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line ceremony 1905, NDL ship Zieten

Dampfschiff „Fürth“: im Mannschaftslogis

Die Unterbringung der Seeleute

Bildnachweis Titel: Seeleute bei einer Äquatortaufe an Bord der „Zieten“ (Norddeutscher Lloyd), ca. 1905, State Library of South Australia, [PRG 280/1/43/284]

Vor einiger Zeit habe ich über die Unterbringung des Kapitäns, der Deckoffiziere und der Maschinisten berichtet. SIEHE: Dampfschiff „Fürth“: In der Kapitänskajüte

Heute geht es um das andere Ende der Hierarchie: die Matrosen und Heizer/Trimmer, die unter der Back im Vorschiff untergebracht waren.

Die Lage der Mannschaftsräume ist auf dem Stauplan der „Fürth“ gut ersichtlich (in der Abbildung oben rechts).

logbook Furth

Logbuch der „Fürth“, Stauplan C (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

Schwieriger sind die Mannschaftsräume auf den Fotos auszumachen:

Der Frachtdampfer « Fürth » (Ausschnitt), © R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, S. 30, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984, Aufnahme aus der Sammlung A. Kludas.

Die kleinen Bullaugen der Mannschaftsräume im Vorschiff sind in den alten Aufnahmen nur vereinzelt und schwer zu erkennen. Gut zu sehen sind dagegen die weißen Stangen über der Back, über dem Brückenhaus und auch auf dem Bootsdeck. Zum Inventar der Schiffe gehörten Sonnensegel, die über diese Stangenkonstruktionen gespannt werden konnten.

Vor- und Nachteile der Dampfschiffe

Der Beginn des 20. Jahrhunderts war eine Zeitenwende in der Schifffahrt: die (meist) aus Holz gebauten Segelschiffe wurden von den stählernen Konstruktionen der Dampfschiffe abgelöst und die Atmosphäre an Bord änderte sich grundlegend.

Während der Geruch von fauligem Holz alter Segler auf Dampfschiffen weitgehend entfiel, hatte Holz den Vorteil, ein schlechter Wärmeleiter zu sein und das Klima in den Unterkünften war gleichmäßiger. Gerade in den tropischen und subtropischen Fahrgebieten der „Fürth“, dürfte es in den Logis sehr heiß geworden sein. Daher gab es auch die Möglichkeit zur Abschattung durch Sonnensegel. Kalt wurde es dagegen im nordeuropäischen Winter oder bei Fahrten durch die „Roaring Forties“ im südlichen Indischen Ozean. Für diese Fälle waren die Unterkünfte mit Dampföfen ausgestattet.

Ein anderes Problem von Stahlschiffen ist das Kondensieren von Schwitzwasser, das tropft oder zumindest die Luftfeuchtigkeit stark erhöht.

Neu waren auf Dampfschiffen auch die Unannehmlichkeiten, die von der Dampfmaschine ausgingen: der Lärm, der durch Stahl weit getragen wurde, ebenso wie Vibrationen. Hinzu kam der Geruch von Schmierstoffen und Rauch sowie die Anwesenheit von Kohlenstaub.

Informationen nach: Schiffahrt in Schleswig-Holstein 1864-1939; C. Spethmann, Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades an der Philosophischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 2002; https://macau.uni-kiel.de/servlets/MCRFileNodeServlet/dissertation_derivate_00000843/d843.pdf

Grundlagen der Rekonstruktion

Eine Vorstellung über die Ausstattung der Mannschaftsräume gibt uns die Inventarliste eines Schwesterschiffes der „Fürth“, der „Neumünster“. Darin sind die Ausrüstungsgegenstände für Matrosen- und Heizerlogis aufgelistet. Die Listen sind allerdings sehr kurz, da die Ausstattung der Räume auf das Allernötigste beschränkt war.

Für weitere Informationen können wir auf die gesetzlichen Mindestanforderungen zurückgreifen, die von Reedern und Schiffbauern umgesetzt werden mussten.

Diese waren im Juli 1905 in einer gesetzlichen Bekanntmachung neu geregelt worden. Sie hatte den Titel:

Bekanntmachung, betreffend die Logis-, Wasch- und Baderäume sowie die Aborte für die Schiffsmannschaft auf Kauffahrteischiffen.

Quelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1905, Nr. 29, Seite 563-568 über https://de.wikisource.org/wiki/Bekanntmachung,_betreffend_die_Logis-,_Wasch-_und_Bader%C3%A4ume_sowie_die_Aborte_f%C3%BCr_die_Schiffsmannschaft_auf_Kauffahrteischiffen

Weitere Informationen gibt uns der Generalplan der „Reichenbach“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, der die Lage und Abmessungen der Unterkünfte unter der Back enthält.

Reichenbach, 1907, Generalplan, FSG Flensburg

Generalplan der „Reichenbach“ (Ausschnitt), einem Schwesterschiff der „Fürth“, © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg (Ref. FSG_267). Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass sämtliche Bildrechte beim Schifffahrtsmuseum Flensburg liegen und jegliche Nutzung dieses Bildes der Genehmigung des Rechteinhabers bedarf.

Der Plan zeigt die Lage der Bullaugen deutlich besser, als das Foto oben. Links neben der Back ist das Welldeck mit der Luke 1 zu sehen.

Trennung von Decks- und Maschinenmannschaft

Üblich war eine getrennte Unterbringung von Deck- und Maschinenmannschaft, die eine auf der Steuerbordseite und die andere auf der Backbordseite.

Die Mannschaften eines Dampfschiffes, seien es nun Heizer oder Matrosen, waren im sogenannten „Volkslogis“ untergebracht, das sich bei Frachtschiffen normalerweise unter der Back im Vorschiff befand. Heizer- und Matrosenlogis waren dabei oft nur durch ein Längsschott voneinander getrennt.

Quelle: Die Industrialisierung der Handelsschifffahrt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das Beispiel der „Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Aktiengesellschaft“ (HAPAG), Christoph Merkel, Wissenschaftliche Hausarbeit, Helmut-Schmidt-Universität,Universität der Bundeswehr Hamburg (2004); abgerufen über edoc.sub.uni-hamburg.de/

Auf der Abbildung oben erkennt man, dass es für die „Fürth“ genauso war, allerdings lag zwischen Heizer- und Matrosenlogis ein Mittelgang.

Matrosenlogis

Die Größe des Matrosenlogis betrug laut der Verordnung pro Seemann mindestens 3,5 Kubikmeter Luftraum und 1,5 Quadratmeter Bodenfläche. Die mittlere Mindesthöhe war zwei Meter und der Raum musste Tageslicht erhalten.

Zusätzliche Anforderungen waren wie folgt beschrieben:

Die Fußböden der Logisräume müssen ein hölzernes Deck haben oder mit einem dichten, leicht rein zu haltenden, schlecht wärmeleitenden Belage versehen sein. Die Wände und Decken der Logisräume müssen mit einem hellen Ölfarbenanstriche versehen sein; freiliegende eiserne Decken müssen mit einem das Tropfen verhindernden Schutzbelage bekleidet sein. (Artikel 7).

Inventory Neumunster 1914

Inventarbuch des Schiffes „Neumünster“, nummerierte Seite 37, Ausschnitt © mit freundlicher Genehmigung des State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.19

Die Spalte direkt rechts neben den Gegenständen ist der Sollbestand, dann folgen nach rechts die Istbestände für die Reisen zehn bis vierzehn sowie eventuelle Abgänge und Neuanschaffungen für die nächste Reise.

Kurz und schmal: 1,83 Meter x 0,60 Meter

Das Logis der Matrosen verfügte über 10 Kojen. Die Bekanntmachung von 1905, Paragraph 1, Artikel 8 gibt eine bessere Vorstellung über deren Größe:

Jedem Schiffsmann ist eine eigene Koje zum alleinigen Gebrauche zu gewähren. Doppelkojen ohne Scheidewand sind unzulässig. Die Länge einer Koje darf nicht unter 1,83 Meter, die Breite nicht unter 0,6 Meter im Lichten betragen.

Der Abstand zwischen dem Fußboden und der unteren Koje muß mindestens 25 Zentimeter betragen; er darf bis auf 15 Zentimeter herabgehen, wenn drei Kojen übereinander liegen, die aus Eisen gefertigt und leicht entfernbar sind. Der Abstand zwischen je zwei übereinander befindlichen Kojen sowie derjenige zwischen dem Boden der oberen Koje und der Decke des Logisraums muß mindestens 75 Zentimeter betragen. Mehr als drei Kojen übereinander sind unzulässig. [565]

Das Kojenzeug ist tunlichst häufig gründlich zu lüften und zu reinigen und, sofern erforderlich, zu desinfizieren.

Dieses „Kojenzeug“ musste von den Matrosen selbst mitgebracht werden. Bei Spethmann heißt es zu den Kojen (Quelle s. o.):

Auch bei zweireihiger Anordnung waren die Kojen aber recht niedrig und verfügten nur über einen engen Zugang. Ein Problem stellte die ungenügende Zufuhr von frischer und das Aufsteigen der erwärmten Luft dar, so daß die oberste Koje von den Seeleuten nicht gerne belegt wurde. Aber auch die untere Koje war wenig beliebt, weil sie Staub und Schmutz am meisten ausgesetzt war.

Zudem waren die einzelnen Kojen auf Wunsch der Mannschaft hin oft mit Vorhängen versehen. Dies gewährleistete zwar ein Minimum an „Privatsphäre“, machte aber die Zirkulation von Luft unmöglich. Das Bettzeug mußte von den Seeleuten selbst mitgebracht werden. Einen regelmäßigen Wechsel oder neues Bettzeug konnten sich nur wenige Seeleute leisten.

 

Möbel und weitere Ausstattung

Jeder Matrose hatte für seine Sachen einen „Zeug-Schrank“, es gab davon zwei mehr, als Kojen vorhanden waren (12; wir werden allerdings sehen, dass bei den Heizern zwei weniger vorhanden waren).

Ein Tisch und zwei Bänke, eine Hängelampe und ein Ofen waren das weitere, spärliche Mobiliar.

Hinzu kamen ein Trinkeimer, ein Kaffee- und ein Teekessel, drei Blechbaggen, ein Auffüllöffel, ein Kasten für Bekanntmachungen und ein Spucknapf. Ende.

Anmerkung: Der Begriff der Bagge ist mir nicht geläufig, es dürfte es sich um einen Krug/eine Kanne handeln.

Die Ausstattung war auch in Artikel 11 der oben zitierten Bekanntmachung beschrieben:

Die Ausstattung der Logisraume mit Tischen, Bänken, Schränken und dergleichen soll billigen Anforderungen entsprechen. In jedem Logisraume müssen, sofern nicht ein besonderer Eßraum oder eine sonstige Gelegenheit zur Einnahme von Mahlzeiten an einem vom Schlafraume getrennten Platze vorhanden ist, Tische und Sitzgelegenheiten für mindestens die Hälfte der Belegschaft zur Verfügung stehen. Auch ist in jedem Logisraume mindestens ein Spucktopf aufzustellen, der täglich zu reinigen ist.

Den vollständigen Text der Bekanntmachung finden Sie hier: https://de.wikisource.org/wiki/Bekanntmachung,_betreffend_die_Logis-,_Wasch-_und_Bader%C3%A4ume_sowie_die_Aborte_f%C3%BCr_die_Schiffsmannschaft_auf_Kauffahrteischiffen

Auf dem Dampfer „Altenburg“ – eine Erinnerung

Die folgende Szene beschreibt ein Logis auf dem Postdampfer „Altenburg“ im Jahr 1905:


Unser Logis befand sich an der Steuerbordseite vorne unter der Back. Der Niedergang zum Kabelgatt und zum Kettenkasten ging von der Back durch unser Logis. Die Backluke war auf See bei schönem Wetter geöffnet, der Niedergang zum Logis aus stand durchweg offen, er war nur durch eine Sicherheitskette gegen ein Abstürzen gesichert. Durch diese nicht kleine Öffnung roch es im Logis aus dem Kabelgatt heraus kräftig nach Teer oder Teertau. Mir machte es nichts aus, ich roch es gerne. Ich kann nicht erinnern, daß die Matrosen gegen diesen strengen Geruch protestiert haben, es gehörte sich wohl so. Selten hatte der eine oder andere Matrose eine Seekiste mit, sie begnügten sich mit einem Zeugsack. Üblich war es auf Dampfern, daß für die Besatzungsmitglieder abschließbare Einzelspinde vorhanden waren. Die Mehrheit der Matrosen hatte nur das Notwendigste an Ausrüstung mit. War das Zeug auf See nass geworden, hängte man es in den Stockraum, nach sehr kurzer Zeit konnte es man schon wieder anziehen, es war trocken. Das Wenige, es war kein Problem. …
Quelle: Bürger der Ozeane und Meere, Vom Schiffsjungen zum Kapitän und Lotsen, Band 1: Vor dem Mast, Kapitän Hans Blöss, 2013; Verlag Christian Blöss; abgerufen über books.google.fr.

SMS Arcona, 1910, sailors

Deutsche Seeleute auf SMS „Arcona“, Bain News Service, um 1910; Library of Congress, https://www.loc.gov/item/2014696882/

Im Heizerlogis

Das Heizerlogis war größer als das Matrosenlogis und hatte 16 Kojen, allerdings nur 14 Zeug-Schränke (s. o.).

Es verfügte über zwei Tische und drei Bänke.

Neben dem Trinkeimer wurde ein Suppeneimer handschriftlich ergänzt, allerdings war er nie im Istbestand.

Die detaillierte Aufstellung können Sie der Abbildung entnehmen.

Inventory book Neumunster 1914

Inventarbuch des Schiffes „Neumünster“, nummerierte Seite 38, Ausschnitt © mit freundlicher Genehmigung des State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.19

Wasch- und Baderäume

Auf jedem Kauffahrteischiff ist der Schiffsmannschaft Gelegenheit zur körperlichen Reinigung und zum Zeugwaschen zu gewähren.

Die Inventarliste und der Plan oben geben Auskunft, dass für Matrosen und Heizer ein separater Waschraum verfügbar war. Die Liste ist kurz: eine Badewanne, eine Dusche, ein Ofen und eine Lampe. Vier Waschbecken für die Matrosen und sechs für die Heizer.

Inventory book, ship Neumunster 1914

Inventarbuch des Schiffes „Neumünster“, nummerierte Seite 42, Ausschnitt © mit freundlicher Genehmigung des State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.19

Auf dem Generalplan der „Reichenbach“ sieht man, dass die Waschräume ganz vorne im Bug lagen.

WCs

Zu den Aborten heißt es 1905:

Die Waschgelegenheit kann mit den Aborten in demselben Raume liegen, sofern dem Schicklichkeitsgefühle durch die Art der Anordnung und durch die Verwahrung der Aborte Rechnung getragen ist.

Aus dem Generalplan der „Reichenbach“ (siehe oben) geht hervor, dass beide voneinander räumlich getrennt waren. 

Die Bekanntmachung von 1905 verlangte die tägliche Reinigung von Bädern, Aborten und Pissoiren.

Condor, 1912, sailors on deck

Deutsche Seeleute an Bord SMS „Condor“ in Port Adelaide, um 1912; State Library of South Australia, [PRG 280/1/14/218]

Boots- und Zimmermann

Boots- und Zimmermann waren ebenfalls unter der Back untergebracht. Sie teilten sich eine Kammer neben dem Matrosenlogis. 

Ausstattung der Boots- und Zimmermannskammer, Schiff „Neumünster“, © mit freundlicher Genehmigung des State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.19

Die beiden Seeleute hatten im Vergleich zu den Matrosen eine deutliche reichere Ausstattung ihrer Unterkunft. Die List geht auf der nächste Seite des Inventarbuches noch weiter.

Ausstattung der Boots- und Zimmermannskammer (Fortsetzung), Schiff „Neumünster“, © mit freundlicher Genehmigung des State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.19

Umkleiden

Nicht im Inventarbuch aufgeführt, aber auf dem Generalplan der „Reichenbach“ unter der Bootsmannskammer zu sehen, sind zwei Räume. Sie sind leider nicht beschriftet, allerdings ist aus dem Plan ersichtlich, dass sie wie die Waschräume ebenfalls gefliest sind. Es dürfte sich um zwei Umkleiden handeln, eine für die Heizer und eine für die Matrosen.

Eine Einrichtung, die nicht auf allen Schiffen vorhanden war. Sie hatte den Vorteil, dass die schmutzige und/oder nasse Arbeitskleidung nicht in den Logis gewechselt werden musste.