlagen wird Steuer erhoben, …
Auf Grund dieser Verordnung wird das Seehafengeld erhoben nach der Brutto-Inhaltsgröße der Fahrzeuge, sowie diese im Reichsmessbrief angenommen wird.

Im Fall des Dampfschiffes „Neumünster“ waren das 4224 Brutto-Registertonnen.

Das Seehafengeld lag für Dampfschiffe über 1000 Kubikmeter bei f 0,03 pro Kubikmeter, für die „Neumünster“ also knapp f 127,- (215,- Mark). Für diesen Betrag durfte das Schiff maximal drei Monate im Hafen bleiben.

Die Einkassirung des Seehafengeldes geschieht durch den Reichs-Einnehmer der Eingangszölle, der diese Gemeinde-Funktion mit Zustimmung der Regierung wahrnimmt.

Mit der Seehafensteuer war es jedoch noch nicht getan.

Anzeige_Wambersie_02021913_nieuwe rotterdamsche courant

Anzeige von Wambersie und Sohn, dem Makler der DADG in Rotterdam, in der Zeitung Nieuwe Rotterdamsch Courant vom 2. Februar 1913

Kaigeld

Für die Fahrzeuge, die regelmässig von ein und demselben Kai Gebrauch zu machen wünschen, wird Kaigeld erhoben, …

Das Kaigeld musste jährlich entrichtet werden und bemaß sich nach der benötigten Kaitiefe und nach der Länge des Fahrzeuges.

Bei einer verlangten Kaitiefe von 8 Metern und mehr waren pro Meter f 40,- Steuer fällig.

Der Kai im Rijnhaven hatte eine Tiefe von 8,5 Metern und das längste Schiff der DADG im Jahr 1908 eine Länge von rund 124 Metern.

Das jährliche Kaigeld belief sich demnach für die DADG auf etwa f 4960,- (rund 8.380 Mark).

Weitere Abgaben

Nutzung öffentlichen Raumes

Eine weitere Gemeinde-Abgabe bezog sich auf den Gebrauch öffentlichen Raumes:

Steuern für den Gebrauch von öffentlichen Gemeinde-Grundstücken oder öffentlichen Gemeinde-Gewässern oder für, mit Bezug darauf, von der Gemeinde bewiesene Dienste

In den Häfen waren dies Tarife für den Gebrauch von Kais und öffentlichen Gewässern.

Die Erhebung für die Einnahme der öffentlichen Kais findet statt wie folgt:
a. für gelöschte oder zur Einladung angebrachte Waren, während längerer Zeit als 3 Tagen, per Quadratmeter, per Woche oder kürzere Zeit f 0,05

Nachdem der Lagenschuppen am Rijnhaven ganzjährig an die Fa. Wambersie & Zoon vermietet war, nehme ich an, dass diese Gebühr in die Mietkosten für den Schuppen umgelegt wurde.

Das gleiche könnte für die Krangebühren gegolten haben:

Krangebühren

Die Benutzung der Kräne unterlag dem Tarif und den Bedingungen

für den Gebrauch von Lagerraum und Maschinen unter Verwaltung der städtischen Handels-Anlagen

Für die Kräne im Rheinhafen galten folgende Tarife:

Für den Gebrauch der transportablen Krahne (Dampf-, hydraulische- oder elektrische Kraft) mit einem Hebevermögen von 1500 Ko. wird eine Vergütung verlangt von f 10.- per Tag und f 6.- für den halben Tag.
Für den Gebrauch der elektrischen Krahne mit einem Hebevermögen von 2500 Ko. wird verlangt f 0.02¾ per 100 „Watt“-Stunden, laut Anweisung des Elektrizitätsmessers, jedoch mit der Bestimmung, dass nie weniger als f 10.- vergütet wird.

Rheinhafen Rotterdam 1900

Rijnhaven Rotterdam, zwischen 1890-1900, Photochromdruck, Quelle: Library of Congress Prints and Photographs Division Washington, D.C. 20540 USA; http://hdl.loc.gov/loc.pnp/ppmsc.05849

Gas und Strom

Die älteren Kais am rechten Maas-Ufer wurden noch mit Gas beleuchtet. Dazu heißt es bei van Ysselstein:

Dies wird geliefert für f 0.07 per Kubikmeter. Mann kann jedoch auch Lichter in Abonnement brennen lassen, falls diese stets sichtbar und zugänglich sind von der Verkehrsstrasse aus. Wenn diese ebenso lange brennen wie die öffentlichen Straßenlaternen, so bezahlt man f 0.02 per Stunde; für die Lichter, die stets bis Mitternacht brennen, wird f 0.03 per Stunde vergütet. Die Kosten des Anzündens, Auslöschens und Reinhaltens sind in diesen Preisen inbegriffen.

Im Rijnhaven auf der linken Flussseite war die Beleuchtung bereits elektrisch. Der Strom konnte über ein Jahresabonnement bezogen werden.

Bei einem Jahres-Abonnement wird per angeschlossene 100 Volt-Ampère-Stunde f 27.- per Jahr für Erleuchtung, und f 12.- für Betriebskraft berechnet. Gemäss dieses Abonnements kann per Jahr 12.000 Volt-Ampère-Stunden gebraucht werden. Wird mehr verbraucht, so wird dies berechnet zu f 0,08 per 100 Volt-Ampère-Stunde.

 

Wasser

Die Wasserversorgung erfolgt ebenfalls über die Gemeinde. Davon ausgeschlossen war die Versorgung von Schiffen.

Die Seeschiffe werden von Privatleuten mit Trinkwasser versehen mittelst Dampfer, die Reservoirs mit Trinkwasser an Bord haben und dies in die Wasserbehälter der grossen Schiffe überpumpen. Hierfür wird f 1.- pro Kubikmeter berechnet. Für diesen Preis wird das Wasser frei an Bord gebracht.

Sonstiges

Es existierten weitere Abgaben im Rotterdamer Hafen wie zum Beispiel das Brückengeld.

Im Hafengebiet gab es zahlreiche Brücken, die für die Durchfahrt von Schiffen geöffnet werden mussten. Einige davon waren gebührenfrei, bei anderen musste für die notwendige Öffnung der Brücke bei der Durchfahrt bezahlt werden.

Ebenfalls kostenpflichtig waren die Benutzung von Schleusen, der Gebrauch von Gemeinde-Schwimmdocks, die Ausstellung von Erlaubnisscheinen oder die Abstellung von Wachpersonal.

Schleppdienste

In Teilen des Hafens unterhielt die Gemeinde Rotterdam auch Schleppdienste. Überwiegend waren diese jedoch in privater Hand.

Bei der Abfahrt aus Rotterdam nahm die „Neumünster“ im Juni 1914 die Dienste zweier Schlepper an: „Mars“ und „Leonhardt“.

Insgesamt waren im Rotterdamer Hafen 1908 über 350 Schlepper im Einsatz:

Nicht weniger als 351 Schleppschiffe sind hier domiziliert, 11 weitere gehören zwar nicht hier, finden aber immer im Hafen Beschäftigung.

Auch im Winter war das Schleppen Routine:

Viele der hier stationierten Schleppschiffe, werden im Winter mit Eisbrechern versehen und verrichten dann in der Weise gute Dienste, dass sie den Fluss und die Häfen offen halten, oder dass sie die Schiffe quer durch die Eismassen hin- und herschleppen.

Nieuwe Maas Rotterdam

aus: Der Hafen von Rotterdam, H. A. van Ysselstein, 3. Auflage 1908, Rotterdam (Nijgh & Ditmar’s Verlags Anstalt)

Unter den Firmen, die 1908 Schleppschiffe unterhielten, war auch

die Firma L. Smit & Co. mit 29 Schleppschiffen

Falls Ihnen dieser Name bekannt vorkommt: Das Unternehmen Smit ist heute eines der führenden Unternehmen für Schlepp- und Bergungsdienste weltweit. 2012 war es an der Bergung der Costa Concordia vor der Insel Giglio beteiligt.